Welche Länder sind nicht so stark von Corona betroffen

Quellen:
Johns Hopkins University, Weltgesundheitsorganisation, Robert Koch Institut, Bundesregierung, The Lancet, Auswärtiges Amt, Reuters, Deutsche Presse Agentur

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Großbritannien ist nach Frankreich das am schwersten von der Corona-Pandemie betroffene Land Europas: Mehr als 24,2 Millionen Menschen haben sich bestätigt infiziert und mehr als 212.000 Personen (Quelle: Johns Hopkins University, 21.11.2022) sind in Verbindung mit Covid-19 gestorben, die höchste Zahl an Corona-Toten in Europa. Die britische Regierung unter Premierminister Boris Johnson stand am Anfang der Pandemie stark in der öffentlichen Kritik dafür, zunächst die Krankheit ignoriert und dann einen uneindeutigen und riskanten Kurs in der Bekämpfung der Pandemie gefahren zu haben.

Am 13. März 2020 hatte Boris Johnson noch verkündet, auf das Prinzip der Herdenimmunität zu setzen ohne das nationale Gesundheitssystem zu sehr zu belasten. Damit wäre Großbritannien einen umstrittenen Weg gegangen, von dem nahezu alle anderen Länder absahen. Doch auf Druck der Öffentlichkeit legte die Regierung noch am selben Tag eine Kehrtwende ein und kündigte an, Großveranstaltungen zu verbieten (Quelle). Auch Schulschließungen leitete die Regierung erst nach einer Petition mit über 600.000 Unterschriften in die Wege. Schulen schlossen am 21. März (Quelle), seit dem 23. März gelten Ausgangsbeschränkungen (Quelle).Ende März wurden strenge Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erlassen, unter anderem wurden alle Geschäfte außer Lebensmittelläden und Apotheken geschlossen. Eine erste Runde an Lockerungen hatte es bereits Anfang Mai gegeben.

Trotz der gravierend hohen Fallzahlen verkündete Premierminister Boris Johnson am 11. Mai 2020 einen 5-Punkte-Plan zur Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen. Das Papier sah unter anderem die teilweise Öffnung von Restaurants und Friseurgeschäften vor und forderte Menschen, die nicht von Zuhause aus arbeiten können, dazu auf, wieder zur Arbeit zu gehen. Der Plan wurde unter anderem von der Labour-Party und Erziehungsgewerkschaften kritisiert und außerdem von Schottland, Wales und Irland abgelehnt (Quelle). Währenddessen hatten sich die Pläne, schnell eine Tracing-App einzuführen, verlangsamt (Quelle).

Kritikerinnen und Kritiker weisen darauf hin, dass besonders Pflegeheime zu lange vernachlässigt worden seien - sowohl hinsichtlich der Statistik als auch hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen. Menschen, die in Pflegeheimen oder Zuhause vermutlich an Covid-19 starben, wurden erst ab Ende April in die offizielle Statistik des staatlichen Gesundheitsdienstes (NHS) miteinbezogen, während Patientinnen und Patienten teilweise von Krankhäusern in Hospize und Pflegeheime verlegt wurden. Bis zu 20.000 Menschen seien dort indessen gestorben (Stand: 14.05.2020, Quelle)

Boris Johnson war selbst Mitte März mit dem Coronavirus infiziert worden, arbeitete jedoch weiter, bis er ab dem 5. April bis 12. April im Krankenhaus behandelt wurde. Am 27. April nahm er seine Arbeit wieder auf (Quelle). Am 5. April hatte sich Queen Elizabeth II. zum vierten Mal in ihrer gesamten Amtszeit direkt an die Bevölkerung gewandt - dieses Mal, um ihr Mut zuzusprechen (Quelle).

In Großbritannien war am 8. Juni 2020 eine umstrittene Quarantäne-Regelung für Einreisen ins Land in Kraft getreten. Ab diesem Tag mussten die meisten Einreisenden für zwei Wochen in Isolation gehen. Trotz steigender Neuinfektionen konnten Pubs, Restaurants, Hotels, Kinos, Museen und Galerien in England vom 4. Juli an unter Beachtung der Sicherheitsvorkehrungen wieder öffnen. Die Abstandsregel wurden von zwei Metern auf einen Meter reduziert. Zum Schutz vor dem Virus müssen seit Ende Juli 2020 in Supermärkten und anderen Geschäften in England Gesichtsmasken getragen werden.

Im Herbst 2020 traf die zweite Welle der Corona-Pandemie Großbritannien mit voller Wucht. Großbritannien meldete die höchsten Neuinfektionswert seit Anfang Juni. Angesichts steigender Coronavirus-Infektionsraten verschärfte England seine Regeln für soziale Kontakte, nur noch höchstens sechs Personen durften sich miteinander treffen. Bars und Restaurants schlossen ab 22 Uhr. In den Metropolen Edinburgh, Liverpool und Glasgow mussten Pubs und Restaurant ab dem 9. Oktober für 16 Tage komplett schließen; in den ländlicheren Gebieten durften die Gastronomiebetriebe keinen Alkohol ausschenken. Reisende aus Frankreich und den Niederlanden mussten nach ihrer Ankunft in Großbritannien seit dem 15. August wieder in eine zweiwöchige Selbstisolation gehen. Am 22. September verkündete der britische Premierminister verschärfte Maßnahmen, um die zweite Corona-Welle im Land zu bremsen. Am 21. Oktober verzeichneten die Behörden erstmals mehr als 26.000 neue Corona-Fälle an einem Tag. Wegen des Mangels an Tests gehen Experten von einer hohen Dunkelziffer aus.

Mit einem dreistufigen Alarmsystem wollte Johnson die rapide steigenden Corona-Fallzahlen in England unter Kontrolle bringen. Je nach Risikograd – mittel, hoch oder sehr hoch – sollten verschärfte Maßnahmen gelten. Seit dem 29. Oktober 2020 galt für vier Wochen: Keine Gäste mehr in Restaurants und Pubs, Geschäfte müssen schließen, soweit sie nicht Lebensnotwendiges verkaufen. Auch die Kontakte außerhalb des eigenen Haushalts sollen bis auf wenige Ausnahmen eingeschränkt werden.

Angesichts sinkender Coronainfektionen endete der landesweite Lockdown am 2. Dezember 2020 nach vier Wochen. Alle Geschäfte konnten in der Vorweihnachtszeit wieder öffnen, ebenso wie Kinos, Fitnessstudios und religiöse Einrichtungen. In Risikogebieten gab es jedoch weiterhin regionale Einschränkungen für die Gastronomie und private Haushalte. Wegen der hohen Infektionszahlen war in London am 16. Dezember die dritte und höchste Corona-Warnstufe in Kraft getreten. Bars, Restaurants und Cafés mussten wieder schließen. In Großbritannien breitete sich seit Dezember eine hochansteckende neue Variante des Coronavirus B.1.1.7 unkontrolliert aus.

Nach einer Notfallzulassung für den Corona-Impfstoff von Biontech und Pfizer startete das Land am 8. Dezember 2020 mit der Massenimpfung. Bewohner von Pflegeheimen, medizinisches Personal, alte und gesundheitlich gefährdete Menschen sollen als erste geimpft werden.

Wegen der schnellen Ausbreitung der neuen Coronavirus-Variante Virusvariante B.1.1.7 geriet Großbritannien Anfang 2021 immer mehr unter Druck. Das Gesundheitssystem stand vor dem Kollaps. Trotz Massenimpfungen und Lockdown bekam Großbritannien die Pandemie nicht in den Griff. Für Reisen nach Großbritannien war seit dem 18. Januar ein negativer Test vor der Einreise notwendig. Dieser durfte nicht mehr als 72 Stunden zurückliegen. Zudem mussten sich Einreisende nach ihrer Ankunft in eine zehntägige Quarantäne begeben, die durch einen weiteren negativen Corona-Test frühestens nach fünf Tagen beendet werden konnte. Am 15. Februar waren verschärfte Einreisebestimmungen wegen der neuen Corona-Varianten in Kraft getreten. Reisende aus Hochrisiko-Ländern wurden auf eigene Kosten in Hotels unter Quarantäne gestellt.

Im April 2021 gab es auch positive Nachrichten: Der Lockdown wirkte, die Zahl der Infektionen war stark gefallen. Bei der Impfung der Bevölkerung lag Großbritannien weltweit hinter Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf dem dritten Platz, jeder dritte Erwachsene hatte schon beide Impfungen gegen das Coronavirus erhalten. Großbritannien war damit zum Vorreiter im Kampf gegen die Pandemie geworden. Premierminister Boris Johnson kündigte am 22. Februar an, bis Ende Juni alle Corona-Beschränkungen aufzuheben. Am 8. März wurden wieder alle Schulen geöffnet. Die nächste Lockerungsstufe folgte am 28. März. Zusammenkünfte von bis zu sechs Personen oder zwei Haushalten waren wieder erlaubt. Am 12. April wurde der Einzelhandel, Museen und Büchereien sowie Bars und Restaurants, wenn auch nur im Freien, wieder geöffnet. Allerdings waren private Auslandsreisen für die Briten nur eingeschränkt möglich. Es galt ein Ampelsystem mit unterschiedlichen Regeln zur Quarantänepflicht bei der Rückkehr. Für den 21. Juni 2021 plante die britische Regierung die Aufhebung aller Corona-Maßnahmen im Land. Dann sollten auch Abstandsregeln und Maskenpflicht fallen.

Anfang Juni steckte Großbritannien in der der vierten Welle. Die britische Regierung verstärkte ihre Bemühungen gegen die Ausbreitung der Delta-Mutante B.1.617.2, die zuerst in Indien entdeckt wurde. Die Variante breitete sich im Land zunehmend aus und gefährdete trotz der weit fortgeschrittenen britischen Impfkampagne die Aufhebung der noch geltenden Corona-Beschränkungen. Die Delta-Variante machte bereits mehr als 95 Prozent aller Neuinfektionen aus. Die täglichen Neuinfektionen in Großbritannien stiegen und lagen wegen Delta deutlich über denen der gesamten EU. Dank der hohen Impfquote, über 68 Prozent der Menschen waren bereits doppelt geimpft, war die Zahl der schweren Erkrankungen kaum gestiegen. Auch die Todeszahlen blieben zunächst niedrig.

Besonders in den Blick geraten waren Bürgerinnen und Bürger, die eine Impfeinladung bisher ausgeschlagen hatten. Die für den 21. Juni geplante Aufhebung aller Corona-Maßnahmen musste um weitere vier Wochen verschoben werden. Am 19. Juli 2021 hat England mitten in der vierten Coronawelle fast alle Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus aufgehoben (Freedom Day). Schottland, Wales und Nordirland gingen deutlich zögerlicher vor, was Öffnungen und Lockerungen angeht. Angesichts der angekündigten Corona-Lockerungen in England hatte der britische Premierminister Boris Johnson die Bevölkerung zu Vorsicht und Rücksichtnahme aufgefordert. "Diese Pandemie ist bei Weitem nicht vorbei. Diese Krankheit gefährdet weiterhin Sie und Ihre Familien", sagte Johnson. Das Ergebnis 150 Tage nach dem "Freedom Day" ist erschreckend: Großbritannien hatte eine der höchsten Infektionsraten weltweit. Auch die Zahl der Krankenhaus- und Todesfälle stieg weiter.

Weil in Großbritannien so viele Menschen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infiziert waren und noch deutlich mehr Menschen mit diesen in Kontakt gekommen waren, fielen Züge aus, Supermarktregale blieben zeitweise leer, Benzin wurde knapp und Mülltonnen wurden nicht geleert. Hunderttausende Briten mussten sich zu Hause isolieren.

In Großbritannien galt bald ein Corona-Impflicht in bestimmten Arbeitsbereichen. Für den Gesundheits- und Pflegebereich wurde die entsprechende Gesetzgebung, die zu einer Corona-Impfung verpflichtet, vom Parlament verabschiedet. Bereits ein Viertel der vollständig Geimpften hatte die dritte Dosis erhalten.

Ende Dezember 2021 meldete Großbritannien wieder einen sprunghaften Anstieg von Infektionen mit der Omikron-Variante. Die Zahl der Omikron-Infektionen verdoppelte sich alle zwei bis drei Tage. Erstmals wurden am 04.01.2022 mehr als 200.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden in Großbritannien verzeichnet. Dennoch wollte die Regierung zunächst keine neuen Maßnahmen einführen.
Mitte Januar schien die Omikron-Welle gebrochen. Die Inzidenz hatte sich halbiert. Die Zahl der schweren Verläufe, der Patienten auf der Intensivstation und der Toten blieb in Großbritannien relativ zu den enormen Infektionszahlen sehr niedrig. Ein entscheidender Faktor könnte die hohe Impfquote  vor allem bei den Älteren über 60 Jahren sein. 95 Prozent sind in dieser Altersgruppe zweifach geimpft, mehr als 80 Prozent geboostert. Seit Ende Februar hat Großbritannien die verpflichtende Corona-Quarantäne abgeschafft.

In Großbritannien gelten aktuell keine staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus mehr. Die Regierung empfiehlt auf einer Internetseite, sich zu impfen, in Innenräumen zu lüften und gegebenenfalls bei größeren Zusammenkünften in Innenräumen Masken zu tragen. In Krankenhäusern können Masken in bestimmten Bereichen noch vorgeschrieben werden.