Was bedeuten steine auf jüdischen grabsteinen

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Warum liegen kleine Steine auf jüdischen Gräbern?

Auf jüdischen Friedhöfen fällt auf, dass auf den Grabsteinen oft kleinere Steine liegen. Denn jeder Jude, der ein Grab besucht, hinterlässt dort einen Stein.

Das ist eine alte Tradition aus der Zeit, als alle Gräber der Israeliten in der Wüste waren. Damals wurden über den Gräbern Pyramiden aus Stein errichtet, damit keine Tiere die Toten ausbuddeln konnten. Mit der Zeit drohten diese Pyramiden jedoch in sich zusammenzufallen. Damit die Ruhe der Toten trotzdem ungestört blieb, legten Juden bei einem Besuch einen neuen Stein auf die Grabpyramide. Die Gräber bei uns liegen nicht im Wüstensand. Doch die Tradition ist überall auf der Welt geblieben: Wer ein Grab besucht, hinterlässt einen Stein.

Übrigens : Wenn jeder Jude bei jedem Besuch ein Steinchen hinterlässt, müssten eigentlich haufenweise Steine auf den Gräbern liegen, oder? Dem ist aber nicht so. Denn Juden gehen seltener auf Friedhöfe als Christen.

Text aus Ulrike Berger: "Welcher Gott gehört zu wem? Verblüffende Antworten über die großen Religionen" (Reihe: Was Kinder wissen wollen, Velber, 45 Seiten, 10,95 Euro)

Immer wieder taucht diese Frage in Mails auf und ich habe sie auch schon mehrfach beantwortet. Heute jedoch bin ich auf einen Artikel gestoßen, der das noch viel besser und ausführlicher erläutert. Ich bin dem Jüdischen historischen Verein Augsburg dankbar, daß er mir gestattet hat, den Text hier als Vollzitat wiederzugeben:

„Oft werden wir nach der Bedeutung und Herkunft der überall anzutreffenden Sitte gefragt, auf jüdischen Grabsteinen und Denkmälern Steinchen, meist Kieselsteine abzulegen. Allgemein wird dies auch von sog. Fachleuten mit einer für „Nomaden“- oder „Wüstenvölker“ angeblich typische Bestattungspraxis erklärt. Demnach legte man auf die Grabstätte Steinhaufen, um den Leichnam vor wilden aasfressenden Tieren zu schützen. Der Vorstellung nach haben Angehörige bei jedem Besuch ab und an weitere Steine dazugelegt, um diesen Schutz zu erneuern, woraus sich sodann der entsprechende Brauch entwickelt habe. Sollte es ein solches Brauchtum tatsächlich jemals gegeben haben, so hatten die (wann eigentlich?) „nomadisierenden“ Juden ihn wohl bereits vergessen, als sie in Israel sesshaft wurden, zumindest kennt auch der Talmud keine entsprechende Praxis. Sie wäre auch gänzlich unnötig, wenn man den Leichnam tief genug begräbt …

Tatsächlich geht die Praxis aber wohl doch auf die im antiken Israel übliche Bestattung zurück, die jedoch in vielen Einzelteilen von der heutigen abweicht. In aller Regel wurden Tote selten auf Äckern oder eigenen Grabfeldern bestattet, sondern in Grabhöhlen, die meist einzelnen Familien gehörten und oft auch wie im antiken Ägypten eigens für den Zweck der Bestattung künstlich geschaffen wurden und nicht selten über einen Zugang mehr oder minder tief unter die Erde, bzw. in den Felsen reichten.

Die Bestattung vollzog sich anders als heute in zwei Schritten. Zuerst wurde der Leichnam auf einer Art Steinbett zur raschen Verwesung aufgebahrt, später wurden die Knochenreste eingesammelt und gesammelt, um sie endgültig in einem kleinen, platzsparenden, meist in etwa quadratischen Steinbehälter, lat. Ossarium („Knochenhaus“) zu sammeln, welches sodann in einer Nische כוך (kùch) in einer Seitenwand der Familiengruft beigesetzt wurde. Sehr häufig wurden diese Behälter beschriftet mit dem Namen des Verstorbenen. Die Grabhöhle oder der Teilbereich einer Grabhöhle, etwa der der einer einzelnen Familie gehörte, wurde mit einem beweglichen, גולל (golèl) genannten Stein verschlossen, der seinem Namen nach meist rundlich war, aber auch in quadratischer Form belegt ist. Zur Festigung oder Sicherung dieses Golel-Steines nun benutzte man kleine Steine, den sogenannten דופק (dofèk), der nach jedem Besuch der Grabhöhle neu gelegt wurde, wörtlich etwa „der (An)Klopfer“ (vom Verb דפק dafak = (klopfen) und im heutigen Sprachgebrauch der (medizinische) Puls. Schon bei der Bestattung heißt es deshalb entsprechend דופק סתימת הגולל – der Dofèk verschließt den Golèl (Ket. 4b, Sanh. 47b, u.a.).

Als Dofèk nun durfte man nichts verwenden, was selbst gelebt hat, also nichts was von einem Tier oder einer Pflanze stammte, weshalb der Einfachheit halber der Brauch entstand, keilförmige oder andere kleine Steinchen als Abschluss zu nehmen. Im sprichwörtlichen Sinne führte dies auch zu Redensarten wie לא דופק לסוכה … ולא גולל לקבר – (wörtlich: kein golel für die Sucka [da zu groß] und kein golel fürs Grab [da zu klein]), sinngemäß etwa: weder das eine, noch das andere (nichts Halbes und nichts Ganzes, weder Fisch, noch Fleisch, etc.).

Der Brauch, einen Stein ans Grab zu legen stammt demnach aus der antiken Bestattungskultur der nahöstlichen Grabhöhlen, für deren Existenz uns schon die Thora das Beispiel der Machpela – Höhle bei Hebron gibt, die Abraham für seine Familie erwirbt. Sie ist keineswegs auf das Judentum beschränkt, so wie sich der Brauch kleine Steine auf das Grab zu legen auch in manchen katholischen Gebieten Italiens erhalten hat. Auch das Christentum überliefert z.B. im Evangelium Markus 16 den Golel.

Es ist zunächst die praktische Funktion des Dofèk, der als eine Art Riegel oder Sperre das unbeabsichtigte Wegrollen oder Verrutschen des meist runden Golèl verhindern soll, zugleich ist es aber im Wortsinn auch ein „Anklopfen“ (des Steinchens an den Grabstein) und deshalb ohne die frühere praktische Funktion als „Gruß“ an den Toten zu verstehen.“

Quelle: http://jhva.wordpress.com/2010/11/16/warum-legt-man-kleine-steine-auf-judische-grabsteine/
Mit freundlicher Genehmigung des „Jüdisch historischen Vereins in Augsburg“.


Warum liegen Steine auf Grabstein?

Beim Besuch eines Grabes – besonders zur Jahrzeit – ist es üblich, dass Angehörige einen kleinen Stein auf den Grabstein legen und damit andeuten, dass der oder die Verstorbene nicht vergessen ist.

Welche Steine auf Grab?

Zudem sollten die verwendeten Natursteine mit dem Grabstein harmonieren. Besonders beliebt sind naturfarbene Steine, wie zum Beispiel Quarz. Ebenfalls weit verbreitet sind graue Nuancen wie Granit oder Basalt. Sie wirken sehr edel.

Was liegt auf jüdischen Gräbern?

Die Besucher legen statt Blumen in der Regel kleine graue Steine auf das Grab. Mit Bezug zu seinem lebensbejahenden Charakter und der Messias-Erwartung wird der jüdische Friedhof – nach einem jiddischen Ausdruck – auch „guter Ort“ genannt.

Was bringt man auf einen jüdischen Friedhof mit?

Dieser Eindruck wird auch dadurch gefestigt, dass es auf jüdischen Friedhöfen und Gräbern keinen Blumenschmuck gibt. Auf jüdischen Friedhöfen lässt man die Gräber mit Gras und Efeu überwachsen. Als kleinen Gruß an den Verstorbenen legen Besucher jüdischer Gräber kleine Steine auf den Grabstein.