Lesen Sie hier, was eine Verdachtskündigung ist, was Sie als Arbeitgeber vor Ausspruch einer Verdachtskündigung und insbesondere bei der Anhörung des Arbeitnehmers beachten müssen, und woran Sie als Arbeitnehmer denken sollten, wenn Sie angehört werden oder wenn Ihnen bereits gekündigt worden ist. Show
von Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
Was ist eine Verdachtskündigung?Wenn ein Arbeitnehmer in gravierender Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen hat, d.h. zum Beispiel im Zusammenhang mit der Arbeit eine Straftat zulasten des Arbeitgebers, eines Arbeitskollegen oder Kunden begangen hat, kann der Arbeitgeber eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grunde aussprechen. Diese wird der Arbeitgeber zumeist, aber nicht unbedingt als fristlose Kündigung aussprechen. Ist der Pflichtverstoß nicht ganz so gravierend, dass er für eine außerordentliche Kündigung "ausreicht", kommt - nach vorheriger erfolgloser Abmahnung - eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den zur Kündigung führenden Pflichtverstoß nachweisen kann. Oft haben Arbeitgeber aber keine zwingenden Beweise für einen Pflichtverstoß, sondern können sich nur auf mehr oder weniger gravierende Verdachtsmomente stützen. So zum Beispiel, wenn Geld abhanden gekommen ist, das unter der alleinigen Obhut eines Arbeitnehmers stand, so dass kein anderer es hätte wegnehmen können. Wenn der Arbeitnehmer in solchen Fällen den Pflichtverstoß bestreitet, hat der Arbeitgeber meist keinen zwingenden Beweis, sondern nur einen dringenden Tatverdacht. Dann besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) die Möglichkeit, eine - außerordentliche bzw. fristlose - Kündigung wegen des Verdachts auszusprechen (Verdachtskündigung). Voraussetzung ist der dringende Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung, die, falls sie beweisbar wäre, eine außerordentliche und fristlose Kündigung rechtfertigen würde. Als "Verdachtskündigung" bezeichnet man daher eine - meist fristlose und vom Arbeitgeber erklärte - Kündigung, die auf den dringenden Verdacht eines erheblichen Pflichtverstoßes gestützt wird, d.h. der Kündigungsgrund ist nicht der Pflichtverstoß, sondern der Verdacht. Sind Verdachtskündigungen nicht unfair, da sie Unschuldige treffen können?Ja, das kann man so sehen. Und man kann darauf verweisen, dass ein Strafgericht schließlich auch einen Angeklagten nicht wegen des bloßen Verdachts verurteilen darf, sondern nur dann, wenn es von seiner Schuld vollständig überzeugt ist. Andernfalls muss es den Angeklagten nach der Devise �im Zweifel für den Angeklagten� (in dubio pro reo) freisprechen. Andererseits sollte man bedenken, dass der Arbeitgeber eine Privatperson und nicht der Staat ist. Der Staat kann Straftaten mit Hilfe seiner Behörden, d.h. durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte aufklären, während Arbeitgeber solche Aufklärungsmöglichkeiten nicht haben. Und während es sich der Staat aus Achtung vor der dem Rechtsstaatsprinzip bzw. der Unschuldsvermutung erlauben kann, einen der Tat verdächtigen, aber nicht überführten Angeklagten �in dubio� bzw. im Zweifelsfall laufen zu lassen, da er mit ihm nicht vertraglich verbunden ist, wäre das für Arbeitgeber kaum zumutbar. Denn dann wäre er rechtlich gezwungen, weiter mit einem Arbeitnehmer unter einem Dach zusammenzuarbeiten, der dringend erheblicher Pflichtverstöße verdächtig ist. Und schließlich muss der bestehende Verdacht für eine Verdachtskündigung "dringend" bzw. "erdrückend" sein. Praktisch sind das oft Fälle, in denen der Arbeitnehmer unstreitig z.B. eine Sache des Arbeitgebers in die Tasche gesteckt, eine falsche Spesenabrechnung eingereicht oder in die Kasse gegriffen hat, allerdings abstreitet, dies in der Absicht der rechtswidrigen Bereicherung getan zu haben. Wenn diese Rechtfertigungsversuche fadenscheinig sind, d.h. den Eindruck von Schutzbehauptungen erwecken, ist der Verdacht ausreichend dringend, um darauf eine Verdachtskündigung zu stützen. Bloße Verdächtigungen genügen für eine Verdachtskündigung nicht. Müssen Sie als Arbeitgeber den Arbeitnehmer vor einer Verdachtskündigung anhören?Ja, das müssen Sie. Denn Verdachtskündigungen sind immer mit dem Risiko verbunden ist, dass sie einen Unschuldigen treffen. Um diese Gefahr möglichst gering zu halten, sind Arbeitgeber vor Ausspruch einer Verdachtskündigung rechtlich verpflichtet, alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes zu unternehmen. Zu diesen rechtlich vorgeschriebenen Bemühungen um die Sachverhaltsaufklärung gehört auch die Anhörung des Arbeitnehmers. Sie ist bei einer Verdachtskündigung unabdingbar. Arbeitnehmer müssen vor Ausspruch der Verdachtskündigung zu den gegen sie bestehenden Verdachtsmomenten angehört werden, damit sie die Möglichkeit hat, den Verdacht zu entkräften. Eine ohne vorherige Anhörung des verdächtigten Arbeitnehmers ausgesprochene Verdachtskündigung ist unwirksam. Was müssen Arbeitgeber bei der Anhörung beachten?Damit die Anhörung des Arbeitnehmers einen Sinn ergibt, müssen Arbeitgeber die ihnen vorliegenden Verdachtsmomente dem Arbeitnehmer konkret mitteilen. Völlig vage Angaben oder gar reine Bewertungen genügen nicht. BEISPIEL: Ein Arbeitnehmer steht im Verdacht, Ware aus dem Lager gestohlen zu haben, nachdem er von einem Kollegen beobachtet wurde, wie er größere Pakete aus dem Lager getragen und in seinem Pkw verstaut haben soll. Dazu soll er angehört werden. Hier muss dem Arbeitnehmer in der Anhörung zumindest mitgeteilt werden, wann er was beiseite geschafft haben soll. Ohne diese konkreten Angaben kann sich der Arbeitnehmer zu dem Verdacht nicht sinnvoll äußern, etwa durch die Angabe eines Alibis. Andererseits gehen die Informationspflichten des Arbeitgebers im Rahmen der Anhörung eines Arbeitnehmers nicht so weit wie die Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Während die Anhörung des Betriebsrats diesen nämlich in die Lage versetzen muss, sich ohne eigene Nachforschungen ein Bild von der Rechtmäßigkeit der vom Arbeitgeber geplanten Kündigung zu machen, können Arbeitgeber von einem verdächtigen Arbeitnehmer durchaus verlangen, eigene Nachforschungen anzustellen. Das ist sogar sinnvoll, wenn die Anhörung wirklich zu einer Sachverhaltsaufklärung führen soll. Welche Fristen und Formalitäten müssen Arbeitgeber bei der Anhörung beachten?Sollen sich der Arbeitnehmer zu komplizierten Sachverhalten äußern, z.B. zu verschiedenen, länger zurückliegenden (angeblichen) Pflichtverstößen, sollten Arbeitgeber im eigenen Interesse eine angemessene Frist zur Aufklärung und Stellungnahme einräumen. Etwa zehn bis 14 Kalendertage sind in den meisten Fällen, bei einer schriftlichen Anhörung, eine angemessen lange Frist zur Stellungnahme. Setzt der Arbeitgeber gar keine oder eine zu kurze Frist, läuft trotzdem diejenige Frist, die bei objektiver Bewertung angemessen lang ist, in der Regel also eine Frist von zehn bis 14 Kalendertagen. Eine Kündigung vor Ablauf dieser (ausdrücklich eingeräumten oder nach objektivem Recht laufenden) Frist ist unwirksam. Eine Anhörung muss nicht schriftlich erfolgen, d.h. durch Austausch von Briefen oder E-Mails. Meist finden Anhörungen, was rechtlich zulässig ist, im Rahmen eines Personalgesprächs statt. In diesem Fall ist eine Protokollierung zwar nicht rechtlich vorgeschrieben, aber dringend zu empfehlen. Das Protokoll sollte von einer zuverlässigen Person geschrieben werden, der den Gesprächsverlauf später falls nötig auf der Grundlage des Protokolls bezeugen könnte. Das Protokoll sollte am Tag des Gesprächs fertiggestellt und vom Protokollführer mit Datumsangabe unterschrieben werden. Es sollte Beginn und Ende des Gesprächs unter genauer Angabe der Uhrzeiten und des Gesprächsortes festhalten, und außerdem natürlich Angaben zum Gesprächsverlauf enthalten. Bestellen Arbeitgeber einen Arbeitnehmer zu einem Anhörungsgespräch ein, müssen sie dem Arbeitnehmer das Thema des Gesprächs nicht vorab mitteilen. Das hat das BAG Anfang 2015 entschieden (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 15/045 Aufforderung zur Anhörung bei Verdachtskündigung). Wichtig für Arbeitgeber ist auch folgende, vom BAG aufgestellte einwöchige Frist für die Anhörung: Haben Arbeitgeber einen konkreten Verdacht und wollen sie daher eine Anhörung durchführen, müssen sie dies im Normalfall innerhalb einer Woche tun (BAG, Urteil vom 20.03.2014, 2 AZR 1037/12, S.5 unten). Während der Zeit bis zur Anhörung läuft die Zweiwochenfrist zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung (§ 626 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) nicht, d.h. sie ist gehemmt. Kommt es aus Gründen aus dem Bereich des Arbeitnehmers (Krankheit, Bitte um schriftliche Anhörung, Beiziehung eines Anwalts) zu Verzögerungen, können sich Arbeitgeber darauf einlassen, ohne dass die Zweiwochenfrist des § 626 Abs.2 BGB läuft. Das gilt auch bei mehrfachen Anhörungsgesprächen, wenn Arbeitgeber zwischen den Gesprächen Hinweisen des Arbeitnehmers nachgehen. Müssen Arbeitgeber vor einer Verdachtskündigung eine Abmahnung aussprechen?Nein, das ist nicht erforderlich. Eine vorherige erfolglose Abmahnung ist nämlich grundsätzlich nur bei ordentlichen verhaltensbedingten Kündigungen erforderlich, d.h. bei Kündigungen, die auf ein erwiesenes Fehlverhalten des Arbeitnehmers gestützt werden. Dementsprechend soll eine Abmahnung zu einer Verhaltensänderung führen. Verfehlt sie diese Wirkung, kann im Falle der - erwiesenen - Wiederholung des Pflichtverstoßes gekündigt werden. Anders als bei einer solchen verhaltensbedingten (Tat-)Kündigung liegt bei einer Verdachtskündigung der Grund für die Kündigung nicht im Verhalten, sondern in der Person des Arbeitnehmers: Er ist aufgrund des gegen ihn bestehenden Verdachts nicht mehr �tragbar�, auch wenn er unschuldig sein sollte. Ein Fehlverhalten kann ja gerade nicht bewiesen werden. Nur in seltenen Ausnahmefällen ist auch bei einer Verdachtskündigung eine vorherige Abmahnung nötig, nämlich wenn der vom Arbeitnehmer wahrscheinlich begangene Pflichtverstoß ein Vermögensdelikt im Bagatellbereich ist, z.B. ein Diebstahl, eine Unterschlagung oder ein Betrug mit einem Schaden von einigen wenige Euro. Dann genügt der dringende Verdacht eines solchen "Mini-Delikts" nur, wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit einmal wegen eines ähnlichen Pflichtverstoßes abgemahnt worden ist. Wann ist eine außerordentliche Verdachtskündigung zulässig?Nach der Rechtsprechung müssen die folgenden Voraussetzungen vorliegen, damit eine außerordentliche Verdachtskündigung durch den Arbeitgeber wirksam ist (fehlt auch nur eine dieser Voraussetzungen, ist die Kündigung unwirksam):
Wann ist eine ordentliche Verdachtskündigung zulässig?In der Praxis werden Verdachtskündigungen in aller Regel als außerordentliche Kündigungen ausgesprochen. Ordentliche Verdachtskündigungen werden meist zusammen mit einer außerordentlichen Tat- und Verdachtskündigung "hilfsweise" erklärt, d.h. für den Fall, dass der Arbeitgeber mit seiner fristlosen Kündigung vor Gericht nicht durchkommt. Anders als bei einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung belastet der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch eine ordentliche Verdachtskündigung nicht ganz so stark, weil er ihm ja die Kündigungsfristen belässt. Daher fragt sich,
Alle diese drei Fragen beantwortet das BAG mit nein. Eine ordentliche Verdachtskündigung ist von denselben sachlichen Voraussetzungen abhängig wie die fristlose Verdachtskündigung, nur dass sie eben dem Arbeitnehmer die Kündigungsfristen lässt, d.h. als ordentliche Kündigung ausgesprochen wird. Es müssen daher alle oben unter Punkt 1.) bis 4.) vorliegenden Voraussetzungen einer außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung vorliegen, damit eine ordentliche Verdachtskündigung rechtens ist. Das hat das BAG mit Urteil vom 21.11.2013, 2 AZR 797/11 klargestellt (wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 14/053 Ordentliche fristgemäße Verdachtskündigung?). Da die Rechtmäßigkeit einer ordentlichen Verdachtskündigung von denselben sachlichen Voraussetzungen abhängig ist wie eine außerordentliche Verdachtskündigung, hat sie auf den ersten Blick keinen Vorteil. Letztlich ist sie eine verkappte außerordentliche Kündigung mit "geschenkten" Kündigungsfristen. Das stimmt aber nicht, denn eine "hilfsweise" ausgesprochene ordentliche Verdachtskündigung ist keineswegs sinnlos. Für sie gilt nämlich die Zweiwochenfrist des § 626 Abs.2 BGB nicht, wonach eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden kann. Arbeitgeber, die bei Ausspruch einer außerordentlichen Verdachtskündigung befürchten müssen, die Zweiwochenfrist des § 626 Abs.2 BGB bereits versäumt zu haben, können sich daher mit einer zusätzlichen "hilfsweisen" ordentlichen Verdachtskündigung absichern. Woran sollten Arbeitgeber bei der Vorbereitung einer Verdachtskündigung denken?Arbeitgeber können nie mit Gewissheit voraussehen, ob die vorhandenen Beweise für einen Pflichtverstoß auch das Arbeitsgericht überzeugen werden, falls der gekündigte Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage einreicht. Daher sollten Arbeitgeber bereits während der Aufklärung eines möglichen Pflichtverstoßes darauf achten, dass sie am Ende der ihrer Ermittlungen in der Lage sind, eine außerordentliche fristlose Kündigung
Denn der Verdacht eines Pflichtverstoßes ist nach der Rechtsprechung ein eigenständiger Kündigungsgrund, der in dem Vorwurf der Tatbegehung nicht enthalten ist. Eine Tatkündigung ist nämlich eine verhaltensbedingte Kündigung, d.h. der Kündigungsgrund besteht in einem schuldhaften Pflichtverstoß, während eine Verdachtskündigung als personenbedingte Kündigung anzusehen ist: Der Arbeitnehmer hat den Verdacht, unter dem er steht, nicht durch schuldhaftes pflichtwidriges Verhalten verursacht. Eine Verdachtskündigung ähnelt so gesehen einer krankheitsbedingten Kündigung, denn auch eine Krankheit kann dem Arbeitnehmer nicht vorgeworfen werden. Praktisch zeigt sich dieser Unterschied vor allem daran, dass eine Verdachtskündigung immer eine vorherige Anhörung des verdächtigten Arbeitnehmers voraussetzt, was bei einer Tatkündigung nicht der Fall ist. BEISPIEL: Der Inhaber eines Handy-Reparaturgeschäfts beobachtet einen seiner Angestellten am Freitagnachmittag dabei, wie er ein defektes Kundenhandy beim Verlassen der Werkstatt in seinen Rucksack verstaut und sich ins Wochenende verabschiedet. Der Ladeninhaber verständigt umgehend die Polizei, die den Angestellten - im Beisein des Ladeninhabers - an einer U-Bahnstation auf dem Weg nach Hause anhält und ihn bittet, einmal den Rucksack zu öffnen. Hervor kommt das Kundenhandy, das der Angestellte dem Ladeninhaber aushändigt. Die Mitnahme des Handys gibt er zu. Der Ladeninhaber erklärt daraufhin eine fristlose Kündigung wegen Diebstahls, d.h. er spricht allein eine fristlose Tatkündigung aus. Zuvor hört er den Angestellten zu dem Verdacht des Diebstahls nicht an. Mit diesem Vorgehen wird der Ladeninhaber vor Gericht in einem Kündigungsschutzprozess möglicherweise Probleme bekommen. Denn falls der Angestellte behaupten sollte, er hätte das Handy zu Hause am Wochenende aus technischem Interesse einmal in Ruhe auseinanderbauen und wieder zusammensetzen wollen, und er hätte es am Montag ganz bestimmt wieder zurückgebracht, hängt der Ausgang des Prozesses davon ab, ob das Gericht dem Angestellten diese Behauptung glaubt oder sie als Schutzbehauptung bewertet. Daraus folgt, dass Arbeitgeber auch bei sehr schweren und scheinbar offensichtlichen Pflichtverstößen den Arbeitnehmer immer zu den gegebenen Verdachtsmomenten anhören sollten. Bei Ausspruch der Kündigung und später im Falle eines Kündigungsschutzprozesses sollten Arbeitgeber dazu in der Lage sein, die rechtlichen Voraussetzungen
konkret darzulegen bzw. im Falle des Bestreitens zu beweisen. Dabei ist es nicht erforderlich, im Kündigungsschreiben vier verschiedene Kündigungen auszusprechen, und ist es auch rechtlich nicht nötig, Gründe für die Kündigung zu nennen. Wichtig ist nur, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu erklären, sowie hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit eine weitere ordentliche Kündigung. Die Kündigungserklärung könnte z.B. lauten: "Sehr geehrter Herr NN / sehr geehrte Frau NN, hiermit kündigen wir das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung. [Optional: Die Kündigung stützen wir auf den von Ihnen begangenen Diebstahl/Spesenbetrug/tätlichen Angriff gegen einen Kollegen, und zudem auf den dringenden Verdacht dieses Pflichtverstoßes.] Hilfsweise kündigen wir das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich unter Beachtung der geltenden Kündigungsfrist zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dies ist nach unseren Berechnungen der TT.MM.JJJJ. [Optional: Auch diese Kündigung stützen wir auf den von Ihnen begangenen Diebstahl/Spesenbetrug/tätlichen Angriff gegen einen Kollegen, und zudem auf den dringenden Verdacht dieses Pflichtverstoßes.] Mit freundlichen Grüßen [Unterschrift/en]" Was müssen Arbeitgeber bei der Anhörung des Betriebsrats zu einer Verdachtskündigung beachten?Anders als beim Ausspruch der Kündigung, bei der ein Hinweis auf einen bestimmten Grund (Tatkündigung und/oder Verdachtskündigung) rechtlich nicht vorgeschrieben ist, müssen Arbeitgeber bei der Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Gründe für die geplante Kündigung ausführlich schildern. Wurde der Arbeitnehmer vor Ausspruch der geplanten außerordentlichen und einer weiteren geplanten ordentlichen Kündigung zu den bestehenden Verdachtsmomenten bereits angehört, weil sowohl eine Tatkündigung als auch eine Verdachtskündigung geplant ist, muss der Betriebsrat sowohl
angehört werden. Aufgrund der rechtlichen Eigenständigkeit von Tatkündigung und Verdachtskündigung und wegen des unterschiedlichen Verfahrens der Anhörung zu einer außerordentlichen Kündigung und zu einer ordentlichen Kündigung sind hier vier getrennte Anhörungen erforderlich. BEISPIEL: Der Arbeitgeber möchte einen Arbeitnehmer wegen versuchten Spesenbetrugs kündigen. Angeblich soll der Arbeitnehmer Fahrtkostenbelege über Fahrten eingereicht haben, die er gar nicht unternommen hat. Daher hört der Arbeitgeber den Arbeitnehmer an und später auch den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG, den Betriebsrat aber nur zu einer geplanten außerordentlichen Kündigung wegen Betrugs bzw. wegen eines Betrugsversuchs, d.h. zu einer beabsichtigten Tatkündigung. Zu einer möglichen Verdachtskündigung hört der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht an. Später im Kündigungsschutzprozess verteidigt sich der Arbeitnehmer mit der Behauptung, dass ihm beim Einreichen der unrichtigen Belege ein Irrtum unterlaufen sei. Eine Berufung des Arbeitgebers auf die Voraussetzungen der Verdachtskündigung ist in diesem Beispiel vor Gericht nutzlos, da er den Betriebsrat zu einer solchen Kündigung nicht vor Ausspruch der Kündigung angehört hat. Die Kündigung kann daher nicht als Verdachtskündigung wirksam sein, denn es fehlt an der vorherigen Anhörung des Betriebsrats (§ 102 Abs.1 Satz 3 BetrVG). Und weil der Vorwurf des Betrugs nicht beweisbar und die Tatkündigung daher unwirksam ist, verliert der Arbeitgeber den Prozess. Um einen solchen Prozessverlauf zu verhindern, müssen die an den Betriebsrat gerichteten Anhörungsschreiben alle vom Arbeitgeber ermittelten Verdachtsmomente einschließlich des Ergebnisses der Anhörung des Arbeitnehmers möglichst vollständig und genau enthalten. Dabei muss der Betriebsrat zu zwei gedanklich getrennten außerordentlichen Kündigungen angehört werden, nämlich zu einer außerordentlichen fristlosen Tatkündigung und zu einer außerordentlichen fristlosen Verdachtskündigung (s. oben), wobei der Betriebsrat drei Tage Zeit hat, um dem Arbeitgeber möglicherweise bestehende Bedenken mitzuteilen (§ 102 Abs.2 Satz 3 BetrVG). Sobald diese Frist herum ist, sollte der Arbeitgeber die fristlose Kündigung schon einmal aussprechen, um die Gefahr gering zu halten, dass die Kündigung wegen Überschreitens der Zweiwochenfrist (§ 626 Abs.2 BGB) unwirksam ist. Außerdem muss der Betriebsrat zu zwei gedanklich getrennten ordentlichen Kündigungen angehört werden, nämlich zu einer ordentlichen verhaltensbedingten Tatkündigung und zu einer ordentlichen Verdachtskündigung (s. oben). Hierbei hat der Betriebsrat eine Woche Zeit, um dem Arbeitgeber möglicherweise bestehende Bedenken mitzuteilen (§ 102 Abs.2 Satz 1 BetrVG) oder um der Kündigung unter Berufung auf mögliche Widerspruchsgründe zu widersprechen (§ 102 Abs.3 BetrVG). Sobald die Wochenfrist abgelaufen ist, sollte der Arbeitgeber umgehend die ordentliche Kündigung aussprechen, denn ob der Betriebsrat Bedenken äußert und/oder widerspricht, ändert an dem Recht zum Ausspruch der Kündigung nichts, und auch hier ist eine möglichst rasche Kündigungserklärung wegen der Zweiwochenfrist (§ 626 Abs.2 BGB) ratsam. Arbeitgeber sollten daher bei Bestehen eines Betriebsrats folgende Schritte unternehmen, um eine geplante Verdachtskündigung möglichst gut vorzubereiten:
Wann ist eine Verdachtskündigung auf jeden Fall unwirksam?Wie bei jeder Kündigung können Arbeitgeber auch bei einer Verdachtskündigung an bestimmten "Stolpersteinen" scheitern, d.h. an zwingend vorgeschriebenen Verfahrensregeln. Diese Regeln sollten Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung genau im Auge behalten (denn die Kündigung soll ja wirksam sein), während sie nach Ausspruch der Kündigung für den gekündigten Arbeitnehmer wichtig sind (denn daraus kann sich die Unwirksamkeit der Kündigung ergeben). So ist zum Beispiel eine Kündigung generell unwirksam, wenn in dem Betrieb ein Betriebsrat besteht und der Arbeitgeber den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht (oder nicht ordnungsgemäß) angehört hat, wozu er gemäß § 102 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verpflichtet ist. Nähere Informationen dazu finden Sie unter: Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats. Unwirksam ist oft auch die Kündigung bestimmter Arbeitnehmergruppen (Mitglieder des Betriebsrats, schwangere Arbeitnehmerinnen, schwerbehinderte Menschen), wenn der Arbeitgeber die speziellen Verfahrensvorschriften nicht beachtet hat, die zugunsten dieser Beschäftigtengruppen gelten. So muss vor Ausspruch der Kündigung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Menschen nicht nur der Betriebsrat angehört werden (gemäß § 102 BetrVG), sondern gemäß § 178 Abs.2 Satz 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auch die Schwerbehindertenvertretung, und außerdem muss Integrationsamt vorab seine Zustimmung zu der Kündigung erteilen (§ 168 SGB IX). Anders, aber ähnlich kompliziert sind die Voraussetzungen für die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Denn Betriebsräte können (abgesehen von einer Betriebsschließung oder Abteilungsschließung) nur außerordentlich gekündigt werden (§ 15 Abs.1 KSchG), und außerdem muss der Betriebsrat - als Gremium - der geplanten außerordentlichen Kündigung vorab zustimmen (§ 103 BetrVG). Macht der Betriebsrat das nicht, muss der Arbeitgeber die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung erstreiten. Im Ergebnis ist daher die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nicht nur von der Einhaltung eines komplizierten Verfahrens abhängig, sondern ordentliche verhaltensbedingte oder personenbedingte Kündigungen sind generell ausgeschlossen, d.h. möglich sind nur außerordentliche Kündigungen. Schließlich brauchen Arbeitgeber für die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin die vorherige Zustimmung der obersten Landesbehörde für den Arbeitsschutz, d.h. es gilt ein ähnliches Verfahren wie bei der Kündigung eines Schwerbehinderten, nur dass für Schwangere eine andere Behörde zuständig ist (§ 17 Mutterschutzgesetz - MuSchG). Weitere Informationen finden Sie zu den Arbeitnehmergruppen, die in besonderer Weise vor Kündigungen geschützt sind, finden Sie unter den Stichworten "Unkündbarkeit", "Schwerbehinderung, schwerbehinderter Mensch", "Handbuch Arbeitsrecht: Schwerbehindertenvertretung", "Betriebsrat - Kündigungsschutz" und "Mutterschutz". Was tun bei Erhalt einer Verdachtskündigung?Wenn Sie als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer eine Verdachtskündigung erhalten haben, stellt sich die Frage, ob bzw. wie Sie dagegen vorgehen wollen, d.h. ob Sie Kündigungsschutzklage erheben wollen oder nicht. Diese Frage muss spätestens innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung geklärt sein. Wenn Sie diese in §§ 4 Satz 1, 13 Abs.1 Satz 2 KSchG bestimmte Frist für die Erhebung der Klage versäumen, wird unwiderleglich vermutet, dass es für die Kündigung einen wichtigen Grund gab und dass der Arbeitgeber die Zweiwochenfrist des § 626 Abs.2 BGB eingehalten hat (§ 7 KSchG). Diese kurze Frist gilt nach auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die keinen allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG genießen, d.h. bei einer Kündigung in der Wartezeit (= während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses) und/oder in einem Kleinbetrieb (= Betrieb mit zehn oder weniger Arbeitnehmern). Es ist daher extrem wichtig, dass Sie die gesetzliche Dreiwochenfrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage beachten. Dies gilt nicht nur dann, wenn Sie mit einer Klage Ihre weitere Beschäftigung durchsetzen wollen. Die Einhaltung der Frist ist genauso wichtig, wenn Sie das Ziel verfolgen, eine gute Abfindung auszuhandeln. Ist die Klagefrist nämlich einmal versäumt, ist eine Kündigungsschutzklage praktisch aussichtslos. In einer solchen Situation wird sich Ihr Arbeitgeber normalerweise auf keine Abfindung mehr einlassen. Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben oder rechtliche Vertretung durch Ihre Gewerkschaft beanspruchen können, riskieren Sie durch eine Kündigungsschutzklage in der Regel nichts. Auf der anderen Seite erhalten Sie in vielen Fällen durch eine Klage die Chance auf eine Abfindung. Haben Sie keine Möglichkeit einer Kostenerstattung durch eine Rechtsschutzversicherung oder durch die Gewerkschaft, stehen Sie vor der Entscheidung, entweder nichts zu unternehmen oder selbst zu klagen oder sich auf eigene Kosten von einem Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Wegen der Schwierigkeiten des Kündigungsschutzrechts sollten Sie sich zumindest anwaltlich über die Erfolgsaussichten einer Klage beraten lassen. Außerdem besteht in je nach Ihrer finanziellen Lage die Möglichkeit, dass der Staat die Kosten für Ihren Rechtsanwalt im Wege der Prozesskostenhilfe übernimmt. Weitere Informationen zum Thema Kosten finden Sie unter in unserem Ratgeber Gebühren. Wo finden Sie mehr zum Thema Verdachtskündigung?Weitere Informationen, die Sie im Zusammenhang mit dem Thema Verdachtskündigung interessieren könnten, finden Sie hier:
Kommentare unseres Anwaltsteams zu aktuellen Fragen rund um das Thema Verdachtskündigung finden Sie hier:
Eine vollständige Übersicht unserer Beiträge zum Thema Verdachtskündigung finden Sie unter: Letzte Überarbeitung: 11. M�rz 2022 Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung wirksam?Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung sind: Negative Gesundheitsprognose. Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung, z.B. Betriebsablaufstörungen oder Entgeltfortzahlungskosten. Eine Interessensabwägung ergibt eine unzumutbare Belastung für den Arbeitgeber durch die betrieblichen Beeinträchtigungen.
Wann ist ein Mitarbeiter nicht mehr tragbar?Was ist eine personenbedingte Kündigung? Grundsätzlich gilt: Wenn ein Arbeitnehmer unter Kündigungsschutz steht – also bereits länger als sechs Monate im Betrieb angestellt ist und es sich nicht um einen Kleinbetrieb mit unter zehn Mitarbeitern handelt – kann er nicht grundlos ordentlich gekündigt werden.
Wann ist eine krankheitsbedingte Kündigung möglich Abfindung?Nach einer Kündigung wegen Krankheit steht Arbeitnehmern nicht automatisch eine Abfindung zu. Sie sind vielmehr auf Verhandlungen mit dem Arbeitgeber angewiesen. Dieser ist oft zur Zahlung bereit, wenn der Entlassene die Kündigung akzeptiert.
Ist Krankheit ein wichtiger Kündigungsgrund?Die krankheitsbedingte Kündigung ist der wichtigste Unterfall der (ordentlichen) Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers (personenbedingte Kündigung). Die meisten krankheitsbedingten Kündigungen werden ausgesprochen, weil Arbeitnehmer immer wieder kurzfristig, d.h. für einige Tage oder Wochen, erkranken.
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