Aus der kur wieder da und gleich wieder krank

1. Das Wichtigste in Kürze

Die stufenweise Wiedereingliederung (sog. Hamburger Modell) soll arbeitsunfähige Arbeitnehmende insbesondere nach längerer Krankheit schrittweise an die volle Arbeitsbelastung heranführen und so die Rückkehr an den Arbeitsplatz erleichtern. Während der stufenweisen Wiedereingliederung ist die versicherte Person noch krankgeschrieben. Deshalb haben Beschäftigte in stufenweiser Wiedereingliederung nach dem Ende der 6-wöchigen Lohnfortzahlung (= Entgeltfortzahlung) keinen Anspruch auf Gehalt oder Lohn, sondern die Betriebe können lediglich freiwillig etwas zahlen. Anspruch besteht hingegen auf Lohnersatzleistungen wie z.B. Verletztengeld vom Unfallversicherungsträger, Krankengeld von der Krankenkasse oder Arbeitslosengeld nach der sog. Nahtlosigkeitsregelung.

2. Voraussetzungen der stufenweisen Wiedereingliederung

Betroffene, Betriebe, Personen und Stellen in Betrieben wie z.B. der Betriebsrat oder Ärzte oder Versicherungsträger bzw. der Medizinische Dienst (MD), können eine stufenweise Wiedereingliederung anregen.

Bei allen Kostenträgern müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Die Arbeit, für die Arbeitsunfähigkeit besteht, ist sozialversicherungspflichtig.
  • Es wurde ärztlich festgestellt, dass die bisherige Tätigkeit wenigstens teilweise wieder aufgenommen werden kann.
  • Durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit kann die versicherte Person voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden.
  • Es liegt vor und während der Maßnahme eine Arbeitsunfähigkeit (AU) vor.
  • Beschäftigte werden am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt und sind ausreichend belastbar, d.h.: Sie können mindestens 2 Stunden am Tag arbeiten.
  • Beschäftigte stimmen der Eingliederung freiwillig und schriftlich zu. Die Wiedereingliederung kann jederzeit abgebrochen werden.

Menschen mit Schwerbehinderung und ihnen gleichgestellte Beschäftigte haben im Gegensatz zu Beschäftigten ohne Schwerbehinderung unter Umständen einen Anspruch auf Zustimmung des Betriebs zur stufenweisen Wiedereingliederung:

  • Wenn ärztlich bescheinigt wurde, dass mit dem Eingliederungsplan eine betrieblich nutzbare Tätigkeit wiedererlangt werden kann, besteht ein Anspruch auf Zustimmung.
  • Kein Anspruch auf Zustimmung des Betriebs besteht, wenn die stufenweise Wiedereingliederung nur eine therapeutischen Erprobung ist, bei der unklar ist, ob das Arbeitsverhältnis in absehbarer Zeit fortgesetzt werden kann.

Lehnt ein Betrieb eine stufenweise Wiedereingliederung im Rahmen des sog. Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) ab, wird es sehr schwer für den Betrieb, später eine gerichtsfeste krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen. Schon deswegen werden viele Betriebe der stufenweisen Wiedereingliederung zustimmen, zumindest wenn sie um diese rechtlichen Zusammenhänge wissen.

3. Beginn einer stufenweisen Wiedereingliederung

Oft wird Versicherten die stufenweise Wiedereingliederung nach einiger Zeit der Arbeitsunfähigkeit bei einem Arztbesuch vorgeschlagen.

In der Praxis findet stufenweise Wiedereingliederung meistens erst nach dem Ende des 6-wöchigen Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall statt. Denn erst dann haben sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Anspruch auf sog. Lohnersatzleistungen wie z.B. Verletztengeld oder Krankengeld.

Stufenweise Wiedereingliederung ist aber auch bereits innerhalb der ersten 6 Wochen der Arbeitsunfähigkeit möglich. Dann muss der Betrieb währenddessen das Gehalt bzw. den Lohn als Entgeltfortzahlung leisten und es bestehen keine Ansprüche auf Finanzierung durch einen Kostenträger.

3.1. Wiedereingliederung nach Reha

Stufenweise Wiedereingliederung kann im Anschluss an medizinische Rehabilitation oder auch parallel zu ambulanten Reha-Maßnahmen beginnen. Wenn Versicherte aus einer Reha-Einrichtung entlassen werden und arbeitsunfähig sind, muss die Reha-Einrichtung eine Checkliste zur stufenweisen Wiedereingliederung an die Krankenkasse und den Rentenversicherungsträger schicken, in der sie den (Nicht-)Bedarf und die (Nicht-)Einleitung der Wiedereingliederung dokumentiert. Betroffene können der Datenübermittlung an die Krankenkasse widersprechen. Sie bekommen zudem eine Kopie der Checkliste für die weiterbehandelnde Arztpraxis.

Innerhalb von 14 Tagen nach Ende der Reha-Maßnahme kann auch die Krankenkasse eine stufenweise Wiedereingliederung anregen, wenn sich in den Punkten der Checkliste eine Änderung ergeben hat.

3.2. Prüfung der Wiedereingliederung nach Arbeitsunfähigkeit von mehr als 6 Wochen

Ab einer Arbeitsunfähigkeitsdauer von mehr als 6 Wochen wird bei jeder Folgebescheinigung der AU (siehe Arbeitsunfähigkeit) geprüft, ob eine stufenweise Wiedereingliederung möglich ist. Ziel ist es, Versicherten mit länger andauernden Erkrankungen frühzeitig die Möglichkeit zu geben, wieder an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren.

Die ärztliche Beurteilung zur stufenweisen Wiedereingliederung kann von der versicherten Person auch abgelehnt werden. Die Zustimmung ist immer freiwillig.

3.3. Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

Betriebe müssen Beschäftigten, die länger als 6 Wochen krank waren, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten (§ 167 Abs. 2 SGB IX). Für die 6 Wochen werden alle Zeiten zusammengezählt, in denen Beschäftigte in den letzten 12 Monaten

  • arbeitsunfähig gemeldet waren (Arbeitsunfähigkeit),
  • sich ohne AU-Bescheinigung krankgemeldet haben oder
  • wegen Kuren und Reha-Leistungen gefehlt haben.

Die stufenweise Wiedereingliederung kann Teil eines BEM sein.

4. Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung

Die Dauer der stufenweisen Wiedereingliederung ist abhängig vom individuellen gesundheitlichen Zustand und kann jederzeit flexibel verkürzt oder verlängert werden. Es gibt keine gesetzliche Zeitbegrenzung, aber meist wird eine Dauer von 4–8 Wochen festgelegt. Eine Dauer von mehr als 6 Monaten ist unüblich.

5. Wiedereingliederungsplan

Damit die stufenweise Wiedereingliederung stattfinden kann, müssen sowohl die versicherte Person als auch der Betrieb einem sog. Wiedereingliederungsplan zustimmen, der die genauen Bedingungen der Wiedereingliederung regelt. Der Plan wird von allen Beteiligten gemeinsam erstellt. Federführend können z.B. sein: ein Arzt, die Sozialberatung, der Reha-Träger oder die unabhängige Teilhabeberatung.

Der Wiedereingliederungsplan enthält folgende Angaben:

  • Beginn und Ende des Wiedereingliederungsplans
  • Einzelheiten über die verschiedenen Stufen (Art und Dauer)
  • Rücktrittsrecht vor dem vereinbarten Ende
  • Gründe für ein vorzeitiges Zurücktreten
  • Ruhen der entgegenstehenden Bestimmungen des Arbeitsvertrages während der Dauer der Wiedereingliederung
  • Höhe eines eventuell gezahlten Arbeitsentgelts

Der Wiedereingliederungsplan muss flexibel sein und bei Bedarf angepasst werden, z.B. was die Dauer, die Stufen und die tägliche Arbeitszeit angeht. Das wird bei den regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen überprüft, welche die Wiedereingliederung begleiten müssen.

6. Kostenträger und finanzielle Sicherung

Findet stufenweise Wiedereingliederung innerhalb der ersten 6 Wochen einer Arbeitsunfähigkeit statt, braucht es meistens keinen Kostenträger. Denn in dieser Zeit muss der Betrieb der arbeitsunfähigen Person meist Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten (auch Lohnfortzahlung genannt). Das bedeutet, dass weiterhin das Gehalt oder der Lohn in der bisherigen Höhe vom Betrieb überwiesen wird.

Die stufenweise Wiedereingliederung ist eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Beim Kostenträger geht es vor allem um die Frage, wer Wiedereinzugliedernde mit sog. Entgeltersatzleistungen (auch Lohnersatzleistungen genannt) nach dem Ende der Entgeltfortzahlung finanziell absichert:

  • Findet die Wiedereingliederung im unmittelbaren Anschluss an eine medizinische Reha-Maßnahme statt, d.h. wird sie innerhalb von 4 Wochen nach Entlassung aus einer Reha-Klinik angetreten, ist die Rentenversicherung Kostenträger und zahlt Übergangsgeld.
  • Trifft dies nicht zu, ist in den meisten Fällen die Krankenversicherung zuständig und zahlt Krankengeld. Die Zeit der stufenweisen Wiedereingliederung zählt zum Krankengeldbezug.
  • Wenn das Krankengeld ausgelaufen ist, zahlt die Agentur für Arbeit unter Umständen während der stufenweisen Wiedereingliederung Arbeitslosengeld, sofern noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Voraussetzung dafür ist normalerweise, dass die Person zwar arbeitsunfähig für die bisherige Tätigkeit ist, aber nicht voll erwerbsgemindert, das heißt noch zu irgendeiner anderen Arbeit im Umfang von über 3 Stunden täglich in der Lage ist. Dass der Arbeitsvertrag ungekündigt ist, ist kein Hinderungsgrund. Wenn ungeklärt ist, ob vielleicht doch volle Erwerbsminderung vorliegt, kommt Arbeitslosengeld nach der sog. Nahtlosigkeitsregelung in Betracht. Näheres unter Arbeitslosengeld > Nahtlosigkeit und Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit.
  • Bei einer Reha wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit zahlt der Unfallversicherungsträger Verletztengeld.

Zusätzlich kommen im Zuge der Wiedereingliederung weitere Reha-Leistungen in Betracht, z.B. ergänzende Leistungen zur Reha oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Näheres unter Berufliche Reha. Zuständig ist dann der jeweilige Träger der Wiedereingliederung, nur bei Arbeitsassistenz ist immer das Integrationsamt zuständig.

Falls Arbeitgebende während der Maßnahme freiwillig Arbeitsentgelt entrichten, wird dieses angerechnet und führt zu Kürzungen bzw. zum Wegfall der Entgeltersatzleistung. Es besteht allerdings keine Zahlungspflicht für Arbeitgebende.

Der Anspruch auf Entgeltersatzleistungen besteht auch dann, wenn die stufenweise Wiedereingliederung scheitern sollte.

7. Praxistipps

  • Findet die stufenweise Wiedereingliederung unmittelbar im Anschluss an eine Reha-Maßnahme statt, sollte sie im Laufe der Reha beantragt werden. Die Sozialberatung der Reha-Klinik füllt hierzu, in Kooperation mit Arzt und Betroffenen, den Antrag aus und erstellt den Wiedereingliederungsplan.
  • Detaillierte Informationen zur stufenweisen Wiedereingliederung bietet die "Arbeitshilfe stufenweise Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess" der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR), kostenloser Download unter www.bar-frankfurt.de > Service > Publikationen > Reha-Grundlagen.

8. Wer hilft weiter?

Krankenkassen, Agentur für Arbeit, Unfallversicherungsträger oder Rentenversicherungsträger, Sozialberatung der Reha-Klinik, behandelnder Arzt, Arbeitgeber.

Arbeitsunfähigkeit

Krankengeld

Erwerbsminderungsrente

Medizinische Rehabilitation

Berufliche Reha > Leistungen

Berufliche Reha > Rahmenbedingungen

Rechtsgrundlagen: § 74 SGB V - §§ 44, 71 Abs. 5 SGB IX

Wie lange muss man zwischen 2 gleichen Krankheiten arbeiten?

Sechs-Monats-Frist Liegen zwischen zwei Arbeitsunfähigkeiten wegen derselben Krankheit mindestens sechs Monate, so besteht ein neuer Anspruch auf sechs Wochen Entgeltfortzahlung. Dies gilt auch, wenn innerhalb der sechs Monate Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung besteht.

Kann man sich nach der Reha noch krankschreiben lassen?

Wenn Ihnen nach der Reha eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird, gibt es drei Möglichkeiten, wie es weitergehen kann: Sie machen eine stufenweise Wiedereingliederung. Sie machen eine berufliche Rehabilitation zur Ergänzung. Sie gelten als erwerbsunfähig und beantragen Erwerbsminderungsrente.

Wie lange muss ich arbeiten um erneut Krankengeld zu bekommen?

Sie haben wegen einer Erkrankung schon einmal für 78 Wochen innerhalb von drei Jahren Krankengeld erhalten? Dann können Sie wegen dieser Krankheit erst wieder Krankengeld bekommen, wenn ein neuer Drei-Jahres-Zeitraum begonnen hat.

Was ist eine Blockfrist?

Dauer. Krankengeld gibt es wegen derselben Krankheit für eine maximale Leistungsdauer von 78 Wochen (546 Kalendertage) innerhalb von je 3 Jahren ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit. Bei den 3 Jahren handelt es sich um die sog. Blockfrist.