Erste impfung astra zweite impfung biontech

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Am 19. März 2021 wurden die Impfungen mit dem Corona-Impfstoff AZD1222 (Vaxzevria) der Firma AstraZeneca in Deutschland wieder aufgenommen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hatte zu diesem Zeitpunkt bei über 1,6 Millionen verabreichten Impfdosen von Vaxzevria 13 Fälle einer Sinus- oder Hirnvenenthrombose (SVT), auch bezeichnet als Vakzine-induzierte immunogene thrombotische Thrombozytopenie (VITT) oder Thrombose-Thrombozytopenie-Syndrom (TTS), registriert. Es kam zum Impfstopp. Bis zum 10.05.2021 wurden dem PEI 77 Fälle einer TTS nach Impfung mit Vaxzevria gemeldet. Am 1. April 2021 veröffentlichte die STIKO die vierte Aktualisierung der COVID-19-Impfempfehlung. Nach neuem Beschluss wird empfohlen Personen unter 60 Jahren, die bereits eine Impfdosis der AstraZeneca-Vakzine erhalten haben, anstelle der zweiten AstraZeneca-Impfstoffdosis eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs 9 bis 12 Wochen nach der Erstimpfung zu verabreichen. Hintergrund für den gewählten Zeitabstand ist die beginnende Abnahme des von einer einmaligen Vaxzevria-Impfung ausgelösten Schutzes nach 12 Wochen. Darüber hinaus sollte durch den gewähten Impfzeitraum eine organisatorische Flexibilität bei der Impfdurchführung ermöglicht werden.

Ist diese Empfehlung bindend?

Laut §20 Infektionsschutzgesetz sprechen die Länder Impfempfehlungen auf Grundlage der STIKO-Empfehlung aus. Die Gesundheitsministerkonferenz hat am 30. März 2021 im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsminister beschlossen, der STIKO-Empfehlung zu folgen. Danach soll Vaxzevria vor allem für Personen zum Einsatz kommen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Jüngere können nur mit Vaxzevria geimpft werden, wenn sie sich gemeinsam mit dem impfenden Arzt und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung dafür entscheiden. Der Einsatz des Impfstoffs liegt dann im ärztlichen Ermessen [1].

WHO gegen Kreuzimpfungen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht derzeit aufgrund der schlechten Datenlage keine Empfehlung für sogenannte Kreuzimpfungen gegen das Coronavirus aus. Margaret Harris, Sprecherin der Weltgesundheitsorganisation, betonte am 9. April 2021, dass hierfür noch keine ausreichenden Daten vorlägen. Laut einer Empfehlung des WHO-Expertengremiums vom 10. Februar 2021 solle das gleiche Produkt für beide Teilimpfungen verabreicht werden.

Was ist bisher bekannt?

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) berichtet am 7. April 2021 von insgesamt 62 Fällen, in denen SVT im Zusammenhang mit einer AstraZeneca-Impfung in der EU auftraten, 18 davon verliefen tödlich [2]. In Großbritannien sind laut Behördenangaben bei 18 Millionen Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin 30 Fälle aufgetreten, davon sieben mit Todesfolge. Die meisten der bisher berichteten Fälle sind mehrheitlich bei Frauen im Alter zwischen 20 und 55 Jahren innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der ersten Dosis aufgetreten [3]. Die Thrombosen traten 4 bis 16 Tage nach der AstraZeneca-Impfung bei zwölf Frauen und einem Mann im Alter von 20 bis 63 Jahren auf. Bei den Patienten lag gleichzeitig eine Thrombozytopenie vor, die auf ein immunologisches Geschehen als Ursache der Thromboseneigung hindeutet [4].

Nach aktuellem Kenntnisstand finden sich keine Hinweise dafür, dass Thrombosen an typischer Lokalisation (Beinvenenthrombose, Lungenembolie) nach Impfung mit dem AstraZeneca COVID-19-Vakzin häufiger auftreten als in der altersentsprechenden Normalbevölkerung [4]. Professor Dr. Andreas Greinacher (Facharzt für Transfusionsmedizin, welcher den Pathomechanismus der TTS zugrunde liegt, geliefert hatte), sagte bei einer Veranstaltung des Science Media Center Deutschland: „Eine gut überstandene erste Impfung schließt Komplikationen bei der zweiten Impfung nicht sicher aus.“ Es sei auch bekannt, dass bei einigen Personen in Großbritannien TTS auch nach der zweiten Dosis aufgetreten seien. Da man Studiendaten zufolge nach der zweiten Impfung jedoch eine geringere Antwort des angeborenen Immunsystems erwartet, fällt das Risiko hier aller Wahrscheinlichkeit nach geringer aus. Bisher wurden 15 Fälle von TTS nach Zweitimpfung von 9,0 Millionen Zweitimpfungen mit Vaxzevria in Großbritannien gemeldet. Dies entspricht einer geschätzten Rate von 1,7 Fällen pro eine Million Dosen.

Pathomechanismus der Sinusvenenthrombosen

Ein wichtiger Pathomechanismus wurde mittlerweile innerhalb der Gesellschaft für Thrombose-undHämostaseforschung (GTH) unter Führung der Greifswalder Arbeitsgruppe um Andreas Greinacher aufgeklärt. Durch die Impfung kommt es wahrscheinlich im Rahmen der inflammatorischen Reaktion und Immunstimulation zu einer Antikörperbildung gegen Thrombozytenantigene. Diese Antikörper induzieren abhängig oder unabhängig von Heparin über den Fc-Rezeptor eine massive Thrombozytenaktivierung in Analogie zur heparininduzierten Thrombozytopenie (HIT). Dieser Mechanismus (HIT mimicry) konnte bei vier Patienten mit einer Sinus-/Hirnvenenthrombose nach Impfung mit dem AstraZeneca-Impfstoff nachgewiesen werden [4]. Wie bei der klassischen HIT treten diese Antikörper 4bis 16 Tage nach der Impfung auf.

Aufgrund der immunologischen Genese der Sinus-/Hirnvenenthrombosen oder Thrombosen in anderer (atypischer) Lokalisation haben Patienten mit einer positiven Thromboseanamnese und/oder einer bekannten Thrombophilie nach Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine kein erhöhtes Risiko diese spezifische und sehr seltene Komplikation zu entwickeln [5]. Auch klassische Risikofaktoren für Thrombosen wie Pille, Übergewicht, Immobilisation oder genetische Prädisposition spielen bei Vektor-Impfstoffen nach heutigem Kenntnisstand deshalb keine Rolle [5].

Impfreaktionen zunächst unbedenklich

Eine wichtige Tatsache ist, dass typische Impfreaktionen, die bei circa der Hälfte der Geimpften am ersten oder zweiten Tag nach der Impfung auftreten, völlig unbedenklich sind. Grippeähnliche Symptome wie Gelenk-, Muskel- und Kopfschmerzen, die über 1 bis 2 Tage nach erfolgter Impfung anhalten, stellen eine häufige Nebenwirkung dar und sind kein Anlass zur Besorgnis. Bei Nebenwirkungen, die länger als drei Tage nach erfolgter Impfung anhalten oder neu auftreten (z.B. Schwindel, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Übelkeit/Erbrechen, Luftnot, akute Schmerzen in Brustkorb, Abdomen oder Extremitäten), sollte eine weitere ärztliche Diagnostik zur Abklärung einer Thrombose erfolgen [4].

Datenlage zu heterologer Impfserie

Zum Zeitpunkt der STIKO-Empfehlung lagen keine klinischen Daten zur heterologen Prime-Boost-Strategie (mix-and-match-Impfungen) für COVID-19-Impfstoffe vor. Auch die STIKO selbst räumte ein, dass die Empfehlung so lange gelte bis „entsprechende Daten“ vorlägen [6].

Seit 4. Februar 2021 läuft die „Covid-19 Heterologous Prime Boost Study“ (Com-Cov), welche vom britischen National Institute for Health Research initiiert wurde. Hierbei soll die Gabe von zwei unterschiedlichen Impfstofftypen (mRNA, Vektor) in unterschiedlicher Abfolge als erste und zweite Dosis untersucht werden. Im Dezember 2020 kündigte das Gamaleya-Institut an, Kombinationsstudien von Sputnik V mit der AstraZeneca-Vakzine zu beginnen [7].

Erfahrungen mit mix-and-match-Impfungen

Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass eine Prime-Boost-Immunisierung mit heterologen Impfstoffen die Intensität und die Breite der Immunantworten erhöhen kann [8]. Bei anderen Impfungen ist dieses Prinzip bereits bekannt: Ein vor Kurzem zugelassener Ebola-Impfstoff funktioniert beispielsweise nach dem heterologen Impfstoff- Prinzip. Er besteht aus zwei Einzeldosen verschiedener Vektorimpfstoffe Zabdeno (Ad26) und Mvabea (MVA), die im Abstand von acht Wochen verabreicht werden sollen. Der Corona-Impfstoff Sputnik V ist selbst ein heterologes Prime-Boost-System, da er aus zwei verschiedenen Vektoren besteht. Diese Kombination soll dem altbekannten Problem von Vektorimpfstoffen entgegenwirken, dass der Körper nicht nur eine Immunität gegen das Zielgen, sondern auch gegen den Vektor selbst entwickelt.

Auch in der HIV-Forschung wurde beim Versuch, einen effektiven HIV-I-Impfstoff zu entwickeln, untersucht wie sich die Erstimpfung mit einem zirkulären Stück viraler DNA, gefolgt von einer Boost-Impfung mit einem rekombinanten viralen Protein auswirke. Es konnte gezeigt werden, dass die Immunantworten bei heterologer Kombination besser waren, als wenn die beiden Impfungen allein oder in umgekehrter Reihenfolge appliziert wurden [9].

Eine robuste Immunantwort umfasst nicht nur virusneutralisierende Antikörper sondern auch T-Helfer-Zellen, die die Antikörperproduktion steigern sowie zytotoxische T-Zellen, die infizierte Zellen abtöten. Da mRNA-Impfstoffe (BioNTech, Moderna) vor allem eine starke virusneutralisierende Antikörperantwort erzeugen und Vektorimpfstoffe wie die AstraZeneca-Vakzine dagegen stärker T-Zellen aktivieren, könnte die Kombination in der Theorie große Vorteile bringen.

Tierstudien können diese Theorie bestätigen: In einem am 29. Januar auf bioRxiv veröffentlichten Preprint berichteten Forscher, dass eine Kombination aus einem RNA-Coronavirus-Impfstoff und dem AstraZeneca-Impfstoff eine höhere CD8+-T-Zell-Antwort in Mäusen hervorrief als jeder Impfstoff alleine.

Erste Daten der Com-Cov-Studie

Am 12. Mai 2021 wurden erste Daten zu Reaktogenität und Sicherheit der heterologen Impfung innerhalb der Com-Cov-Studie in The Lancet veröffentlicht. 463 Teilnehmer der insgesamt 830 Probanden hatten freiwillig im Abstand von 28 Tagen eine heterologe Impfserie erhalten. Entweder zuerst Vaxzevria von Astra-Zeneca und dann Comirnaty von Biontech/Pfizer oder umgekehrt. Unter den 463 Teilnehmern lag das Durchschnittsalter bei 57 Jahren (Bereich 50-69), 212 (46%) waren weiblich und 117 (25%) gehörten ethnischen Minderheiten an, wobei die Ausgangsmerkmale über die Studiengruppen hinweg ausgewogen waren. 110 Probanden erhielten zunächst Vaxzevria und dann Comirnaty; 114 Probanden bekamen zuerst Comirnaty und schließlich Vaxzevria.

Ergebnisse

In den Gruppen, welche die homologe Impfpserie erhielten (also zweimal den gleichen Impfstoff) im Abstand von vier Wochen, war die systemische Reaktogenität nach der ersten Dosis in der AstraZeneca-Gruppe höher. Sprich die systemischen Nebenwirkungen waren nach der ersten Impfung stärker als nach der zweiten Impfung. Wer zweimal Comirnaty bekam hatte nach der Boost-Dosis, also der zweiten Impfung im Abstand von 4 Wochen, mehr systemische Nebenwirkungen wie Fieber oder Schüttelfrost.

Bekamen die Probanden eine heterologe Impfserie (Vaxzevria und dann Comirnaty oder umgekehrt) hatten sie im Vergleich zur Gruppe der homologen Impfserie häufiger leichte und moderate Impfreaktionen.

  • In der Gruppe der Probanden, die zuerst Vaxzevria und dann den mRNA-Impfstoff Comirnaty erhalten hatten, berichteten 34 Prozent der 110 Probanden von Fieber, wohingegen in der Gruppe die zweimal Vaxzevria bekommen hatte, nur 10 Prozent diese Nebenwirkung angaben.

Auch bei der Gruppe die zuerst die BioNTech-Vakzine und dann den Vektor-Impfstoff Vaxzevria erhalten hatte wurde ähnliches zu beobachtet:

  • Von den 114 Probanden, die Comirnaty als Prime- und Vaxzevria als Booster erhalten hatten, berichteten 41 Prozent von Fieber, im Vergleich zu 21 Prozent beim homologen BioNTech-Impfregime.

Fazit

Zwar ist vieles bereits aus Studien im Zusammenhang mit anderen Impfungen bekannt, doch fehlen aktuell klinische Daten, welche die Auswirkungen der Kombination einer AstraZeneca-Impfung mit einer mRNA-Impfung zeigen: Wie lange hält der Schutz an? Wie hoch ist die Effektivität? Gibt es andere Sicherheitssignale?

Diese Antworten können nur klinische Studien liefern. Erste Ergebnisse der Com-Cov-Studie zeigen, dass die Gabe zweier unterschiedlicher Corona-Impfstoffe im Abstand von vier Wochen zu vermehrten Arbeitsausfällen am Tag nach der Impfung führte. Matthew Snape, Leiter der Com-Cov-Studie, gab zu bedenken, dass die 463 Probanden der Zwischenauswertung im Durchschnitt 57 Jahre alt waren und somit zu einer Altersgruppe gehören, bei der Impfreaktionen weniger stark ausgeprägt sind als bei Jüngeren. Da In Deutschland die heterologe Impfung jetzt aber vor allem Jüngere betrifft, könnten die verstärkten Nebenwirkungen hier nochmal deutlicher ins Gewicht fallen.

Gespannt wird nun auf die Auswertung der Immunreaktionen im Vergleich zu den homologen Impfungen gewartet, die im Juni vorliegen könnten. Hierzu liegen aktuell noch keine Daten vor. Auch werden Ergebnisse zu dem längeren Impfabstand von zwölf Wochen erwartet.