Warum ist das Passagierschiff Andrea Doria gesunken?

Piero Calamai, Kapitän des Luxusdampfers "Andrea Doria", hatte bereits vor acht Tagen Genua verlassen. Am nächsten Morgen sollte er mit dem damals größten und schnellsten Schiff der italienischen Flotte im Hafen von New York einlaufen. Da immer mehr Reisende auf das Flugzeug umstiegen, lockte die Andrea Doria mit einem nie da gewesenen Luxus: Drei Swimming Pools, einen für jede Klasse, prunkvolle Waschräume, die an die Bäder im kaiserlichen Rom erinnern sollten, ein Wintergarten, ein Ballsaal, 31 Gesellschaftsräume und morgens zum opulenten Frühstück druckfrisch die bordeigene Zeitung - den 1134 Passagieren sollte es während der Überfahrt an nichts fehlen.

Es herrschte dichter Nebel, als Kapitän Calamai am 25. Juli 1956 gegen 23.00 Uhr auf dem Radar rechts voraus ein zweites Schiff ausmachte. Um den Sicherheitsabstand zu vergrößern, hatte er seinen Steuermann angewiesen, nach links auszuweichen. Ein Hörspiel des Rias-Berlin von 1961 dokumentiert die letzte Fahrt der "Andrea Doria".

Offizier: "Kapitän, der Andere liegt auch jetzt noch auf Parallelkurs mit uns. Das dürfte doch nicht sein nach unserem Abdrehen!"
Kapitän Calamai: "Abstand?"
Offizier: "Zwei Meilen und wird kleiner … Warum hören wir sein Nebelhorn nicht?"
Kapitän Calamai : "Aber er wird uns doch hören …"
Offizier: "Kapitän, da, steuerbord voraus! Das Schiff dreht, Kapitän, es dreht auf uns zu."
Kapitän Calamai: "Ist der wahnsinnig geworden? Ruder hart backbord! Ruder hart backbord!"

Kollision mit verheerenden Folgen

Kapitän Calamai konnte die Kollision mit dem schwedischen Passagierschiff "Stockholm" nicht mehr verhindern. Der verstärkte Eisbrecherbug des kleineren schwedischen Passagierschiffes, das von New York kam und nach Göteborg wollte, rammte sich über zehn Meter tief in die Steuerbordseite des als unsinkbar geltenden Luxusliners. Der ganze Schiffsleib war von oben bis unten aufgerissen. Rasend schnell füllte sich die "Andrea Doria" mit über 500 Tonnen Meerwasser. Da die Treibstofftanks auf der gegenüberliegenden Seite am Ende der Reise fast leer waren und so kein Gegengewicht bildeten, neigte sich der Ozeanriese unkorrigierbar auf die Seite. Nur ein kleiner Teil der Rettungsboote konnte noch zu Wasser gelassen werden. Kapitän Calamai funkte SOS und bat um weitere Rettungsboote zur Evakuierung.

Bei der Kollision waren 46 Passagiere der "Andrea Doria" und fünf Besatzungsmitglieder der "Stockholm" umgekommen. Alle anderen Fahrgäste der havarierten Italienerin wurden gerettet. Auf der noch fahrtüchtigen "Stockholm", die selbst über 500 Schiffbrüchige an Bord nahm, hatten sich vor allem Crew-Mitglieder der "Andrea Doria" zuerst in Sicherheit gebracht.

Am Morgen des 26. Juli 1956 versank der Stolz Italiens, bei schönstem Sonnenschein 60 Seemeilen vor New York. In zahlreichen Anhörungen versuchten Anwälte, die Gründe der Katastrophe zu klären. Beide Schiffe waren zu schnell gefahren, beide Seiten hatten ihre Radarbilder falsch interpretiert. Die "Stockholm" hatte ihre Kursänderung nicht mit Schallsignalen angezeigt. Kapitän Calamai war nach links ausgewichen und hatte nicht versucht, wie auf See üblich, die entgegenkommende "Stockholm" rechts zu passieren.

Ungeklärte Schuldfrage bis heute

Überraschenderweise einigten sich die Gegner außergerichtlich, da beide Reedereien bei Lloyds in London versichert waren. Die Schuldfrage wurde nie geklärt.

"Ich bedauere, die Katastrophe überlebt zu haben. Ich bin 39 Jahre zur See gefahren und habe die See geliebt. Jetzt hasse ich sie."

Piero Calamai starb als gebrochener Mann, nachdem er von seinem Reeder fallengelassen worden war. Die Versicherung bezahlte für den Totalverlust der Andrea Doria. Die "Stockholm" wurde repariert, fuhr jahrelang als einziges Kreuzfahrtschiff der DDR unter dem Namen "Völkerfreundschaft" und ist bis heute als "Astoria" im Mittelmeer und Nordeuropa unterwegs. Das Wrack der Andrea Doria ist zum El Dorado für Schatzsucher auf dem Meeresgrund geworden.

STUTTGART Der Rentner arbeitet als Lektor auf Luxuslinern. Vor 50 Jahren fuhr er als Passagier auf dem Unglücksdampfer.

von Edgar Neumann STUTTGART - „Wir feierten Abschied, als es kurz vor Mitternacht furchtbar krachte und das ganze Schiff bebte. Tausende schöne italienische Gläser zersplitterten, und der gute Rotwein fiel zu Boden.“ Auch 50 Jahre, nachdem der Luxusdampfer „Andrea Doria“ vor der amerikanischen Ostküste sank, hat die Erzählung von Klaus Dorneich nichts an Kraft verloren.

Das 214 Meter lange Flaggschiff der italienischen Kreuzfahrtflotte läuft in der Nacht zum 26. Juli 1956 mit etwa 1700 Menschen an Bord den Hafen New Yorks an, als es plötzlich wie von der Faust eines Riesen erschüttert wird: Im Nebel rammt das schwedische Passagierschiff „Stockholm“ die „Andrea Doria“.

Wie viele Menschen bei der Kollision sterben, darüber gibt es bis heute widersprüchliche Angaben. Einige Quellen sprechen von insgesamt 46 Toten, andere von 46 auf der „Andrea Doria“ und fünf auf der „Stockholm“, wieder andere von 51 Toten auf der „Andrea Doria“ und fünf auf der „Stockholm“.

Zwar sind beide Luxusliner mit modernstem Radar ausgerüstet, aber angeblich weicht der Kapitän der „Stockholm“ in die falsche Richtung aus. Das zumindest legen spätere Ermittlungen nahe. „Als sie merkten, dass sie auf Kollisionskurs waren, reagierten die Rudergänger auf beiden Schiffen panisch“, erzählt der 76-jährige Dorneich. Ganz geklärt worden sei die Ursache für den Zusammenstoß nie. Jahre später einigten sich beide Schifffahrtsgesellschaften auf einen Vergleich und teilten die Entschädigung der Opfer unter sich auf.

Glückliche Umstände tragen dazu bei, dass es nicht zu einer ähnlichen Katastrophe kommt wie bei der „Titanic“, die am 14. April 1912 nach dem Zusammenprall mit einem Eisberg binnen drei Stunden gesunken war. Damals ertranken 1503 Menschen.

Die „Andrea Doria“ wird nur etwa 200 Seemeilen (370,4 Kilometer) vor der Küste gerammt. So sind in kürzester Zeit andere Schiffe in der Nähe, die die Passagiere aufnehmen. Selbst die schwer angeschlagene „Stockholm“ bietet 500 Menschen Zuflucht. Den größten Teil der Schiffbrüchigen aber holt ein französisches Passagierschiff an Bord.

„Als im Nebel die beleuchtete Schrift ,Ile de France’ aufschien, war dies wie ein gutes Zeichen für uns“, berichtet Dorneich. Zwar bekommt die „Andrea Doria“ nach der Kollision rasch Schlagseite, aber im Unterschied zur „Titanic“ vergehen fast elf Stunden, bevor sie in den Fluten versinkt.

„Es ist aber niemand ertrunken. Die Toten waren alle in der ersten Klasse zu beklagen, deren Kabinen sich an der Stelle befanden, wo sich der Bug der ,Stockholm’ in die ,Andrea Doria’ bohrte“, erinnert sich Dorneich.

Der damals 26 Jahre alte frisch gebackene Volkswirt Dorneich ist auf dem Weg nach Mexiko, um seine erste Stelle beim Autobauer Daimler-Benz anzutreten, der in dem mittelamerikanischen Land eine Produktionsstätte aufbaute. „Ich wollte damals unbedingt auf dem berühmten italienischen Dampfer fahren. Außerdem waren zu jener Zeit Schiffsreisen noch erheblich billiger als Flüge.“ Als einer der Letzten verlässt Dorneich am Morgen des 26. Juli die sinkende „Andrea Doria“.

Drei Tage später – die „Stockholm“ erreicht aus eigener Kraft den Hafen – findet sich der einzige deutsche Fahrgast des italienischen Liniendampfers mit nur fünf Dollar in der Tasche in New York wieder. „Aber das amerikanische Rote Kreuz war perfekt auf eine solche Katastrophe vorbereitet. Wir bekamen Gutscheine, mit denen wir uns in den großen Kaufhäusern einkleiden konnten.“

Ein Trauma hat der Untergang bei ihm nicht hinterlassen – im Gegenteil: Insgesamt 72 Mal hat der in Stuttgart lebende gebürtige Freiburger inzwischen den Nordatlantik überquert. Als Rentner lässt er sich immer wieder als „Reiselektor“ für exquisite Kreuzfahrten anheuern, um dem Publikum Wissenswertes über Route, Land und Leute nahe zu bringen.

Der nach einem genuesischen Admiral benannte Luxusliner liegt noch heute in 70 Meter Tiefe. Ein musikalisches Denkmal setzte Udo Lindenberg dem Schiff mit seinem Song „Alles klar auf der Andrea Doria“. So soll einer der letzten Funksprüche vom Schiff gelautet haben.

Für Klaus Dorneich ist dessen Geschichte noch lange nicht zu Ende. „Ich habe ein Drehbuch geschrieben und mir die Rechte von einem Anwalt schützen lassen“, berichtet der Weltreisende. Denn im Unterschied zum Untergang der „Titanic“ wurde das Unglück der „Andrea Doria“ bisher noch nie verfilmt.

Das will Dorneich ändern. Im Mittelpunkt der Handlung stehen fünf junge Austauschstudenten auf dem Weg in die USA, die der Deutsche an Bord kennen gelernt hatte. Nun hofft er, sein Vorhaben voranbringen zu können, wenn sich Ende Juli in New York die Überlebenden zum Gedenken an die Katastrophe vor 50 Jahren treffen.

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NWZ/POLITIK/KORRESPONDENT1

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Wo liegt das Wrack der Andrea Doria?

Nicht mehr alles klar auf der Andrea Doria In den Gewässern von der Atlantikinsel Nantucket, nordöstlich von New York City, liegt das riskant zu betauchende Wrack.

Woher kommt der Spruch Alles klar auf der Andrea Doria?

Udo Lindenberg machte die angesichts des Schicksals des Schiffes makaber klingenden Worte mit seinem gleichnamigen Lied berühmt. Über Geschmack läßt sich streiten, doch hat er damit der „Andrea Doria“ ein Denkmal gesetzt, das auch nach 1956 geborene Deutsche mit dem Namen etwas anfangen läßt.

Welches Schiff wurde vom Passagierschiff Stockholm kollidiert?

Die „Andrea Doria“ galt als sicherster Luxusliner ihrer Zeit. Bis sie am 25. Juli 1956 vor der US-Küste mit der „Stockholmkollidierte und sank. Über die Ursachen wird bis heute gestritten. Die „Andrea Doria“ war das größte und schnellste Schiff der italienischen Flotte.

Wie tief liegt die Andrea Doria?

Nicht zu Unrecht genießt das Wrack der „Andrea Doria“ in Tauchkreisen den Ruf des „Mount Everest des Tauchens“: Sie ist ein Wrack von über 200 Metern Länge in 70 Metern Tiefe.