Was für ein lustiger kunde immer die gleichen bestellungen

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Nichts ärgert Kunden, die Lebensmittel bestellen, so sehr wie wenn der Lieferdienst nachher die Hälfte der Sachen nicht dabei hat. Außer vielleicht: er bringt einen Satz unnützer Überraschungsartikel mit. Ein Friedensangebot.

Nichts ärgert Kunden, die online Lebensmittel bestellen, so sehr wie wenn der Lieferdienst an der Tür klingelt und die Hälfte der Sachen nicht dabei hat. „Nicht lieferbar“ steht dann auf der Liste, die der Bestellung beilegt. Das scheint vor allem die Kommissionierung im Laden (siehe Supermarktblog) zu betreffen, und immer wieder dieselben Problemartikel:

Was für ein lustiger kunde immer die gleichen bestellungen

  • Wenn für eine Zustellung früh morgens am vorigen Nachmittag bzw. Abend kommissioniert ist, sind frisches Obst und Gemüse oft schon weggekauft.
  • Angebotsartikel fehlen regelmäßig.
  • Und manchmal scheinen die Picker einzelne Produkte nicht zu finden, weil sie nicht wissen, wo die im Laden liegen.

Kunden sind sauer, weil sie dann doch noch mal selbst einkaufen müssen, um den Rest zu besorgen. Um das zu vermeiden, haben Online-Supermärkte wie der von Rewe die „Ersatzartikel“ erfunden: Wenn mal was nicht vorrätig ist, wird stattdessen ein ähnlicher oder gleichwertiger Artikel geliefert. Wenn der den Kunden nicht passt, nimmt ihn der Fahrer wieder mit.

Das ist eine Spitzenidee. Und funktioniert oft überhaupt nicht.

Vielerorts im Netz (z.B. in den Kommentarspalten dieses Blogs hier, hier und hier) ist nachzulesen, wie Rewe-Online-Kunden regelmäßig überschäumen, weil ihnen wieder Überraschungsartikel in die Lieferung gemogelt wurden, die völlig ungeeignet sind, um die ursprünglich bestellten zu ersetzen.

Manche berichten von Ersatzwindeln in falscher Größe; Wasser, das explizit in Glasflaschen bestellt wurde, kommt in Plastik – oder mit Kohlensäure statt ohne; eine fehlende Tiefkühlpizza-Sorte wird wahllos durch eine völlig andere ersetzt; wer Heidelbeer-Joghurt mag, mag nicht zwangsläufig Pfirsich-Joghurt. Mein Versuch, über mehrere Bestellungen hinweg Rhabarbersaft zu ordern, wurde zu Umerziehungsmaßnahmen Richtung Litschi und Granatapfel genutzt. Und wenn dann auch noch statt der günstigen Eigenmarken-Smoothies die viel teureren Markensmoothies auf der Rechnung stehen, hört der Spaß für viele auf.

Letzteres sollte eigentlich ausgeschlossen sein, wie Rewe auf Nachfrage bestätigt. Die Vorgabe an die Picker lautet: Wenn fehlende Markenartikel ersetzt werden, dann am besten durch eine (günstigere) Rewe-Eigenmarke – aber niemals andersherum, um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, die Kunden abkassieren zu wollen.

Die Praxis sieht, je nach Picker, anders aus. Ein Grund dafür ist, dass die Ersatzartikel-Ausgabe nicht systematisiert ist. Rewe bestätigt:

„Es handelt sich um Fall-zu-Fall-Entscheidungen, die vom jeweiligen Picker bei der Kommissionierung getroffen werden.“

Bei Real läuft’s ähnlich:

„Der kommissionierende Mitarbeiter macht Vorschläge, die der Kunde bei der Übergabe dann an der Haustür annehmen oder ablehnen kann.“

Das bringt aber nix, weil jeder Kunde anders entscheiden würde, wenn er im Laden merkt, dass ein Produkt nicht verfügbar ist. Ich find’s zum Beispiel völlig in Ordnung, dass ich Tiefkühlerbsen von Rewe Beste Wahl bekomme, wenn die bestellten in Bio-Qualität aus sind; jemand anderes würde vielleicht auf Bio bestehen und der Rewe-Fahrer fährt umsonst Tiefkühlgemüse zum Kunden und wieder zurück. Die Online-Supermärkte können deshalb nur schwer ein System draus machen – außer, sie spannen ihre Kunden dafür ein, ihr eigenes zu entwickeln.

Wer regelmäßig online Lebensmittel ordert, hat immer wieder dieselben Artikel auf der Liste und könnte sich den möglichen Ersatz dafür einfach selbst aussuchen. Die Supermärkte müssten bloß die technische Möglichkeit schaffen, einen Zweitartikel festzulegen, der den Pickern dann auf ihrem Gerät angezeigt wird. Zum Beispiel:

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Was für ein lustiger kunde immer die gleichen bestellungen

  • 1 x Pampers Baby Dry Gr. 4 Maxi 7-18kg Sparpack 30 Stück
    falls nicht vorhanden: 1 x MOLTEX nature no.1 Ökowindeln Maxi 37 Stück

oder:

  • 3 x Happy Day Rhabarber Saft
    falls nicht vorhanden: kein Ersatzartikel

Damit könnten Kunden im Voraus bestimmen, welcher Ersatzartikel ihnen in den Kram passt (zum Beispiel auch ein anderes Markenprodukt), oder ob für einen Artikel vielleicht gar kein Ersatz geliefert werden soll, weil’s nicht so dringend ist und Litschisaft ja nun wirklich indiskutabel. (Das sehen Sie anders, hab ich geahnt.) Im Laden haben die meisten Leute ja auch eine individuelle „2. Wahl“, die für sie akzeptabel ist, wenn sie sich den Aufwand sparen wollen, nochmal woanders anzustehen.

Die Zufriedenheit vieler Kunden mit ihrem Online-Einkauf ließe sich dadurch drastisch steigern. Und den Pickern bliebe Rätselraten und Zeit erspart.

(Zumal viele eher junge Aushilfen ohnehin damit überfordert sind, die richtige Windel rauszusuchen, wenn sie selbiger gerade erst entwachsen sind.)

Falls die Supermärkte das nicht hinkriegen, ist’s gut möglich, dass sie auf lange Sicht ausgerechnet die Kunden verprellen, die sie eigentlich schon von ihrem neuen Angebot überzeugt hatten.

Oder sie nutzen das Produktroulette einfach, um wenigstens ein paar Social-Media-Punkte gut zu machen: Ein Nutzer des Tesco-Lieferdiensts in Großbritannien beschwerte sich im vergangenen Jahr, statt des bestellten Walnussbrots einen – ähm: ganzen Tintenfisch („squid“) geliefert bekommen zu haben (bitte beachten Sie dazu auch die fantastische Fotomontage von mirror.co.uk). Die freundlich-lustige Antwort des Kundenservices geriet nachher (evtl. hierwegen) zum Twitter-Liebling.

@LordSkipVC This has ten-tickled us so much! Maybe the personal shopper was trying to be Billy the Squid? =D

— Tesco (@Tesco) 12. September 2014

Was mit dem Oktopus passiert ist, ist leider nicht überliefert.

Nachtrag, 24. Juni: Im aktuellen Geschäftsbericht 2014 erläutert Rewe, wo die Herausforderung liegt:

„Der Artikel, der den Markt verlässt, wird im zentralen Dispositionssystem ausgebucht – das gilt für online bestellte Produkte genauso wie für im Markt verkaufte. Die wichtigsten Variablen für das System sind: der Lagerbestand, der Abverkauf – also zum Beispiel die Zahl der ausgelieferten Milchtüten – und der prognostizierte Bedarf. Letzterer wird auf Basis ausgeklügelter Algorithmen für jeden Markt, jeden Wochentag des Jahres und jeden Artikel errechnet. Dabei spielen auch die Resthaltbarkeit der vorrätigen Ware, die sogenannte Chargeninfo, und der Lieferzyklus zwischen Lager und Markt eine Rolle.

So entstehen sehr unterschiedliche Zeitreihen für jedes Produkt. ‚Bietet ein REWE-Markt sein Sortiment auch online an, ist es ungleich anspruchsvoller, diese Prognosen zu erstelle‘, sagt Thomas Friedl, Geschäftsbereichsleiter Handelssysteme bei der REWE Systems. Denn manchmal bestellen Kunden montags Artikel, die sie erst am Freitagabend geliefert bekommen möchten. In der Zwischenzeit verändert sich der Lagerbestand parallel durch die Abverkäufe im Markt.“

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Foto: Supermarktblog