Wann kommt der Geschmackssinn nach einer Erkältung wieder?

Wer an einer gewöhnlichen Erkältung mit Schnupfen leidet, kennt das Problem: Selbst das heißgeliebte Leibgericht schmeckt nicht mehr so recht. Forscher des Instituts für Virologie der Universität Bonn haben das gleiche Phänomen Mitte März schon bei Corona-Patienten im besonders von Covid-19 betroffenen Kreis Heinsberg (Nordrhein-Westfalen) festgestellt, jetzt hat eine belgische Studie das gleiche Symptom beschrieben.

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Patienten mit moderatem Krankheitsverlauf

Die befragten Patienten in Heinsberg, die generell nur sehr milde bis moderate Covid-19-Symptome zeigten, klagten über teilweisen oder völligen Geruchs- und Geschmacksverlust.

„Bei unserem ersten Patienten, den wir getroffen haben, haben wir das gar nicht so ernst genommen, dass ihm das Essen nicht mehr schmeckt. Aber beim zweiten kam dann die gleiche Aussage.“ Prof. Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Bonn

Wir schmecken mit der Nase

Damit uns Speisen schmecken, arbeiten üblicherweise Geruchs- und Geschmackssinn gleichermaßen zusammen. Sie ermöglichen uns den Genuss des Essens, warnen aber auch vor Ungenießbarem. Wenn wir Nahrung aufnehmen, steigen Duftmoleküle aus dem Mund in die Nase. Riechzellen nehmen diese auf und leiten sie an das Gehirn weiter. Tatsächlich schmecken wir also die meisten Aromastoffe im Essen nicht, sondern wir riechen sie. Ist die Nase verstopft, fällt dieser Aromatransport aufgrund der geschwollenen Schleimhäute in der Nase aus – das Essen erscheint fade.

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Geschmacks- und Geruchsverlust ohne Schnupfen

Im Zusammenhang mit den Corona-Patienten in Heinsberg stellten die Forscher fest, dass die Erkrankten zeitweise Geruchs- und Geschmackssinn verloren hatten. Und das, obwohl sie weder an Fließschnupfen noch an einer verstopften Nase litten.

„Ein Patient klagte, dass er das Shampoo unter der Dusche nicht mehr gerochen hat. Eine Mutter konnte die vollen Windeln vom Neugeborenen nicht mehr wahrnehmen. Und eine Krankenschwester hat sogar selber mit Essigessenz ihre Geruchsfähigkeit getestet, als sie uns das erzählt hat.“ Prof. Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Bonn

Ursache der neuen Symptomatik unklar

Warum die Covid-19-Patienten ihren Geruchs- und Geschmackssinn verlieren, ist noch unklar. Immerhin konnten die Bonner Virologen diese Krankheitsmerkmale bei 70 Prozent der befragten Patienten in Heinsberg feststellen. In Heinsberg erfolgte der Verlust der Sinneswahrnehmung nur über einen kurzen Zeitraum, nämlich über zwei bis drei Tage.

„Das kommt schleichend hoch und verschwindet dann auch wieder schleichend. Aber es war doch eine merkliche Symptomatik während der Coronavirus-Infektion.“ Prof. Hendrik Streeck, Leiter des Instituts für Virologie, Universitätsklinikum Bonn

Studie in Belgien kommt zu fast gleichem Ergebnis

Eine Studie an der belgischen Universität Mons bestätigt inzwischen die kleine Studie aus Heinsberg: Auch dort verlor ein Großteil der untersuchten Corona-Patienten, die allesamt nur leicht erkrankt waren, tagelang den Geruchssinn und Geschmackssinn, teilweise auch vollständig.

Typisch Corona?

Von 417 Personen, die ebenfalls wie in Heinsberg alle einen leichten Krankheitsverlauf von Covid-19 hatten, konnten 86 Prozent wenig oder gar nichts mehr riechen, 88 Prozent schmeckten nichts mehr. Das Ergebnis sei so eindeutig, dass man den teilweisen oder vollständigen Verlust des Geruchssinns als spezifisches Symptom einer Corona-Infektion werten müsse, so die Studienkoordinatoren Jérôme Lechien und Sven Saussez. Personen mit dem Symptom sollten ebenso isoliert werden wie andere an Covid-19 erkrankte Menschen.

Im Unterschied zur Studie aus Heinsberg dauerte der Verlust des Geruchssinns in Belgien offenbar länger. Knapp die Hälfte der Betroffenen habe innerhalb von zwei Wochen wieder riechen können, die Beeinträchtigung könne aber auch länger dauern.

09.10.2012

Bei einigen Menschen ist der Geschmackssinn nicht nur im Zuge einer Erkältung gestört, sondern dauerhaft. Die Ursachen sind sehr verschieden und nicht immer leicht zu ermitteln...

Wann kommt der Geschmackssinn nach einer Erkältung wieder?

Bildquelle: ©Benicce / Fotolia.com

Ein fetter Schnupfen lässt die Nase schwellen, man riecht nichts, das ganze Essen schmeckt fade. "Ob etwas süß oder salzig ist, wird noch wahrgenommen, aber ob das nun Pfirsich- oder Erdbeermarmelade auf dem Brot ist, können Betroffene kaum mehr unterscheiden", sagt Prof. Thomas Hummel von der Universität Dresden, Experte für Riech- und Schmeckstörungen. "Wir brauchen für die Wahrnehmung von feinen Aromen den Riechsinn." Doch während sich der Geschmack nach dem Abklingen der Erkältung bei den meisten wieder einstellt, müssen manche Menschen ohne diesen Sinneseindruck leben. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Die Behandlung ist schwierig.

Isolierte Schmeckstörungen sind eher selten. In den allermeisten Fällen hätten Menschen, die sagen "Mir schmeckt etwas nicht mehr" Probleme mit dem Riechsystem. Riechstörungen kämen laut Schätzungen bei etwa 5% der Gesamtbevölkerung vor. Beim Riechen und Schmecken docken chemische Moleküle an Millionen von Sinneszellen in Nase, Mund- und Rachenraum an. Diese Zellen leiten die Eindrücke über die Hirnnerven an das Gehirn weiter. "Während der Riechsinn über einen Hirnnerv vermittelt wird, sind beim Schmecken drei beteiligt", erklärt Prof. Karl-Bernd Hüttenbrink von der HNO-Klinik des Universitätsklinikums in Köln. Auch der sogenannte orale Tastsinn über den Hirnnerv Trigeminus spielt bei den Sinneswahrnehmungen mit. Gemeint ist damit der Eindruck, den man von Chili in Form von Schärfe oder durch Alkohol als Brennen hat.

Sei man früher davon ausgegangen, dass Geschmacksknospen nur auf der Zunge vorkommen, so wisse man inzwischen, dass der gesamte Mund- und Rachenraum damit bestückt ist, erläutert Prof. Hummel. Bislang sind fünf Grundgeschmacksrichtungen bekannt: süß, salzig, sauer, bitter und umami (fleischig, herzhaft). "Beim Schmecken kommen dann noch Eindrücke vom Riechen hinzu, weil die chemischen Moleküle beim Essen oder Trinken von hinten in die Nase aufsteigen." Auch das Aussehen, die Konsistenz, die Schärfe, die Temperatur und der Fettgehalt einer Speise machten ihren Geschmack aus.

So komplex die Vorgänge bei diesen Sinneseindrücken sind, so aufwändig ist die Diagnose entsprechender Probleme. Bei Geschmacksstörungen werden sowohl Riechtests als auch reine Geschmackstests durchgeführt. Für die Riechtests wurden Stifte entwickelt, "sniffing sticks" genannt. Sie erinnern an Textmarker und enthalten Duftkomponenten wie Rose, Orange oder Nelke. Für Geschmackstests werden entweder Tropfen oder Schmeckplättchen verwendet. Diese werden auf die verschiedenen Bereiche der Zunge getropft bzw. gelegt, die von unterschiedlichen Nerven versorgt werden.

Bei reinen Schmeckstörungen unterscheiden die Mediziner zwischen Schäden der Schmeckknospen, Verletzungen der Hirnnerven oder einer Ursache im Gehirn - beispielsweise nach einem Sturz auf den Kopf, durch Hirntumore oder bei psychiatrischen Erkrankungen. Die Sinneszellen können nach einer Infektion, durch eine Strahlen- oder Chemotherapie, aber auch Medikamente geschädigt sein. Laut Prof. Hummel gibt es Hunderte Arzneimittel, die den Geschmackssinn verändern können. "Oft wird von einem metallischen Geschmack gesprochen, dies muss nicht sofort nach dem ersten Einnehmen auftreten, sondern kann auch Jahre später folgen." Die drei für den Geschmackssinn zuständigen Hirnnerven wiederum können bei einem Bruch der Schädelbasis oder auch nach Operationen an Ohren oder im Rachenraum in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch Diabetes oder eine gestörte Schilddrüsenfunktion können den Geschmack verderben. Teilweise fühlen sich Menschen mit Geschmacksstörungen sehr eingeschränkt, verlieren an Gewicht, wollen gar nicht mehr essen, auch Verstimmungen bis hin zu Depressionen kommen vor. Dies trete vor allem bei Menschen auf, die häufig bis immer einen metallischen oder bitteren Geschmack im Mund hätten.

Bislang hat die Medizin wenig Mittel in der Hand, um Patienten mit reinen Schmeckstörungen zu helfen. "Durch Weglassen oder Umstellen von Medikamenten kann man überprüfen, ob es daran liegt, und dann handeln», sagt Hummel. Als Therapie könne man es mit Zink versuchen. "Wir haben Hinweise, dass Zink besser als ein Placebo wirkt, aber wir kennen die genauen Gründe dafür noch nicht", sagt Hummel. Mehr Chancen gebe es, wenn der Riechsinn am Geschmacksproblem schuld sei. "Riechzellen im obersten Teil des Nasenraums können sich nachbilden. Das ist möglicherweise der Grund, weshalb der Geruchssinn bei vielen Patienten nach einem kompletten Verlust langsam wieder kommt, wie wir das nach einem Schnupfen kennen."

Quelle: dpa