Kann man sich 2 mal mit corona anstecken

Wer bereits mit dem Coronavirus infiziert war, kann sich auch ein zweites Mal anstecken – obwohl die erste Infektion einen gewissen Schutz bietet. Wie gut das Immunsystem gegen die Omikronvariante gewappnet ist, hängt auch von der Impfung ab.

Kann man sich 2 mal mit corona anstecken

Von Covid-19 genesen – und trotzdem noch einmal infiziert? Die Frage, wie groß das Risiko einer zweiten Corona-Infektion für Genesene ist, stellt sich vor allem angesichts der hoch ansteckenden Omikron-Variante, mit der sich in Deutschland derzeit so viele Menschen wie noch nie im Verlauf der gesamten Pandemie anstecken.

Doch eine pauschale Antwort, wie schnell man sich erneut anstecken kann, lässt sich nicht geben. Klar ist, dass nicht nur die Impfung, sondern auch eine Infektion mit dem Coronavirus eine gewisse Immunität erzeugen – doch wie stark und dauerhaft sie ist, hängt vom Einzelfall ab: Mit welchen Virusvarianten man sich infiziert, aber vor allem auch, ob man zusätzlich zur ersten Infektion auch geimpft ist.

Immunität gegen Corona-Infektion nimmt mit der Zeit ab

Grundsätzlich gilt: Vor einer Reinfektion mit dem Coronavirus schützen zuerst die Antikörper, die das Immunsystem des Körpers bei einer Infektion oder Impfung bildet. Studien zeigen jedoch, dass die Menge an Antikörpern, die sich noch im Körper befinden und die das Virus bei einem erneuten Kontakt bekämpfen, mit der Zeit abnehmen. Deutlich länger erhalten bleibt dagegen die sogenannte zelluläre Immunantwort (T-Zellen), die zwar nicht gegen die Ansteckung, aber gegen schwere Verläufe schützt.

Ältere Infektion schützt schlechter vor Omikron als vor Delta

Im Vergleich zu früheren Corona-Varianten ist Omikron besonders ansteckend. Das liegt unter anderem daran, dass das Virus durch seine Mutationen eine vorherige Immunität leichter umgehen kann, auch Impfdurchbrüche werden dadurch häufiger. Die Gesellschaft für Virologie weist in einer Stellungnahme darauf hin, dass Menschen, die sich vor der Omikron-Welle bereits einmal mit Corona angesteckt haben, deutlich schlechter gegen eine Omikron-Infektion geschützt sind als gegen die Delta-Variante.

Das gilt vor allem für Genesene, die ungeimpft sind: Laut einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Immunologie ist der Schutz für sie „deutlich reduziert.“ Die Antikörperantwort gegen Omikron sei niedrig, teilweise sogar „nicht mehr nachweisbar“. Eine aktuelle Studie aus Dänemark deutet darauf hin, dass vor allem Ungeimpfte sich innerhalb von 20 bis 60 Tagen nacheinander mit zwei Untervarianten des Omikronvirus anstecken können – allerdings nur in seltenen Fällen.

Genesene mit zusätzlicher Impfung besser vor Reinfektion geschützt

Für ungeimpfte Genesene wollte das Robert-Koch-Institut den Genesenenstatus, während dem diese als geschützt gelten, angesichts der Omikronwelle von sechs Monaten auf drei Monate reduzieren – auch wenn ein Berliner Gericht dies inzwischen für rechtswidrig erklärt hat. Als deutlich besser geschützt gelten Genesene, die zusätzlich vor oder nach der Infektion zweifach geimpft wurden. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass ihre Immunität mit einer dreifachen Impfung vergleichbar ist.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Flacht die Omikronwelle jetzt ab?

Laut dem Infektiologen Christoph Spinner, Pandemiebeauftragter im Klinikum rechts der Isar der TU München, weisen neue Daten jedoch auch darauf hin, „dass der Schutz durch eine alleinige Impfung (etwa ab 12-24 Wochen) insbesondere vor Infektionen relevant abnimmt, während der Schutz bei hybrid Geimpft-Genesenen deutlich länger anzuhalten scheint.“ Auch der Schutz einer Booster-Impfung vor Omikron lässt demnach nach drei bis sechs Monaten nach, während die Kombination aus Impfung und Genesung für längeren Schutz sorgen könnte.

Immunsystem reagiert von Mensch zu Mensch verschieden

Wie gut das Immunsystem eines einzelnen Menschen vor einer erneuten Infektion schützen kann, liegt an der Stärke der sogenannten Immunantwort. Wie viele Antikörper und T-Zellen ein Mensch nach einer Infektion gebildet hat, hängt laut Christine Falk, Professorin für Transplantationsimmunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, von der Virusvariante, der Virusmenge und dem Verlauf ab: „Leichte Verläufe haben oft auch eine geringere Immunantwort zur Folge.“

Auch die Immunantwort auf eine Impfung kann unterschiedlich stark ausfallen – bei älteren Menschen ist sie zum Beispiel oft schwächer. Eine Garantie, wie lange eine Corona-Infektion – egal ob mit Impfung oder nicht – vor einer erneuten Ansteckung schützt, kann es also nicht geben.

In der Omikron-Sommerwelle steigt die Zahl der Menschen, die sich erneut mit dem Coronavirus anstecken. Erhöht sich durch Reinfektionen das Risiko für Long Covid? Wie kann ich mich schützen? Antworten auf Fragen, die gerade viele umtreiben.

Kann man sich 2 mal mit corona anstecken

Seit dem Auftreten neuer Omikron-Varianten kommt es häufiger zu Reinfektionen als zuvor während der Corona-Pandemie.

Den Artikel lieber hören als lesen? Dann hier klicken:

Es ist frustrierend. Trotz der sommerlichen Temperaturen steigen die Corona-Infektionszahlen wieder. Viele stecken sich mit den neuen Omikron-Varianten an, obwohl sie geimpft sind. Manche hat es sogar schon mehrfach getroffen. Während der Delta-Welle waren wiederholte Infektionen sehr selten. Inzwischen hat sich das Risiko für Reinfektionen deutlich erhöht. Schuld daran sind die neuen Omikron-Varianten, die dem Immungedächtnis, das sich durch Impfungen oder vorherige Infektionen gebildet hat, ausweichen.

Wie geht der Körper mit mehrfachen Infektionen um? Steigt oder sinkt das Risiko für schwere Verläufe mit jeder neuen Infektion? Und wie sieht es mit Long Covid aus?

Wie schnell kann ich mich wieder anstecken?

Sars-CoV-2 verhält sich so wie seine (harmlosen) Verwandten aus der Familie der Coronaviren: Menschen können sich im Laufe ihres Lebens mehrfach mit diesen Erkältungsviren infizieren. Reinfektionen mit Sars-CoV-2 sind seit dem Sommer 2020 bekannt.

Nach Ansicht von Fachleuten ist es mindestens bis drei Monate nach überstandener Covid-19-Erkrankung sehr unwahrscheinlich, sich erneut eine Corona-Infektion einzufangen. Das gilt jedoch nur für den Fall, dass das Virus sich nicht maßgeblich verändert. Taucht eine neue Variante auf, können die Phasen zwischen zwei Infektionen durchaus kürzer ausfallen. Der momentane Rekord liegt bei 20 Tagen. Morten Rasmussen und sein Team vom Statens Serum Institut in Kopenhagen machten in ihrer Untersuchung von insgesamt 1,8 Millionen Infektionsfällen in Dänemark (November 2021 bis Februar 2022) 47 Personen aus (die meisten jung, Durchschnittsalter 15 Jahre, ungeimpft), die sich innerhalb von 20 bis 60 Tagen zuerst mit der Omikron-Subvariante BA.1 und später mit BA.2 ansteckten. Laut Zahlen aus Großbritannien liegt zurzeit das durchschnittliche Intervall zwischen Infektion und Reinfektion bei knapp einem Jahr (343 Tage), das längste bisher registrierte Intervall bei knapp zwei Jahren (650 Tage).

Kann ich mich erneut nur mit einer anderen Variante anstecken?

Nein. Ob wir uns mit einem Virus anstecken, hängt von zweierlei ab: dem Virus und unserer Immunabwehr. Wenn das Immungedächtnis löchrig ist oder nachlässt, kann man sich durchaus auch noch einmal mit der gleichen Variante anstecken. Für ein schwaches oder nachlassendes Immungedächtnis kann es verschiedene Ursachen geben. Entweder liegen der erste Kontakt zu dem Virus oder die Impfungen schon lange zurück. Denn im Gegensatz zu etwa den Masern, erzeugt eine Infektion oder Impfung mit oder gegen Coronaviren keinen lebenslangen Immunschutz. Oder, die ursprüngliche Immunantwort auf Infektion oder Impfung ist bescheiden ausgefallen, weil die Körperabwehr gehandicapt ist. Alte Menschen und Immungeschwächte reagieren auf Impfungen oder Infektionen häufig mit einer schwächeren und qualitativ schlechteren Antikörper-Antwort.

Verändert das Virus seine äußere Gestalt, fällt es den Abwehrzellen und Antikörpern auch bei einer fitten Immunabwehr viel schwerer, den Erreger zu blockieren. Weil das Virus nicht mehr so ist, wie es sich das Immungedächtnis eingeprägt hat, steigt die Wahrscheinlichkeit von Reinfektionen. Die Omikron-Variante BA.1. zum Beispiel ruft eine recht enge und schwache Immunreaktion hervor, die nicht vor einer Ansteckung mit den Varianten BA.2 oder den aktuell kursierenden BA.4/5 schützt. Das Risiko für eine erneute Ansteckung steigt also mit dem Auftreten neuer Varianten.

Fällt die Erkrankung nach einer zweiten Infektion automatisch leichter aus als nach der ersten oder besteht sogar die Gefahr eines schwereren Verlaufs?

Die zweite Infektion muss nicht leichter ausfallen als die erste, in den meisten Fällen tut sie das aber. Die Corona-Impfung oder frühere Infektionen bewahren die meisten Menschen vor schwerem Covid-19. Vor einer Infektion an sich schützen sie nicht, vor allem dann nicht, wenn seit dem Kontakt zum Virus schon einige Monate ins Land gegangen sind. Reinfektionen passierten, aber sie verliefen meistens mild, sagtRachel Presti, Infektionsmedizinerin von der Washington University School of Medicine. Die Corona-Immunität sei kein undurchdringlicher Schutzwall. Man könne sie sich eher wie einzelne Wächter vorstellen, die innerhalb der Eintrittspforten zum Körper Stellung bezogen hätten, so Presti gegenüber dem Time-Magazin. Die Wächter, verschiedene Immunzellen, die sich bei einem erneuten an den vorherigen Kontakt zum Virus erinnern, hindern das Virus daran, sich stark im Körper auszubreiten. Die Erkrankung verläuft meist leichter und kürzer als eine Erstinfektion.

Eine Studie aus Katar vom Dezember 2021 – also vor der Omikron-Welle – zeigt dies deutlich. Bei 158 von 6095 Erstinfizierten war Covid-19 schwer verlaufen, sieben Menschen starben. Dagegen erkrankten nur 4 der 1300 Personen, die sich ein zweites Mal infizierten, schwer, keiner starb. Dass die Reinfektionen meistens milder verliefen, bedeute nicht, dass sie nicht auch mit belastenden Beschwerden wie Fieber, Gliederschmerzen und Brain Fog einhergehen könnten, schreibt Knvul Sheikh in der „New York Times“.

Wie stark ein Mensch bei einer erneuten Infektion mit dem Coronavirus erkrankt, hängt vom Patienten selbst beziehungsweise seiner Immunstärke ab. Menschen, die mit einem gespendeten Organ leben und immunschwächende Medikamente einnehmen müssen, KrebspatientInnen oder solche, die an Herz oder Lunge erkrankt sind, haben ein höheres Risiko, schwer zu erkranken – selbst, wenn sie geimpft sind und/oder schon eine Corona-Infektion hinter sich haben.

Für Verunsicherung sorgte eine Studie US-amerikanischer Forschender, die am 17. Juni 2022 als Preprint online ging. Mit jeder Corona-Infektion steige das Risiko für gesundheitliche Folgen, wie Erkrankungen an Lunge, Herz, Nieren und neurologischen Folgeschäden, so die Untersuchung mit über 250.000 Infizierten, darunter knapp 39.000 mit zwei oder mehr Infektionen. Das gelte sowohl für Ungeimpfte wie Geimpfte.

„Sich noch einmal anzustecken, ist schlimmer, als sich nicht noch einmal anzustecken.“

Christina Pagel, University College London

Die sich schließlich vor allem in den sozialen Netzwerken verbreitete Nachricht, mit jeder zusätzlichen Infektion steige die Gefahr für Gesundheitsschäden exponentiell, lässt sich durch die Methoden, die die Studie nutzt, jedoch nicht belegen. Die Studie vergleiche Menschen mit einer Reinfektion mit Menschen ohne Reinfektion. Klar, dass es denjenigen mit einem erneuten Infekt erst einmal schlechter gehe als ohne, schreibt Roby Bhattacharyya, Immunologe an der Harvard Medical School, auf Twitter. Die Studie vergleiche nicht die Krankheitsschwere der erneuten mit der ersten Infektion. Hier gebe es zahlreich Hinweise aus anderen Untersuchungen, dass sie weniger schwer verlaufe.

Die einzig mögliche Schlussfolgerung aus der Studie sei: Sich noch einmal anzustecken, ist schlimmer, als sich nicht noch einmal anzustecken, schreibt die Mathematikerin Christina Pagel, Professorin für Operational Research am University College in London ebenfalls auf Twitter.

Das Problem seien weniger die nackten Daten, sondern deren Interpretation. Natürlich ist es wichtig Infektionen zu vermeiden, weil sich jede auch negativ auf den allgemeinen Gesundheitszustand auswirken kann. Das gilt für jede Infektion durch jeden Erreger. Problematisch werde es, wenn Menschen diese Studiendaten interpretierten, als seine sie der Hinweis auf die kommende Apokalypse, kritisiert Roby Bhattcharyya.

Die Studienlage zum Thema „Reinfektionen“ wird immer länger, komplizierter und auch unübersichtlicher. Die Aussagekraft hängt zum Beispiel davon ab, wo und in welchem Zeitraum die Studie lief und wie alt beziehungsweise wie gesund die TeilnehmerInnen waren. Die Schlussfolgerungen aus diesen Untersuchungen sind oft leider missverständlich. Vor allem in den sozialen Netzwerken tauchen dann Meldungen auf, die die Wirksamkeit von Impfungen oder die Leistung des menschlichen Immunsystems insgesamt in Frage stellen. „In Schottland sind nun im Sommer im Jahr 3 der Pandemie zurzeit so viele Menschen mit Covid krank wie nie zuvor. Trotz Impfung und kürzlich BA.1/2-Durchseuchung. Keine Saisonalität, keine Immunität. Keine Endemie. Nur der ewige Reinfektions-Loop, der niemand gesünder macht“, so der düstere Blick des Schweizer Datenjournalisten Marc Brupbacher auf Twitter. Brupbacher übersieht, dass jede Impfung, jede durchgemachte Infektion in der Bevölkerung dazu beiträgt, die Menschen widerstandsfähiger auch gegen das Coronavirus zu machen. Auch dieses Virus, das kein Ungeheuer ist, trägt unveränderliche molekulare Bausteine, gegen das die Immunabwehr nach und nach einen dauerhaften Schutz aufbaut.

Steigt durch wiederkehrende Infektionen das Risiko für Long Covid?

Manche ExpertInnen meinen, jede Infektion mit dem Coronavirus berge ein gleich hohes Risiko, an Long Covid zu erkranken. Wie beim Russisch Roulette träfe es den einen nach seiner ersten, die andere nach ihrer dritten Infektion oder es träfe beide eben nicht. Andere Fachleute meinen, das Long-Covid-Risiko sei für Ungeimpfte im Verlauf der ersten Infektion am größten. Weil die Immunabwehr auf diesen Erstkontakt noch nicht gut vorbereitet ist, kann sich das Virus im ungünstigen Fall stark vermehren. Nun ist aber einer der Risikofaktoren für Long Covid eine hohe Virusmenge, die den Körper in der Frühphase einer Infektion belastet. Diese ist bei Menschen, die eine Infektion hinter sich haben und/oder geimpft sind, niedriger, weil ja bereits Abwehrzellen und Antikörper bereitstehen, um das Virus rasch an seiner Ausbreitung zu hindern.

Bisher weiß man noch nicht, warum sich die Symptome einer akuten Corona-Infektion bei etwa jedem fünften Betroffenen zu chronischen Beschwerden oder Long Covid ausdehnen. Mindestens genauso unverstanden ist die Frage nach Organ- oder Langzeitschäden durch wiederholte Infektionen. Man habe aktuell einfach noch keine Daten, um diese Frage zu beantworten, sagtJuliet Pulliam vom South African Center for Epidemiological Modeling. Es fühle sich zwar an, als ob die Pandemie schon Hunderte von Jahren andauere. Dabei ist erst eine äußerst kurze Zeit vergangen. Antworten auf die Fragen zu Reinfektionen, werden noch eine Weile auf sich warten lassen, meint auch der dänische Virologe Morten Rasmussen.

Wie kann ich mich vor einer Reinfektion schützen?

Wer in Innenräumen Maske trägt, Abstand hält, lüftet und sich gründlich die Hände wäscht, senkt sein persönliches Ansteckungsrisiko stark. Alte Menschen und solche mit einem geschwächten Immunsystem sollten sich ein viertes Mal impfen lassen. Leider hat das Virus den Impfstoff, der an Omikron BA.1 angepasst ist, inzwischen überholt. Er schützt offenbar nicht ausreichend vor den aktuell kursierenden neuen Varianten BA.4 und BA.5. Der Mediziner Eric Topol und die Immunologin Akiko Iwasaki fordern, man müsse sich auf die Entwicklung eines universellen Nasenimpfstoffes konzentrieren, der im Idealfall vor aktuellen und zukünftigen Corona-Varianten schützt. Topol versteht nicht, warum bisher so wenig in diese Richtung gearbeitet worden sei. Ein Grund dafür könnte sein, dass viele in der Illusion lebten, die Pandemie läge schon hinter uns. Blicken wir auf die aktuelle Sommerwelle, wird schnell klar, dass dies nicht der Fall ist.

Die Recherchen zu diesem Beitrag wurden über die Riff freie Medien gGmbH aus Mitteln der Klaus Tschira Stiftung gefördert.