Was tun wenn kind angst hat

Pia Kotzur konnte als Redakteurin bei NetMoms viele Erfahrungen dazu sammeln, was Mütter im Alltag bewegt. Nach ihrem Studium der Geschlechterforschung und Kulturwissenschaften tauchte sie mit Freude in den Kosmos der Eltern- und Familienthemen ein und leitet heute die NetMoms Redaktion. Selbst Teil einer großartigen (und manchmal herausfordernden) Patchworkfamilie, interessieren sie besonders unkonventionelle Familienmodelle. Ihr Credo dabei: Wenn es sich richtig anfühlt, dann ist es auch gut.

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Aktualisiert: 16.11.2020

Dein Kind soll eigentlich schlafen, aber es fürchtet sich vor dem Schrank? Voller Angst ruft Dein Kind nach Dir: „Mama, da ist ein Monster unter meinem Bett!“ Draußen tobt ein Sturm, und Dein Kind erschreckt sich vor dem Heulen? Was in Deinem Kind vor sich geht und wie Du angemessen reagieren kannst, erfährst Du hier.

Die Welt zu entdecken ist für Dein Kind einerseits aufregend und anstrengend, andererseits kann es bei Deinem Kind auch Ängste auslösen. Eine neue Umgebung, ein heulender Sturm, flackernde Schatten an der Wand, Probleme in der Familie, eine unfreundliche Betreuerin, ein spannender Film kurz vor dem Schlafengehen, Sorgen weil die Eltern sich ständig streiten, das alles sind gute Gründe für Dein Kind Angst zu haben. Und wer Angst hat, kann nicht einschlafen. Schlaf kann niemand erzwingen. Wird Dein Kind für seine Ängste bestraft, übertrieben umsorgt oder verspottet, verstärken sich seine Ängste noch. Im schlimmsten Fall bekommt Dein Kind schlimme Alpträume oder Durchschlafstörungen, die seine Gesundheit beeinträchtigen können. Erst mit ungefähr zehn Jahren ist Dein Kind so weit entwickelt, dass es sich vor echten Gefahren ängstigt, seine Angst sozusagen „vernünftig“ ist, etwa vor einem aggressiven, angriffslustigen Hund, Tod oder Krieg.

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Angst vorm Einschlafen: Was in Deinem Kind vor sich geht

Fühlt sich Dein Kind sicher, dann kann es einschlafen. Angst verunsichert Dein Kind. Dann braucht es von Dir und Deinem Partner eine Bestätigung, dass es sich wieder sicher fühlen kann. Für Dein Kind ist es sehr wichtig, dass Du seine Ängste ernst nimmst. Es hat fast grenzenloses Vertrauen in Dich und Deinen Partner, deshalb glaubt es auch, dass Ihr alle Monster und Sorgen verscheuchen könnt.  Je nach Alter unterscheiden sich die Ängste eines Kindes. In manchen Entwicklungsphasen kann das für Dich sehr anstrengend sein:

  • Im Alter von zwei Jahren fürchtet sich Dein Kind vor allem vor der Dunkelheit. Um sich wieder sicher zu fühlen, ruft es nach Dir oder Deinem Partner und will nicht, dass Ihr weggeht. Aber auch die Angst vor der Trennung von den Eltern, vor Alpträumen oder Tieren können Dein Kind so ängstigen, dass es nicht einschlafen kann.
  • Bis zum vierten Lebensjahr ist Dein Kind im magischen Alter. Das bedeutet, zwischen Fantasie und Wirklichkeit wird nicht richtig unterschieden. Das, was Dein Kind denkt, fühlt, wünscht oder träumt ist für Dein Kind genauso real wie das, was wirklich passiert. Besonders, wenn Dein Kind eine blühende Fantasie hat, hat es Ängste, die Dir vielleicht völlig unsinnig erscheinen, etwa dass Löwen unter seinem Bett liegen, oder das ein Räuber hinter dem Vorhang lauert. Für Dein Kind dagegen sind diese Gefahren real, und seine Angst ist echt.
  • Ab ungefähr sechs Jahren gibt es das sogenannte verzögerte Einschlafen. Dein Kind wälzt sich unruhig hin und her, kann nicht einschlafen und durchlebt in seiner Fantasie die schrecklichsten Geschichten. Diese Ängste hindern Dein Kind am Einschlafen. Ausgelöst werden sie häufig durch ungelöste Alltagssorgen oder durch eine fremde Umgebung.

In extremen Fällen kannst Du eine Erziehungsberatungsstelle aufsuchen oder Deinen Kinderarzt befragen.

Eltern haben eine Grundsehnsucht danach, ihren Kindern negative Gefühle zu ersparen. Sie möchten, dass ihre Kinder glücklich, zufrieden und angstfrei aufwachsen. Doch das ist leider unrealistisch, denn Angst zu empfinden ist fester Bestandteil der kindlichen Entwicklung. Wir fühlen uns oft überfordert, wenn wir erleben, wie unsere Kinder Angst haben und sind unsicher, wie wir ihnen bei der Bewältigung helfen können. Logik spielt bei der Angstbewältigung oft nur eine untergeordnete Rolle, weswegen sie bei der Problemlösung häufig versagt. Aber unsere Kinder sind gut gerüstet - sie entwickeln oftmals viel Fantasie, Humor, Mut und Magie verschiedene Strategien dafür. 

Was tun wenn kind angst hat

 

Das Gefühl "Angst" und seine Funktion 


In den ersten Lebensjahren durchleben Kinder viele verschiedene Ängste. Ein Teil davon ist entwicklungsbedingt, ein anderer erziehungsbedingt. Ängste sind auch vom Temperament des Kindes, seiner genetischer Anlage und dem Familienklima beeinflusst.


Das Angstgefühl hat evolutionsbiologisch gesehen eine wichtige Funktion. Es gewährleistet unser Überleben, da es uns davor schützt, dass wir uns in unnötige Gefahr begeben. Angst lässt uns Risiken abwägen und verschiedene Vorgehensweisen kritisch überdenken. Wer Angst empfindet, wird vorsichtiger und analysiert Gefahren genauer. Würden wir keine Angst empfinden, wäre die Menschheit schon ausgestorben.

Wir sollten uns bewusst machen, dass das Angstgefühl zu unserem Schutz ist und uns davon lösen, es als etwas Negatives anzusehen, das bekämpft werden muss. Unsere Aufgabe ist es nicht, unsere Kinder vor Ängsten zu bewahren - wichtig ist vielmehr, sie zu begleiten und ihnen Sicherheit und Rückhalt zu geben. So lernen sie mit der Angst umzugehen, sie zu bewältigen und gehen gestärkt aus der Konfrontation mit ihr hervor. Es ist illusorisch anzunehmen, dass wir eine Welt ohne Ängste für unsere Kinder schaffen können. Selbst wenn uns das gelänge, wäre das alles andere, als gesund für sie, da sie so nicht lernen, Gefahren einzuschätzen.


Versteckte Ängste


Ängste sind nicht immer sofort offensichtlich erkennbar - manchmal verstecken sie sich hinter bestimmten Verhaltensweisen:


Regression


Dabei scheinen sich Kinder zurück zu entwickeln und benehmen sich nicht altersangemessen. Sie nässen ein, reden in Babysprache, wollen wieder gewickelt, gefüttert oder getragen werden. Dieses Verhalten wird häufig bei der Geburt von Geschwistern beobachtet und ist ein deutlicher Ausdruck von Trennungsangst


Rückzug


Angst kann sich auch durch ein deutliches Zurückziehen der Kinder - meist verbunden mit einem mangelnden Selbstbewusstsein - äußern. Sie trauen sich kaum etwas zu, suchen keinen Kontakt zu anderen und sind sehr still und passiv.


Überangepasstheit


Auch das Bemühen, sehr angepasst und unauffällig zu sein, kann durch Ängste verursacht werden. Die Kinder sind dabei übermäßig brav, wollen nicht auffallen, sind leise und bewegen sich teilweise sogar in gebückter Haltung


Aggression


Aggressives Verhalten kann auch der Angstkompensation dienen. Auch Ungeduld, Hektik und übermäßige Albernheit treten dabei auf.


Distanzlosigkeit


Distanzlosigkeit wird oft von schlecht gebundenen Kinder gezeigt. Sie gehen ohne Vorbehalte auf jede Person zu und suchen aktiv körperliche Nähe durch Küsse und Umarmungen und wirken dabei vollkommen vertrauensselig und angstfrei. Dabei suchen sie Nähe und Schutz, weil sie unter Trennungsängsten leiden.


All diese Verhaltensweisen können auf Angst als Ursache hinweisen - müssen es aber nicht. Oft stecken auch andere Ursachen dahinter. 

Entwicklungsbedingte Ängste 


Kinder durchleben in den ersten fünf Lebensjahren die folgenden Angstformen: 

  • die Körperkontaktverlust-Angst,

  • die Achtmonatsangst,

  • die Trennungsangst,

  • Vernichtungsangst und

  • die Todesangst.

Entwicklungsbedingte Ängste reifen in der Regel aus, sie verschwinden irgendwann ganz alleine, wenn das Kind eine bestimmte Reife erreicht hat - kaum ein Dreijähriger wird noch massiv unter Körperkontaktverlust-Ängsten leiden oder fremdeln. 

Die Körperkontaktverlust-Angst 


Körperkontaktverlust-Angst empfinden Babys ab der Geburt. Sie sind bestrebt, den Körperkontakt dauerhaft aufrecht zu erhalten und reagieren auf Ablegen häufig mit Weinen. Das ist ein biologisch sinnvolles Verhalten, weil durch dauerhaften Körperkontakt das Überleben sicher gestellt wird. Wird dem geäußerten Bedürfnis nach körperlicher Nähe nicht verlässlich nachgekommen und das Baby schreien gelassen, kann das Auswirkungen auf das Urvertrauen haben. Wenn dieses erschüttert ist, wird sich das auch auf die weiteren Ängste auswirken. Im Babyalter können wir durch viel Nähe und Körperkontakt schon ein stabiles Fundament für die Fähigkeit der Angstbewältigung legen. 

Die Achtmonatsangst 


Was tun wenn kind angst hat
Ab dem achten Lebensmonat beginnt das Kind zu fremdeln - es unterscheidet zwischen "bekannt" und "unbekannt" und will nun häufig nicht mehr auf andere Arme. Es handelt sich um eine natürliche Schutzreaktion, die zeitlich mit dem Zeitpunkt der ersten motorischen Fortbewegungsversuche zusammenfällt. Die Angst sorgt dafür, dass das Baby nicht zu weit weg krabbelt oder gar außerhalb der Sichtweite der Mutter einfach ungehört von Fremden weg- und mitgenommen wird.

Die kindliche Neugier ist jedoch nach wie vor vorhanden, so dass das Kind ständig mit sich ringt - einerseits ist es ängstlich, andererseits sehr an Neuem interessiert. Gibt man Kindern genug Zeit und die Gewissheit, dass sie jederzeit zurück in den schützenden Raum (den elterlichen Arm/Schoß) können, werden Babys ihre ersten Ängste bald ganz allein bewältigen. Es ist wichtig, dabei auf das Naturell des Kindes Rücksicht zu nehmen - einige nehmen recht schnell mit unbekannten Menschen Kontakt auf, andere brauchen viel mehr Zeit.

Man sollte Kinder in dieser sensiblen Phase nicht drängen. Problematisch ist es vor allem immer dann, wenn das Kind eigentlich bekannte Menschen anfremdelt - wie beispielsweise die Oma. Letze Woche hat es noch juchzend auf ihrem Arm gesessen, plötzlich empfindet es große Furcht. Leider verstehen die meisten Großeltern nicht, warum das Kind plötzlich so zurückhaltend ist und reagieren deswegen wenig verständnisvoll. Mit "Hab dich nicht so!", "Nun komme schon her!" oder "Hast du die Omi etwa nicht lieb?" setzen sie die Kinder unter emotionalen Druck. Es ist wirklich wichtig, in dieser Phase möglichst gelassen zu erklären, warum Kinder gerade solche Ängste aufbauen und auch, dass diese Phase schnell vorbei geht - in der Regel umso schneller, je weniger man das Kind bedrängt. Bei uns findest Du einen Artikel über die Fremdelphase, der Dir dabei hilft, das Verhalten Deines Kindes zu erklären. 


Trennungsängste 


Was tun wenn kind angst hat
Sobald Kinder motorisch dazu in der Lage sind, ihre Eltern zu verlassen, entstehen auch erste Trennungsängste, die sie viele Jahre lang begleiten. Es fällt Kinder sehr schwer, von ihren primären Bezugspersonen getrennt zu sein. Vor allem im Dunkeln und wenn sie allein sind, sind Trennungsängste oft sehr ausgeprägt.

Die Trennungsangst hat eine biologische Funktion - Kinder die furchtlos losstürmten, liefen in Gefahr, verloren zu gehen. Heutzutage käme zwar kaum ein Kind abhanden, aber in den tausenden Jahren zuvor wäre das ein ernsthaftes Problem gewesen. Daher hat die Natur es eingerichtet, dass Kinder sich stets der Nähe ihrer Eltern versichern. Sicher gebundene Kinder haben in der Regel weniger mit Trennungsängsten zu kämpfen, als unsicher gebundene (das heißt natürlich nicht, dass Trennungsängste ein Zeichen für ein unsicher gebundenes Kind sind - auch sicher gebundene Kinder leiden darunter, nur eben meist nicht so ausgeprägt).

Wichtig zu wissen ist, dass auch "anstrengendes" Verhalten ein Ausdruck von Trennungsangst sein kann. Jan-Uwe Rogge schreibt dazu: 

"Andere Kinder erzwingen Nähe, erpressen ihre Eltern mit Quengeln, trotziger Weinerlichkeit und tränennasser Traurigkeit. [...] Oder sie verwickeln ihre Mütter und Väter in Machtkämpfe, provozieren darüber Aufmerksamkeit und erhalten Nähe. Solche Machtkämpfe sind für Eltern schwierig und nur dann zu beenden, wenn sie deren Ursache erkennen. Und vor allem: Den Kindern, die Bindung mittels Machtkämpfen erzwingen, fallen ständig andere Unarten ein, ihre Eltern an sich zu ketten. Konsequentes Verhalten der Eltern wird mit dem Hinweis der Kindes wie "Du hast mich wohl nicht mehr lieb!", "Dann mag ich dich nicht mehr!" oder "Nie hast du Zeit für mich!" unterlaufen. Kinder lassen sich vor allem nicht auf ein Nachher vertrösten, sie wollen sofortige Befriedigung ihres Bindungsbedürfnisses, sie feilschen um jede Minute Nähe und Zuwendung."

Auch abendliches Theater um das Ins-Bett-Gehen und Ein- oder Durchschlafprobleme sind oftmals von Trennungsängsten beeinflusst. Hilfreich (aber keine Patentlösung) sind feste, ruhige abendliche Rituale. Teil dieses Rituals sollte es sein, über den vergangenen Tag zu sprechen - so kann das Kind schon die bewegendsten Eindrücke in geschütztem Rahmen verarbeiten und über das sprechen, was es belastet.


Auch die Zuverlässigkeit der Bezugspersonen spielt eine enorme Rolle - Kinder, die sich immer auf ihre Eltern verlassen können, werden weniger Sorgen haben, ob Mama oder Papa auch wirklich wieder kommen. Daher ist es von großer Bedeutung, Trennungen immer anzukündigen und nie einfach das Kind zu verlassen, in der Hoffnung, dass es so nicht weint. 

Vernichtungsängste 


Um den dritten Geburtstag herum bilden sich Vernichtungsängste aus - Kinder haben plötzlich vor vielen Dingen Angst - Dunkelheit, Feuer, Gewitter, Lärm, Monster, Tiere, Hexen... In diesem Alter sind die meisten Kinder in der magischen Phase und spielen sehr viel mit den Ängsten.

 

Was tun wenn kind angst hat

Bei der Angst vor Monstern, Hexen oder anderen Gestalten sollten wir als Eltern (zunächst) keine fertigen Lösungen anbieten, sondern das Kind auffordern, selbst Ideen zu entwickeln.  Ängste sind so vielschichtig, dass es wahrscheinlicher ist, dass das Kind eine Idee entwickelt, mit ihnen umzugehen. Mit Logik ist solchen Ängsten ohnehin kaum beizukommen.

Wenn das Kind jedoch völlig hilflos ist, kann man zu etwas Magie greifen und sich den Umstand zunutze machen kann, dass unsere Kinder uns (noch) für allmächtig und unbesiegbar halten.  Eine mit Wasser gefüllte Sprühflasche kann bemalt/beklebt werden und zu einem Monstervernichtungsmittel oder Schutzelixier erklärt werden. Vielen Kindern hat es schon geholfen, wenn man sie oder die Monsterverstecke vor dem Schlafen eingesprüht hat. Ein Tropfen Duftöl macht das Wasser noch "magischer". Auch der Geheimtippp singen kann hier helfen - das Kind soll einfach mal ausprobieren, ob die Angst dabei verfliegt. 

Bedingt durch Vernichtungsängste treten phasenweise Albträume auf - meist hängen sie mit Entwicklungsschritten zusammen. Kinder verarbeiten nachts ihre Ängste - Albträume wirken reinigend für die Seele. Sie treten häufig erst im letzten Drittel der Nacht auf und sind bis zu einem gewissen Grad vollkommen normal. Hilfreich ist es, wenn das Kind die Möglichkeit bekommt, am Abend die Geschehnisse des Tages aufzuarbeiten. Dazu kann man im Abendritual bspw. eine feste Zeitspanne einplanen. Was war schön am Tag? Was hat dem Kind gar nicht gefallen? Wichtig ist es auch, Träume nachzubereiten - das Kind soll erzählen können, was es geträumt hat - möglichst ohne den Hinweis "Na war ja nur ein Traum - jetzt ist alles wieder gut". Wenn Kinder sich ernst und angenommen fühlen und auch jederzeit ohne Verstimmung ins elterliche Bett schlüpfen können, sollten Albträume nur gelegentlich auftreten. Wenn jedoch Ein- und Durchschlafstörungen dazu kommen oder das Kind massiv unter schlechten Träumen leidet, sollte man sich ärztliche Hilfe suchen. 

Neben normalen Albträumen gibt es auch den weniger häufigen Nachtschreck. Das Kind schreckt plötzlich innerhalb der ersten Tiefschlafphase (ca. 15 - 60 Minuten nach dem Einschlafen) aus dem Schlaf hoch und fängt an, angstvoll zu schreien. Es ist dabei nicht wirklich wach, sondern "gefangen" in der Übergangsphase zwischen Schlafen und Wachen. Da das Kind dabei nicht wach wird, kann man es leider auch nicht wirklich beruhigen. Man sollte den Nachtschreck begleiten und dafür sorgen, dass das Kind sich nicht verletzt. Nach etwa zwei bis  vierzig Minuten ist der Anfall vorbei und das Kind schläft meist ruhig weiter (oder erwacht richtig). Am nächsten Morgen kann es sich meist an nichts erinnern. Bis zu sechs Prozent aller Kinder sind vom Nachtschreck betroffen, am häufigsten tritt er zwischen dem 5. und 7. Lebensjahr auf. 

Todesängste 


Das Verständnis dieses Begriffes "Tod" ist in den ersten Lebensjahren stark eingeschränkt. Kinder bis zu drei Jahren sind nicht in der Lage, den Tod auch nur annähernd zu begreifen, sie haben in der Regel auch wenig Interesse daran. Im Alter zwischen drei und fünf Jahren beginnen sie, sich damit intensiver auseinander zu setzen und nehmen ihn mit in ihr Spiel auf ("Ich schieß dich tot!"). Allerdings ist ihnen die Endgültigkeit des Zustand des Todes nicht bewusst - er erscheint für sie vorübergehend. Außerdem gehen sie davon aus, dass er nur andere (böse) Menschen trifft. Erst mit etwa sechs Jahren wird ihnen klar, dass auch ihre Eltern und sie sterblich sind - nun entwickeln sich die entsprechenden Ängste, die je nach Temperament stärker oder schwächer ausgebildet sind. 

Bei Todesängsten ist eine Visualisierung von Zeitspannen hilfreich. Ich habe mit meinem Kind eine 85 cm langen Zeitstrahl aufgemalt, der die durchschnittliche Lebenserwartung darstellt. Dann habe ich eingezeichnet, wie viel Zeit des Lebens schon bei den Kindern, bei den Eltern und bei den Großeltern verstrichen ist. Kinder haben oft das Gefühl, schon ewig auf der Welt zu sein - nachdem meine Tochter sah, wie viel Zeit ihres Lebens erst vorbei ist und wie viel Zeit entsprechend noch wie Eltern haben werden, hat ihr das sehr geholfen. 


Erziehungsbedingte Ängste 


Was tun wenn kind angst hat
Neben den entwicklungsbedingten Ängsten bilden sich auch durch die Erziehung bedingte Ängste aus. Kindern, die ständig "Vorsicht!", "Achtung!" und "Pass auf!" hören, fällt es irgendwann schwer, unbedarft und unängstlich an Situationen heranzugehen. Zudem solche Zurufe sie nicht davor bewahren, sich weh zu tun - meistens passieren die Malheure ohnehin in Situationen, in denen man nicht damit gerechnet hat.

Leider neigen Eltern dazu, Ängste der Kinder zu Erziehungszwecken zu nutzen. Besonders hervor sticht der Satz "Wenn du jetzt nicht kommst, dann gehe ich ohne dich!" Und es funktioniert ja auch bei den meisten Kindern verlässlich. Weil sie eben wirklich denken, dass man ohne sie geht. Mit wenig Aufwand kann man so das Urvertrauen seines Kindes in Bezug darauf, dass man es niemals allein lassen würde, zerstören.


Es ist nachvollziehbar, dass solche Sätze die kindlichen Trennungsängste verstärken. Hört man im Umfeld mal genauer hin, entdeckt man so manch merkwürdige elterliche Drohung, die auf dem Ausnutzen von Ängsten basiert. Auch wenn es bequem ist, weil es die Kinder dazu bringt, zu tun, was man möchte, so wird eine solche Erziehung langfristig ziemlich sicher negative Auswirkungen haben und Trennungsängste verstärken. 

Krankhafte Ängste 


Manchmal sind oder werden Ängste von Kindern behandlungsbedürftig. Wie erkennt man aber, was noch normal ist und ab wann man sich Hilfe suchen sollte? Die entwicklungsbedingten Ängste macht jedes Kind mehr oder weniger intensiv mit. Sie sollten sich jedoch altersgerecht entwickeln (d. h. ändern). Bleiben Ängste über lange Zeit konstant, helfen keinerlei Bewältigungsstrategien und leidet das Kind erkennbar, sollte man ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. 

Strategien für die Angstbewältigung 


Es gibt leider keine universellen Patentrezepte für den Umgang mit Angst. Dafür sind sowohl die Ängste als auch die Kinder viel zu unterschiedlich. Es gibt jedoch ein paar grundlegende Dinge, die jedem Kind dabei helfen, seine Ängste zu bewältigen. Was angeblich immer helfen soll: singen! Neurobiologen sagen, dass das Hirn beim freien Singen nicht in der Lage ist, Angstgefühle zu mobilisieren.


Wichtig ist, dass Kinder ausreichend Gelegenheit haben, sich Ängsten zu stellen. Dabei ist das richtige Maß entscheidend - zu viele Ängste können traumatisieren, Überbehütung dazu führen, dass die Fähigkeit der Angstbewältigung erst gar nicht ausreichend ausgebildet wird.


Kinder, die sich sicher und geborgen fühlen und sicher gebunden sind, leiden in der Regel weniger an Ängsten, als Kinder, bei denen das nicht der Fall ist. Sie entwickeln ein höheres Selbstvertrauen und sind bei der Angstbewältigung meist sehr kreativ und erfolgreich. 

Was nicht gegen kindliche Ängste hilft 


Ängste kleinreden


In unserer Kultur werden Ängste traditionell klein geredet. Auch das ist noch das Erbe der Erziehung unserer Großeltern und Eltern. Wer Angst hat, ist vermeintlich schwach. Und schwache Menschen wurden im dritten Reich nicht gebraucht - furchtlose Mannsbilder waren gefragt. Ängste wurden damals generell bagatellisiert und lächerlich gemacht - übrig geblieben sind bis heute "Stell dich nicht so an" und "Du musst doch keine Angst haben!" Ohne Angst erkennen Kinder jedoch ihre Grenzen nicht. Soldaten, die furchtlos in den Krieg marschieren, sind für das Heer erstrebenswert - Kinder, die zu hoch auf einen Baum klettern und sich das Genick brechen, weil sie keine Ängste kennen (oder empfinden sollen), sind es für uns jedoch nicht. Wir sollten daher unbedingt darauf achten, solche Sätze zu vermeiden und die Angst anzunehmen. 

Ängsten zu viel Bedeutung beizumessen 

 

Ängste sollten ernst genommen werden - allerdings ist die Grenze zur Übertreibung manchmal schmal. Bei meiner Tochter habe ich bspw. offenbar etwas übertrieben zugewandt reagiert - die Angst wurde für sie ein Mittel, mit dem sie Aufmerksamkeit einforderte. Nachdem sie mir mit drei Jahren erklärte, sie habe vor dem Laternenmast (an dem sie jeden Tag mehrfach vorbei ging) plötzlich große Angst, musste ich mir eingestehen, dass ich vielleicht etwas übertrieb mit meiner Reaktion auf ihre Ängste. Das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ist natürlich wichtig und sollte erfüllt werden, nur die Verknüpfung mit dem Thema Angst macht den Umgang damit eher schwieriger.  

Ängste vermeiden 


Unsere Kinder beschützen zu wollen, das ist fest im biologischen Elternprogramm hinterlegt. Sie aber durch Überbehütung konsequent vor nahezu jeder Angst oder Bedrohung zu schützen, führt dazu, dass sie keine Bewältigungsstrategien entwickeln können. 

Was man bei kindlichen Ängsten tun kann 


Ängste ernst nehmen 


Wir helfen unseren Kindern am besten, wenn wir ihre Ängste ernst nehmen und ihnen zuhören. Über etwas zu reden, nimmt ganz häufig schon den größten Schrecken. Zurückhaltend sollten wir mit dem Anbieten von Lösungen sein.

"Du musst doch keine Angst haben" sollten wir komplett aus unserem Repertoire werfen - das ist wenig hilfreich. Ein "Ich verstehe, dass du ängstlich bist - lass uns überlegen, wie wir der Angst begegnen können" zeigt Mitgefühl und gibt Sicherheit. Reden ist ohnehin eine der wirksamsten Waffen gegen Angst - übrigens ebenso wie das Malen. 

Kinder auf Trennungen vorbereiten und sich verabschieden 


Trennungsängste lassen sich einfacher verarbeiten, wenn für das Kind überschaubar ist, wie lange die Trennung dauert. Es sollte darauf vorbereitet werden, also rechtzeitig Bescheid wissen, auch wenn man versucht ist, es dem Kind erst spät zu sagen, damit man den Kummer nicht so lange ertragen muss. Dabei kann man eine Menge der Angst schon "abarbeiten" - mit dem Kind zusammen. Wenn der Zeitpunkt der Trennung gekommen ist, hat sich das Kind schon damit auseinander gesetzt und es ist nicht ganz so überfordert.

Was tun wenn kind angst hat


Ich hatte oben schon geschrieben: es ist immens wichtig, dass man Kinder niemals ohne Ankündigung verlässt. Gerade bei Babys ist man anfangs geneigt, einfach zu gehen, wenn es gerade hingebungsvoll mit der Oma spielt, weil es ganz sicher weinen wird, wenn es sieht, dass Mama geht. Das ist für uns zwar bequemer, wir nehmen damit aber unserem Kind die Gewissheit, dass wir zuverlässig sind. Außerdem muss auch die Bewältigung von Trennungsängsten geübt werden und das geht nun mal nicht ohne Tränen. Je früher wir unser Kind immer wieder kleineren Trennungen aussetzen, desto mehr wächst es daran. Darauf basiert auch das Berliner Modell bei der Kita-Eingewöhnung. 

Schnullern 


Was tun wenn kind angst hat
Die Natur hat unseren Kindern eine Angstbewältigungsstrategie in die Wiege gelegt - das Saugen. Neugeborene bauen damit Stress und Spannungen ab - auch in den nächsten Lebensjahren hilft Schnullern bei der Stressbewältigung. Daher sollte man gut überlegen, wie dringend es ist, Kindern gegen ihren Willen den Schnuller abzugewöhnen. Das Nuckeln ist keine "schlechte Gewohnheit", sondern etwas, das unseren Kindern extrem gut hilft, negative Gefühle zu verarbeiten. Jeder Zahnarzt wird immer empfehlen, wegen etwaiger Zahnfehlstellungen den Nuckel spätestens im vierten Lebensjahr abzuschaffen - allerdings sind für ihn ausschließlich die Zähne interessant. Aber der Nuckel hat auch eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Psyche, so dass ich mittlerweile eher geneigt bin, eine kieferorthopädische Behandlung in Kauf zu nehmen, als den Schnuller um jeden Preis abzuschaffen. 

Kinder Risiken eingehen lassen 


Um an Ängsten zu wachsen, müssen diese bewusst erlebt und überstanden werden. Wir Eltern müssen unseren Kindern den Freiraum geben, sich ihren Ängsten zu stellen. Dazu gehört es, loszulassen. Sie einen Baum hinauf klettern zu lassen. Sie allein (altersgerecht) zum Bäcker gehen zu lassen, sie bei Freunden übernachten lassen. Sie werden sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch mal weh tun oder vor ihrer eigenen Courage kapitulieren. Aber das macht nichts - denn das gehört dazu und markiert die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.


Es ist wenig sinnvoll, dann mit "Ich habe es dir doch gesagt! Warum bist du nur so hoch geklettert!" zu reagieren- wenn etwas schief geht, sollten wir Trost spenden und nicht triumphieren, dass wir es ja besser gewusst haben. Es ist sehr plakativ, aber tatsächlich so - dass es weh tut, wird ein Kind erst wirklich begreifen, wenn es sich die Hand am Herd verbrannt hat. Das heißt natürlich nicht, dass wir unsere Kinder sehenden Auges in Gefahren laufen lassen - aber ständige Ermahnungen und Warnungen vor kleineren Gefahren sind ebenso anstrengend, wie sinnlos..


Man darf sich nicht davor fürchten, das Kind zu verhätscheln, wenn man ihm immer wieder einen sicheren Hafen bietet - seine Angst ist elementar und sollte unbedingt ernst genommen werden, ohne sie übertrieben zu thematisieren. Die Natur hat es nicht so eingerichtet, dass sich Kinder monatelang ängstlich an Mama klammern - wenn sie sich durch bedingungslosen Schutz und Rückhalt wirklich sicher fühlen, wird ihr Erkundungsdrang immer größer und sie fahren nach und nach mutiger fort, die Welt zu entdecken. 

Gelassenheit und Zeit 


Wie bei allem gilt: jedes Kind hat ein individuelles Tempo. Auch bei der Angstbewältigung sollten wir unsere Kinder geduldig unterstützen, auch wenn wir selbst möglicherweise eine gewisse Ungeduld empfinden. Auch hier gilt: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.


Nicht zu vergessen ist, dass der Umgang mit Ängsten auch typbedingt ist. Es gibt Babys, die lassen sich überall hinlegen und sind ruhig und zufrieden - andere Zeitgenossen lassen sich kaum ablegen und wachen ständig auf um zu prüfen, ob sie sicher sind. Ein bisschen ist uns schon in die Wiege gelegt, ob wir eher furchtlos oder etwas ängstlicher sind. Wir sollten unsere Kinder annehmen, wie sie sind und darauf vertrauen, dass sie ihren Weg finden werden. 

Bücher 


Es gibt sehr schöne Bücher, die sich hervorragend für die Begleitung von Ängsten eignen - diese hier sind sehr gut geeignet:

© Danielle 


Quellen 


Rogge, Jan-Uwe, Ängste machen Kinder stark


Specht-Tomann, Monika, Wenn Kinder Angst haben - Wie wir helfen können


Dittmar, Vivian, Kleine Gefühlskunde für Eltern - Wie Kinder emotionale & soziale Kompetenz entwickeln

http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/AngstKinder.shtml

http://www.gerald-huether.de/populaer/veroeffentlichungen-von-gerald-huether/zeitschriften/geo-kompakt-interview-gerald-huether/index.php

In welchem Alter entwickelt sich Angst bei Kindern?

Ab ungefähr acht Jahren treten in der Regel erste Leistungsängste auf – zum Beispiel die Angst vor der Schule oder vor Prüfungen. Im Jugendalter, wenn Kinder anfangen, sich von ihren Eltern zu lösen, treten häufig wieder soziale Ängste auf.

Was sollten Sie nie tun wenn Ihr Kind Angst hat?

Ignorieren Sie niemals die Ängste Ihres Kindes: Benutzen Sie nie Sätze wie “Da gibt es nichts zu fürchten” oder “Es ist doch gar nichts passiert” . Wenn Sie sich mit dem Kind verbünden, dann identifizieren Sie sich mit ihm.

Was kann Angst bei Kindern auslösen?

Meist leiden Kinder und Jugendliche mit sozialer Angst unter einem niedrigen Selbstwertgefühl und haben Angst vor Kritik. Sie fürchten, etwas Peinliches zu tun, beispielsweise zu erröten, zu zittern oder ganz dringend zur Toilette gehen zu müssen und vermeiden deshalb Kontakt zu anderen Menschen.

Wie äußert sich eine Angststörung bei Kindern?

Symptome von Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen. Angstzustände äußern sich in drei unsterschiedlichen Komponenten: körperlichen Symptome wie z.B. Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, Bauchschmerzen und Übelkeit oder Kopfschmerzen. Verhalten wie Vermeiden, Weinen, Aggression, Rückzug, Schweigen oder Weglaufen.