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Urteil | Krankheit Sozialgericht Stuttgart, Urteil vom 6.Mai 2019 - S 21 AL 1622/18 Ein Arbeitnehmer wird krankgeschrieben und auch bis zum Ende der Krankengeldzahlung nicht wieder gesund. Nach der Nahtlosigkeitsregelung des dritten Sozialgesetzbuches (SGB III) steht ihm Arbeitslosengeld (ALG) zu, obwohl er der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht. Seinen Rentenantrag lehnte die Rentenversicherung ab, weil seine Erwerbsfähigkeit noch nicht soweit gemindert ist, dass er keine Tätigkeiten des Arbeitsmarktes mehr ausüben kann. Deshalb wollte die Arbeitsagentur kein ALG gewähren. Wer arbeitsunfähig ist und arbeitslos, kann Arbeitslosengeld beanspruchen, auch wenn sie*er nicht der Vermittlung zur Verfügung steht. Copyright by pix4U/Fotolia 06.07.2019 Eine nicht seltene Lebenslage: Ein*e Arbeitnehmer*in erkrankt auf Dauer und kann die bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben. Krankengeld gibt es eineinhalb Jahre lang, anschließend Arbeitslosengeld. Die Arbeitsagentur verlangt aber, dass man sich der Arbeitsvermittlung
zur Verfügung stellt, ansonsten gibt es kein Arbeitslosengeld. Der Gesetzgeber hat mit der Nahtlosigkeitsregelung eine Lösung geschaffen. In der Praxis gibt es aber immer dann Probleme, wenn sich Rentenversicherung und Arbeitsagentur nicht einig sind. Verfügbarkeit ist im Regelfall eine Voraussetzung für den Bezug von ArbeitslosengeldArbeitslosengeld (ALG) hängt von einigen Voraussetzungen ab. Anspruch auf ALG hat, wer arbeitslos ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Weitere Voraussetzung ist, dass die*der Arbeitnehmer*in nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen). Der*die Arbeitslose muss insbesondere zudem den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehen (Verfügbarkeit). Das Gesetz regelt auch, wann ein*e Arbeitslose*r verfügbar ist. Nämlich wenn sie*er
Arbeitslos ist auch, wen die Arbeitsagentur aus gesundheitlichen Gründen nicht vermitteln kannWas ist mit Menschen, die langfristig erkrankt sind und selbst davon ausgehen, dass sie aus gesundheitlichen Gründen ihre bisherige Tätigkeit nie wieder ausüben können? Genau für diese Fälle sieht das Gesetz die Nahtlosigkeitsregelung vor. Dauert die Arbeitsunfähigkeit bereits mehr als sechs Monate an, kommt es
zunächst auf die Verfügbarkeit nicht an. Und zwar solange die gesetzliche Rentenversicherung nicht Erwerbsminderung festgestellt hat. Die*der Arbeitslose hat gleichwohl einen Anspruch auf ALG, wenn die übrigen Voraussetzungen dafür vorliegen. Dabei ist unerheblich, ob sein bisheriges Arbeitsverhältnis weiter besteht. Das Gesetz verlangt insoweit nur, dass kein tatsächliches Beschäftigungsverhältnis mehr besteht, die*der Arbeitnehmer*in also keine Arbeit leistet und auch kein Geld
bekommt. Unverzüglich einen Reha- oder Rentenantrag stellenNachdem also nach Ende von maximal 78 Wochen die Krankenversicherung kein Krankengeld mehr zahlt, kann der Betroffene Arbeitslosengeld beanspruchen. Jetzt ist zweierlei von Bedeutung:
Die Rentenversicherung will nicht zahlen, die Arbeitsagentur auch nichtProblematisch wird es, wenn die*der Betroffene nicht akzeptiert, dass die Rentenversicherung ihren*seinen Rentenantrag abgelehnt hat, weil sie*er selbst davon ausgeht, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten zu können. Oder die Arbeitsagentur kommt aufgrund eines Gutachtens ihres eigenen ärztlichen Dienstes zu der Überzeugung, dass die*der Betroffene nicht mehr 15 Stunden in der Woche regelmäßig arbeiten kann.
Fälle wie diese sind regelmäßig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten gegen die Bundesagentur für Arbeit. Diese nimmt grundsätzlich folgende Standpunkte ein:
Das Gesetz ist eigentlich ziemlich eindeutigMan hat den Eindruck, dass die Verantwortlichen bei der Bundesagentur für Arbeit das Gesetz gar nicht verstanden haben. Im Gesetz steht nämlich nicht, dass die Nahtlosigkeitsregelung bereits beendet ist, wenn die Rentenversicherung irgendeine Entscheidung über die Rente getroffen hat. Insoweit bleibt es uns an dieser Stelle nicht erspart, das Gesetz einmal genauer anzuschauen. Geregelt ist die Nahtlosigkeit in § 145 des dritten Sozialgesetzbuches (SGB III). Dort steht zunächst einmal folgende Voraussetzung: Auf die Verfügbarkeit kommt es nicht an, wenn die*der Betroffene wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind. Sodann ist als Voraussetzung geregelt, dass eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Des Weiteren bestimmt die Vorschrift: Erwerbsminderung ist etwas völlig anderes als VerfügbarkeitGeregelt ist also, dass kein ALG bekommt, wer Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat. Denn nur insoweit kann die Rentenversicherung ja überhaupt etwas feststellen. Unter welchen Voraussetzungen verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, ist im § 43 des sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) geregelt. Das sind aber völlig andere Bedingungen als sie für die Feststellung eine Rolle spielen, dass eine k:mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen:k nicht mehr ausgeübt werden kann. Das betrifft nämlich den Umfang der Verfügbarkeit. Und diese Feststellung muss die Arbeitsagentur und nicht die Rentenversicherung treffen. Ansonsten wäre die Vorschrift zur Nahtlosigkeit ja auch ziemlich unsinnig. Dann wäre geregelt, dass ALG nicht zu zahlen ist, wenn die Rentenversicherung entweder feststellt, dass verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt oder nicht vorliegt. Fazit: ein Fall der Nahtlosigkeit im Sinne des § 145 SGB III liegt immer vor, wenn die Arbeitsagentur davon ausgeht, dass die*der Betroffene aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr dazu in der Lage ist, mindestens 15 Stunden in der Woche zu arbeiten. Und zwar solange, bis die Rentenversicherung Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zahlt. Wer sich arbeitslos meldet, gibt damit auch zu erkennen, dass er für Arbeitsplätze zur Verfügung steht, die seinem Leistungsvermögen entsprechenAber auch die Bereitschaft der*des Betroffenen, eine zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben, ist nicht dadurch eingeschränkt, dass sie*er die Entscheidung der Rentenversicherung anfechtet. Damit gibt sie*er lediglich zu erkennen, dass sie*er davon ausgeht, es gebe auf dem Arbeitsmarkt keine Tätigkeit mehr, die sie*er trotz der gesundheitlichen Einschränkungen noch ausüben kann. Mit der Arbeitslosmeldung hat sie*er aber zum Ausdruck gebracht, dass sie*er eine leidensgerechte Tätigkeit annehmen würde, wenn sich denn eine solche findet. Von unseren Büros müssen regelmäßig entsprechende Verfahren geführt werden, weil die Weisungslage bei den Arbeitsagenturen insoweit offensichtlich nicht gesetzeskonform ist. Es ist uns indessen kein einschlägiges Verfahren bekannt, das die DGB Rechtsschutz GmbH insoweit nicht erfolgreich für Gewerkschaftsmitglieder geführt hätte. Im Mai 2019 konnten etwa die Kolleg*innen unseres Büros in Stuttgart wieder einmal erfolgreich ein Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) beenden und einem Mandaten zum Bezug von ALG verhelfen. Hier geht es zur Entscheidung des SG Stuttgart Rechtliche Grundlagen § 145 SGB III Minderung der Leistungsfähigkeit 1. teilweise erwerbsgemindert sind, Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll
erwerbsgemindert sind, Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und (3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs
Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. 1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, (5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist. (6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.
Anstehende Termine und Veranstaltungen:
Was ist besser krank oder arbeitslos?Das hat mehrere Vorteile: Das Krankengeld ist höher als das Arbeitslosengeld und es schmälert nicht die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes. Vielmehr zählt der Krankengeldbezug als Versicherungszeit, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld begründen oder verlängern kann.
Wann ist ein arbeitsloser arbeitsunfähig?Sie sind arbeitsunfähig, wenn Sie Ihre Tätigkeit nicht mehr ausüben können (§ 2 Abs. 1). Während Arbeitslosigkeit: Sie sind nur dann arbeitsunfähig, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, leichte Arbeiten zu verrichten (§ 2 Abs.
Kann man sich wenn man arbeitslos ist auch krank schreiben lassen?Voraussetzung für einen Anspruch auf Krankengeld ist, dass die Arbeitsunfähigkeit zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, an dem der Arbeitnehmer rechtmäßig Leistungen von der Agentur für Arbeit bezogen hat. Beachten Sie allerdings, dass ab dem Erhalt von Krankengeld die Zahlung von Arbeitslosengeld endet.
Wer zahlt nach Kündigung bei Krankheit?Krankenkassen zahlen das Krankengeld grundsätzlich auch dann, wenn der Arbeitnehmer gekündigt wird und im Zeitraum der Kündigungsfrist krank wird. Auch im Falle einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung zahlt die Krankenkasse das Krankengeld weiter.
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