Werden weltweit mehr Jungen oder Mädchen geboren

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Geschlechterverhältnisse ändern sich von der Zeugung bis zur Geburt

In westlichen Ländern werden zwar etwas mehr Jungen als Mädchen geboren, aber bei der Zeugung ist das Geschlechterverhältnis ziemlich genau 50 : 50. Eine aktuelle Publikation widerspricht damit der vorherrschenden Lehrmeinung.

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Blaumützen sind zahlreicher als Rosamützen.

Ein Team von Demografen und Genetikern um Steven Orzack in Cambridge hat die Geschlechterverhältnisse in mehreren Phasen von der Zeugung bis zur Geburt gemessen und dabei nach eigener Aussage die umfassendste Analyse zu diesem Thema durchgeführt. Die ausgewerteten Daten stammen von Gentests bei drei bis sechs Tage alten Embryonen (im Zusammenhang mit In-vitro-Fertilisationen), von Schwangerschaftsabbrüchen, von Pränataldiagnosen mittels Chorionzottenbiopsie oder Fruchtwasseruntersuchung und endlich von Statistiken über Lebend- und Tot­geburten. Die Daten stammen überwiegend aus den USA. Sexuell motivierte Schwangerschaftsabbrüche, wie sie z. B. in China und Indien häufig durchgeführt werden, sind in die Statistik nicht eingeflossen.

Die große Überraschung besteht darin, dass bei der künstlichen Befruchtung das Geschlechterverhältnis fast ausgeglichen ist. Die Autoren ermittelten eine minimale Mehrheit der männlichen Zygoten (50,2%) gegenüber den weiblichen (n = 139.704). Da sie auch bei natürlichen Zeugungen ein ähn­liches Geschlechterverhältnis annehmen, widersprechen sie den gängigen Theorien, dass die Jungen hier weit in der Überzahl seien (um etwa 30%), weil Spermien mit einem xy-Chromosomenpaar leichter und schneller seien als die xx-Pendants und daher die Eizelle meistens zuerst erreichen.

Bei männlichen Embryonen treten genetische Anomalien (insbesondere auf den Chromosomen 15 und 17) relativ häufiger auf. Dies ist die Hauptursache dafür, dass der männliche Nachwuchs in der ersten Schwangerschaftswoche eine erhöhte Sterblichkeit aufweist. In den folgenden zehn bis 15 Wochen ist das Verhältnis umgekehrt: Es sterben deutlich mehr weibliche als männliche Embryonen und Feten. Dann gleichen sich die Sterblichkeiten der Geschlechter an, bis sie etwa um die 20. Schwangerschaftswoche völlig gleich sind. Danach verschiebt sich das Verhältnis allmählich wieder zugunsten der weiblichen Feten, besonders deutlich in der 28. bis 35. Woche.

Insgesamt sterben mehr weibliche Embryonen und Feten als männliche, sodass mehr Jungen als Mädchen lebend geboren werden. In Deutschland beträgt die Relation etwa 51,3 zu 48,7.

Zwei weitere Ergebnisse dürften noch interessant sein: Das Alter der Mutter wirkt sich nicht auf das Geschlechterverhältnis der Neugeborenen aus. Und Jungen werden durchschnittlich früher geboren als Mädchen. So beträgt bei Schwangeren in den USA der Anteil männlicher Feten bis zur 36. Schwangerschaftswoche ca. 51 Prozent und sinkt dann bis zur 39. Woche auf ca. 49 Prozent, weil viele Jungen dann ­bereits geboren sind. |

Quelle: Orzack SH, et al. The human sex ratio from conception to birth. Proc Natl Acad Sci; Epub 30.3.2015

DAZ 2015, Nr. 15, S. 6, 09.04.2015

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Weltweit kommen mehr Jungen auf die Welt als Mädchen. Richtig neu ist diese Erkenntnis nicht, allerdings suchen Wissenschaftler noch immer nach Gründen für dieses Phänomen. In Deutschland kamen etwa im Jahr 2013 nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 350.000 Jungen zur Welt - und nur knapp 332.000 Mädchen. Das entspricht einem Verhältnis von 51 zu 49 Prozent. Eine Erklärung für die ungleiche Geschlechterverteilung liefern nun Wissenschaftler aus Großbritannien und den USA in den "Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaft ("PNAS").

Zum Zeitpunkt der Empfängnis, so schreiben die Forscher, seien die Geschlechter noch gleich verteilt. Allerdings würden insgesamt mehr Jungen als Mädchen die neun Monate Schwangerschaft überleben. Diese neue Erkenntnis kratzt an der bisherigen Hypothese, dass Jungen bereits bei der Empfängnis die Nase vorn haben - also mehr Schwangerschaften mit Jungen entstehen als mit Mädchen.

Die Forscher um Steven Hecht Orzack vom Fresh Pond Research Institute in Cambridge werteten zahlreiche Datenquellen aus, die das Geschlecht der Babys betrafen. So erhielten sie Einblick in die Geschlechterverteilung vom dritten Tag nach der Empfängnis bis hin zur Geburt. Ihre Erkenntnis: Besonders die erste Woche nach der Befruchtung sei für männliche Embryonen kritisch, da sie zu genetischen Auffälligkeiten neigen würden. Die darauffolgenden zehn bis 15 Wochen würde die Zahl der weiblichen Abgänge die der männlichen übersteigen - bis es gegen Ende der Schwangerschaft noch einmal umgekehrt sei. Zusammengenommen überleben demnach mehr männliche Embryonen die Schwangerschaft, was zu der leicht höheren männlichen Geburtenrate führe.

In Hungerphasen kommen mehr Mädchen zur Welt

Kurioserweise ist das Geschlechterverhältnis auch von Umwelteinflüssen beeinflussbar. So kamen US-Wissenschaftler 2013 zu dem Ergebnis, dass in Hungerphasen mehr Mädchen als Jungen geboren werden. Sie hatten die Daten von Neugeborenen analysiert, die während und nach der großen Hungersnot in China zwischen 1959 und 1961 zur Welt kamen. Warum in schlechten Zeiten mehr Mädchen geboren werden, sei unklar, schrieben die Forscher. Es gebe aber die Theorie, dass weibliche Ungeborene "anspruchsloser" seien.

ikr/dpa DPA

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Werden mehr Jungen oder mehr Mädchen geboren?

Im Jahr 2020 gab es insgesamt 773 144 Neugeborene. In Deutschland werden etwa 5 % mehr Jungen als Mädchen geboren. Bei der Geburt des ersten Kindes waren 2020 die Mütter durchschnittlich 30,2 Jahre alt und die Väter 33,2 Jahre.

Wie wahrscheinlich ist es einen Jungen zu bekommen?

Und: Die Wahrscheinlichkeit, einen Jungen oder ein Mädchen zu bekommen, liegt etwa bei 51 (Jungen) zu 49 (Mädchen). Das heißt: Ganz gleich, wie wirksam eine Methode wirklich ist, etwa die Hälfte aller Paare, die sie ausprobieren, werden den Eindruck haben, dass die Methode funktioniert hat.

Wie viele Mädchen und Jungen gibt es auf der Welt?

Von den 7,4 Milliarden Menschen sind über 60 Millionen mehr Menschen männlich als weiblich (Stand: März 2017). Die Hauptursache für dieses Ungleichgewicht ist das zahlenmäßig ungleiche Verhältnis der Geschlechter bei der Geburt: Auf 100 neugeborene Mädchen kommen ungefähr 105 Jungen.

Was wird häufiger geboren?

Die Statistik ist eindeutig: Unter Neugeborenen gibt es mehr Jungen als Mädchen. In Deutschland etwa kamen im Jahr 2013 genau 349.820 Jungen und 332.249 Mädchen zur Welt. Das entspricht einem Verhältnis von 51 zu 49 Prozent. Die Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt.