Krieg in der ukraine was bedeutet das für deutschland

Analyse

Stand: 19.10.2022 12:30 Uhr

Finanzielle Hilfen, Waffenlieferungen, Ausbildungsmissionen - Deutschland hat die Unterstützung für die Ukraine stetig ausgebaut. Besteht dadurch die Gefahr, Kriegspartei zu werden? Völkerrechtlich nicht.

Deutschland und andere Staaten der NATO und der EU unterstützen die Ukraine im Krieg gegen Russland auf unterschiedlichen Ebenen - auch durch Waffenlieferungen und die Ausbildung ukrainischer Soldaten. In der öffentlichen Debatte wird oft behauptet, dies stelle bereits einen Eintritt Deutschlands in den Krieg dar. Aus rechtlicher Sicht ist das allerdings falsch.

Christoph Kehlbach

Unter Völkerrechtlern gibt es keine Zweifel: Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt einen klaren Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Genauer gesagt: gegen das Gewaltverbot der UN-Charta. Daraus folgt: Die Ukraine hat in der gegenwärtigen Situation das Recht zur Selbstverteidigung gegen diese Aggression.

Diese Selbstverteidigung kann, ebenfalls laut Charta der Vereinten Nationen, "individuell oder kollektiv" ausgeübt werden. Andere Länder dürfen die Ukraine also unterstützen, auch militärisch. Das schließt Waffenlieferungen und Ausbildungsmissionen ein. Sogar der Einsatz eigener Soldaten, die Seite an Seite mit Ukrainern kämpfen, wäre aus der Perspektive des Völkerrechts rechtens.

"Kriegspartei" allenfalls bei eigenen Kampfhandlungen

Diese rechtliche Bewertung legitimiert also die Unterstützung der Ukraine durch Deutschland und andere. Anders als bei Waffenlieferungen oder Ausbildungsmissionen hat Deutschland allerdings stets ausgeschlossen, eigene Soldaten in das Kampfgebiet zu entsenden.

Der Hintergrund: "Waffenlieferungen oder Ausbildung sind kein Eintritt in den bewaffneten Konflikt, machen also aus Deutschland keine Kriegspartei", sagt der Kölner Völkerrechtsprofessor Claus Kreß. "Zur Konfliktpartei wird man nur dann, wenn man eigene Soldaten in den Kampf schickt oder an fremden Kampfhandlungen unmittelbar teilnimmt oder wenn man, so wie die Ukraine selbst, angegriffen wird."

Träte Deutschland als Partei in den bewaffneten Konflikt ein, so bedeutete das im Übrigen nicht, dass das völkerrechtliche Gewaltverbot nicht mehr gelten würde. Deutschland könnte sich also gegenüber Russland trotzdem auf dieses Verbot berufen, da eine direkte militärische Unterstützung der Ukraine durch Deutschland als kollektive Selbstverteidigung völkerrechtlich erlaubt wäre.

"Militärische Ziele dürften im Fall einer deutschen Beteiligung am Konflikt zwar angegriffen werden, ohne dass dies ein Kriegsverbrechen wäre. Zugleich würde für das deutsche Staatsgebiet aber unverändert das Gewaltverbot gelten", so Kreß.

Politisch begründete Entscheidung

Sollte Russland also in einem solchen Fall etwa Raketen nach Deutschland schießen, wäre das eine neue Verletzung des Gewaltverbots, und auf einen solchen bewaffneten Angriff Russlands dürfte man dann auch mit individueller Selbstverteidigung reagieren. Ein Angriff auf Deutschlands territoriale Integrität hätte zudem zur Folge, dass dies dann auch den Bündnisfall nach NATO-Vertrag auslösen würde. Die anderen Staaten des Verteidigungsbündnisses wären dann verpflichtet, Beistand zu leisten. 

Die Bundesregierung betonte seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine immer wieder, dass Deutschland nicht als Partei in den Krieg eingreifen werde. Das hat zuletzt etwa Verteidigungsministerin Christine Lambrecht nochmal unterstrichen. Dies sei laut Völkerrechtsprofessor Kreß eine Entscheidung, "die aus völkerrechtlicher Sicht nicht geboten, sondern politisch begründet ist".

Grenzfall Sabotageakte

Ob Sabotage-Akte wie diejenigen, die mutmaßlich auf die Ostsee-Pipelines Nordstream 1 und 2 oder auch auf die Infrastruktur der Bahn verübt wurden, schon als Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbotes gelten, ist nicht ohne weiteres zu sagen. Der betreffende Abschnitt der UN-Charta lautet: "Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt."

Um dies für diese Fälle zu bejahen, müsste als erste Voraussetzung geklärt sein, dass ein "Mitglied", also ein anderer UN-Staat, dafür verantwortlich ist. Aktuell ist das noch nicht geklärt. Die Bundesanwaltschaft hat Ermittlungen dazu eingeleitet, Ergebnisse wurden noch nicht bekannt.

Lexikon

Ukraine-Krieg 2022

Ein zerstörtes Haus nach Angriffen in der Ostukraine am 26. Februar 2022.

Russland ist mit seinen Truppen in die Ukraine einmarschiert. Es ist Krieg in der Ukraine.

Die Ukraine war bis 1991 Teil der Sowjetunion (UdSSR). Seit ihrer Unabhängigkeit herrscht im Land sowie zwischen der EU, den USA und Russland Uneinigkeit, inwieweit die Ukraine sich außenpolitisch eher den westlichen Staaten oder dem Nachbarland Russland anschließen sollte.

Im Jahr 2013 verschärfte sich der Streit und es kam zu Protesten von Ukrainer/innen, die eine stärkere Annäherung an die EU wollten (Maidan-Bewegung). Die damalige Russland-freundlichen Regierung ließ die Proteste niederschlagen. Es kam zu einer Revolution und der ukrainische Präsident floh aus dem Land. Russland nutzte die Gelegenheit und übernahm die Kontrolle über die Krim-Halbinsel, wo der größte Teil der Bevölkerung russisch ist.

Im Osten der Ukraine sagten sich auch die Gebiete Luhansk und Donezk (Donbass-Region) los. Mit Gewalt versuchten Kämpferinnen und Kämpfer, die Loslösung dieser Region von der Ukraine zu erzwingen. Mit der Unterstützung des russischen Militärs kämpften sie gegen die ukrainische Armee.

Im Herbst 2021 brachte Russland Truppen in die Grenzregion zur Ukraine. Expertinnen und Experten befürchteten seitdem, dass Russland einen militärischen Angriff auf die Ukraine plante, auch weil Russland weitere Friedensgespräche ablehnte.
Im Februar 2022 hat Russland die Gebiete Luhansk und Donezk in der Ostukraine als eigenständige Staaten anerkannt. Russland wollte auf diese Weise sein Einflussgebiet in der Ukraine vergrößern.

Ukraine und Nachbarländer. Die Halbinsel Krim gehört zur Ukraine. Mit Unterstützung der russischen Bevölkerungsmehrheit auf der Krim hat Russland 2014 die Halbinsel zu einem Teil Russlands gemacht. Auch in der Donbass-Region leben viele Menschen mit russischen Wurzeln. Sogenannte Separatisten versuchen mit Gewalt, die Loslösung dieses Teils von der Ukraine zu erzwingen. Im Februar 2022 hat Russland die Gebiete Luhansk und Donezk der Donbass-Region als eigenständige Staaten anerkannt.

Am 24. Februar 2022 sind russische Truppen in die Ukraine einmarschiert. Damit hat Russland einen Krieg begonnen. Das war ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Die Ukraine versucht sich zu verteidigen und kämpft gegen die russischen Truppen.

Nach dem russischen Einmarsch haben die Vereinten Nationen, die Europäische Union und auch die deutsche Bundesregierung den Angriff Russlands auf das Nachbarland Ukraine scharf kritisiert. Viele Länder haben wirtschaftliche und finanzielle Strafen (Sanktionen) gegen Russland verhängt. Viele Staaten unterstützen die Ukraine mit Waffen und Hilfsgütern.
Die Situation im Osten Europas
Im Osten und Nordosten grenzt die Ukraine an Russland, im Norden an Belarus. Im Westen grenzt sie an Polen, die Slowakei und Ungarn, im Süden an Rumänien und Moldau. Polen, die Slowakei, Ungarn und Rumänien sind Mitglieder des militärischen Verteidigungsbündnisses NATO. In der NATO gilt der Grundsatz, dass sich die Mitgliedsstaaten gegenseitig helfen, wenn ein Land angegriffen wird. Die Ukraine ist nicht Mitglied der NATO. Die NATO plant, in den nächsten Monaten Truppen in osteuropäische NATO-Mitgliedsstaaten zu verlegen. Soldaten werden von der NATO nicht in die Ukraine geschickt.

Mehr Informationen findest du in unserem Spezial Krieg in der Ukraine 2022.

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FAQ / Häufig gestellte Fragen

(Frequently Asked Questions - das ist die englische Übersetzung von "häufig gestellte Fragen")

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Die Ukraine liegt im Osten von Europa und ist das zweitgrößte Land des ...

Russland ist das größte Land der Erde und erstreckt sich über zwei ...

Staaten verpflichten sich, bestimmte Regeln im Umgang miteinander einzuhalten. Diese Regeln sind im Völkerrecht festgelegt.

Souveränität bedeutet Unabhängigkeit. Ein souveräner Staat entscheidet ohne Einmischung von anderen Staaten über seine Angelegenheiten.

Staaten, die Krieg führen, haben friedliche Gespräche aufgegeben. Die Menschen müssen oft mit ihrem Leben dafür bezahlen.

Diplomatie ist die Kunst der Verhandlung. Besonders wichtig ist sie im Verkehr der Länder untereinander.

Eine Sanktion ist eine Maßnahme als Reaktion auf ein falsches Verhalten. Das Fehlverhalten soll bestraft oder eine Veränderung des Verhaltens erreicht werden.

Mit Wirtschaftssanktionen bestrafen Staaten einen anderen Staat, wenn dieser beispielsweise gegen das Völkerrecht oder die Menschenrechte verstößt.

Als Separatismus bezeichnet man es, wenn ein Teil der Bevölkerung sich von dem Staat, in dem er lebt, trennen und einen eigenen Staat gründen will.

Die NATO ist ein politisch-militärisches Bündnis. Mitglieder sind die USA, Kanada und 28 europäische Staaten.

Die EU ist ein Zusammenschluss von demokratischen Staaten in Europa. Sie wollen in viele Bereichen eine gemeinsame Politik machen.

Beziehungen mit anderen Staaten und internationalen Organisationen gehören zur Außenpolitik.

Wenn man sich nicht einig ist, aber auf beiden Seiten Zugeständnisse macht, erreicht man häufig einen Kompromiss.

Zur Armee gehören alle Soldatinnen und Soldaten eines Staates.

Damit sich der demokratische Staat gegen seine Feinde wehren kann, braucht man eine wehrhafte Demokratie.

Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen, sind Flüchtlinge.

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Was liefert die Ukraine nach Deutschland?

Im Jahr 2020 wurden 12,3 Millionen Tonnen Getreide im Wert von 3,0 Milliarden Euro importiert. Wichtigstes Importgut beim Getreide ist Weizen (einschließlich Mengkorn). Mit einer Importmenge von 3,9 Millionen Tonnen macht diese Getreideart mehr als ein Drittel (34,3 %) der Getreideimporte aus.

Was hat Deutschland mit der Ukraine zu tun?

Deutschland hat eine Botschaft in Kiew, ein Generalkonsulat in Dnipro und jeweils ein Honorarkonsulat in Charkiw, Lwiw und Odessa. Die Ukraine besitzt eine Botschaft in Berlin und vier Generalkonsulate in Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und München sowie ein Honorarkonsulat in Mainz.

Warum liefert Deutschland Waffen in die Ukraine?

Krieg in der Ukraine Militärische Unterstützungsleistungen für die Ukraine. Deutschland unterstützt die Ukraine mit Ausrüstungs- und Waffenlieferungen – aus Beständen der Bundeswehr und durch Lieferungen der Industrie, die aus Mitteln der Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung finanziert werden.

War die Ukraine Mal Deutsch?

Während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg stand das Land als „Reichskommissariat Ukraine“ zum größeren Teil unter deutscher Zivilverwaltung. Die Ukraine war neben den baltischen Staaten und Weißrussland einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkrieges.