Wie viele Menschen über 110 Jahre gibt es in Deutschland?

Der Tod sei ihr nun ziemlich nah auf den Pelz gerückt, findet Sophie C. „Irgendwann kommt er zur Türe rein und sagt: ‚Nu komm.‘ Und dann gehe ich …“ Die ehemalige Erzieherin, die in einer Seniorenresidenz lebt, hat schon eine Grenze überschritten: Sie ist eine von 15 über Hundertjährigen, die der Psychologe Simon Eggert und seine Kollegen von der Berliner Charité und vom Zentrum für Qualität in der Pflege interviewt haben.

Die elf Frauen und vier Männer sind selbstverständlich nicht repräsentativ für ihre Altersgenossen. Sie waren zum Zeitpunkt der Untersuchung geistig besonders klar und beweglich, konnten sich gut ausdrücken und waren zumindest so weit belastbar, dass ihnen die Gespräche zugemutet werden konnten.

Dass Menschen so wach und weise in ihr zweites Lebensjahrhundert eintreten, erfüllt uns mit Ehrfurcht. Dass sie so alt werden, ist ja immer noch eine Ausnahme. 16.860 über Hundertjährige lebten 2014 in Deutschland.

In 40 Jahren sind Hundertjährige häufig

„Doch es wird damit gerechnet, dass es in 40 Jahren schon 60 000 sind, in 70 Jahren rund 120 000“, sagte Adelheid Kuhlmey vom Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité am Mittwoch bei der Tagung „Langlebige – Gesundheit und Teilhabe einer Bevölkerungsgruppe mit Zukunft“.

Forscher fokussieren ihre Arbeit längst auf die „Super-Centenarians“ der Altersgruppe 110+. Dazu passt, dass die kanadischen Biologen Bryan Hughes und Siegfried Hekimi im Fachblatt „Nature“ anzweifeln, dass eine biologische Obergrenze für das menschliche Leben bei rund 115 Jahren gezogen werden könne. Sie vermuten, die maximale Lebensspanne lasse sich ebenso gut weiter ausdehnen, wie die durchschnittliche Lebenserwartung es schon getan hat.

Ob das zutrifft, steht noch in den Sternen. Dafür ist klar vorauszusehen, dass die Langlebigen der nächsten Jahrzehnte die Babyboomer der geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1965 sein werden. Das sind in Deutschland 13 Millionen Menschen. „Damit wir für diese Generation nicht das Falsche machen, brauchen wir gute Daten“, forderte Kulmey.

Daten, die demnächst im Fachblatt „Journal of Gerontology“ erscheinen werden, präsentierte der Charité-Psychologe Paul Gellert, Leiter des Projekts „Hundertjährigenforschung“. Für eine Kohortenstudie verwendeten die Forscher Routinedaten der Knappschafts-Krankenkasse von Versicherten, die mit über 80 Jahren verstorben waren. Sie verglichen rückblickend die Diagnosen und Therapien einer Gruppe von 398 Personen, die über 100 Jahre gelebt hatten, mit denen von Mitgliedern, die zwar auch alt wurden, aber bereits im neunten oder zehnten Lebensjahrzehnt verstarben.

80-Jährige sind kränker als 100-Jährige

Im letzten Vierteljahr vor ihrem Tod wurden für die über Hundertjährigen (darunter eine Person, die 110 Jahre alt wurde) 3,3 Erkrankungen dokumentiert, für die mit 80 Jahren Verstorbenen aber 4,6. Menschen, die mehr als 100 Jahre alt werden, leiden demnach seltener an Herzrhythmusstörungen, Funktionseinbußen der Nieren und Bluthochdruck. Sie haben nicht nur weniger Krankheiten, sondern in den letzten sechs Jahren vor ihrem Tod, die die Forscher unter die Lupe genommen hatten, auch einen flacheren Anstieg der Diagnosen.

Von zwei Problemen, die nicht direkt lebensbedrohlich sind, aber quälend sein können, sind Menschen, die über 100 Jahre alt werden, in ihren letzten Jahren allerdings stärker betroffen als Jüngere. Das sind Demenz und Probleme mit den Gelenken. Wie die Zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie 2013 zeigte, leiden 88 Prozent von ihnen auch an deutlichen Einschränkungen beim Hören und Sehen.

Die Kinder der 100-Jährigen sind selbst Senioren

Wer hochbetagt ist, hat Nachkommen, die selbst Senioren sind. Das älteste „Kind“, das die Charité-Alternsforscherin Dagmar Dräger zur Sicht der Angehörigen von Hundertjährigen interviewte, war 78 Jahre alt. Eine der befragten Töchter berichtete, ihr mache ein Gefühl der Parallelität des Alterns zu schaffen.

Die Hundertjährigen selbst gaben in der Studie von Eggert häufiger an, ihre Kinder gingen Gesprächen über das Lebensende aus dem Weg oder reagierten mit Beschwichtigungen. Der Sohn wolle das „dann immer gar net hören“, beklagte die 1914 geborene Caroline Q. Was ihr und anderen Hochbetagten fehlt, ist der Kontakt zu Gleichaltrigen.

Durch die pilzförmige Bevölkerungspyramide, die Forscher für die Zukunft erwarten, dürfte sich das positiv verändern. Die Hälfte der Mädchen, die heute geboren werden – und eine beträchtliche Anzahl ihrer männlichen Altersgenossen –, kann demnach damit rechnen, einst dreistellige Geburtstage zu feiern. Die Chancen, darauf gemeinsam mit alten Freunden anzustoßen, stehen also recht gut.

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Die Supercentenarians: Das ist die Welt der über 110-Jährigen

Aktualisiert am 19.08.2017, 21:28 Uhr

Manche Menschen werden unglaublich alt. Der Rekord liegt bisher bei 122 Jahren. Die Französin Jeanne Calment erlebt den Bau des Eiffelturms und stirbt, als eine Sonde auf dem Mars landete. Über eine Welt, in der man mit 80 jung ist.

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Eigentlich wollte sie das Rauchen endgültig aufhören, sagte die Französin Jeanne Louise Calment 1992. Doch nur ein Jahr später fing sie damit wieder an. So weit so gut. Das Besondere: Calment war zu diesem Zeitpunkt 117 Jahre alt - und sie sollte noch fünf Jahre weiterleben.

Seit dem Jahr 1990 hält sie den Rekord als ältester Mensch, der je gelebt hat. Geboren ist sie im Jahr 1875. Sie erlebt den Bau des Eiffelturms und bedient 1889 mit 14 Jahren den Maler Vincent Van Gogh im Laden für Malbedarf ihrer Verwandten.

Bis zum Ersten Weltkrieg dauert es da noch 25 Jahre. 1896 fängt sie mit dem Rauchen an. In diesem Jahr entdeckt Konrad Röntgen die nach ihm benannten Strahlen.

Fechten lernen mit 85

Sie heiratet im selben Jahr ihren ersten Ehemann Fernand, ein Cousin zweiten Grades - die Großväter waren Brüder. Als vermögender Ladenbesitzer kann er Jeanne ein freies Leben ermöglichen.

Arbeiten will sie nicht viel, aber Opern, Klavierspielen und Rollschuhfahren haben es ihr angetan. Sie wird in ihrem Leben fast alle ihre Verwandten überleben, eine Tochter und sogar einen Enkel begraben.

Mit 85 fängt sie das Fechten an und fährt bis sie 100 Jahre alt ist Fahrrad. Erst mit 110 Jahren geht sie in ein Altersheim. Das Rezept für ihr langes Leben? Olivenöl, Knoblauch, Gemüse und Portwein.

Sie stirbt im August 1997 - im Jahr, als die "Mars-Pathfinder" auf dem Roten Planet landet. Das ist jetzt genau 20 Jahre her.

Die Methusalems der Weltgeschichte

Calment gehört zu der Gruppe der Supercentenarians. Das ist die Bezeichnung für die Methusalems der Menschheit, oder genauer gesagt, für alle, die mindestens 110 Jahre alt geworden sind.

Insgesamt sind bisher 1.700 Fälle wissenschaftlich dokumentiert, aktuell leben geschätzt zwischen 300 und 450 Supercentenarians auf der Erde. Einer von 1.000 Centenarians, also mindestens 100-Jährige, wird zum Supercentenarian. Dabei werden es von Jahr zu Jahr immer mehr.

80 bis 90 Prozent sind Frauen. Der älteste je lebende Mann war bisher der Japaner Jiroemon Kimura, der 2013 mit 116 Jahren verstarb.

Seit April dieses Jahres sind alle derzeit lebenden Menschen frühestens im 20. Jahrhundert geboren. Die letzte Frau des 19. Jahrhunderts war die Italienerin Emma Morano, die im Alter von 117 Jahren verstarb.

Sie hat in drei Jahrhunderten gelebt und elf Päpste mitbekommen.

Schnaps und Zigaretten für ein langes Leben

Was ist nun die Formel für ein langes Leben? Die Antwort ist: Es gibt keine Antwort. Zumindest keine eindeutige. Wissenschaftler suchen schon seit Jahrzehnten eine Faustformel für ein langes Leben. Die sehr alten Menschen sind die vielversprechendsten Forschungsobjekte.

Einig ist man sich mittlerweile darüber, dass die Ernährung großen Einfluss hat. Untersuchungen ergaben, dass Menschen gerade an Orten überdurchschnittlich alt werden, die für eine besonders gesunde Ernährung bekannt sind.

Beispiele gibt es auf der ganzen Welt: Sardische Hochlandhirten essen ungesäuertes Vollkorngetreidebrot, Käse und einen besonderen Wein.

Kalifornische Siebenten-Tags-Adventisten verzichten aus religiösen Gründen auf Alkohol, Tabak und Fleisch und werden im Durchschnitt 88 Jahre alt.

In Okinawa leben viele Menschen nach der konfuzianischen Regel und hören mit dem Essen auf, bevor sie sich komplett satt fühlen.

Die Sache hat allerdings einen Haken, denn als alleinige Erklärung für ein biblisches Alter reicht das nicht aus.

Calment rauchte bis kurz vor ihrem Tod, Helmut Schmidt kann man sich ohne Zigarette nicht vorstellen und Christian Mortensen - mit 115 Jahren zweitältester bisher lebender Mann - schwor im hohen Alter noch auf eine gute Zigarre.

Viele Supercentenarians wähnen sogar den ein oder anderen Schnaps als Jungbrunnen.

Das Alter liegt in den Genen

Jeanne Calment war nicht die einzige Person in ihrer Familie, die lange gelebt hat. Ihr Vater, der Schiffsbauer Nicolas, wurde 93 Jahre alt. Die Mutter Marguerite 86. Ihr Bruder Francois wurde 97. Zufall? Wohl kaum.

Tatsächlich spielen die Gene eine wichtige Rolle im Alterungsprozess. Über die Relation ist man sich in der Fachwelt allerdings uneinig. Sicher ist, dass über 110-Jährige in ihrem Leben kaum an schweren Krankheiten gelitten haben.

Forscher vermuten, dass die so genannten Telomere einen großen Einfluss auf diese Tatsache und das Altern im Allgemeinen haben.

Telomere sind die Enden der Chromosomen. Die Telomere schützen die Chromosomen und sind unabdingbar für Wachstum von Haut und Haar oder das Verheilen von Wunden.

Sie sorgen für Stabilität. Doch jedes Mal, wenn sich eine Zelle teilt, werden diese Telomere kürzer und die Zelle damit fragiler. Supercentenarians haben überdurchschnittlich oft besonders lange Telomere. Ihre Zellen bleiben extrem lange gesund.

Doch wie alt kann so ein Mensch eigentlich maximal werden? Perfekte Gene, perfekte Ernährung, perfektes Leben - dann sind theoretisch 125 Jahre drin. Erreicht hat das allerdings noch niemand, außer vielleicht der biblische Methusalem. Der soll es auf stattliche 969 Jahre gebracht haben.

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Wie viele Personen in Deutschland sind über 100 Jahre alt?

Im Jahr 2021 lebten hierzulande gut 23 500 Menschen, die mindestens 100 Jahre alt waren. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das rund 3 000 Personen mehr als noch im Jahr zuvor. Die Zahl der mindestens Hundertjährigen lag damit auf dem höchsten Stand der vergangenen zehn Jahre.

Wie viele Menschen gibt es in 100 Jahren?

Im Jahr 2020 waren hierzulande 20 465 Menschen 100 Jahre alt und älter. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 3 523 mehr Hochbetagte als im Jahr 2019.

Wie viel 100 jährige gibt es auf der Welt?

Global. Im Jahr 2013 lebten Schätzungen der UN zufolge etwa 343.000 Hundertjährige auf der Welt, deren Zahl sich bis zum Jahr 2050 auf mindestens 3,2 Millionen verzehnfachen könnte.

Wo gibt es die meisten 100 jährigen?

Den nach Ländern größten "Club der Hundertjährigen" gibt es in Japan: 79.000 Menschen im Alter von 100 oder mehr Jahren zählt das Land UN-Schätzungen zufolge inzwischen. In Deutschland sind hingegen nur 19.000 Menschen. Die Grafik zeigt die geschätzte Zahl der Menschen weltweit, die zur Altersgruppe 100+ gehören.