Darf man mit kopfhörern fahrrad fahren

Haben Fußgänger Kopfhörer im Ohr, wird der Verkehrslärm abgeschwächt oder sogar ganz überhört. Das wird auch Maskierungseffekt genannt. „Wenn zwei Frequenzen sehr dicht nebeneinanderliegen, erzeugt die lautere von beiden eine sogenannte Mithörschwelle. Man kann den leiseren Ton dann nicht mehr hören“, erklärt Prof. Rötter.

Das bedeutet: Erkennt das Ohr zwei ähnliche Töne, wird der eine Ton vom anderen übertönt. Leisere Geräusche werden nicht mehr wahrgenommen. Nutzt du also Kopfhörer im Straßenverkehr, übertönt die Musik den Verkehrslärm. Überhörst du so den Bus oder die Straßenbahn, kann das schlimme Folgen haben.

„Musik deckt viele verschiedene Frequenzen ab. Der Maskierungseffekt entsteht praktisch über den gesamten Hörbereich“, sagt der Wissenschaftler. Das heißt, Musik überlagert fast alle Außengeräusche. Dabei kommt es aber natürlich auf die Lautstärke an.

Das solltest du wissen: Der sogenannte Auditory Bubble Effect von Michael Bull stellt eine Art Blase dar, in die sich Menschen beim Musikhören zurückziehen. Sie bekommen von den Außengeräuschen immer weniger mit und sind quasi in ihrer eigenen Welt. Das bedeutet, beim Musikhören wird nicht mehr auf die Umgebung geachtet und die Gedanken schweifen ab.

Kopfhörer bei Fahrradfahrern

Kopfhörer sind beim Fahrradfahren im Straßenverkehr grundsätzlich erlaubt. Dabei kommt es aber auf die Lautstärke und die Ablenkung an. Wann du beim Fahrradfahren mit Kopfhörern mit einer Strafe rechnen musst, hängt von der Situation ab.

Bist du auf dem Fahrrad mit Kopfhörern unterwegs, gilt auch der von Prof. Rötter beschriebene Maskierungseffekt. Verkehrsgeräusche werden nur schlecht oder sogar gar nicht wahrgenommen. Hörst du durch die Musik so wenig, dass du den Verkehr behinderst, musst du mit einer Strafe von 10 Euro rechnen.

Mit Kopfhörern im Straßenverkehr kannst du aber nicht nur wichtige Signale überhören, du reagierst auch langsamer. Das bedeutet, du kannst einem Hindernis vielleicht nicht mehr rechtzeitig ausweichen.

Das solltest du wissen: Ein Autofahrer hat bei einem Unfall grundsätzlich eine Schuld von 20 bis 25 Prozent (allgemeine Betriebsgefahr des Autos). Nutzt du Kopfhörer auf dem Fahrrad, bekommst du normalerweise eine Teilschuld. Bei schweren Unfällen kann dir sogar die volle Schuld zugesprochen werden. Du verlierst so deinen Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Kopfhörer bei Autofahrern

Du darfst beim Autofahren Kopfhörer tragen. Es gibt kein offizielles Verbot wie beim Handy am Steuer. Aber der Wissenschaftler Prof. Dr. Günther Rötter warnt: „Wenn die Musik genauso laut ist wie die Umwelt oder lauter, können Autofahrer Verkehrsgeräusche nicht mehr wahrnehmen. Das hängt natürlich immer von der Verkehrssituation ab.“

Hörst du wegen lauter Musik das Hupen anderer Verkehrsteilnehmer oder die Sirenen von Polizei und Feuerwehr nicht mehr, gefährdest du die Verkehrssicherheit. Das ist eine Ordnungswidrigkeit und du musst 10 Euro Strafe zahlen.

Das solltest du wissen: Verursachst du beim Autofahren mit Kopfhörern einen Unfall, bekommst du eine Mitschuld. In dem Fall übernimmt deine Kfz-Versicherung möglicherweise nur einen Teil der Reparaturkosten.

Das Velo boomt – und es gibt immer mehr Fahrräder auf der Strasse. Immer öfter sieht man deshalb im Strassenverkehr auch Menschen auf Fahrrädern mit Kopfhörern in den Ohren. Wie gefährlich ist dieses Verhalten und ist das in der Schweiz gesetzlich überhaupt erlaubt?

Tom hört gerade Highway to Hell von ACDC und fährt mit seinem Fahrrad mit einem ordentlichen Tempo auf einer Hauptstrasse. Es hat wenig Verkehr. Das Lied beflügelt ihn. Er sieht, dass bei der Kreuzung das Lichtsignal bereits auf Orange gewechselt hat. Er will es noch vor dem Wechsel auf Rot schaffen. Er schafft es. Das Tram jedoch hört er nicht…

Viele Leute schütteln den Kopf, wenn Sie Personen mit aufgesetzten Kopfhörern auf Fahrrädern sehen. Dass dieses Verhalten gefährlich sein kann ist vermutlich allen bewusst. Doch wie sieht die Gesetzeslage aus? Darf man das?


Gesetzliche Grundlage

Ein explizites Verbot von Kopfhörern im Strassenverkehr existiert nicht. Jedoch befindet man sich mit dem Tragen von Kopfhörern in einer Grauzone.  Denn folgendes ist gemäss Artikel 31 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) vorgeschrieben:

Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann.

Dieser Grundsatz ist in der Verkehrsregelnverordung (VRV) noch genauer spezifiziert:

Der Fahrzeugführer muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden. Er darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert. Er hat ferner dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit insbesondere durch Tonwiedergabegeräte sowie Kommunikations- und Informationssysteme nicht beeinträchtigt wird.


Grosse Alarmbereitschaft

Die Frage ist nun nur, wie stark und ab welcher Lautstärke die Aufmerksamkeit für die Strasse und den Verkehr beeinträchtigt wird. Das der Musikgenuss auf dem Fahrrad eine Gefahr darstellt, wird auch immer wieder von verschiedenen Beratungsstellen postuliert. Untersuchungen ergaben, dass jeder fünfte Jugendliche mit Kopfhörern Musik hört, wenn er zu Fuss oder auf dem Fahrrad unterwegs ist. In einer Medienmitteilung erläutert die Suva die grosse Gefahr der Ohrenstöpsel:

«Akustik-Experten der Suva haben errechnet, dass ein Fahrradfahrer ohne Kopfhörer ein mit 50 Stundenkilometer von hinten nahendes Fahrzeug auf 16 Meter Distanz wahrnimmt und ihm so zwei Sekunden Reaktionszeit bleibt. Trägt der Velofahrer aber einen Kopfhörer und hört mit 80 Dezibel Musik, was der üblichen Lautstärke entspricht, nimmt er das Fahrzeug erst auf drei Meter Distanz wahr; ihm bleiben lediglich 0,3 Sekunden für eine Reaktion.»

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) warnt wenig überraschend mit grossen Kampagnen vor Ablenkungen im Strassenverkehr. Gemäss BfU gibt es im Strassenverkehr (Autos, Fussgänger und Velos zusammengerechnet) jährlich rund 1050 Schwerverletzte auf Grund von Ablenkung und Unaufmerksamkeit (siehe hier). Dabei sind jedoch auch Ablenkungen anderer Art, wie Smartphones, Navigationsgeräte, Telefongespräche etc. miteinbezogen und nicht nur Kopfhörer in Kombination mit Velo. Mit einem extremen Video hat die BfU in Zusammenarbeit mit der Lausanner Polizei auf die Gefahr von Smartphones und Kopfhörern auf der Strasse aufmerksam gemacht (siehe unten).

Diese BfU Sensibilisierungskampagne ist nichts für schwache Nerven.

Rechtliche Konsequenzen möglich

In Anlehnung an den zuvor erwähnten Artikel aus der Verkehrsregelnverordung bezüglich Tonwiedergabegeräten, schliesst die Suva auch rechtliche Konsequenzen nicht vollständig aus. In der Medienmitteilung heisst es dazu:

«Wenn also ein Fahrradfahrer mit aufgesetzten Kopfhörern in einen Unfall verwickelt wird, trägt er eine Mitschuld. Im Sinne der Prävention ist von Musikhören beim Velofahren dringend abzuraten. So könnten nicht nur rechtliche Konsequenzen und menschliches Leid vermieden werden, sondern auch unnötige Kosten, was wiederum den Versicherten in Form von tieferen Prämien zugutekommt.»

Die Gesetzesartikel und die Ausführungen von Beratungsstellen zeigen also die schwammige Ausgangslage bezüglich der Legalität von Kopfhörern auf dem Fahrrad. Man kann nicht von der Polizei angehalten und gebüsst werden durch das Tragen von Kopfhörern beim Velofahren. Kommt es aber zu einem Unfall, könnte ein Gericht basierend auf dem bestehenden Gesetz den Velofahrer für mitschuldig erklären auf Grund von fehlender Aufmerksamkeit für den Strassenverkehr. Es ist jedoch schwierig das Tragen von Kopfhörern als Grund für die Unaufmerksamkeit nachzuweisen und vor Gericht gültig zu machen.

Über ein solches Beispiel hat die NZZ letztes Jahr berichtet. Ein 20-jähriger Velofahrer ist damals auf dem Trottoir der Zürcher Bahnhofstrasse im Slalom zwischen Fussgängern hindurchgefahren. Weil er Kopfhörer trug, war er laut Anklage nicht in der Lage, die Umgebungsgeräusche wahrzunehmen und missachtete zudem ein Handzeichen zum Anhalten, das ihm ein Polizist gab.

Vor Gericht gab der junge Mann zu Protokoll, dass er nicht slalomartig unterwegs war und einer seiner beiden Kopfhörer kaputt gewesen ist, wodurch er die Umgebung zu jederzeit gut wahrnehmen konnte. Auch zu einem Unfall kam es nicht, weshalb der Mann schlussendlich lediglich eine Geldbusse erhielt wegen Nichtanpassens der Geschwindigkeit und Fahrens auf dem Trottoir. Die Beeinflussung der Wahrnehmung durch die Kopfhörer konnte nicht nachgewiesen werden.

Kompromisslösungen

Grundsätzlich rät auch Veloplus davon ab, Kopfhörer auf dem Fahrrad zu verwenden. Insbesondere im dichten Strassenverkehr in grösseren Ortschaften, verlässt man sich am besten auf alle Sinnesorgane und nicht nur auf die Augen. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

Für die Musikverrückten, die es ohne Sound auf dem Fahrrad nicht aushalten, gibt es verschiedene Alternativen. Ein guter Kompromiss wäre beispielsweise nur einen Stöpsel der Kopfhörer zu verwenden, oder die Musik einfach so weit zurückschrauben, dass man herannahende Autos und andere Verkehrsteilnehmer immer noch gut hören kann.

Eine weitere Alternative wäre das Hören von Musik über Lautsprecher. Mit dem Quadlock Case kann beispielsweise ein Smartphone ganz einfach am Lenker montiert werden und mit Lautsprechern verbunden werden. So kann man trotz Musik immer auch die Umgebungsgeräusche gut wahrnehmen.

Darf man mit kopfhörern fahrrad fahren
Der smarte Velohelm von Livall. Musikgenuss und Sicherheit.

Wer etwas ganz spezielles will, kann sich auch Gedanken über einen „smarten“ Fahrradhelm machen. Die Smart Helmets von Livall haben die Helmtechnologie revolutioniert. Sie kommen mit ganz vielen Extras. Unter anderem auch einem integrierten Lautsprechersystem. Auch hier sollte man jedoch darauf achten, dass man die Lautsprecher nicht voll aufdreht und sich nicht davon ablenken lässt.

Mit diesen verschiedenen Alternativen gibt es also Möglichkeiten, wie man Musik hören kann und dennoch nicht völlig absorbiert ist von den Strassengeräuschen.

  • Strassenverkehrsgesetzes (SVG) Artikel 31
  • Verkehrsregelnverordung (VRV)
  • Medienmitteilung Suva
  • BfU: Dossier Ablenkung im Verkehr

Präventionskampagne in Australien:

Auch in Australien wurde mit einer offensiven Präventionskampagne vor Kopfhörern im Strassenverkehr gewarnt. Die Kampagne „Watch for cars when wearing headphones“ der New South Wales Police, sollte die Menschen für die steigende Anzahl junger Todesopfer durch das Tragen von Kopfhörern sensibilisieren.

Kann man mit Kopfhörer fahren?

In § 23 Abs. 1 StVO steht: Dein Gehör darf im Straßenverkehr nicht durch technische Geräte beeinflusst werden. Kopfhörer sind aber grundsätzlich nicht verboten. Es kommt immer auf die Lautstärke und die mögliche Ablenkung an.

Wie laut darf man Musik mit Kopfhörer hören?

Für tragbare Audiogeräte gibt die europäische Norm EN 60950 eine maximale Lautstärke von 85 dB(A) vor. Dem Nutzer bleibt allerdings freigestellt, diese Grenze auf 100 Dezibel zu erhöhen.

Ist es erlaubt mit Kopfhörern Motorrad zu fahren?

Beim Motorradfahren dürfen Sie Kopfhörer tragen. Sofern sich aber ein Unfall ereignet, weil Sie aufgrund der lauten Musik z.B. nicht oder nicht rechtzeitig bremsen konnten, kann sich dies auf die Schuldfragen auswirken und u.U. dazu führen, dass Ihnen ggf. eine Teilschuld zugesprochen wird.

Was kostet Telefonieren auf dem Fahrrad?

Bußgeld bei Vergehen Laut deutschem Bußgeldkatalog wird das Benutzen eines Mobiltelefons ohne Freisprecheinrichtung auf dem Fahrrad mit 55 Euro geahndet. Damit ist das Bußgeld nicht ganz so hoch wie beim Telefonieren ohne Freisprecheinrichtung in einem Auto.