Was passiert wenn man keinen Sinn im Leben sieht?

Zwei junge Fische begegnen schwimmend einem alten Fisch, der in die Gegenrichtung schwimmt. Der alte Fisch fragt im Vorüberschwimmen: „Na, wie gefällt euch das Wasser?“ Die jungen Fische schwimmen zunächst noch ein Stück weiter, dann fragt der eine den anderen verwundert: „Was zum Teufel ist Wasser?!“ – Mit dieser kleinen Geschichte begann eine Rede, die der Schriftsteller David Foster Wallace, der im September des Jahres 2008 mit 46 Jahren starb, bei einer Feier gehalten hatte.

Nicht nur das Leben als solches, auch der medizinische Fortschritt ist voller solcher Paradoxien: Viele für den Menschen lebensnotwendige Faktoren wurden erst dadurch erkannt, weil sie fehlten und der Mangel zu Krankheit oder Tod führte. Skorbut ist eine potenziell todbringende Erkrankung. Seine Symptome sind Zahnfleischbluten, Infektionsanfälligkeit, gestörte Wundheilung, Muskelschwund, Knochenschmerzen und Gelenkentzündungen. Skorbut ist eine Vitamin-C-Mangelerkrankung. Ohne den Skorbut, an dem früher viele Seefahrer erkrankten und starben, wäre die Medizin nicht zu der Erkenntnis gelangt, dass Vitamin C für den Menschen ein lebensnotwendiges Spurenelement ist.

Mit dem Sinn verhält es sich ganz ähnlich wie mit dem Wasser bei den jungen Fischen oder wie mit dem Vitamin C. Wer in seinem Leben nie einen Mangel an Sinn erlebt hat, wer nie die Qual erlebt hat, die ein Mensch erleidet, dem das Gefühl für den Sinn des eigenen Lebens abhandengekommen ist, dem wird die Frage nach dem Sinn wahrscheinlich genauso unbegreiflich vorkommen wie den beiden jungen Fischen die Frage nach dem Wasser.

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Oft ist es paradoxerweise also erst der Mangel, der uns in die Lage versetzt, die Bedeutung eines Phänomens zu erkennen. Wenn es also eine Erkrankung gäbe, die durch Sinn-Mangel verursacht wäre, könnte uns dies wohl helfen, der medizinischen Bedeutung des Sinns auf die Spur zu kommen.

Gibt es eine Sinn-Mangelerkrankung? Ja, es gibt sie. Sie ist eine ernste und in nicht wenigen Fällen sogar tödliche Erkrankung. Es ist die Depression. Depressive Erkrankungen sind keine Bagatellerkrankungen. Die Depression ist ein qualvoller, von den Betroffenen weder durch Willensakte noch durch sonstige selbst veranlasste Maßnahmen beeinflussbarer Zustand. Kennzeichen der Depression sind ein Gefühl anhaltender innerer Leere, über Wochen und Monate gehender Antriebsverlust, ein andauerndes „Gefühl der Gefühllosigkeit“ und eine qualvolle Empfindung völliger Sinnlosigkeit des eigenen Daseins. Dieser qualvolle Zustand ist es, der nicht wenige depressiv Erkrankte suizidal werden lässt – etwa David Foster Wallace, der sich das Leben nahm. Und das tragische Schicksal des deutschen Torwarts Robert Enke ist noch in unser aller Erinnerung. Der Tod dieses Sportlers hat viele Menschen ganz besonders berührt, weil er kein Aufschneider war, wie man sie im Spitzensport oft findet. Er war ein ganz „normaler“ Mensch, ein Mensch wie viele unter uns: bescheiden, pflichtbewusst und voller Hingabe an seine berufliche Arbeit.

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Wenn wir in der Sinnfrage noch einen Schritt weiter gehen, können wir uns eine Frage stellen, die im Falle des Skorbuts so lauten würde: Wenn der Skorbut eine Vitamin-C-Mangelerkrankung ist, welche Nahrungsmittel müssen Menschen zu sich nehmen, um ihren Vitamin-C-Bedarf zu stillen. Wie jedermann weiß, lautet die Antwort: frisches Obst und Gemüse.

Man könnte nun analog fragen: Wenn die Depression eine Sinn-Mangelerkrankung ist, welche Bedürfnisse müssen befriedigt werden, welcher „Nahrung“ bedarf es, um den Sinnbedarf des Menschen zu stillen? Hypothesen darüber, um welche Bedürfnisse es sich hier handelt, gibt es schon lange, sowohl seitens der Philosophie als auch der Psychologie. Doch viele Menschen geben sich mit Vermutungen nur ungern zufrieden. Um die Skeptiker zu überzeugen, bedurfte es der Erkenntnisse der modernen Neurobiologie. Sie hat in den letzten Jahren tatsächlich Antworten auf die Frage geben können, welche Bedürfnisse befriedigt werden müssen, welcher „Nahrung“ es bedarf, um den menschlichen Organismus vor der Sinn-Mangelerkrankung Depression zu schützen.

Die Antwort der Neurobiologie: Der Mensch braucht, um keinen Sinnmangel zu erleiden und nicht in Depression zu verfallen, zwischenmenschliche Anerkennung, Zuwendung und Sympathie. Wir benötigen, um Sinn zu erleben, andere Menschen, für die wir Bedeutung haben. Menschen brauchen, um gesund zu bleiben, Bindungen. Das Bedürfnis nach Bedeutung, Wertschätzung und Anerkennung ist also keineswegs nur ein psychologisches Bedürfnis (diesbezügliche Annahmen wären nicht neu), sondern es handelt sich – wie neurobiologische Studien zeigen – um ein biologisches Bedürfnis. Menschen, die den Verlust einer Bindung oder einen schwerwiegenden und lang anhaltenden Mangel an Wertschätzung durch andere erleiden, erleben eine messbare Veränderung ihres neurobiologischen Substrats: Die Motivationssysteme des Gehirns stellen die Synthese von lebenswichtigen Botenstoffen wie Dopamin ein. Gleichzeitig kommt es zu einer Aktivierung der neurobiologischen Stress- und Angstsysteme – unter anderem mit einem Anstieg der Stressbotenstoffe Cortisol und Noradrenalin. Das psychische Korrelat dieser neurobiologischen Veränderungen sind Gefühle der Sinnlosigkeit, der Leere, der Angst, des Selbstzweifels und des Lebensüberdrusses.

Die Depression ist eine komplexe Erkrankung. Das Problem von Menschen, die zu depressiven Erkrankungen neigen, besteht nicht „nur“ darin, dass sie von anderen Menschen nicht genügend Wertschätzung erhalten haben. Zwar können externe, von außen kommende Faktoren für die Auslösung einer depressiven Erkrankung eine sehr bedeutende Rolle spielen, zum Beispiel übergroßer Leistungsdruck am Arbeitsplatz bei gleichzeitig fehlender Wertschätzung, eine Situation übrigens, wie sie derzeit sehr viele Menschen erleben.

Diesen äußeren Faktoren ist durchaus Gewicht zuzumessen. Bei Menschen, die depressiv erkranken, spielt jedoch ein weiterer, nämlich ein innerer Faktor eine ebenso bedeutende Rolle: Personen mit erhöhtem Depressionsrisiko können die liebevolle Unterstützung oder Zuwendung anderer schlecht an sich heranlassen. Der Grund dafür ist, dass viele Depressive in den frühen Jahren ihres Lebens einen mehr oder weniger starken Mangel an bedingungsloser Liebe erlebt haben.

Viele, die später depressiv erkranken, standen bereits als Kinder unter hohem Leistungs- oder Anpassungsdruck und mussten sich die ersehnte liebevolle Zuwendung sozusagen „hart erarbeiten“. Frühe Erfahrungen dieser Art prägen einen Menschen, sie lassen eine besondere innere Haltung entstehen, die psychotherapeutische Medizin spricht hier von einem inneren „Schema“. Menschen mit erhöhtem Depressionsrisiko haben ein inneres Schema, welches mit dem tiefen Gefühl verbunden ist: „Wenn ich keine besonderen Leistungen erbringe, bin ich nichts wert. Bin ich nicht besonders gut, dann können mich andere nicht lieben. Wenn ich keine Leistungen erbringe und andere mich nicht lieben, kann auch ich selbst mich nicht lieben.“

Leistung ist der Dreh- und Angelpunkt, an dem sich für Menschen mit erhöhtem Depressionsrisiko entscheidet, ob sie sich als liebenswert empfinden und ob ihr Leben einen Sinn hat. Wir alle tragen eine Spur dieses inneren Schemas in uns. Bei Menschen jedoch, bei denen das depressive Schema besonders ausgeprägt ist, kann die vorbehaltlose Liebe eines anderen Menschen nicht mehr ins eigene Innere hineingelassen werden: Depressive fühlen sich wie durch eine unsichtbare Wand von anderen emotional abgetrennt.

Etwas Weiteres kommt hinzu: Wie von unsichtbarer Hand gesteuert, geraten Menschen mit einem depressiven inneren Schema immer wieder in berufliche oder private Milieus und Situationen, wo sie zwar wenig Zuwendung finden, dafür aber ihren Leistungshunger ausleben können, an dem sie dann aber – früher oder später– erkranken. Die Depression ist also eine Erkrankung, bei der innere und äußere Faktoren zusammenwirken. Die Therapie besteht nicht nur darin, auf die äußeren Faktoren zu achten, die eine Depression begünstigen, sondern mit den Patienten auch nach innen zu schauen und das eigene „depressive Schema“ zu verändern.

Angehörige sollten hier auf keinen Fall „Do it yourself“-Therapieversuche starten. Die Arbeit an inneren Schemata gehört in die Hand von guten Psychotherapeuten. Im Falle eines ernsten depressiven Einbruchs sollte die Behandlung auf jeden Fall in einer psychosomatischen Klinik erfolgen.

Der Autor ist Universitätsprofessor, Internist, Psychiater und Facharzt für psychosomatische Medizin. Er arbeitet am Uniklinikum in Freiburg.

Was ist der Sinn des Lebens? Hier finden Sie die Antwort.

Was tun wenn man keinen Sinn im Leben hat?

Sprechen Sie mit jemandem, wenn Sie das Gefühl haben, dass das Leben sinnlos ist. Das Entdecken von Momenten, die dem Leben Sinn geben können, ist ein praktischer Weg, um den Gedanken zu überwinden, dass das Leben sinnlos ist. Depressionen führen oft dazu, dass sich eine Person von Menschen fernhält.

Kann ich glücklich werden ohne Sinn im Leben?

Die kurze Antwort lautet: Nein, Glück ist ohne Sinn nicht zu haben. Warum das so ist und was ein Leben reicher macht, erklärt die Sinnforscherin Tatjana Schnell. Glücklich werden ohne Sinn im Leben – das geht nicht wirklich, wenn man die Forschungsergebnisse der letzten 20 Jahre ernst nimmt.

Wie findet man den Sinn im Leben wieder?

Sinn des Lebens: 3 Beispiele für Lebensglück + 5 Tipps.
Sieh dein Lebensglück nicht in Zielen..
Geld allein macht nicht glücklich..
Folge den Dingen, die dich begeistern und dir Spaß machen. Ändere deinen Lebensstil. ... .
Sei dankbar für dein Leben..
Schätze die Liebe als höchstes Gut. Lerne, dich selbst zu lieben..

Warum brauchen Menschen einen Sinn im Leben?

Ein echter Sinn im Leben gibt dem Menschen Sicherheit und bildet die Basis für Zufriedenheit und Glück. An einer völlig sinnlosen Welt würde der Mensch verzweifeln. Der eigene Sinn des Lebens dient ihm als innerer Kompass im Sturm der Welt, als Schutzschild, die Höhen und Tiefen des Lebens zu meistern.