Am Sonntag wird in Limburg Pater Henkes seliggesprochen. Doch was bedeutet selig eigentlich und wo kommt das Wort in der Bibel vor? Fragen an Thomas Söding, Professor für das Neue Testament an der Ruhr-Universität in Bochum. Show
DOMRADIO.DE: Wenn ich selig bin, dann bin ich überglücklich, richtig? Thomas Söding (Professor für das Neue Testament an der Ruhr-Universität in Bochum): Ja! Seligkeit ist ein wunderbares Wort. Die Seligkeit hat etwas zu tun mit Glück, aber nicht nur mit irdischem Glück, sondern mit himmlischen Glück. Wer überglücklich ist, der ist selig. Das ist eine Sprache, die auf Jesus zurückgeht und die eine enorme Hoffnung für die Zukunft und für die Gegenwart macht. DOMRADIO.DE: In der Bibel gibt es ja Seligpreisungen, in denen Jesus sagt: "Selig seid ihr" oder "Selig sind die". Welche Rolle spielen diese Seligpreisungen? Söding: Sie sind grundlegend. Mit den Seligpreisungen beginnt die Bergpredigt. Jesus schaut in der Bergpredigt auf die Menschen, denen es ganz besonders schlecht geht und die sich selber vielleicht im Verdacht haben oder von anderen verdächtigt worden sind, von Gott vergessen zu sein. Und Jesus dreht es genau um und sagt: "Nein. Gott schaut auf diese Menschen und deswegen dürfen sie in die Zukunft schauen. Die Verbindung zwischen Himmel und Erde wird gestiftet. Und wem das aufgeht, der ist selig." DOMRADIO.DE: Paulus spricht seine Gemeindemitglieder mit "Heilige" und "Geheiligte" an. Wie ist das gemeint? Söding: Das ist nicht nur beim Apostel Paulus so, aber es ist sehr typisch für den Apostel Paulus. Heiligkeit heißt immer: "Du gehörst zu Gott. Ihr gehört zu Gott." Und die Frage ist, wo sozusagen die Bodenstationen Gottes sind. Und das Ergebnis des Apostels Paulus lautet: Dort, wo der Glaube zuhause ist. Deswegen ist dieses Wort Heiligkeit bei Paulus nicht dafür geeignet, Unterschiede zwischen verschiedenen Gläubigen zu machen, sondern um die Gläubigen selbst hervorzuheben und ihnen zu sagen: "Ihr seid sozusagen der Vorposten Gottes auf der Welt." DOMRADIO.DE: Im Gegensatz zu Heiligen werden Seliggesprochene ja nur regional verehrt. Wie ist das in der Bibel, wie werden da die Begriffe selig und heilig voneinander abgegrenzt? Söding: Diese Differenzierung zwischen Seligsprechung als regional und Heiligsprechung als universal, ist ein Eigengut der katholischen Kirche. Das kann man in dieser Differenzierung nicht auf das Neue Testament zurückführen. Im Neuen Testament sind es einfach unterschiedliche Sprachspiele. Heiligkeit, das hat immer sehr viel mit dem Kult zu tun, das Priesterliche spielt da eine Rolle. Priesterlich nicht im Sinne von Amtspriestertum, sondern im Sinne von Mitglied im Volk Gottes. Selig kommt sehr stark aus der Weisheit Israels heraus, aus der Prophetie Israels. Das sind einfach unterschiedliche spirituelle, theologische Quellen, mit denen mal auf der einen oder anderen Seite gesagt werden kann: "Ihr seid Menschen, die das Antlitz Gottes erstrahlen lassen." Das Interview führte Tobias Fricke. Selig die Armen im Geiste, Kirchenfenster in St. Clemens, Trittenheim an der Mosel Als Seligpreisung oder Makarismus (auch: Glückszusage, Heilszusage) wird eine literarische Gattung der Bibel bezeichnet. Sie erscheint meist in der Aussageform: „Glücklich [selig] ist der … / sind die…“ (hebräisch ascheri, griechisch μαϰάριος makários / μαϰάριοι makárioi), seltener als direkte Anrede „Glücklich [Selig] bist du… / seid ihr…“. „Glück“ oder „Seligkeit“ wird dabei als umfassendes Heil im Sinne des biblischen Shalom verstanden. In der Weisheitsliteratur des Tanach, der Bibel des Judentums, wird so das gerechte Handeln bestimmter Israeliten als Ursache ihres irdischen Wohlergehens gelobt. In der Prophetie Jesajas (ab 8. Jahrhundert v. Chr.) wird bestimmten notleidenden sozialen Gruppen das Recht schaffende Eingreifen JHWHs, des Gottes Israels, verbindlich zugesagt. Nach dem Neuen Testament (NT) hat Jesus von Nazaret die prophetischen Makarismen mit seiner Botschaft vom nahen Reich Gottes aufgegriffen und erneuert. Damit begann er laut der Feldrede (Lk 6,20–25) und der Bergpredigt (Mt 5–7) sein öffentliches Wirken. Als Seligpreisungen bezeichnet das Christentum daher meist jene besonderen Heilszusagen Jesu. Herkunft der Sprachform[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein biblischer Makarismus ist seit der Septuaginta sprachlich am vorangestellten griechischen Prädikat makários / makárioi erkennbar. In der ethischen (handlungsorientierten) und paränetischen (mahnenden) Form gibt ein mit oti („denn…“) nachgestellter Relativsatz eine Bedingung für die Heilszusage an: Wer sich auf die angegebene Weise verhalte oder verhalten habe, dem werde als Tatfolge das Glück zuteil. In der parakletischen (tröstenden) Form gibt der Relativsatz einen unglücklichen Zustand der Adressatengruppe, der Folgesatz eine Kompensation dafür an.[1] Woher diese Sprachform stammt, ist umstritten. Manche Forscher leiten sie aus der profanen altägyptischen Weisheit ab. So finden sich seit Ramses II. (13. Jahrhundert v. Chr.) Sprüche, die Einzelpersonen als „Glücklich der, der…“ anreden und damit eine Tugend loben. Andere widersprechen dieser These, weil 60 Prozent aller biblischen Makarismen im Buch der Psalmen stehen, das insgesamt der kultischen Verehrung JHWHs dient. In der antiken griechischen Literatur bei Homer wurden anfangs nur Götter makarioi genannt, die im Gegensatz zu Menschen Unsterblichkeit besäßen. Hesiod übertrug die Bezeichnung auf Menschen, die den jenseitigen Zustand der unsterblichen, von Mühe und Arbeit befreiten Götter erreicht hätten. Aristoteles unterschied dagegen erneut das den Sterblichen erreichbare Glück (εὐδαιμονία eudaimonía) von der vollkommenen Glückseligkeit (μαϰαριότης makariótes) der unsterblichen Götter. Seit Aristophanes drang der Ausdruck in die profane Alltagssprache ein: Als makarioi wurden Reiche wegen ihres angenehmen Lebens oder Eltern wohlgeratener Söhne gepriesen; später auch Tote, weil sie der Mühsal des irdischen Daseins entkommen seien. Nie wurden Notleidende wegen ihrer Not so bezeichnet. Dies gilt ebenso für den Sprachgebrauch der Bibel.[2] Tanach[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Tanach enthält 46 Makarismen. Alle Beispiele beziehen sich auf Menschen, nicht auf Gott. Die meisten stehen in der dritten Person. Nur fünf reden eine oder mehrere Personen direkt an (Dtn 33,29; Ps 128,2; Koh 10,17; Jes 32,20; 1Kön 10,8 = 2Chr 9,7). 27 Beispiele stehen in den Psalmen, elf im Buch der Sprichwörter, je eins bei Hiob (Hi 5,17) und Kohelet (Koh 10,17), vier bei Jesaja (3,10; 30,18; 32,20; 56,2). 25 der 46 Beispiele sowie elf weitere im Buch Jesus Sirach haben weisheitlichen Charakter. Sie gelten als Sonderform des Tun-Ergehen-Zusammenhangs, beschreiben also einen empirischen Zustand des Wohlergehens als Folge eines gottgefälligen menschlichen Handelns.[3] Der weisheitliche Makarismus beschreibt, dass nur ein Leben in Gottesfurcht und Weisheit gelinge. Exemplarisch dafür ist Psalm 1, der programmatisch mit dem Lob dessen beginnt, der JHWHs Tora erfüllt (Ps 1,1 EU; vgl. Spr 3,19–23 EU). Hier wird also der Mensch seliggesprochen, dem es aufgrund seiner Befolgung der Gebote JHWHs gut gehe. Der seltenere prophetische Makarismus verspricht aktuell Notleidenden ein zukünftiges, die irdischen Zustände umstürzendes und verwandelndes Eingreifen JHWHS, um ihnen Hoffnung auch über den Tod hinaus zu geben. Hier werden Menschen seliggesprochen, denen es gerade nicht gut geht, sondern die trotz oder wegen ihrer gerechten Lebensführung unverschuldet ein schweres Schicksal erleiden: Dafür werde Gott sie nach ihrem Tod belohnen und rechtfertigen. Diese Zusageform widersprach einer anderen weisheitlichen Tradition, wonach irdische Not auf ein Vergehen des Notleidenden gegen JHWHs Willen zurückzuführen sei (siehe Hiob). Der prophetische Makarismus ist ausschließend und trennend: Glücklich in den Augen JHWHs seien nur jene Armen, denen aktuell soziale Gerechtigkeit verweigert werde; nicht jene, die sie verweigern. Er ist Teil der prophetischen Sozialkritik, die gemäß entsprechenden Torageboten die Rechte mittel- und schutzloser Randgruppen einfordert, alle kritisiert, die sie direkt oder indirekt ausbeuten und ihnen Gottes richtende Strafe bis hin zum Endgericht ankündigt. Diese Tradition durchzieht die gesamte biblische Prophetie, z. B. in Jes 1,17; Jer 5,26–28; Am 2,6–7; Mi 2,1f und öfter.[3] Qumranschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den bei Qumran entdeckten Schriftrollen vom Toten Meer (200 v.–100 n. Chr.) wurde der Ausdruck als Selbstbezeichnung der gerechten Juden verwendet (1QM 14,7 und 1QH 14,3).[4] Diese nannten sich auch „die Armen der Gnade“, „die Armen deiner Erlösung“ oder einfach „die Armen“.[5] Laut Eduard Schweizer beschreibt der Ausdruck eine Glaubenshaltung vom entmutigten, schwankenden, zerschlagenen Menschen, die ihre Erlösung von Gott ersehnen: „Dabei ist nicht mehr scharf zu unterscheiden, ob dies heißt, dass sie arm sind, weil Gottes Geist sie dazu gemacht hat oder weil ihr menschlicher Geist sich so fühlt. Auch die Selbstbezeichnungen ‚die Armen der Gnade, die Armen deiner Erlösung, die Armen, die die Zeit der Trübsal angenommen haben‘ zeigen beide Möglichkeiten des Verständnisses.“[6] Evangelien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Authentische Jesusworte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jesus hat nach Lk 6 eine Reihe von vier, nach Mt 5 von neun Makarismen ausgesprochen:
Als authentische Jesusworte gelten mindestens die drei Makarismen für die Armen, Hungernden und Weinenden bzw. Trauernden. Sie werden der hypothetischen Logienquelle (schriftlich fixiert ab etwa 40) zugewiesen.[7] Ihre lukanische Fassung gilt heute oft als älter und dem ursprünglichen Wortlaut näherstehend.[8] Anhaltspunkte dafür sind:
Redaktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Evangelist Matthäus umschrieb den für Jesu Botschaft zentralen Begriff „Reich Gottes“ oft mit „Himmelreich“, so in seiner ersten und achten Seligpreisung.[17] Da seine Reihe mit den Parallelen zur lukanischen Fassung beginnt und endet, kann er die überzähligen Makarismen dazwischen eingefügt haben. Ob er sie selbst verfasste oder aus einer anderen Logientradition übernahm, ist umstritten.[18] Matthäus ergänzte erkennbar eine knappere, der lukanischen Fassung ähnliche Vorlage mit Schlüsselbegriffen seiner Theologie: die Armen mit „nach dem Geist“, die Hungernden mit „die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit“ (δικαιοσύνη/dikaiosýne). Darin sehen viele Exegeten eine spätere Tendenz zur Spiritualisierung, die materielle Armut zu einer geistigen Einstellung umdeutete.[19] Der Kontext von τῷ πνεύματι tõ pneúmati in Mt 5,3[20] lässt nicht erkennen, ob Matthäus hier den Heiligen Geist Gottes meinte. Falls er vom menschlichen Geist sprach, kann der Ausdruck „die an Lebensmut Armen, die Verzweifelten“ oder „die im Bewusstsein Armen, die Demütigen“ bedeuten. Oft wird letzteres angenommen, da die von Matthäus hinzugefügten Seligpreisungen ähnliche Haltungen beschreiben, wie sie zuvor die Qumrantexte überlieferten.[21] Die jeweils letzte Seligpreisung wendet sich direkt an die Jünger und verweist auf spätere Verfolgung von Urchristen in Palästina durch Juden und/oder Römer, die die Evangelisten auf deren Reich-Gottes-Botschaft zurückführten. Das bestätigt, dass die vorausgehenden Seligpreisungen nicht nur Jesu Nachfolgern, sondern allen armen und notleidenden Israeliten gelten, vertreten durch jene Volksmenge, die ihn umlagerte und ihm zuhörte.[19] Auch die Weherufe der Feldrede (Lk 6,24 ff.) gelten als redaktionell. Auslegungen von Mt 5,3[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Metapher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Seligpreisung der Armen im Geiste, als Glasfenster dargestellt in St. Dionysius und Sebastian, der Pfarrkirche in Kruft Die Seligpreisung der Armen im Geiste, Teil des Bodenmosaikes auf dem Berg der Seligpreisungen. Abgebildet sind Franz von Assisi und Ijob, drittes Bild unklar Die Seligpreisung der Armen im Geiste, Teil einer russisch-orthodoxen Ikone aus dem 17. Jahrhundert Viele heutige Bibelübersetzungen verstehen „die Armen nach dem Geist“ als Metapher: „die arm sind vor Gott“ (Mt 5,3 EU), „die da geistlich arm sind“ (Mt 5,3 LUT), „die erkennen, wie arm sie vor Gott sind“ (Mt 5,3 HFA), „die ihre Armut vor Gott erkennen“ (Mt 5,3 NEU), „die nur noch von Gott etwas erwarten“ (Mt 5,3 GNB), „die erkennen, dass sie Gott brauchen“ (Mt 5,3 NLB) und ähnlich. Die Einheitsübersetzung kommentiert: „Gemeint sind Menschen, die wissen, dass sie vor Gott nichts vorweisen können, und die daher alles von Gott erwarten.“[22] Die römisch-katholische und die lutherische Kirche verstehen „Armut im Geist“ traditionell als Grundzustand des endlichen, begrenzten, sündigen Menschen, der von sich aus keine Rechtfertigung erlangen und daher nur alles von Gott und seiner Gnade erwarten und sich davon beschenken lassen könne.[23] Im Anschluss an Bonaventura erläuterte Johann Baptist Metz: „Mensch werden heißt – ‚arm‘ werden, nichts haben, auf das man vor Gott pochen könnte, keine andere Stütze, keine andere Macht und Sicherung als den Einsatz und die Hingabe des eigenen Herzens. Menschwerdung geschieht als Bekenntnis zur Armut des menschlichen Geistes vor dem totalen Anspruch der unverfügbaren Transzendenz Gottes. […] Sich hinweggeben können, sich ausliefern können, ‚arm‘ werden können, heißt biblisch-theologisch: bei-Gott-sein, sein gottgeborgenes Wesen finden; heißt: ‚Himmel‘.“[24] Christliche Theologen wie Richard Rohr grenzen geistig-innere von materiell-äußerer Armut ab und beziehen die Seligpreisungen auf einen von anderen Problemen betroffenen Adressatenkreis: „Materielle Armut hat keinen Wert an sich. Es geht vielmehr um eine innere Armut. Wir müssen […] unser Ego und sein Bedürfnis loslassen, schön und berühmt auszusehen […] und nicht länger an den Prinzipien der Überlegenheit, der politischen Macht und Kontrolle festhalten.“[25] Marianne Heimbach-Steins deutet geistliche Armut als Kontrast zur „wissenschaftlichen“ Beherrschbarkeit, Verfügbarkeit und Verstehbarkeit der Wirklichkeit oder zum Fortschrittsglauben. Sie lehnt Versuche ab, Gottes Transzendenz wie auch das Leiden des Menschen als irgendwie rational erklärbar anzusehen.[26] Mystik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Verschiedene Mystiker haben den Begriff der Armut im Geiste aufgegriffen. Ihren Deutungen gemeinsam ist der Ansatz, dass eine Gotteserfahrung mit einer „Reduktion“ des Menschen einhergeht, sodass dieser nur noch „hindernislos durchlässig“ für die Gegenwart und das Wirken Gottes sein will und seinen Geist zugunsten des Geistes Gottes öffnet bzw. herabstuft („sich für nichts und Gott für alles halten“). Die Armut des Geistes ist der innere Raum für Gott. Sie ist die Grundlage dafür, sich ganz Gott hinzugeben (vgl. „In deine Hände befehle ich meinen Geist“, Lk 23,46 EU) und gipfelt im Sterben (als letzte Konsequenz der Armut), um für Gott zu leben (Seligkeit). Nach Johannes Tauler bedeutet die innere Armut eine geistige Loslösung, die mit der Läuterung der eigenen Illusionen (Selbsterkenntnis) beginnt und in einem Verzicht von allem mündet, um sogar den Anspruch auf die eigene Erlösung und Rettung aufzugeben (resignatio ad infernum: die freie Einwilligung des Menschen, auch um Gottes willen in der Hölle zu sein).
– Louise Gnädinger: Johannes Tauler[27] Meister Eckhart definierte die Armut anhand dreier Punkte:
Diese Armut spiegelt im Menschen die unendliche Erhabenheit Gottes wider und steht damit in der apophatischen Tradition, dass der menschliche Geist Gott niemals erfassen kann (theologia negativa): Gott ist kein „Objekt“, welches geliebt werde, sondern die Transzendierung der Liebe hin zu einer „objektlosen Liebe“ (und damit universalen). Spirituell kann die Armut des Geistes als ein Leerwerden aufgefasst werden (vgl. Die Wolke des Nichtwissens und Shunyata im Buddhismus). Sozialgeschichtliche Deutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Andere Exegeten wenden sich gegen die rein spirituelle Auslegung des Jesuswortes:
Diese Auffassung stützt sich auch auf die Rückübersetzung ins Hebräische mit dem Ausdruck anai/anaw, der vor allem Machtlose bezeichnet, denen ihr Recht entzogen wurde – auf dieser Seite stehe Gott. Dennoch scheint Matthäus der Bezug zur Glaubenshaltung des aus Not Armen wichtig zu sein: „Die Bezeichnung »Arme« wird zur Zeit Jesu nie nur übertragen, völlig losgelöst vom sozialen Stand gebraucht. […] Im Judentum zur Zeit Jesu ist daher »Armer« so etwas wie ein Ehrenname des Gerechten geworden, weil es Hauptmerkmal der Gerechtigkeit und Frömmigkeit war, Gottes schweren Weg glaubend anzunehmen und sich nicht dagegen zu wehren. War zur Zeit von Jes. 57, 61 und 66 »Arme« noch eine Bezeichnung für ganz Israel, das seines Landes beraubt in der Fremde lebte, so unterschieden sich in der Folgezeit mehr und mehr die sozial Armen mit dieser Bezeichnung von den führenden Schichten. So werden »Arme« und »Gerechte« weithin zu Parallelbegriffen. […] Wahrscheinlich denkt er [Jesus] an Menschen, deren äußere Lage sie dazu treibt, alles von Gott zu erwarten, die aber auch wirklich von Gott den Geist geschenkt bekommen haben, alles von ihm zu erwarten.“[30] In der jüdischen Tradition treten die Propheten zwar immer für die Armen ein, doch wird dabei Armut nie verklärt oder als Ideal dargestellt.[31] Fasst man die Armen im Geiste als gesellschaftliche Klasse auf, entsprechen sie am ehesten einer wenig angesehenen Randgruppe. Jesu Fokus darauf zeigt sich auch in einer anderen Verheißung des Himmelreichs im Matthäusevangelium:
Die Reich-Gottes-Botschaft Jesu ist also programmatisch gegen das Establishment gerichtet und wendet sich an sozial außen oder am Rand Stehende – kritisiert wird im Gegenzug Status, Ideologie und Macht der Privilegierten.[32] Die Armut im Geiste kann auch als Tugend aufgefasst werden, die sich in der Zuwendung zu und der Solidarität mit den unfreiwillig Armen konkretisiert („Option für die Armen“). Damit wird die Identifikation Jesu mit den Bedürftig-Armen ausgedrückt, um an das Handeln der angesprochenen Menge zu appellieren. Dieses Motiv findet sich auch in der Rede vom Weltgericht („Ich war arm, …“ und „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, …“ in Mt 25,31–46 EU).
Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Poesie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Selig sind die Armen im Geiste ist der Titel eines Gedichts des österreichischen Schriftstellers Ferdinand von Saar, das folgendermaßen beginnt: „Lächelt nur wissensstolz Selig sind die Armen im Geiste – Wo bleibt das Himmelreich lautete das Motto des Schauspiels Frankfurt für die Spielzeit 2006/2007, mit dem auf den geistigen Notstand in Deutschland hingewiesen werden sollte. Von Pitigrilli stammt der Aphorismus „Sprichwörter sind der Reichtum der Armen im Geiste“.[35] Musik (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Jüdische und christliche Tradition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das jüdische Gebet Aschre beginnt und lautet wie eine Seligpreisung. Der Berg der Seligpreisungen am See Genezareth ist ein vermuteter Ort der Bergpredigt in christlicher Tradition. Die Gemeinschaft der Seligpreisungen orientiert sich in ihrem Zusammenleben an den als Lebensregeln verstandenen Seligpreisungen Jesu. Die Kapelle der Seligpreisungen in Berchtesgaden und die Kirche der Seligpreisungen in Lobenhausen sind Kirchengebäude.[36] Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Historisch-kritisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Praktisch-theologisch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Kunst[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Was ist der Unterschied zwischen heilig und selig?Im Unterschied zur Heiligsprechung wird bei der Seligsprechung nur die Verehrung durch die Ortskirche gestattet.
Kann man lebendig heilig gesprochen werden?Wer für seinen Glauben stirbt, also ein Märtyrer ist, kann heiliggesprochen werden. Oder wer auf ganz besondere Weise die christlichen Tugenden lebt. Dazu gehört, dass der oder die Betreffende schon zu Lebzeiten im Ruf der Heiligkeit stand und verehrt wurde.
Wer kann selig sprechen?Selig ist etwa der mildtätige Priester Adolph Kolping, heilig ist Mutter Teresa aus Kalkutta. Ein Seligsprechungsverfahren darf frühestens fünf Jahre nach dem Tod der Person eingeleitet werden. Der Papst kann allerdings eine Ausnahme erteilen.
Wie erklärt man heilig?Heilig bezeichnet etwas Besonderes, Verehrungswürdiges und stammt wortgeschichtlich von Heil ab, was sich abgeschwächt noch in heil („ganz“) wiederfindet (vgl. englisch holy ‚heilig' – von whole).
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