Gro�e Genre(kino)momente: "Nach dem �ber Jahre hinweg teilweise sehr schroffen Umgang der Hauptfiguren miteinander, wollte ich einen Showdown kreieren, der unmissverst�ndlich klar macht, dass sie einander hatten und liebten, ohne f�reinander bestimmt gewesen zu sein" (Regisseur Ngo The Chau). Meret Becker, Mark Waschke Die Berliner Ermittler gehen mal wieder ihre eigenen Wege. Eine Spreeleiche, die ohne Kopf und ohne verwertbare Spuren geborgen wurde, weckt den Ehrgeiz von Karow (Mark Waschke), w�hrend Rubin (Meret Becker) in geheimer Sache unterwegs ist. Julie Bolschakow (Bella Dayne), die Ehefrau eines ber�chtigten russischen Mafia-Bosses, fleht die Kommissarin um Hilfe an. Sie hat mitansehen m�ssen, wie ihr Mann Yasha (Oleg Tikhomirov) einen Widersacher auf brutalste Weise get�tet hat. Das Opfer war ein Verdeckter Ermittler, der sie �berreden wollte, gegen ihren Mann und seine kriminelle „Bratwa“ (Bruderschaft) auszusagen; dabei handelt es sich um jene Person, deren Torso aus der Spree gefischt wurde. Die Frau hat lange die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen. Jetzt will sie aus ihrem goldenen K�fig ausbrechen, umfangreich aussagen und mit neuer Identit�t in den Zeugenschutz aufgenommen werden. Die Kriminaldirektorin (Nadeshda Brennicke) stimmt zu. Voraussetzung: Rubin muss es gelingen, Karow aus der Sache rauszuhalten. Der aber kommt der Identit�t des VE immer n�her, und er f�hlt sich nicht nur �bergangen, sondern verraten, ausgerechnet von der Frau, f�r die er auch privat etwas empfindet. „Gef�hle sind was f�r h�ssliche Menschen“, sagt er mit coolem L�cheln. Wenn er sich da mal nicht t�uscht.�
F�r den letzten „Tatort“ mit Meret Becker als Kommissarin Nina Rubin hat sich der renommierte Drehbuchautor G�nter Sch�tter viel vorgenommen. „Das M�dchen, das allein nach Haus‘ geht“ dringt noch einmal tief in die Psyche dieser au�ergew�hnlichen Reihenfigur ein, erz�hlt eine auf vier Hauptfiguren reduzierte Krimihandlung, gibt dem Ganzen in der zweiten H�lfte eine Drei-gegen-alle-Thriller-Spannungsstruktur, macht Ausfl�ge ins Beziehungsdrama, ja setzt sogar auf melodramatische Momente und sucht nach einem psycho- und genrelogisch �berzeugenden Abgang f�r die Kommissarin. Ein Blick auf die ttv-Sternen-Vergabe zeigt, wie herausragend dieses Anforderungsprofil gemeistert wurde. Denn der preisgekr�nte Kameramann Ngo The Chau, der mit diesem „Tatort“ erst seinen vierten Film vorgelegt hat (sein erster Krimi!), veredelt das sehr gute Drehbuch nicht nur, sondern er verleiht diesem Film einen unverkennbaren visuellen Stil. F�r jede Situation, f�r jede Stimmung, f�r jeden Genre-Ausflug findet der 44-j�hrige Vietnamese die passenden Bilder.
Ein schmuddeliger Novembertag in Berlin. Ein Grauschleier liegt �ber der Stadt. Die Farben wie weggewaschen. Doch wenig sp�ter ist selbst die Nacht gar nicht mehr so d�ster. Farben wischen durchs Bild. Die sch�ne Julie folgt der Kommissarin, in einem Souvenir-Shop schildert sie ihr Schicksal, das wie ein M�rchen begann. Informationsvergabe im Fernsehen sieht selten so sexy aus. Die Kamera geht nah ran an die beiden Frauen und macht sie in diesen ersten Bildern, in denen Rubin verbal noch auf Distanz geht, bereits zu Verb�ndeten, ja zu Komplizinnen. Selbst die Polizeiroutine auf dem Kommissariat kann sich sehen lassen. Kleine Kamerabewegungen, Blicke, dezentes Gegenlicht, akzentuierende Montage: die Figuren werden physisch sp�rbar, nie herrscht Leerlauf, nichts wirkt zuf�llig. Geradezu f�r Wow-Momente sorgen Szenen in einem Club der einsamen Frauenherzen. Nicht nur hier bet�rt die Signalfarbe Rot f�r Licht, Lippen, Gesichter. Die Auswahl dieses Treffpunkts geht allerdings �ber die aufregende Optik hinaus, ist eine gro�artige Drehbuchidee. Diese Julie ist nicht nur eine Frau, f�r die Rubin die Verantwortung �bernimmt (ganz anders als die Beziehung zu Karow). Die Kommissarin ist fasziniert von ihr, kriegt sie nicht aus dem Kopf. Umschlungen tanzen die beiden. Dazu s�useln Rosenstolz „Liebe ist alles“. Beim zweiten Treffen ist die Sch�ne zwar kleidungstechnisch zugekn�pfter; daf�r kommen sich die beiden emotional n�her. Rubin l�sst nach langer Zeit mal wieder einen Menschen in ihr Herz blicken.
Diese melodramatische Grundierung ist die Basis f�r die kommenden, packenden Thrill-Drama-Passagen. Rubin und Karow geraten immer heftiger aneinander. Es ist die alte Sache mit dem Vertrauen. Die beiden schreien sich an. Julie kann von solchen Konflikten nur tr�umen. Ihr Mann wird zunehmend misstrauischer und sperrt sie ein. Mit Sex hofft sie, ihn bes�nftigen zu k�nnen. Ngo The Chau macht das ganze Dilemma und die Gefahr, in der die junge Frau steckt, deutlich, indem er den Sex als Machtdemonstration inszeniert und diese Szene mit dem brutalen Mord an dem Verdeckten Ermittler gegenschneidet. Zuvor bekam der Zuschauer schon eine Vorahnung von dieser grausamen T�tung mit Champagnerflasche, als Karow in dem russischen Club, dem Tatort des Mordes, zur Befragung auftaucht und in einer Kommissar-Faber-Ged�chtnis-One-Man-Show dem schweigenden russischen Personal seine Version der Tat pr�sentiert; filmisch untermauert wird dies mit noch nicht �berm��ig expliziten Retro-Gewalt-Bildern. Die Bilder sagen: Dieser so harmlos aussehende Yasha Bolschakow, Muttis Liebling, ist tats�chlich ein hochgef�hrlicher Mann. Die Festplatte aus seinem Laptop auszubauen, k�nnte f�r seine Frau zum Himmelfahrtskommando werden.
Die letzte halbe Filmstunde von diesem f�nfzehnten Rubin-Karow-„Tatort“ ist f�r deutsche Fernsehfilmverh�ltnisse das pure Adrenalin. Es beginnt mit einer Autoverfolgungsjagd bei Nacht. Und als ob der Flughafen Berlin-Brandenburg nicht schon Geschichte genug geschrieben h�tte, kommt mit diesem knallharten Polizei-Gangsterfilm noch ein bisschen Fernsehgeschichte hinzu. Zuvor aber wird mit Hilfe von Handys und Montagetechnik noch eben rasch die mafiose Unterwanderung der Hauptstadt, Korruption bei Polizei und Politikern inklusive, visuell clever und handlungsstringent ins Bild gesetzt. Dann geht es ab in die unterirdischen Labyrinthe des BER mit seinen endlosen G�ngen, R�hren und Sch�chten. „Das M�dchen, das allein nach Haus‘ geht“ – von wegen! Rennen um sein Leben ist angesagt, zur richtigen Zeit in Deckung gehen und – wenn es sein muss – auch schon mal mit einer Metallstange kraftvoll zuschlagen. Es wird scharf geschossen, und immer enger, immer gef�hrlicher werden die Fluchtwege. Solche Bilder kennt man aus dem Actionkino. Das ist perfekte Spannungsdramaturgie der physischen Art. Der Nervenkitzel aber ist ungleich h�her als bei Macho-Alleing�ngen � la „Stirb langsam“, weil die dramaturgische psychologische Vorarbeit jetzt geerntet werden kann. Und so sausen einem von Anfang an in diesem Film nicht nur Kinobilder und vertraute Genremuster durch den Kopf, nein, dieser „Tatort“ ist mehr als ein �sthetisches Spiel, der Film steckt wie Nina Rubin („ein reines Herz“) voller Gef�hle.� „Das M�dchen, das allein nach Haus‘ geht“ ist ein �berragender Film und er ist damit zugleich ein w�rdiger Abgang f�r eine der unkoventionellesten deutschen Reihenkrimi-Figuren.
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