Kann man von der privaten zurück in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln?

Wer seine hohen Prämien nicht mehr zahlen kann, sollte sich rechtzeitig schlau machen. Denn es gibt mehr Schlupflöcher zurück in die gesetzliche Kasse als man glaubt.

Inhaltsverzeichnis

Gehalt zurückschrauben

Mit der Firma reden

Beim Partner mitversichern

Ab ins Ausland und mehr

Nur noch ein bisschen selbstständig

Je früher, desto sinnvoller

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Jahr für Jahr wird es für privat Krankenversicherte teurer: Mal müssen sie happige zehn oder gar 15 Prozent Prämienaufschlag verkraften. Mal kommen sie mit weniger Aufpreis davon, wie Anfang 2022.

Doch die bittere Wahrheit lautet: Wer sich in jungen Jahren für die private Absicherung (PKV) entschieden hat, müsse inzwischen „mit einer Verdoppelung der Beiträge alle zehn bis 12 Jahre rechnen“, betont Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen.

Vielen dämmert erst nach Hochzeit und Familiengründung, dass der anfangs günstige Status als Privatpatient auf Dauer doch schwer ins Geld geht – und eine Bindung fürs Leben ist. Schnell wieder zurück in die gesetzliche Schiene, wenn es mit Kindern oder im Alter empfindlich teuer wird, geht nicht. „Dennoch gibt es mehr Möglichkeiten zurück in die Kasse als man denkt“, sagt Bastian Landorff, Gesundheitsexperte der Verbraucherzentrale Bayern. Ein Überblick über die wichtigsten Ausstiegschancen.

Gehalt zurückschrauben

 

Wollen gut verdienende Arbeitnehmer die private Absicherung loswerden und in eine gesetzliche Kasse schlüpfen, gibt es für sie folgenden Türöffner: Sie müssen noch vor ihrem 55. Geburtstag konsequent ihr Einkommen reduzieren. Entscheidend ist, dass das Einkommen unter die Jahres­arbeits­entgelt­grenze (JAEG) fällt. Sie liegt aktuell bei 64.350 Euro brutto im Jahr oder umgerechnet 5362,50 Euro im Monat. Im Jahr 2023 steigen die Beträge auf 66.600 Euro, also monatlich 5550 Euro. Dazu zählen auch regel­mäßige Sonderzah­lungen wie Prämien, Weihnachts- oder Urlaubs­geld.

Rutscht ein Angestellter mit seinem Verdienst auch nur einen Euro unter diese Grenze, darf er nicht mehr in der privaten Schiene bleiben und wird sofort versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), wie Landorff erklärt. Auch die Kinder dürfen mit zurück in die beitrags­freie Familien­versicherung. Die Gehaltsreduzierung muss nicht einmal sehr lang durchgehalten werden. Rein rechtlich betrachtet könnte ein Tag schon reichen, um den privaten Vertrag beim Versicherer zu kündigen, wie Kaja Keller erläutert, Arbeitsrechtsexpertin bei Gansel-Rechtsanwälte in Berlin.

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Doch viele Kassen machen dann Ärger. „Eine Verdienstreduzierung von mehr als drei Monaten müsste aber ausreichen, um zurück in die Kasse zu kommen“, so Landorff.  Wer schon am 31. Dezember 2002 privat versichert war, muss sein Gehalt sogar bis unter die besondere Lohngrenze von 58.050 Euro brutto im Jahr drücken. Im Jahr 2023 steigt der Wert auf 59.850 Euro. Ein Gehaltsverzicht muss immer gut durchgerechnet sein. Nicht jeder kann sich das leisten. Je näher das Einkommen an der JAEG liegt, desto eher kann es sich lohnen. Wechselwillige dürfen selbst dann weiter im gesetzlichen System bleiben, wenn ihr Gehalt später wieder üppig ausfällt. Sie können sich dann freiwillig versichern.

Mit der Firma reden

 

Seit 2019 ist die sogenannte Brückenteilzeit, also ein vorübergehendes Zurückfahren der Arbeitszeit, eine echte Option, unter die JAEG zu kommen – und damit raus aus der PKV, rein in eine Kasse. Allerdings klappt das nicht für jeden Angestellten. Gesetzlichen Anspruch auf garantierte Rückkehr zum vollen Arbeitspensum und altem Gehalt hat nur, wer schon länger als sechs Monate in einer Firma mit mehr als 45 Arbeitnehmern arbeitet.

Wer zu den gut 14 Millionen Menschen gehört, die in kleineren Betrieben arbeiten, ist in Sachen Teilzeit auf die Kulanz der Chefin angewiesen. Andere Option: Mit der Firma ein Arbeitszeitkonto vereinbaren. Da hinein fließen beispielsweise 25 Prozent des Gehalts, während der Beschäftigte voll weiterarbeitet, aber nur 75 Prozent ausgezahlt bekommt. Auch dieses Herunterfahren des Verdiensts reicht oft schon aus, um sofort versicherungspflichtig zu werden.

Das angesammelte Guthaben kann dann für eine bezahlte Auszeit genommen werden, bis zu einem vollen Sabbatjahr. Eine dritte Option für die, die knapp über der JAEG-Hürde verdienen: Einen Teil des Bruttogehalts per Entgeltumwandlung direkt in eine betriebliche Altersvorsorge investieren. Auch das kann das Jahresbrutto deutlich drücken und die Versicherungspflicht in der GKV auslösen.

Beim Partner mitversichern

 

Ein anderer Weg zurück in die Kasse kann über die beitrags­freie Familienversicherung gehen. Diese Lösung ist unabhängig vom Alter, kann damit auch über 55 hinaus interessant sein. Ein Privatversicherter muss dabei mit einem gesetzlich kranken­versicherten Partner verheiratet sein oder in einer einge­tragenen Lebens­part­nerschaft leben. Was vorrangig zählt ist das Einkommen.

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Der Wechselwillige darf nur noch wenig oder gar kein Geld mehr nach Hause bringen. Seit Juni 2022 gilt: Mehr als 570 Euro Einkommen im Monat sind bei der Mitversicherung nicht erlaubt, mit einem Minijob höchs­tens 520 Euro (seit Oktober 2022). Dabei zählen alle Einkünfte mit, auch Miet- und Zins­einnahmen. „Das kann Paaren helfen, bei denen der eine vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden will“, erläutert Landorff. Selbst ein Rentner, der seine Einkünfte über die Flexirente vorübergehend senkt, kann sich mitversichern.

Ab ins Ausland und mehr

 

Ein eher exotischer Weg für Ältere führt übers europäische Ausland. In Ländern wie Frank­reich, Österreich oder Dänemark gibt es eine obliga­torische Kranken­versicherung, die mit dem deutschen Kassensystem gleichgestellt ist. Zieht jemand etwa in die Niederlande zum Arbeiten, muss er sich dort krankenversichern, ob angestellt, selbst­ständig, jung oder alt, Gut- oder Geringverdiener, wie Stiftung Warentest betont.

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Der Vertrag mit der privaten Krankenversicherung muss vorher gekündigt sein. Kommt der Beschäftigte zurück, kann er in eine deutsche Kasse hinein. Die Rückkehr kann auch ein Ehrenamt im Bundes­freiwil­ligen­dienst ebnen. Wer sich für ein freiwil­liges soziales oder ökologisches Jahr meldet, wird versicherungspflichtig. Ein bitterer Weg aus dem privaten System heraus ist Arbeitslosigkeit. Wer seinen Job verliert und Arbeitslosengeld I bezieht, landet automatisch in der Krankenkasse.

Nur noch ein bisschen selbstständig

 

Für Selbstständige und Freiberufler ist es besonders schwierig, die teure private Absicherung noch vor dem 55. Geburtstag loszuwerden, so Hubloher. Solange sie hauptberuflich selbständig arbeiten, können sie nicht in die Kasse zurück. Eine Option ist, die Firma aufzugeben und sich eine Festanstellung für unter 64.350 Euro brutto im Jahr zu suchen. „In der Praxis meist nicht gangbar“, winkt Landorff ab. 2023 steigt der Satz auf 66.600 Euro.

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Andere Option: Über einen Teilzeitjob versicherungspflichtig werden und die Selbst­ständig­keit im Nebenberuf ausüben. „Das gibt oft Ärger, vor allem, wenn es noch Mitarbeiter gibt“, so der Experte. Nächste Option: Die Firma vorübergehend auf kleiner Flamme fahren, so dass der Gewinn nachweislich unter 520 Euro im Monat liegt. „Gründliche Beratung tut Not“, empfiehlt Landorff.  

Je früher, desto sinnvoller

 

Wer sparen und in die Kasse zurück will, sollte nichts auf die lange Bank schieben, rät Hubloher: „Bis Anfang 40 macht ein Umstieg noch Sinn, mit zunehmendem Alter rechnet es sich oft nicht mehr.“ Wechselwillige sollten bereits ihren Versichertenstatus als Rentner im Blick haben, mahnt auch Keller zur frühen Planung. Ob sich ein Abschied aus der privaten Schiene lohnt, hängt nicht allein von der Beitragsersparnis, sondern auch vom Zeitpunkt ab.

Denn: Nur wer in der zweiten Hälfte seines Arbeitslebens mindestens 90 Prozent Mitglied einer Krankenkasse oder mitversichert war, kann im Alter in die günstige Krankenversicherung der Rentner hinein. Kommt der Wechsel erst spät im Leben, müssen sich Versicherte im Alter freiwillig gesetzlich oder doch wieder privat krankenversichern. Und das kann jeweils teuer werden. Wer Wege raus aus der PKV sucht, kann sich bei den Verbraucherzentralen kostengünstig Rat holen. Auch Fachanwälte für Sozialrecht, Rentenberater und auch die Krankenkassen selbst bieten Unterstützung an.

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Leser-Kommentare (5)

Bei den folgenden Kommentaren handelt es sich um die Meinung einzelner FOCUS-online-Nutzer. Sie spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.

Donnerstag, 01.12.2022 | 18:51 | Martin Keller

Aussagen mit halbwahr!

Ich bin als PKV Versicherter mittlerweile in Rente! Vorweg, es ist eine Mär, wonach GKV Versicherte generell schlechter gestellt sind. Es gibt etliche Bereiche, in denen die PKV, z.B. Reha, nicht leistet. Nur, wer ausgerechnet im Alter den Wunsch verspürt zu wechseln, tut sich mit Sicherheit keinen Gefallen. Als freiwilliges Mitglied in der GKV zahlt man im Alter in der Regel mehr als in der PKV! Zudem, die im Artikel gemachten „Tips“ und „Tricks“ sind absolut abgelutscht und schon tausende Male breitgetreten worden. Ich kann nur jedem empfehlen, sich ggf. Im Bedarfsfall eher um einen möglichen Tarifwechsel in der PKV zu bemühen (alleine schon wegen der Altersrückstellungen), als eine der hier publizierten dubiosen „Tips“ anzustreben!

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Weitere Kommentare (4)

Sonntag, 27.11.2022 | 14:03 | Ulrich Windmüller

Luschtig

Über Jahre haben die Neoliberalen erklärt, privat kann alles besser. Und dann solche Artikel. Beim Focus sinkt die Schamgrenze jeden Tag mehr. Aber trotzdem Danke für die Ehrlichkeit.

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Sonntag, 27.11.2022 | 11:00 | Mykola Neumann

Gesetzgeber

Wenn ich gut verdiene und mein Gehalt reduziere um wieder in die gesetzliche zu kommen, verzichte ich auf viel Geld. Wie lange muss ich einen theoretisch höheren Beitrag in der PKV bezahlen, bis ich das wieder drin habe. Ich habe mit meiner PKV keine Probleme, da ich bei Bedarf innerhalb der Gesellschaft in andere Tarife wechseln darf - ohne meine Altersrückstellungen zu verlieren. Die GKV hat das Problem, dass jeder dort versichert wird, der Arbeitslose, der Sozialhilfeempfänger, Geringverdiener, damit fehlen Einnahmen.

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Freitag, 22.04.2022 | 14:37 | Dieter Stoye  | 1 Antwort

Hier wird der falsche Ansatz gewählt

Ich bin seit 30 Jahren in der PKV und hochzufrieden!Da ich chronisch krank bin, kann mein Arzt mir die besten Medikamente und Verbandmaterialien und Therapien verschreiben, ohne sein Budget zu belasten. Ich habe den Toptarif meiner PKV und der Beitrag hat sich in den 30 Jahren verdoppelt-ich zahle 660€. Die Beiträge der freiwilligen KK liegen 200€ höher und sind erheblich leistungsärmer! Der richtige Weg ist: in jungen Jahren PKV versichern und die Ersparnis zur gesetzlichen KK in eine Rente anlegen- diese gleicht den Mehrbeitrag im Alter mehr als aus! Und wer nicht erst als Rentner krank wird, weiß den wesentlich höheren Leistungsumfang der PKV sehr zu schätzen!Meinem Kollegen in der GKV wird eine bestimmte Therapie verweigert, weil die Kosten so hoch sind, obwohl medizinisch notwendig!

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  • Sonntag, 27.11.2022 | 12:48 | Christian Kross

    Wenn man

    die richtigen Verträge hat, greift ab 70 auch das Einfrieren der Beiträge, weil dann die Altersrückstellungen gerechnet werden. Bei mir der Fall

Mittwoch, 20.04.2022 | 12:39 | Norbert Meyer  | 2 Antworten

Jawohl

Wenn man jung ist, spart man mit der privaten KK Geld, und wenn die dann aus aus Altersgründen teuer wird, wechselt man zur GKV und lebt auf Kosten der Mitglieder, die durch jahrelange Mitgliedschaft in jungen Jahren die Rücklagen aufgebaut haben. Und leider werden immer noch Tips gegeben, wie das einfach möglich ist.

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  • Donnerstag, 21.04.2022 | 09:40 | peter becker

    100% Zustimmung

    Gelinde gesagt ist dies eine absolute schwe….. sollte unterbunden werden, oder aber entsprechende Nachzahlungen für die zurückliegenden Jahre erhoben werden

    Wie komme ich von der privaten Krankenversicherung in die gesetzliche zurück?

    Eine Rückkehr aus der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist nur in bestimmten Fällen möglich. Angestellte müssen ihr Bruttoeinkommen dafür unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze von 64.350 Euro (Stand 2022) senken. 2023 wird die Grenze voraussichtlich 66.600 Euro betragen.

    Wann kann man wieder zurück in die gesetzliche Krankenversicherung?

    Der Gesetzgeber hat für die Rückkehr in die GKV eine Altersgrenze von 55 Jahren eingeführt. Wer älter ist und längere Zeit in der PKV versichert war, dem ist eine Rückkehr verwehrt. Das gilt selbst dann, wenn alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind und eigentlich Krankenversicherungspflicht eintreten würde.

    Wie komme ich unter 55 aus der privaten Krankenversicherung raus?

    Hierfür müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss der Ehepartner selbst gesetzlich versichert sein. Zweitens dürfen die Bruttoeinnahmen des Wechselnden PKV – Versicherten 375 Euro im Monat nicht übersteigen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist ein Wechsel in die GKV auch ab 55 möglich.