Wie kann ich meine Milchmenge steigern? Diese Frage beschäftigt einen großen Teil der stillenden Mütter. Um die Milchmenge steigern zu können, ist es hilfreich zu verstehen, wie die Milchbildung beim Stillen geregelt wird. In diesem Artikel werden zum
besseren Verständnis die Phasen der Milchbildung von der Schwangerschaft bis zum etablierten Stillen vorgestellt, um dann die Theorie zur kurzfristigen und längerfristigen Steigerung der Milchbildung zu erläutern. Schließlich werden praktische Tipps aufgelistet, wie die Milchmenge gesteigert werden kann. Inhaltsübersicht: Die erste Phase der Milchbildung, bei der sich die Brustdrüsen der Frau während der Schwangerschaft zur Produktion von Milch differenzieren und das gelbliche Kolostrum bilden, nennt man Laktogenese I. Durch diese Brustentwicklung während der Schwangerschaft nehmen die Brüste an Umfang zu. Interessanterweise sagt das Ausmaß dieser Vergrößerung nichts über die spätere Milchmenge aus. Das heißt, Frauen, bei denen
die Brüste während der Schwangerschaft nur leicht zugenommen haben, können in aller Regel trotzdem ausreichend Milch bilden – mit sehr seltenen Ausnahmen, in denen die Brüste tatsächlich unterentwickelt sind und kein ausreichendes Drüsengewebe enthalten, um ein Baby ohne Zufütterung versorgen zu können (sog. hypoplastische Brüste / primäre Laktationsinsuffizienz). Etwa ab der Hälfte der Schwangerschaft bilden die Milchdrüsen Kolostrum. Die Laktogenese I wird hormonell, d.h. „endokrin“
gesteuert. Die anschließende Phase, bei der die Bildung der reifen Muttermilch initiiert wird, wird Laktogenese II genannt. Die Milch, die in dieser Phase Übergangsmilch heißt, wird allmählich reichlicher, flüssiger, weißer. Der Auslöser für die Bildung reifer Muttermilch ist die Geburt – genauer genommen das Ausscheiden der Plazenta. Die
Milchmenge nimmt etwa 30 bis 40 Stunden nach der Geburt zu. Etwa 50 bis 73 Stunden, also 2–3 Tage nach der Geburt, nimmt das Volumen der Brüste noch einmal drastisch zu (Milcheinschuss). Die Brüste können sich etwas schwer, voll, hart und angeschwollen anfühlen, die Haut kann spannen, wobei der Milcheinschuss nicht von allen Frauen wahrgenommen wird. Der Übergang vom Kolostrum zur Bildung reifer Muttermilch dauert 7 bis 14 Tage (s. auch Milchbildung in den ersten Tagen nach der
Geburt). Die Bildung reifer Muttermilch startet immer noch durch eine „endokrine“ Steuerung, d.h. unabhängig davon, ob das Kind angelegt wird oder nicht. Ab dem 3. bis 4. Tag nach der Geburt lässt die Bildung reifer Muttermilch allerdings nach, wenn die Milch aus der Brust nicht entfernt wird. Die Milchdrüsen bilden sich dann zu ihrem inaktiven Stadium zurück (Involution). Daher ist es so wichtig, dass die Brust in den ersten Stunden und Tagen nach der Geburt früh und häufig (d.h. mindestens
8- bis 12-mal am Tag) und effektiv entleert wird. Bei ungünstigen Verläufen (Kaiserschnitt, schwere, langwierige Geburten, Medikationen während der Geburt, zu spätes oder zu seltenes Anlegen, schläfriges Baby, unnötiges Zufüttern des Babys, Schnuller-Verwendung,
Frühgeburten, Diabetes-Erkrankungen der Mutter usw.) und/oder wenn das Baby an der Brust nicht effektiv genug trinken kann, dann kann sich die Laktogenese II verzögern, d.h. reife Muttermilch wird zu spät bzw. in zu kleinen Mengen gebildet. Das Baby verliert in diesen Fällen zu viel an Gewicht und muss oft zugefüttert werden. Die Phase der Laktogenese II ist der typische
Zeitpunkt, wo die Probleme mit der Milchbildung beginnen. Das richtige Stillmanagement zu diesem Zeitpunkt mit häufigen und gründlichen Entleerungen der Brust hat einen starken Einfluss auf den langfristigen Stillerfolg. Aber auch wenn der Start nicht optimal verläuft, lässt sich die Milchmenge meist noch steigern (siehe auch:
Stillschwierigkeiten im Frühwochenbett: Erste Hilfsmaßnahmen). Die Laktogenese III (früher Galaktopoese genannt) ist die Phase, in der die Bildung reifer Muttermilch aufrechterhalten wird. In dieser Phase wird die Milchbildung nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage („autokrin“) reguliert, wobei ein gesundes Hormonsystem weiterhin die Voraussetzung für die Milchproduktion darstellt. Die Milchmenge wird im Wesentlichen durch den Appetit des Kindes bestimmt, sofern es
uneingeschränkt nach Bedarf angelegt wird. Das heißt, grundsätzlich wird so viel Milch gebildet, wie aus den Brüsten entleert wird. In den ersten 3 bis 6 Wochen nach der Geburt wird die Milchbildung auf den individuellen Milchbedarf des Babys kalibriert. Durchschnittlich trinken Babys ab dem 2. Monat, bis sie Beikost essen, etwa 750 bis 800 ml Muttermilch in 24 Stunden (und zwar über die ganzen Monate konstant gleich viel und nicht zunehmend, wie oft vermutet), wobei manche gesunde Babys weniger als 500 ml Muttermilch am Tag verzehren, andere über 1300 ml, d.h. die Spannweite ist enorm und unterscheidet sich um mehr als das Doppelte. Manchmal bilden die Brüste am Anfang mehr Milch als das Baby benötigt und die Milchbildung reguliert sich im Laufe der Wochen herunter. Bei anderen Müttern muss die Milchbildung wiederum hochreguliert werden, um den Bedarf des Säuglings zu decken. Das milchbildende Brustdrüsengewebe kann sich in dieser Zeit gut vermehren und sich anpassen. Kurzfristige Steigerung der MilchmengeJe stärker die Brust entleert wird, umso schneller wird Muttermilch produziert. (© Dr. Z.Bauer & Nerthuz)Die Geschwindigkeit, mit der Muttermilch in der Brust während der Laktogenese III gebildet wird – also die Milchbildungsrate – hängt in erster Linie vom Entleerungsgrad der Brust ab. Wissenschaftler haben gezeigt, dass die Rate der Milchbildung innerhalb eines Tages in derselben Brust normalerweise um mehr als das Fünffache schwankt, ohne dass die Mutter davon etwas bemerkt. So wurden im Labor des australischen Professors Hartmann bei verschiedenen Frauen innerhalb eines Tages folgende Milchbildungsraten gemessen: Frau A: 2 bis 13 ml/h, Frau B: 10 bis 50 ml/h, Frau C: 19 bis 101 ml/h (Daly et al. 1993; Frau C stillte ihr Baby ausschließlich an der rechten Brust und das Baby trank am Tag an dieser rechten Brust insgesamt etwa 1000 ml Muttermilch; Frau A und B stillten an beiden Brüsten und ihre Babys tranken am Tag insgesamt 535 ml (Frau A) bzw. 950 ml (Frau B)). Die Geschwindigkeit der Milchbildung ändert sich mehrfach im Laufe des Tages – in Abhängigkeit vom Entleerungsgrad der Brust (nach Cregan et al., 1999; Beispiel einer stillenden Frau, nicht übertragbar auf andere Frauen)Ein Baby entleert die Brust niemals vollständig. Im Durchschnitt trinken Babys etwa drei Viertel der in einer Brust vorhandenen Milchmenge, aber die Schwankungen sind sehr groß. Babys, die gerade wenig Appetit haben, trinken nur wenig Milch aus der Brust. Anschließend wird die Milch nur langsam nachgebildet. Babys mit viel Appetit entleeren die Brust stark. Dann schaltet die Milchfabrik auf Hochtouren um. Übrigens, die beiden Brüste kontrollieren die Milchbildungsrate unabhängig voneinander, je nach dem Entleerungsgrad der jeweiligen Brust. Das heißt, in der stark entleerten Brust läuft die Milchbildung auf Hochtouren. Ist die andere Brust hingegen recht voll, dann ist dort die Milchbildungsrate niedrig. Durch diese kurzfristige Regelung der Milchbildung können Babys ihren Milchverzehr an ihre Bedürfnisse anpassen. In der Praxis wird das zum Beispiel bei älteren Babys und Kleinkindern sehr deutlich. Diese essen bereits Beikost, aber die Menge, die sie an Beikost essen, schwankt von Tag zu Tag, von Woche zu Woche sehr stark. So kann ein älteres Baby bereits mehrere Wochen lang größere Mengen Beikost essen und dann auch ohne ersichtlichen Grund für weitere Wochen wieder vollständig an die Brust zurückkehren. Auch bei Erkrankungen können gut essende Kleinkinder wieder vollkommen an die Brust zurückkehren: Sie bekommen so viel Milch wie sie benötigen. In solchen Episoden trinken die Kinder kräftiger und häufiger und so kann die Milchbildung innerhalb kürzester Zeit um das Mehrfache ansteigen. An diesen Tagen fühlt sich die Brust ganz leer an, sie ist tatsächlich auch kleiner. Aber genau in diesen „leeren“, weichen Brüsten läuft die Milchbildung auf Hochtouren. Lässt man Muttermilch lange stehen, setzt sich die Fettschicht an der Oberfläche ab. Eine dicke Fettschicht in der letzten Fraktion weist auf eine gründliche Entleerung der Brust hin.Übrigens, wie gründlich die Brust entleert wurde, kann man auch am Fettgehalt der abgepumpten Milch erkennen. Idealerweise wird dafür in mehreren Fraktionen abgepumpt und die Fraktionen werden in verschiedenen, durchsichtigen Behältern aufgefangen. Ist der Fettgehalt der gewonnenen Milch gering (< 4%), dann ist die Brust noch ziemlich voll, es wird nur langsam Milch nachgebildet. Ein hoher Fettgehalt der gewonnenen Milch (>10%) weist auf eine gründliche Entleerung hin, die Milchbildung läuft anschließend auf Hochtouren. Denn die Milch, die am Anfang einer Mahlzeit oder einer Pumpsitzung entleert wird (Vordermilch) hat einen niedrigen Fettgehalt. Sie erscheint wäßrig. Mit der Entleerung der Brust steigt der Fettgehalt der Muttermilch an. Die Milch, die zum Schluss entleert wird (Hintermilch) hat einen hohen Fettgehalt und erscheint weißlich (siehe auch Hintergrundwissen zum Milchspendereflex und Fettgehalt der Muttermilch). Die Farbe der Muttermilch können die Frauen daher als Indiz für den Entleerungsgrad der Brust nutzen, unabhängig davon, ob sie viel Milch bilden oder wenig (s. mehr über das Aussehen von Vorder- und Hintermilch). Wissenschaftler zentrifugieren die Milch, um das genaue Volumenprozent an Fett exakt zu bestimmen. Sie schließen auf diese Weise auf den Entleerungsgrad der Brust. Lässt man die Milch eine Weile im Kühlschrank stehen, setzt sich die Fettschicht ebenfalls oben ab. ⇒
In vollen Brüsten wird die Milchbildung gehemmt. Je stärker die Brust entleert ist, umso schneller wird Milch produziert. Füllt sich anschließend die Brust, verlangsamt sich wieder die Milchbildung. Um die maximal mögliche Milchmenge zu bilden, muss die Brust möglichst stark und möglichst häufig entleert werden. Längerfristige Steigerung der MilchmengeManchmal muss ein Neugeborenes vorübergehend zugefüttert werden, weil die Milchbildung aufgrund der ungenügenden Entleerung der Brust nach der Geburt zunächst nicht rechtzeitig/ausreichend in Gang gekommen ist. Wird die Brust in den ersten Tagen und Wochen – also während der Kalibrierungsphase – unzureichend entleert, dann wird das milchbildende Brustdrüsengewebe, das während der Schwangerschaft entstanden ist, nicht weiter vermehrt und allmählich wieder zurückgebildet (Involution), sodass nur weniger aktives Brustdrüsengewebe vorhanden ist. Es hängt von der Menge des aktiven, milchbildenden Brustdrüsengewebes ab, wie viel Milch die Brust zu einem bestimmten Zeitpunkt maximal bilden kann. Durch häufiges und gründliches Entleeren kann man zwar die Milchmenge bereits kurzfristig steigern, aber bei zu wenig aktivem Brustdrüsengewebe reicht sie nicht immer aus, um ein Baby ohne Zufütterung ausreichend zu ernähren. Durch häufiges und gründliches Entleeren der Brust kann sich wieder Milchdrüsengewebe zur Milchproduktion bilden. Dieser ist aber ein längerfristiger Vorgang und braucht mehrere Tage bis einige Wochen oder Monate. Insbesondere in den ersten Tagen nach der Geburt und anschließend noch in den ersten 3 bis 6 Wochen lässt sich die Milchbildung noch relativ schnell steigern. Danach braucht der Körper mehr Zeit dafür und die Mutter muss mehr Arbeit über eine längere Zeit investieren, um ihre Milchbildung zu steigern, indem sie ihre Brüste häufig und stark entleert. Um diesen anstrengenden Prozess durchziehen zu können, braucht die Frau viel Motivation, Unterstützung und Entlastung durch Angehörige. Nicht immer ist es noch möglich, Brustdrüsengewebe für eine volle Milchbildung aufzubauen, da die erforderlichen hormonellen Rahmenbedingungen für die Differenzierung von aktivem Brustdrüsengewebe mit der Zeit abnehmen und/oder weil der Frau schlichtweg die Zeit und die Kraft fehlen, die milchsteigernden Maßnahmen in vollem Umfang umzusetzen (mehr zu den Erfolgsaussichten und der Umsetzung einer langfristigen Milchbildungssteigerung siehe im Artikel Ein zweiter Stillbeginn (Relaktation)). Ist der Übergang zum Vollstillen nicht möglich, dann kann Teilstillen beibehalten werden, bis mit der Einführung von Beikost die Säuglingsmilch weggelassen wird. Das Ziel in einem solchen Fall ist es, das vorhandene Milchbildungspotenzial voll auszuschöpfen und aufrechtzuerhalten. Das Teilstillen kann bei Bedarf über Jahre fortgesetzt werden (s. auch Teilstillen – Wenn Muttermilch nicht ausreicht). Je früher nach der Geburt die Frau mit dem häufigen und gründlichen Entleeren der Brust beginnt (mindestens 8- bis 12-mal am Tag), umso besser sind ihre Chancen, noch zum Vollstillen zu gelangen. Es wird vermutet, dass in erster Linie hohe Prolaktinspiegel für die Differenzierung von Milchdrüsengewebe erforderlich sind: Dieser ist vor allem unmittelbar nach der Geburt anzutreffen und nimmt im Laufe der Zeit kontinuierlich ab. Bei Frauen, die nicht stillen, sackt der Prolaktin-Spiegel
innerhalb von 1 bis 3 Wochen auf das Basis-Niveau ab. Bei stillenden Müttern nimmt der Prolaktinspiegel im Laufe der Monate ebenfalls kontinuierlich ab, bleibt im Vergleich zu nicht-stillenden Frauen aber langfristig etwas erhöht. Wird in der Phase des hohen Prolaktinspiegels in der ersten Zeit nach der Geburt die Brust häufig und gründlich entleert, dann bilden sich an den Brustdrüsen viele Prolaktinrezeptoren aus. Für die Aufrechterhaltung der Milchbildung sind hohe Prolaktin-Spiegel nicht
mehr erforderlich, bestehende aktive Brustdrüsen arbeiten auch bei niedrigen Prolaktin-Spiegeln, weil sie zahlreiche Prolaktin-Rezeptoren ausgebildet haben. GalaktogogaDie Milchdrüsen vermehren und differenzieren sich zu ihrem aktiven, milchbildenden Stadium in der Schwangerschaft und nach der Geburt, wenn die Brust häufig und gründlich entleert wird. Durch regelmäßiges und gründliches Entleeren können sich auch später noch aktive Milchdrüsen ausbilden, ein Übergang zum vollen Stillen ist dann aber nicht immer möglich. (Tigatelu, Fotolia)Bei niedrigem Prolaktin-Spiegel können so genannte Galaktogoga eingesetzt werden, welche den Prolaktin-Spiegel steigern. In Europa wird hierzu am häufigsten Domperidon verwendet, das anhand von Erfahrungsberichten von Stillberaterinnen am effektivsten ist und vergleichsweise schnell anschlägt (nach 3–4 Tagen bemerkbar und nach 1–3 Wochen maximale Wirksamkeit). Domperidon ist ein verschreibungspflichtiges Medikament, das gegen Magenbeschwerden, Übelkeit und Erbrechen zugelassen ist. Über die richtige Dosierung herrscht auch unter Fachleuten Uneinigkeit. In zahlreichen Domperidon-Studien zur Steigerung der Milchbildung wurden 3 x 10 mg pro Tag eingesetzt, in einer kleinen Studie 3 x 20 mg pro Tag mit dem Ergebnis, dass die Milchbildung mit der höheren Dosierung höher ausfiel. Manche Expertinnen in der Still- und Laktationsberatung setzen sehr hohe Dosen ein, die durch Studien nicht gedeckt sind: für den Milchbildungsaufbau z.B. 3 x 30 mg oder 4 x 20 mg pro Tag. Diese Dosierung wird nach dem Erreichen der ausreichenden Milchbildung langsam – Tablette für Tablette – ausgeschlichen. Andere Stillexpertinnen distanzieren sich aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen von dieser hohen Dosierung und empfehlen die in Studien evaluierte Dosis von 3 x 10 mg pro Tag. Aufgrund der potenziell unerwünschten Wirkungen dürfen nur gesunde Frauen Domperidon einnehmen. Bei Vorerkrankungen des Herzens, der Nieren oder der Leber sowie bei der gleichzeitigen Einnahme von Medikamenten, die den Domperidon-Stoffwechsel hemmen, soll Domperidon aufgrund seiner potenziellen kardialen Nebenwirkungen (ventrikuläre Arrhythmie) nicht genommen werden. Allerdings betreffen die möglichen kardialen Nebenwirkungen überwiegend ältere Patienten über 60 Jahre und nicht gesunde junge Frauen mit Stillwunsch. Gelegentliche Nebenwirkungen von Domperidon sind ein trockener Mund, Juckreiz/Ausschlag, Kopfschmerzen, Durst, Unterbauchschmerzen, Durchfall, Benommenheit oder Nervosität. Auch nach dem Absetzen von Domperidon wurden unerwünschte Wirkungen beschrieben, welche stärker ausfallen können, wenn höhere Dosen eingesetzt wurden. Dazu können z.B. Schlaflosigkeit, Angstzustände, Depressionen und kognitive Probleme zählen. In die Muttermilch lässt sich Domperidon laut Drugs and Lactation Database nur in sehr geringen Mengen finden (weniger als 0,1%, also ein Tausendstel der auf kg Körpergewicht bezogenen mütterlichen Dosis). Bei den Säuglingen wurden keine Symptome beobachtet. Sollte im Zuge des Ausschleichens von Domperidon die Milchbildung zurückgehen und sich bei Wiederaufnahme der Medikation wieder verbessern, dann kann das Medikament schrittweise auf die niedrigste wirksame Dosis reduziert und zu einem späteren Zeitpunkt abgesetzt werden. Es gibt auch weitere Galaktogoga, z.B. Metoclopramid (MCP), die infrage kommen könnten. Allerdings überquert MCP im Gegensatz zu Domperidon die Blut-Hirn-Schranke und tritt in nennenswerten Mengen in die Muttermilch über. Aus diesem Grund wird Domperidon zur Steigerung der Milchbildung in Europa bevorzugt eingesetzt (mehr über die Anwendung, Dosierung und Nebenwirkungen von Domperidon und Metoclopramid und weiteren Galaktogoga finden Sie im ABM-Protokoll Nr. 9 und in der Drugs and Lactation Database). Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2021 aus 14 Originalstudien mit ca. 700 Mutter-Kind-Paaren zeigt eine signifikante Erhöhung der Milchmenge bei Müttern von frühgeborenen Babys unter Domperidon-Einnahme um durchschnittlich 90 ml (95% Vertrauensintervall: 65–115 ml), jedoch keinen Unterschied bei Metoclopramid. Im Hinblick auf Nebenwirkungen gab es keine Unterschiede zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe, weder bei Domperidon noch bei Metoclopramid. Domperidon ist rezeptflichtig und kann z.B. von Frauen- und Allgemeinärzten verschrieben werden. Die Steigerung der Milchbildung gilt bei Domperidon als „off-label-use“, d.h. die Verordnung zur Steigerung der Milchbildung liegt außerhalb des von den Arzneimittelbehörden zugelassenen Gebrauchs. Nicht alle Ärzte sind mit der Anwendung von Domperidon in diesem Kontext vertraut. Die Einnahme von Galaktogoga kann laut ABM-Protokoll Nr. 9 bei gesunden Frauen – wenn medizinische Gründe als Ursache für zu wenig Milch ausgeschlossen sind – in Einzelfällen als ergänzende Maßnahme in Erwägung gezogen werden, wenn die nicht-medikamentösen Maßnahmen zur Milchbildungssteigerung – vor allem die gründliche Entleerung der Brust mindestens 8–12-mal am Tag – umgesetzt werden und zur Steigerung der Milchbildung alleine nicht ausreichen oder diese nur sehr schleppend verläuft. Freiverkäufliche Globuli oder Milchbildungstees haben höchstens eine psychische Wirkung. Viele gängige Kräuter, die in Milchbildungstees eingesetzt werden, gelten sogar als gefährlich für das Baby und die Mutter. Ein milchsteigernder Effekt konnte bei diesen Mitteln bislang nicht nachgewiesen werden. Bockshornkleesamen (Foenum Graecum) sind zur Steigerung der Milchbildung unter Fachleuten umstritten, da unter ihrer Einnahme in mehreren Fällen schwere allergische Reaktionen dokumentiert worden sind und weil ihre Wirksamkeit wissenschaftlich ebenfalls nicht belegt ist. Es können Kreuzallergien mit Korbblütlern, Erdnüssen und Hülsenfrüchten sowie eine mögliche Anaphylaxie auftreten. Weitere mögliche unerwünschte Wirkungen sind u.a. eine verstärkte Schweißbildung, Durchfall, Körpergeruch wie etwa nach „Ahornsyrup“, gesteigerter Appetit und Unterzuckerung sowie eine Symptomverstärkung bei Asthmatikern. Meistens werden Bockshornkleesamen gut vertragen. Viele Hebammen und Stillberaterinnen vertreten die Ansicht, dass Bockshornkleesamen als ergänzendes Hilfsmittel zur Steigerung der Milchbildung wirksam sind und eingesetzt werden können. Bockshornkleesamen gibt es in verschiedenen Darreichungsformen: als Kapseln, Tee oder Pulver. Als Kapseln werden 1200–2400 mg Bockshornkleesamen am Tag empfohlen. Auch Bockshornkleesamen sollen ihre Wirkung nach 3–4 Tagen entfalten. Nach zwei Wochen können dann die Kapseln weggelassen werden, um zu testen, ob die Milchbildung dadurch abnimmt. Wird keine Änderung bemerkt, können die Kapseln weggelassen, ansonsten können sie weiter genommen werden. Weitere Pflanzen, denen in der Vergangenheit milchbildungssteigernde Effekte zugeschrieben worden sind, sind u.a. Mariendistel, Benediktenkraut, Ziegenraue, Löwenzahn, Hafer, Hirse, Hopfen, Seetang, Anis, Basilikum, Fenchelsamen, Moringa-Blätter, Brennessel, Melisse, Kümmel, Zitronengras usw. Bei all diesen Pflanzen fehlen solide wissenschaftliche Beweise für einen etwaigen milchsteigernden Effekt. Der Placebo-Effekt könnte die Erklärung für die von manchen Müttern wahrgenommene milchsteigernde Wirkung sein. Auf der anderen Seite wurden in Einzelfällen auch allergische Reaktionen, Übelkeit, Durchfall, Magenkrämpfe, trockener Mund, Erschöpfung usw. als Reaktion auf diese Pflanzenextrakte beschrieben. WERBUNGSetzen Frauen pflanzliche Präparate zur Steigerung der Milchmenge ein, dann empfiehlt es sich diese aufgrund der Gefahr von Fälschungen und giftigen Substanzen nur von bekannten, seriösen Herstellern zu beziehen. Bier wird traditionell ebenfalls zur Steigerung der Milchmenge eingesetzt, allerdings zeigt Alkohol den gegenteiligen Effekt: Er vermindert die Milchmenge. Falls stillende Frauen Bier trinken, sollten sie alkoholfreie Varianten wählen. Galaktogoga sollten nur dann eingesetzt werden, wenn die Milchbildung durch nicht-medikamentöse Maßnahmen allein nicht ausreichend gesteigert werden kann und auch dann nur ergänzend zur Stimulierung der Brust. Ohne häufiges und gründliches Entleeren der Brust (mindestens 8- bis 12-mal am Tag) zeigen Galaktogoga keinen Effekt. Sie wirken außerdem nicht bei jeder Mutter. Desweiteren können Milchbildungsprobleme auch andere Ursachen haben, wie z.B. Schilddrüsenerkankungen, Verbleiben von Plazentaresten in der Gebärmutter, Anämie, polyzystisches Ovarsyndrom usw. (s. Zu wenig Milch). Auch in solchen Fällen zeigen Galaktogoga keine Wirkung. Hier müssen die zugrundeliegenden Ursachen behandelt werden. Es wird oft beschrieben, dass die Milchmenge plötzlich absackt, sobald die Galaktogoga abgesetzt werden. In einem solchen Fall wird in der Stillberatung empfohlen, die Galaktogoga weiterzunehmen und die Dosierung nur ganz langsam auszuschleichen. Die niedrigste Dosierung sollte gewählt werden, die erforderlich ist, bis das Medikament komplett weggelassen werden kann. Praktische Maßnahmen zur Steigerung der MilchbildungAm gründlichsten entleert ein korrekt angelegtes, effektiv saugendes Baby die Brust. (© chiyacat)Die Methoden zur langfristigen Steigerung der Milchbildung sind identisch wie die zur kurzfristigen Steigerung. Frauen, die ihre Milchbildung steigern wollen, müssen also darauf achten, dass ihre Brüste möglichst stark entleert werden und das möglichst rund um die Uhr. Im Folgenden werden praktische Ratschläge zur Steigerung der Milchbildung genannt:
Unterstützung organisierenDurch Literatur allein ist es nicht so einfach, die Milchbildung auf Touren zu bringen. Stillberaterinnen helfen ein individuell angepasstes Konzept herauszuarbeiten und begleiten die Frauen mit Rat und Ermutigung (s. z.B. unser Stillberaterinnen-Verzeichnis). In Stillgruppen können sich die Frauen mit anderen Müttern austauschen, voneinander lernen, Tipps abholen und sich gegenseitig Mut zusprechen. Zusätzlich braucht die Mutter viel Entlastung beim Baby, im Haushalt und ggf. bei den Geschwisterkindern durch Angehörige: Einkaufen, Essen zubereiten, Küche aufräumen, ggf. Reinigen des Zubehörs für Milchpumpe und Zufütter-Utensilien, sich mit den anderen Kindern beschäftigen, Wäsche aufhängen, saugen, usw. Aber auch die Mutter selbst braucht Entlastung mit dem Baby, damit sie sich auch ein Stück weit erholen kann und Zeit für Ihr Baby und bei Saugproblemen für die zusätzlichen Maßnahmen wie Abpumpen und Handentleeren hat. Denn Stillen und die zusätzliche Steigerung der Milchbildung ist bereits ein 24-Stunden-Job. Der Vater kann das Baby im Tragetuch herumtragen, Windeln wechseln, das Baby der Mutter zum häufigen Stillen bringen, eine hochwertige elektrische Doppelmilchpumpe mit Zubehör und andere Stillhilfsmittel besorgen, der Mutter Getränke und Essen, Wärmeauflagen und Milchpumpe ans Bett bringen und die Brusthauben ggf. auch an die Brust ansetzen, damit die Frau auch im Halbschlaf abpumpen kann. In solchen Situationen ist es sehr hilfreich, wenn der Vater seine Elternzeit oder Urlaub nehmen kann. Wenn das nicht geht, können gegebenenfalls auch Mütterhelferinnen in Anspruch genommen werden. Ohne tatkräftige Unterstützung und emotionelle Stärkung ist der Aufbau der Milchbildung nach schlechtem Start nicht einfach. Quellen:
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© Dr. Z. Bauer – Publikationen in der Stillförderung. 2003-2022; Letzte Änderung: Juni 2022. Was regt die Milch in der Brust an?Milchbildende Tees & Gewürze
Als empfehlenswert gelten Teemischungen aus Fenchel, Kümmel und Anis, Malzkaffee oder Malzbier. Bockshornklee, Melisse, Dill und Zitronenverbene können in der Stillzeit ebenso unterstützen. Vermeiden solltest du in diesem Zusammenhang Salbei und Pfefferminze.
Was kann ich tun um meine Milchmenge zu steigern?Durch Power-Pumping oder durch Hands-on-Pumping lässt sich die Milchmenge steigern, wenn das Baby allein die Brust nicht effektiv entleeren kann. Die Mutter entleert ihre Brust wie immer mindestens 8- bis 12-mal in 24 Stunden durch Stillen und/oder Pumpen/Handentleeren und baut ein bis mehrmals am Tag (bzw.
Was regt die Milchproduktion an?Anis, Basilikum, Bockshornklee, Brennnessel, Dill, Fenchel und Gartenraute wirken milchbildend. Ebenso wie Kümmel, Majoran und Zitronenverbenenblättern. Zu den milchbildenden Lebensmitteln zählen unter anderem Gries, Reis, Kartoffelprodukte, Gerste, Hafer und Malz (z.B. als Malzbier).
Wie regt man die Milchbildung wieder an?Das Saugen an der Brust ist die effektivste Methode, um die Milchbildung anzuregen. Konkret bedeutet das: Die Frau muss ihr Baby acht bis zwölf Mal in 24 Stunden möglichst an beiden Seiten jeweils 15 bis 20 Minuten anlegen. Wichtig ist, dass das Baby generell viel Hautkontakt hat.
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