Warum muss sich deutschland nicht für den esc qualifizieren

Warum muss sich deutschland nicht für den esc qualifizieren

Warum muss sich deutschland nicht für den esc qualifizieren
Bild: EBU / CORINNE CUMMING

Nach dem erneuten schlechten Abschneiden Deutschlands beim Eurovision Song Contest 2022 in Turin sind viele Zuschauer/innen verunsichert. Sie fanden den letzten Platz für Malik Harris‘ „Rockstars“ unverdient und mehrere andere Lieder „definitiv viel schlechter“. Eine andere Person, die regelmäßig den ESC schaut, ansonsten aber nicht so sehr mit den Besonderheiten des Wettbewerbs vertraut ist, schrieb mir: „Letztes Jahr war es leider ähnlich. Irgendwie ärgert mich das. Als ob alle die Deutschen hassen…“

War der deutsche Beitrag also wirklich so schlecht? Um es kurz zu machen: Nein, das war er nicht. Aber es gab zu viele Lieder unter den 24 anderen Finalisten, die einfach besser waren. Und die Zuschauer/innen rufen nicht für alle Beiträge an, die sie nicht schlecht finden, sondern nur für ein, zwei oder drei, die ihnen richtig gut gefallen. Gleichzeitig können pro Land und Abstimmungsgruppe nur zehn Lieder Punkte bekommen; die anderen 13 gehen leer aus. Malik Harris war fast immer unter den Letzteren.

Die Gründe für die wenigen Punkte für Malik Harris‘ Lied sind vielfältig. Er selbst trägt daran die geringste Schuld.

Zum einen liegt es am besonderen Status Deutschlands beim ESC. Als sogenanntes Big-5-Land ist Deutschland – wie Frankreich, Großbritannien Italien und Spanien – immer für das Finale des ESC gesetzt. Die anderen 20 Final-Beiträge müssen sich in einem der beiden vorgelagerten Halbfinale qualifizieren. Dort sind in diesem Jahr im ersten Semi sieben und im zweiten Semi acht Songs, zusammen also bereits 15 Beiträge ausgeschieden. Insofern traf Malik am Samstag auf 20 Songs, die bereits gezeigt haben, dass sie besser sind als viele andere.

Malik Harris – Rockstars (ESC 2022)

Außerdem schicken die 40 teilnehmenden Länder nicht irgendwelche Lieder zum ESC. In vielen Ländern gibt es seit Jahren umfangreiche Vorentscheidungen. In Schweden setzte sich Cornelia Jakobs im Melodifestivalen gegen 27 andere Beiträge durch. Die Spanierin Chanel ließ im Benidorm Fest zwölf andere Songs hinter sich, der Este Stefan beim Eesti Laul gleich 39. Diese Beiträge haben in unterschiedlichen nationalen Auswahlverfahren bewiesen, dass sie stark sind.

In Deutschland gab es in diesem Jahr auch wieder eine Vorentscheidung. Dort traten aber zum einen nur sechs Songs an. Zum anderen waren diese aber nicht nach den Anforderungen des ESC ausgewählt worden, sondern von Radiomacher/innen nicht zuletzt nach dem Gesichtspunkt der Radiotauglichkeit. Die Lieder sollten problemlos in die Sendeformate der Stationen passen, damit sie sie spielen könnten, ohne ihre Hörer/innen zu verschrecken. Da kann das Auswahlverfahren in der TV-Show dann noch so gut sein, wie es will: wenn kein passender ESC-Song zur Auswahl steht, kann auch kein passender Song zum ESC geschickt werden. Hier liegt das Hauptproblem.

„Rockstars“ von Malik Harris ist ein Song, der viele Qualitäten hat. Mit viel Unterstützung der Radiosender ist er in Deutschland zum Hit geworden und begeistert mittlerweile auch viele Menschen. Es ist aber kein Song, der beim ersten Hören zündet, sondern er ist eher ein sogenannter „Grower“. Man muss ihn ein paar Mal hören, um ihn zu mögen. Diese Zeit gibt es beim ESC nicht. Es gab für Malik nur einen Auftritt im Finale. Das reichte einfach nicht, um die Menschen von dem Song zu überzeugen.

Andere Beiträge schaffen das aber – das haben zum Beispiel Moldau, Serbien oder auch Großbritannien in diesem Jahr gezeigt. Diese Lieder haben etwas, das der ESC-Experte Thomas Mohr am Sonntag ganz richtig mit „Exzellenz in ihrem Genre“ bezeichnete. Denn es reicht nicht, einen guten Popsong zum ESC zu schicken, er muss exzellent sein. Großbritannien hatte so einen exzellenten Popsong, Moldau einen exzellenten Turbo-Folk-Song und Serbien einen exzellenten Art-Song. 2018 hatte Michael Schulte mit „You Let Me Walk Walk Alone“ übrigens eine exzellente Pop-Ballade im Rennen. Das Ergebnis: der vierte Platz für Deutschland.

Michael Schulte – You Let Me Walk Alone (ESC 2018) 

Exzellent ist „Rockstars“ einfach nicht. Deshalb ist er nicht schlecht, aber eben auch nicht gut genug gewesen, um mehr Punkte in Turin zu holen. Die Aufgabe Deutschlands und des federführenden NDR ist es, für den ESC 2023 einen exzellenten Song in seinem Genre zu finden. Einen, der sofort zündet. Dabei muss er gar nicht alle gleichermaßen begeistern. Es reicht schon, wenn 10% der Zuschauerinnen oder der Jurys den Titel so gut finden, dass sie für ihn abstimmen. Dann klappt es auch wieder mit mehr Punkten für Deutschland.

Wir haben am Sonntag im ESC kompakt LIVE über das Abschneiden von Malik Harris in Turin gesprochen und die Gründe diskutiert. 


Warum ist Deutschland immer beim ESC so schlecht ab?

Erstens: Deutschland muss nicht durchs Halbfinale Deswegen ist der deutsche Teilnehmer automatisch für das Finale gesetzt, muss sich nicht zuvor bereits im Halbfinale bewähren. Das verleitet seit Jahr und Tag beim verantwortlichen NDR zur Schluffigkeit bei der Vorauswahl.

Welche Länder müssen sich für den ESC nicht qualifizieren?

Um beim ESC teilnehmen zu können, muss das Land als erstes von der UNO als eigenständiger Staat anerkannt sein. Darum gibt es zum Beispiel keinen schottischen Teilnehmer. Ist das Land in der UNO und als eigenständiger Staat anerkannt, muss es eine Rundfunkstation haben, welche Mitglied der EBU ist.

Warum zahlt Deutschland für den ESC?

Die ESC-Übertragung finanziert sich neben dem gemeinschaftlich aufgebrachten ARD-Anteil, aus einem Sockelbetrag, den die Europäische Rundfunkunion (EBU) übernimmt, sowie aus Kartenverkäufen, Lizenzeinnahmen und Off-Air-Sponsoringerlösen.

Warum sind nicht europäische Länder beim ESC?

So ist es zu erklären, dass auch Länder außerhalb Europas wie zum Beispiel Marokko oder Aserbaidschan am Wettbewerb teilgenommen haben, wegen einer Ausnahmeregelung seit 2015 auch Australien. Der erste ESC fand 1956 im schweizerischen Lugano statt. Nur sieben Länder nahmen an ihm teil.