Putin als Witwenmacher: Rosemarie Trockels Vielteiler „Anonymous“ aus aktueller Produktion, doch in der Tradition von Andy Warhols „Meistgesuchten“ Bild: Rosemarie Trockel/VG Bild-Kunst, Bonn 2022 Bestrickend und bestürzend: Eine Ausstellung im Frankfurter Museum für Moderne Kunst zeigt die in allen Medien arbeitende Konzeptkünstlerin Rosemarie Trockel. 5 Min. Permalink: https://www.faz.net/-gsa-b1150 Weitersagen abbrechenIn der Antike und im Mittelalter hätte Rosemarie Trockel eine vorzügliche Manichäerin abgegeben. In und hinter jedem ihrer Bilder steckt mindestens ein weiteres, konträres Bild, das zu denken gibt, hinter jedem scheinbar hellen ein dunkles und umgekehrt. So ist auch die Schau im Museum für Moderne Kunst (MMK) Frankfurt einerseits eine Geburtstagsausstellung – im November wurde Rosemarie Trockel siebzig – andererseits aber die beruhigende Ansage, noch auf Jahre hinweg keine Ruhe geben zu wollen. Der klare Beleg für diesen Unruhestand sind die zahlreichen neuen Arbeiten, die Trockel für das Museum ersonnen hat. Stefan Trinks Redakteur im Feuilleton.
Heraus ragt das vielteilige Polyptychon „Anonymous“ aus diesem Jahr, das im Stil von Andy Warhols „Most Wanted Men“-Siebdrucken als Digitalprint in Twitterzeiten doppeldeutig „Meistgesuchte“ wie trauernde Witwen in der Tradition der Pop-Art-Ikone Jackie Kennedy zeigt, links oben jedoch den mutmaßlichen Witwenmacher Wladimir Putin, den Trockel der Zeitung entnahm und mit den von Verbrecherfotos bekannten Namenstafeln und der Ortsangabe Moskau versah. Rosemarie Trockels „Ohne Titel (Es gibt kein unglücklicheres Wesen unter der Sonne als einen Fetischisten der sich nach einem Frauenschuh sehnt und mit einem ganzen Weib vorlieb nehmen muss K.K.:F)“, 1991. : Bild: The artist & VG Bild-Kunst, Bonn 2022 Ihre soziologisch-gesellschaftspolitischen Bilder-Fragen hat Trockel vielfach in Tierallegorien formuliert. Eine an einer massiven Kette kopfüber vom Himmel herabhängende Robbe hat eine Blondhaarperücke auf. Die bemalte Bronzerobbe von 1991 hat Trockel hintersinnig “Ohne Titel (Es gibt kein unglücklicheres Wesen unter der Sonne als einen Fetischisten der sich nach einem Frauenschuh sehnt und mit einem ganzen Weib vorlieb nehmen muss K.K.:F)“ benannt. Mit dem Untertitel wird eine aphoristische Weisheit von Karl Kraus aus dessen Publikation „Die Fackel“ zitiert, die auf das gefährlich zerstückelnde Wesen eines blind begehrenden Fetischismus hinweist, was Trockel in der verniedlichenden - und damit drastisch um das „Tiersein“ beschneidenden - Antropomorphisierung von Robben mit Menschenhaar spiegelt. Oder: Drei ziegelrot grell glasierte Keramikreliefs von 2006 scheinen harmlose Backsteinlagen zu zeigen – bis man genauer hinsieht und Fleischmarmorierungen erkennt. Es sind Wände und Massen aus Schweinefleisch von Schlachthöfen, die wörtlich verkörpern, dass moderne Gesellschaften ungesund auf industriell gefertigtem Fleisch gebaut sind. Gleich daneben hat Trockel als manichäisch „weißes“ Bild die kitschige Fotografie einer alten Frau beim Füttern von Schwänen gehängt, so dass der Kontrast aus blutroter Fleischwand und Idyll nicht größer sein könnte. Bei all diesen Spiegelungen des Menschen in der Natur fragt Trockel insbesondere bei „Porträts“ von Menschenaffen und einer Würdigung der Arbeit der Primatenforscherin Jane Goodall, warum die Menschen nichtsdestotrotz ihren engsten Verwandten die Lebensräume zerstören – eine unbewusste Vernichtungswut wie weiland schon gegen den Neandertaler? Maschendrahtzäune als GefahrNatürlich sind in Frankfurt auch ihre computergenerierten Strickbilder zu finden, mit denen Trockel weltweit Erfolge feierte, zuletzt bei der im vergangenen Monat beendeten Venedig-Biennale. Dass sie sich auf solchem nie auszuruhen gedenkt, im Gegenteil dieses Erfolgsmuster der Strickbilder auch als beengende und gefahrbringende Zwangsjacke empfindet, offenbart sie bereits im Foyer des MMK: Die Wände sind mit blauen Gittern aus Strickmuster in Siebdruck bedeckt, die sie „Prisoner of Yourself“ nennt, einer Arbeit von 1998, aber auch aus diesem Jahr. Das aktuelle Werk dieser „Gefangenen in sich selbst“, die die Künstlerin Trockel ist, besteht aus einer sechzehn Kilogramm schweren Kette mit Keramik-Anhänger, so dass die schweren Kettenglieder in ihrer mimetischen Ähnlichkeit zu den Strickmaschen auf genau jene verfängliche Gefangenschaft in Zuschreibungen (Strickkunst = weiblich) verweisen. Artikel auf einer Seite lesen
Permalink: https://www.faz.net/-gsa-b1150 Gewalt von Fußballfans : „Wir müssen diese Eskalation stoppen!“ Michael Brehl wird im Stadion von einer Rakete getroffen und beinahe getötet. Im Interview spricht er über seinen schwierigen Kampf zurück ins Leben und die Gefahr, dass der Fußball zur Bühne für gesellschaftliche Auseinandersetzungen wird. |