Was spare ich wenn ich nicht mehr rauche

Knapp 60 Tage rauchfrei. Klingt wenig. Doch nach sechs Jahren Rauchen ist das für unsere Autorin ein Riesenerfolg. Sie verrät, wie sie sich trotz Entzugserscheinungen ganz ohne Hilfsmittel von der Kippe abgewandt hat.

Was spare ich wenn ich nicht mehr rauche

Was spare ich wenn ich nicht mehr rauche

Die letzte Zigarette

Seit Ende Oktober 2017 lebt Orange-Reporterin Lena rauchfrei.

(Foto: dpa)

Dieser Artikel ist am 22. Dezember 2017 bei Orange - dem jungen Portal des Handelsblatts - erschienen.

Noch drei. Will ich das wirklich tun? Noch zwei. Genieß dein letztes Mal. Noch ein Zug. Jetzt aber: Auf Nimmerwiedersehen! Meine Lippen lösen sich widerwillig vom vergilbten Filter. Ich knete ein letztes Mal den Kippenstummel zwischen Daumen und Zeigefinger. Drücke ihn in die stinkende Asche vor mir. Es zischt, als sänge mir die Glut ein Abschiedslied. Die letzten Rauchzeichen meines Lebens.

Was waren die Gründe, warum ich mit dem Rauchen aufgehört habe?

Es ist der 29.Oktober 2017 um genau drei Uhr nachts als wir uns vornehmen mit dem Rauchen aufzuhören. In der Schachtel, die ich mir vor drei Tagen geholt habe, wartet noch eine einzige Zigarette auf ihren Feuertod. „Weißt du was?“ Ich stoße meinen Freund neckisch in die Seite. „Das ist jetzt unsere Letzte. Krass, oder?“ Er nickt.

Wirkt fast etwas wehmütig. Wie immer sitzen wir auf der kleinen Treppe, die zu seiner Terrasse führt. Ratsch. Patrick steckt mir die Kippe an, dann seine. Wir inhalieren. Pusten dicke Rauchschwaden aus. „Das wird hart“, flüstert er. Dann löst sich der Rauch in Luft auf.

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Dabei fiel mir der Entschluss eigentlich leicht. Schon immer stellten sich mir die Nackenhaare bei dem Gedanken auf, wie meine Lunge wohl aussehen musste. Widerlich. Nicht umsonst ist Rauchen die häufigste vermeidbare Todesursache, die jeden Tag 300 bis 400 Menschen dahinrafft.

Rauchen kostet uns mehr als 2.000 Euro pro Jahr – ein langer Urlaub!

Ein langsamer Selbstmord. Außerdem will ich irgendwann vielleicht zum Radio. „Du hast so eine tolle Stimme“, haben sie während meines Praktikums beim Lokalsender immer gelobt. Das soll bitte so bleiben.

Patrick sprach auch seit Wochen vom Aufhören. Die Qualmerei sei viel zu teuer. Jeden Tag sechs Euro. Das sind 2016 Euro im Jahr. Ein fetter Urlaub. Geld, das man im wahrsten Sinne des Wortes einfach verbrennt. Das man für etwas ausgibt, das einem nicht einmal einen witzigen Rausch beschert wie etwa das sechste Bier.

Der Knaller: Sobald wir eine neue Regierung haben, soll laut der Welt eine Schachtel noch teurer werden. Das Stichwort lautet Tabaksteuererhöhung. Mein Test der neuen Iqos-Zigarette hat mir zum Glück endgültig bewiesen, dass ich die giftigen Glimmstängel eigentlich nicht brauche.

Was im Körper passiert, wenn man aufhört zu rauchen

Nachdem wir die letzte Kippe geraucht und den Aschenbecher geleert haben, laden wir uns gemeinsam die App „Smoke Free“ aus dem Appstore runter. Das ist nur eine von vielen austauschbaren Anwendungen, die für dich dokumentieren, wie lange deine letzte Zigarette her ist und wie viel Geld du seither gespart hast.

Dazu musst du bloß dein Aufhör-Datum angeben, wie viele Zigaretten du am Tag geraucht hast, wie viel eine Schachtel kostet und wie viele Kippen darin enthalten sind. Fertig.

Es gibt nur ein Problem: Wenn du weißt, dass du eigentlich nicht mehr rauchen darfst, ist das Verlangen umso größer. „Lass uns lieber ins Bett gehen“, schlage ich vor, „Dann geht die Zeit schneller rum.“ Am nächsten Morgen wache ich wieder mit diesem ekelhaften Pappmaul auf, wie man bei uns so schön sagt.

Das habe ich immer, wenn ich abends geraucht habe. Normalerweise würde ich jetzt frühstücken und danach eine Zigarette rauchen.

Stattdessen schaue ich auf die App: Acht Stunden, 37 Minuten und 35 Sekunden. So lang ist die letzte Kippe her. Ein Kinderspiel! Tatsächlich habe ich sogar schon zwei Gesundheitsverbesserungen erzielt: Mein Pulsschlag ist laut App wieder normal. Das ist schon zwanzig Minuten nach dem Rauchen der Fall.

Und auch meine Blutwerte sind nach acht Stunden wieder im Normalbereich. Der giftige Kohlenmonoxid-Gehalt sinkt, während der Sauerstoffgehalt steigt. Was mich überrascht: Genauso lange dauert es laut App bis der stinkende Raucheratem sich verflüchtigt hat. Igitt!

Tipps, um das Rauchen aufzuhören: Ablenkung ist alles!

Es graute mir vor diesem ersten Tag. Ich hatte zuvor viele Erfahrungsberichte von ehemaligen Rauchern gelesen, die beteuerten, dass die erste Woche die Schlimmste sei. Beherrscht von Schmacht und Entzugserscheinungen. Frauen und Männer sprachen von Stimmungsschwankungen.

Patrick und ich erschwerten uns Tag 1 zusätzlich, indem wir über die Feiertage nach Renesse in Holland fuhren. Drei einhalb Stunden Auto fahren. Dabei pafften wir sonst gerne mal eine mehr als sonst. Ist ja langweilig im Auto.

Doch dort mitten auf der Autobahn zwischen Deutschland und den Niederlanden schmachteten wir zu unserer Überraschung nicht der nächsten Kippe nach, sondern entdeckten unser Gegenmittel: Ablenkung.

„Wie oft saß ich schon am Ufer? Wie oft sprang ich in die Spree?“ Fenster runter. Die Ärzte auf voller Lautstärke. Die Stimmen geölt mit Frischluft statt Qualm. Zu göttlich waren die Reaktionen der anderen Autofahrer. Manche schauten uns böse an. Manche lachten. Andere versuchten unsere Musik mit der eigenen zu übertönen. An ’ne Zigarette haben wir keine Sekunde gedacht.

Der erste Rückfall: So ekelhaft schmecken Zigaretten

In Renesse wurde mein Freund dann aber schwach. Die Seeluft macht offenbar nicht nur müde, sondern auch schmachtend. Er kaufte sich eine neue Schachtel. Das war an Tag zwei. Zu dem Zeitpunkt schmeckte ich das holländische Bier schon viel intensiver und nahm die salzige Meeresluft stärker war als vorher. Denn – und das war mir vorher nie bewusst – Rauchen schwächt die Geruchs- und Geschmackssinne.

Doch zugegeben: Immer, wenn Patrick sich eine ansteckte – das war wesentlich seltener als bisher – klebte mein Blick sehnsüchtig an der roten Glut. „Na gut, lass mich einmal ziehen“, forderte ich ihn auf. 53 Stunden nach meiner letzten Kippe. Er gab mir die Zigarette. Ich setzte sie an meinen Mund. „Bah! So ekelig hatte ich das nicht in Erinnerung.“

Damit war mein Verlangen erstmal ausgeglüht. Mit den Stunden entwickelte ich eine Abneigung gegen Zigaretten. Weil ich gemerkt hatte, dass sie widerlich schmecken. Weil ich roch, wie der kalte Rauch an meinem Partner haftete. Und weil mir bewusst wurde, wie sie meinen Körper schwächten.

Tipp: Wer aufhören will zu rauchen, braucht Erfolgserlebnisse

An Tag 3 beschlossen wir, abends in einem Strandcafé etwas zu essen und uns anschließend an den Strand zu setzen. Um dorthin zu kommen mussten wir einige steile Treppen nach oben über die Dünen nehmen. Normalerweise waren Patrick und ich konditionell in etwa gleich aufgestellt. Er als Fußballer vielleicht sogar etwas besser. „Wo ist der Aufzug?“, scherzten wir quasi gleichzeitig.

Während er sich mühsam die Treppen hochschleppte, legte ich zu meinem Erstaunen ein ordentliches Tempo vor. Oben angekommen keuchte Patrick: „Was rennst du denn so?“ Tatsächlich war ich kein bisschen aus der Puste.

„Wie cool ist das denn? Ich kann jetzt schon wieder durchatmen! Kein Stechen in der Brust!“ Wenngleich drei rauchfreie Tage nach sechs Jahren Rauchen nichts sind, war ich doch ein bisschen stolz. Und motiviert wie eine ganze Fußballmannschaft.

Entzugserscheinungen zwei Wochen nach dem Aufhören: Und wenn Freunde rauchen?

Die nächsten Tage waren ein Leichtes. Statt zu rauchen knabberte ich Pistazien und verdrehte die Augen, wenn Patrick sich eine ansteckte. „Muss das schon wieder sein?“, nörgelte ich dann. Man sagt nicht umsonst, Ex-Raucher seien die schlimmsten Nichtraucher. Einfach, weil sie den Unterschied kennen. Doch man sagt auch, Hochmut komme vor dem Fall. Wie wahr…

Etwa zwei Wochen n.Z. – tatsächlich fühlte sich ein Leben als Nichtraucher an wie ein neues Zeitalter – ging ich mit meinem besten Freund an den See. Mittlerweile hatte sich laut der App mein Kreislauf stabilisiert und meine Lungenkapazität verbessert. Davon merkte ich bloß nichts, da ich ein absoluter Sportmuffel bin und diesen Fortschritt somit nicht auf die Probe stellen konnte.

Wir fläzten uns auf unsere Stamm-Bank und beobachteten die vorbeiziehenden Gestalten. Legten ihnen Dialoge in den Mund. Das spielten wir damals oft. Ein gemeinsames, über Jahre sorgsam gepflegtes Ritual. Nur, dass ich sonst eine Kippe im Mundwinkel hatte.

So wie mein bester Freund jetzt. Zug um Zug fraß sich die Glut durch den Tabak. Zug um Zug wuchs mein Verlangen. Ich wurde schwach. „Gibst du mir eine?“, fragte ich beschämt. Innerlich explodierte ich. Hätte ihm die Kippe am liebsten aus der Hand gerissen. Gierig wie ein wildes Tier, das Blut witterte.

Meine Finger trommelten nervös auf meinem Oberschenkel. „Nein!“ Ich war sauer. Aber dankbar. Dafür, dass er mich so unterstützte. Gute Freunde sind in den ersten Wochen wohl das A und O. Meine Entscheidung, mit dem Rauchen aufzuhören, hatte bei mir keinen körperlichen Entzug zur Folge.

Bloß einen mentalen. Ich musste lernen, meine Rituale umzustellen. Mich in Momenten, in denen ich mir eine Zigarette angesteckt hätte, anders zu beschäftigen. So in etwa müssen sich Leute fühlen, die über Jahre an den Nägeln knabberten.

Fast 150 Euro spare ich im ersten Monat ohne Zigaretten

Solche Erlebnisse gab es noch öfter. Besonders auf Partys fiel es mir schwer, meiner alten Sucht nicht wieder zu verfallen. Ich bin mit mir selbst schließlich den Kompromiss eingegangen, dass zwei Zigaretten in berauschten Nächten okay sind.

Es fällt mir nicht schwer, mich an diese Regel zu halten. Heute ist es einen Monat und 23 Tage her, dass ich mir meine letzte Schachtel kaufte. Ich habe 147,18 Euro gespart und zahlreiche gesundheitliche Erfolge geknackt.

Es geht mir viel besser, obwohl es mir als Raucher nie schlecht ging. Das ist das Gefährliche: Man merkt gar nicht, was man seinem Körper antut bis man es ihm nicht mehr antut. Und ich bin stolz auf mich. Diesen Schritt, an dem so viele schon scheiterten, ganz ohne Hilfsmittel geschafft zu haben. Durch Ablenkung, motivierende Erfolgserlebnisse und gute Freunde. Ich bin sicher: Das kannst du auch!

Mehr: Weitere Rauchverbote kommen ab 2021

Was mache ich wenn ich nicht mehr rauche?

Nach nur wenigen Wochen ist der körperliche Entzug beendet. Ablenkung hilft dir dabei, nicht mehr ans Rauchen zu denken. Auch Nikotinersatzpräparate aus der Apotheke reduzieren die Entzugserscheinungen. Es gibt sie in Form von Kaugummis, Pflastern oder Lutschtabletten.

Welche Vorteile hat man wenn man nicht raucht?

Nach einem Rauchstopp verschwinden die Verfärbungen der Finger und Zähne, die Haut glättet sich und bekommt ein frischeres Aussehen und der schlechte Geruch der Haare und der Kleidung verschwindet. Exraucher sind körperlich wieder fit, leben gesünder und sind belastbarer.