Was passiert wenn ich länger als 72 wochen krank bin

Nach 78 Wochen endet der Anspruch eines Arbeitnehmenden auf Krankengeld durch die gesetzliche Krankenkasse. Danach erhalten die Betroffenen das sogenannte Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit. Arbeitgeber müssen bei der Aussteuerung betroffener Arbeitnehmender einiges beachten.

Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen bei Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit längstens für 78 Wochen (innerhalb von drei Jahren) Krankengeld. Die Beendigung der Krankengeldzahlung nach 78 Wochen bezeichnet man als "Aussteuerung". Sofern man davon ausgeht, aufgrund der Erkrankung nicht mehr seinen Job ausüben zu können, sollte man eine Erwerbsminderungsrente beantragen. Doch manchmal hat der Rentenversicherungsträger zum Zeitpunkt der Aussteuerung noch nicht über den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente entschieden. Betroffene drohen dann in eine Lücke in unserem sozialen Netz zu fallen. Ihnen fehlt nicht nur ihr Einkommen, sie können auch ihren Krankenversicherungsschutz verlieren.

Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit (Nahtlosigkeitsregelung)

Die drohende Lücke kann durch das Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit (§ 145 SGB III) geschlossen werden. Hierbei handelt es sich um eine besondere Form des Arbeitslosengeldes, welches bis zur nachfolgenden Leistung gezahlt wird, weshalb man auch von einer "Nahtlosigkeitsregelung" spricht. Während des Leistungsbezugs besteht die Krankenversicherung fort. Die Beiträge hierfür werden von der Agentur für Arbeit getragen.

Anspruch auf Arbeitslosengeld trotz Arbeitsverhältnis

Das arbeitsrechtliche Arbeitsverhältnis besteht in diesen Fällen weiterhin. Trotzdem muss sich der Arbeitnehmende arbeitslos melden und damit signalisieren, dass er das Direktionsrecht seines Arbeitgebers nicht mehr anerkennt. Obwohl das Arbeitsverhältnis noch besteht, hat der Arbeitnehmende in dieser besonderen Situation einen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Krankengeld-Ende: Was der Arbeitgeber zu veranlassen hat

Gemäß der gemeinsamen Verlautbarung zum Fortbestand des Versicherungsverhältnisses bei Arbeitsunterbrechungen ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt haben Arbeitgeber zum Ende des Krankengeldbezuges die Abmeldung des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses für betroffene Arbeitnehmende zu veranlassen (Meldegrund 30 – Abmeldung wegen Ende einer versicherungspflichtigen Beschäftigung).

Da Krankengeld für bis zu 78 Wochen bezogen werden kann, werden in dem Kalenderjahr, in dem die Abmeldung erfolgt, bis zum Abmeldetermin meist ausschließlich beitragsfreie Zeiten und damit keine SV-Tage vorliegen. Sind in dem Kalenderjahr bis zum Abmeldedatum keine SV-Tage anzusetzen, ist ein nach Ende des Krankengeldbezugs gewährtes einmalig gezahltes Arbeitsentgelt beitragsfrei.

Märzklausel beachten

Wird eine Einmalzahlung in der Zeit von Januar bis März eines Jahres ausgezahlt, muss die Märzklausel beachtet werden. Die Einmalzahlung ist dann dem Vorjahr zuzuordnen. Wurden im Vorjahr beitragspflichtige Zeiten zurückgelegt, muss die bei Einmalzahlungen übliche Vergleichsberechnung auf der Basis der Vorjahresdaten erfolgen.

Mehr zum Thema Märzklausel erfahren Sie hier.

1. Das Wichtigste in Kürze

Krankengeld zahlt die Krankenkasse Versicherten, wenn sie länger als 6 Wochen arbeitsunfähig sind. Das Krankengeld wird individuell berechnet und ist niedriger als das Nettoeinkommen. Innerhalb von 3 Jahren gibt es höchstens 78 Wochen lang Krankengeld für dieselbe Krankheit.

In bestimmten Fällen wird ein gekürztes bzw. kein Krankengeld gezahlt. Details unter Krankengeld > Keine Zahlung.

Kinderpflege-Krankengeld erhalten Eltern während der Betreuung ihres kranken Kindes, Näheres unter Kinderpflege-Krankengeld.

2. Voraussetzungen

Das Krankengeld ist eine sog. Lohnersatzleistung, d.h. es wird gezahlt, wenn nach 6 Wochen kein Anspruch (mehr) auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber besteht. Gezahlt wird es auch in den ersten 4 Wochen einer Beschäftigung, weil es in dieser Zeit noch keinen Anspruch auf die Entgeltfortzahlung gibt. Weitere Voraussetzungen sind:

  • Versicherteneigenschaft (gesetzlich krankenversichert mit Anspruch auf Krankengeld) zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit.
  • Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit
    oder
    stationäre Behandlung in Krankenhaus, Vorsorge- oder Reha-Einrichtung auf Kosten der Krankenkasse. (Definition "stationär": Teil-, vor- und nachstationäre Behandlung genügt, wenn sie die versicherte Person daran hindert, ihren Lebensunterhalt durch die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit zu bestreiten.)
  • Es handelt sich immer um dieselbe Krankheit oder um eindeutige Folgeerkrankungen derselben Grunderkrankung oder um eine weitere Krankheit, die während der laufenden Arbeitsunfähigkeit dazu kommt. Näheres siehe unten bei "Dauer".

Wer Arbeitslosengeld bezieht, erhält ebenfalls unter diesen Voraussetzungen Krankengeld.

2.1. Kein Anspruch auf Krankengeld

Keinen Anspruch auf Krankengeld haben:

  • Familienversicherte
  • Teilnehmende an Beruflichen Reha-Leistungen (Teilhabe am Arbeitsleben) sowie zur Berufsfindung und Arbeitserprobung, die nicht nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erbracht werden; Ausnahme bei Anspruch auf Übergangsgeld
  • Menschen vor dem 30. Geburtstag in einem Pflichtpraktikum
  • Studierende (in der Regel bis zum Abschluss des 14. Fachsemesters oder bis zum 30. Geburtstag
  • Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente, Erwerbsunfähigkeitsrente, einer Vollrente wegen Alters, eines Ruhegehalts, eines versicherungspflichtigen Vorruhestandsgehalts
  • Bezieher von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld

2.2. Krankengeld für Selbstständige

Hauptberuflich Selbstständige, die in einer gesetzlichen Krankenkasse freiwillig- oder pflichtversichert sind, können wählen, ob sie sich mit oder ohne Krankengeldanspruch versichern lassen möchten. Drei Jahre lang sind sie an ihre Entscheidung gebunden. Wenn zu diesem Zeitpunkt bereits Arbeitsunfähigkeit besteht, gilt der Krankengeldanspruch nicht sofort, sondern erst bei der nächsten Arbeitsunfähigkeit. Bei Krankengeldanspruch sind Dauer und Höhe des Krankengelds dann gleich wie bei angestellten Versicherten.

Berechnet wird das Krankengeld aus dem Arbeitseinkommen, das zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen berücksichtigt wurde.

2.3. Praxistipps

  • Wenn Sie selbstständig tätig sind und Ihr Einkommen niedrig ist, werden Ihre Krankenversicherungsbeiträge ggf. aus der sog. Mindesbeitragsbemessungsgrenze berechnet. Grundlage für die Krankengeldberechnung ist aber nicht diese Mindestbeitragsbemessungsgrenze, sondern nur Ihr tatsächliches Arbeitseinkommen in dem für die letzte Beitragsberechnung maßgeblichen Einkommensteuerbescheid.
    In den Tarif mit Anspruch auf Krankengeld in der freiwilligen gesetzlichen Versicherung zu wechseln, lohnt sich für Sie daher nicht, wenn Sie im für die Beitragsbemessung maßgeblichen Steuerbescheid nur Verluste hatten. Dann entsteht keinerlei Krankengeldanspruch, nur die Beiträge werden höher. War ihr Einkommen niedrig, sollten Sie sich überlegen, ob der erhöhte Beitrag zu dem niedrigen möglichen Krankengeld wirklich im richtigen Verhältnis steht.
  • Als Selbständige können Sie zwar keine Entgeltfortzahlung erhalten, weil Sie nicht abhängig beschäftigt sind. Trotzdem erhalten Sie Krankengeld von der gesetzlichen Krankenversicherung im Normalfall erst ab der 7. Krankheitswoche. Möchten Sie, dass der Krankengeldanspruch schon früher greift, können Sie einen entsprechenden Wahltarif mit Ihrer Krankenkasse vereinbaren. Die Beiträge erhöhen sich dann weiter.

2.4. Beginn des Anspruchs auf Krankengeld

(§ 46 SGB V)

Der Anspruch auf Krankengeld entsteht an dem Tag, an dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird bzw. eine Krankenhaushandlung oder eine Behandlung in einer Vorsorge- oder Reha-Einrichtung beginnt. Anspruch heißt aber nicht, dass immer sofort Krankengeld bezahlt wird: Die meisten Arbeitnehmenden erhalten erst einmal Entgeltfortzahlung.

2.4.1. Praxistipps

  • Seit Mai 2019 verfällt der Anspruch auf Krankengeld nicht, wenn die Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit innerhalb eines Monats vom Arzt ausgestellt und bei der Krankenkasse eingereicht wird. Allerdings ruht der Krankengeldanspruch dann bis zur Vorlage der Bescheinigung, weshalb auf eine lückenlose Attestierung geachtet werden sollte. Eine Rückdatierung des AU-Beginns ist nur in Ausnahmefällen und nach gewissenhafter Prüfung möglich. In der Regel ist die Rückdatierung nur bis zu 3 Tage zulässig.
  • Wenn Sie gerade eine neue Beschäftigung begonnen haben und in den ersten 4 Wochen krank werden, bekommen Sie noch keine Entgeltfortzahlung, dafür aber Krankengeld (siehe oben). Hierzu ist allerdings erforderlich, dass Sie sich sofort um eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kümmern für den Antrag auf Krankengeld.

3. Höhe des Krankengelds

(§ 47 SGB V)

Das Krankengeld beträgt

  • 70 % des Bruttoarbeitsentgelts,
  • maximal aber 90 % des Nettoarbeitsentgelts.

Das Krankengeld beträgt höchstens 112,88 € pro Tag.

Details zur Höhe und Berechnungsbeispiel unter Krankengeld > Höhe.

3.1. Steuerfrei

Krankengeld ist steuerfrei. Allerdings ist es bei der Steuererklärung anzugeben, da es bei der Berechnung des Steuersatzes berücksichtigt wird. Es unterliegt dem sog. Progressionsvorbehalt. Das heißt, es kann trotz Steuerfreiheit den Steuersatz erhöhen.

4. Dauer

(§ 48 SGB V)

Krankengeld gibt es wegen derselben Krankheit für eine maximale Leistungsdauer von 78 Wochen (546 Kalendertage) innerhalb von je 3 Jahren ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Bei den 3 Jahren handelt es sich um die sog. Blockfrist.

Eine Blockfrist beginnt mit dem erstmaligen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit für die ihr zugrunde liegende Krankheit. Bei jeder Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung beginnt eine neue Blockfrist. Es ist möglich, dass mehrere Blockfristen nebeneinander laufen.

"Dieselbe Krankheit" heißt: identische Krankheitsursache. Es genügt, dass ein nicht ausgeheiltes Grundleiden Krankheitsschübe bewirkt.

Die Leistungsdauer verlängert sich nicht, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine andere Krankheit hinzukommt. Es bleibt bei maximal 78 Wochen.

Die 6 Wochen Entgeltfortzahlung werden bei den 78 Wochen mitgezählt. Tatsächlich gezahlt wird Krankengeld deshalb in der Regel nur 72 Wochen.

4.1. Erneuter Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit

Nach Ablauf der Blockfrist (= 3 Jahre), in der die versicherte Person wegen derselben Krankheit Krankengeld für 78 Wochen bezogen hat, entsteht ein erneuter Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Erkrankung unter folgenden Voraussetzungen:

  • Erneute Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit,
  • mindestens 6 Monate keine Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit und
  • mindestens 6 Monate Erwerbstätigkeit oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehend.

Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld zwar theoretisch besteht, aber tatsächlich ruht oder versagt wird (s.u.), werden wie Bezugszeiten von Krankengeld angesehen (§ 48 Abs. 3 SGB V). Wird z.B. Übergangsgeld von der Rentenversicherung oder Verletztengeld von der gesetzlichen Unfallversicherung bezogen, verlängert sich die maximale Bezugszeit des Krankengelds nicht um diese Dauer.

4.2. Fallbeispiele

  • Erst nach 6 Wochen Krankheit, in denen das volle Gehalt als Entgeltfortzahlung gezahlt wurde, erhält Frau Melnik Krankengeld. Die 6 Wochen Entgeltfortzahlung werden wie Zeiten des Krankengeldbezugs behandelt (= der Anspruch auf Krankengeld ruht). Krankengeld bekommt Frau Melnik deshalb nur noch für maximal 72 Wochen, also 78 Wochen abzüglich der 6 Wochen Entgeltfortzahlung.
  • Genauso ist es bei Herrn Maier, doch seine Arbeitsunfähigkeit beruht auf einem Arbeitsunfall. Nach dem Ende der Entgeltfortzahlung erhält er daher Verletztengeld für 72 Wochen. Danach hat er keinen Anspruch mehr auf Krankengeld, denn ihm werden von den 78 Wochen 6 Wochen Entgeltfortzahlung und 72 Wochen Bezug des Verletztengelds abgezogen.

4.2.1. Praxistipp

Wenn Sie trotz Anspruch darauf tatsächlich keine Entgeltfortzahlung bekommen, gewährt die Krankenkasse Ihnen bei Vorliegen der Voraussetzungen (s.o.) das Krankengeld, da dieses nur bei tatsächlichem Bezug des Arbeitsentgelts ruht. Ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung geht dabei in Höhe des gezahlten Krankengelds auf die Krankenkasse über. Für Sie bedeutet das, dass Sie sich nur noch darum kümmern müssen, die Differenz zwischen dem Krankengeld und ihrem vollen Lohn einzufordern.

4.3. Krankengeld bei Wiedereingliederung

Auch während der Zeit eines Wiedereingliederungsversuchs (Stufenweise Wiedereingliederung) sind Beschäftigte weiterhin krankgeschrieben. Es besteht in der Regel Anspruch auf Krankengeld. Auch diese Zeit zählt deshalb zu den 78 Wochen innerhalb der 3 jährigen Blockfrist.

5. Wer hilft weiter?

Krankenkassen

Kinderpflege-Krankengeld

Arbeitsunfähigkeit

Entgeltfortzahlung

Krankengeld > Höhe

Krankengeld > Keine Zahlung

Versorgungskrankengeld

Krankheitsbedingte Kündigung

Verletztengeld

Rechtsgrundlagen: §§ 44 ff. SGB V

Wer zahlt nach 78 Wochen krank?

Nach 78 Wochen endet der Anspruch eines Arbeitnehmenden auf Krankengeld durch die gesetzliche Krankenkasse. Danach erhalten die Betroffenen das sogenannte Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit.

Was passiert mit langzeitkranken?

Lange krank – wie geht es mit dem Arbeitsvertrag weiter? Wer in Deutschland aufgrund einer Erkrankung nicht arbeiten kann, lässt sich krankschreiben. In den ersten sechs Wochen bekommen Sie ganz normal weiter Ihr Netto-Gehalt überwiesen. Keine Auswirkungen auf den Job.

Was passiert nach 2 Jahren Krankheit?

Was möglich ist, wenn das Krankengeld endet Sind Sie länger krank, zahlt zunächst Ihr Arbeitgeber sechs Wochen Ihr Gehalt weiter. Danach gibt es bis zu 72 Wochen Krankengeld von Ihrer Krankenkasse. Arbeiten. Gehen Sie auf Ihren Arbeitgeber zu, wenn Sie in absehbarer Zeit wieder arbeiten können.

Wie lange kann man Langzeitkrank sein?

Dauer der Krankheit länger als 78 Wochen Ist absehbar, dass eine Erkrankung auch nach 78 Wochen weiter anhält, fordert die Krankenkasse oder die Agentur für Arbeit den Betroffenen oder die Betroffene auf, einen Antrag auf Reha-Maßnahmen und / oder Erwerbsminderungsrente zu stellen.