Warum die Sanktionen gegenüber Russland nur eingeschränkt wirken und auf längere Sicht sogar die dortigen Demokratiebewegungen unterminieren, erläutert Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin/Head of Research & Advisory bei der Helaba.Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin/Head of Research & Advisory, Helaba © Landesbank Hessen-Thüringen Seit dem 24. Februar beherrscht der Ukraine-Krieg die Schlagzeilen – aber auch unseren Alltag. Die Finanzmärkte sind nervös, die vorher schon hohen Inflationsraten scheinen nur noch eine Richtung zu kennen und steigende Öl- und Gaspreise führen zu sozialen Spannungen. Deutschland bewegt sich am Rande einer Rezession. Die Angst vor einem schweren konjunkturellen Einbruch und Frieren im Winter geht bei Sommertemperaturen von über 30 Grad in Deutschland um, beschreibt Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin/Head of Research & Advisory bei der Helaba, die aktuelle Lage. Russland ist zu groß, um es zu isolieren Einerseits war Russland gut auf den Krieg vorbereitet, andererseits ist das größte Land in der Welt viel weniger isoliert als die westlichen Länder vermutet bzw. gehofft hatten. Zwar haben seit Kriegsbeginn bis Ende Mai über 1.000 westliche Unternehmen ihre Geschäftsaktivitäten in Russland reduziert, ausgesetzt oder beendet. "Diejenigen, die ihre Zelte in Russland ganz abgebrochen haben, waren vermutlich froh, wenn sie überhaupt noch etwas für ihre Liegenschaften bekommen haben. Wer hier profitiert hat, ist leicht zu erraten", erklärt Traud. Sanktionen stärken Pro-Putin-Stimmung Wie kann das sein? In der westlichen Welt herrschte ziemlich schnell Einigkeit darüber, dass umfassende Sanktionen ein wirksames Mittel seien, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Die Verknappung von Importgütern hat das Land – zumindest bislang – aber noch nicht so stark destabilisiert, wie vormals erwartet. Vielmehr ist laut Traud festzustellen, dass sich die Pro-Putin-Stimmung verstärkt und nicht auszuschließen ist, dass die inländischen Anbieter von Ersatzprodukten profitieren, insbesondere, wenn diese regimetreu sind. China und Indien schauen nur auf ihren eigenen Nutzen Indien hat seine Ölimporte aus Russland zuletzt deutlich ausgeweitet. Die Angst vor weiteren Sanktionen bzw. Vergeltungsmaßnahmen Russlands hat die Energiepreise – auch bei uns – in die Höhe getrieben und die Energieeinnahmen Russlands sind nunmehr höher als zuvor. Entwicklungsländer vielfach prorussisch eingestellt Fachkräfte - und damit die westlich orientierten Bürger - verlassen Russland Der Westen hat die Verletzlichkeit Russlands über- und die Bedeutung seiner Rohstoffe für die Welt unterschätzt. Es sei Traud zufolge an der Zeit, zu erkennen, dass der Krieg in der Ukraine nicht mit Sanktionen gewonnen werden kann. "Darüber hinaus schaden diese uns und großen Teilen der Welt mehr als dem Land, gegen das sie eigentlich gerichtet sind", betont Traud abschließend. (aa) |