Predigt Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben

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PD Dr. Joachim Negel (rk), Hochschuldozent und Pastor

18.05.2014 in St. Johannes (Kugelkirche) in Marburg


Silberprimiz

�Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben�

Joh 14,1-12

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen J�ngern:

Euer Herz lasse sich nicht verwirren.

Glaubt an Gott

und glaubt an mich!

Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.

Wenn es nicht so w�re,

h�tte ich euch dann gesagt:

Ich gehe, um einen Platz f�r euch vorzubereiten?

Wenn ich gegangen bin und einen Platz f�r euch vorbereitet habe,

komme ich wieder

und werde euch zu mir holen,

damit auch ihr dort seid, wo ich bin.

Und wohin ich gehe

- den Weg dorthin kennt ihr.

Thomas sagte zu ihm:

Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst.

Wie sollen wir dann den Weg kennen?

Jesus sagte zu ihm:

Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben;

niemand kommt zum Vater

au�er durch mich.

Wenn ihr mich erkannt habt,

werdet ihr auch meinen Vater erkennen.

Schon jetzt kennt ihr ihn

und habt ihn gesehen.

Philippus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater;

das gen�gt uns.

Jesus antwortete ihm:

Schon so lange bin ich bei euch

und du hast mich nicht erkannt, Philippus?

Wer mich gesehen hat,

hat den Vater gesehen.

Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater?

Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin

und dass der Vater in mir ist?

Die Worte, die ich zu euch sage,

habe ich nicht aus mir selbst.

Der Vater, der in mir bleibt,

vollbringt seine Werke.

Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin

und dass der Vater in mir ist;

wenn nicht,

glaubt wenigstens aufgrund der Werke!

Amen, amen, ich sage euch:

Wer an mich glaubt,

wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen

und er wird noch gr��ere vollbringen,

denn ich gehe zum Vater.

Es f�llt schwer, einem Evangelientext wie dem soeben geh�rten standzuhalten. Noch dazu an einem Tag wie dem heutigen. Denn so sehr uns hier Trost zugesprochen wird (�Euer Herz lasse sich nicht verwirren�), so sehr unser Blick geweitet wird �ber den Alltag hinaus (�Ich gehe, um einen Platz f�r euch vorzubereiten�), so sehr verr�tselt sich hier alles: �Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie sollen wir da den Weg kennen?�

Ob das Evangelium uns mit dieser Frage nicht mitten in unsere eigenen Glaubens- und Unglaubens�geschichten versetzt? Schon die J�nger haben ja nur wenig vom Geheimnis Jesu verstanden: �Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus?� � Genau da hebt das Problem an: Wie soll man einem Menschen ernstlich nahekommen, wie sein innerstes Geheimnis ertasten, wie (durch alle Projektionen hindurch) ihn als den erkennen, der er ist, wo wir uns doch selber kaum kennen? Noch dazu wenn man instinktiv sp�rt, da� jener Mensch, der da spricht, aus entlegener Ferne kommt, aus einer Tiefe sich sch�pft, die mir unzug�nglich bleibt.

Ein Geheimnis umwittert Jesus. In den johanneischen Abschiedsreden strahlt es vielleicht am eindringlichsten auf; souver�n und hoheitlich erscheint er da. Oder denken Sie an die Streit�reden mit den Pharis�ern und Schriftgelehrten: �und niemand wagte mehr, ihm ei�ne Frage zu stellen� (Mk 12,24/ Mt 22,46); denken Sie an Jesu Begegnung mit Pilatus und Herodes (Mt 27,11-14 par; Lk 23,9; Joh 18,19-23; 18,33-38; 19,8-11) oder mit den �ltesten, die ihn zu einer Verurteilung der Ehebrecherin n�tigen wollen (Joh 8,1-11): sie alle m�ssen zuguterletzt vor ihm verstummen. Gleichwohl ist dieser Mensch nichts weniger als auftrumpfend, vielmehr �von Herzen dem�tig� (Mt 11,29), dem Geheimnis, aus welchem er sich sch�pft, anheimgegeben: �Ich tue nur, was der Vater mich hei�t.� �Ich und der Vater sind eins.� (Joh 8,28; 10,30) Wer d�rfte es wagen, so zu reden! Wer k�nnte das auch nur von Ferne!

Wiederum in den anderen Evangelien, insbesondere bei Lukas, erscheint er den Menschen zugewandt bis ins �u�erste: Wie breit ist da das einfache Volk pr�sent, Fischer, Bauern, Tagel�hner, wie sehr f�llt es den gesamten Raum um Jesus aus, wie sehr l��t er sich st�ren vom Bed�rfen der Menge, den Fragen der J�nger, den N�ten der Armen und Kranken � ohne sich darin zu verlieren. Jesus setzt sich den Menschen aus, ohne sich gemein zu machen, er gibt sich selber preis, ohne zu taktieren. Jesus ist nicht der Caritas-Manager, er ist nicht der beflissene Gutmensch und auch nicht Weltverbesserer oder Revolution�r; er ist nicht der K�mpfer f�r das Selbstbestimmungsrecht Israels, nicht der Gr�nder einer Sekte oder Kirche � und schon gar nicht ist er Priester oder Theologe. Alle unsere Ideologien, alle unsere Erwartungen zerschellen an ihm. Es f�llt schwer, ihn auf den Begriff zu bringen, dazu ist er uns viel zu nah und viel zu ferne zugleich. Aus seinen ersten drei�ig Lebensjahren ist uns nur ein einziges Wort �berliefert: �Wu�tet ihr nicht, da� ich in dem sein mu�, was meines Vaters ist?� (Lk 2,49) Drei�ig Jahre � und nur ein Wort. Mehr war im Grunde bis zum Schlu� nicht zu sagen.

Wenn man sich das alles vor Augen h�lt�: Muten die drei Worte, die der Johannesevangelist Jesus in den Mund legt, dann nicht seltsam gro�spurig an: �Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zu Vater au�er durch mich�? (Joh 14,6) � Die Zusammenh�nge, denen diese Worte entnommen sind, m�gen uns fremd erscheinen, und doch sind sie uns tief vertraut. Schauen wir sie uns etwas n�her an:

(1.) �Ich bin der Weg�� Mag sein. Aber wohin f�hrt er? � Sie alle kennen die Redensart �Der Weg ist das Ziel�. F�r eine Bergwanderung mag das gelten. Wer in den dunklen Morgenstunden aufbricht, um etwa im Hochgebirge des S�d-Sinai den knapp 2500 Meter hohen Sirbal zu besteigen, wird schon unterwegs reich belohnt: Immer neue Aussichten bieten sich dem Auge dar. Ich habe das in meinen f�nf Jerusalemer Jahren oft erleben d�rfen: Wenn �ber der Oase Ein Aleyat die Sonne aufgeht; die R�nder der Sandsteinfelsen sich erst dunkellila, dann langsam rosa und schlie�lich goldgelb f�rben; wenn man in der Hochsenke von Farsch Losza angekommen ist, im Schatten der Kr�ppel-Tamarisken den Mittag verbringt, um dann in den Nachmittagsstunden den Dschebel Abu Rutschum zu besteigen, von wo aus man im Osten den Golf von Aqaba und im Westen den Golf von Suez sehen kann, um dann im verd�mmernden Abendlicht im Eilmarsch ins Biwak-Lager zur�ckzulaufen: dann ist klar, da� man nicht dieses eines Ausblicks wegen die Strapazen des Tages auf sich genommen hat, sondern der vielen gro�artigen Eindr�cke wegen, die unterwegs immer wieder neue Befriedigung boten. Jeder Bergsteiger kennt das. � Aber geht es dem Johannesevangelisten um solches? Geht es ihm um die vielen sch�nen Erfahrungen, die im gl�cklichen Fall dieses endliche Leben uns bietet? Ich zweifle.

Es gab einmal eine Zeit, da galt nicht der Weg, sondern das Ziel als das Ziel. �Wozu sind wir auf Erden?�, lautet bekanntlich die erste Frage im Katechismus, den noch vor zwei Generationen jedes Kommunionkind auswendig zu lernen hatte. Und die Antwort auf die Frage war ebenso klar: �Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, seinen heiligen Willen zu erf�llen und dadurch in den Himmel zu kommen.� Das ist doch einmal eine klare Aussage. Das Leben des Menschen ist zielgerichtet. Denn es entstammt nicht einem blinden Zufall, es entstammt einer liebenden Zusage von Ewigkeit her: �Ich will, da� Du bist! Eingeschrieben ist Dein Name in meine Hand, und so wird Dein Leben im letzten nicht scheitern, mag es sich im Vorletzten auch noch so schwierig gestalten!�

Wir haben uns angew�hnt, solche Zusagen als �Vertr�stung� zu beargw�hnen. Der Sinn des Lebens m�sse im Leben selber zu finden sein. Aber wie kann etwas Endliches, Sterbliches und insofern immer auch Fragw�rdiges die gro�en Fragen beantworten? �Woher bin ich?� �Wohin gehe ich?� �Was ist mit den Toten?� �Was mit denen, die mit dem Leben nicht zu Rande kommen?� �Was ist mit den Gescheiterten?� �Was ist mit mir selber?� �Wer bin ich eigentlich?� Wer f�r solche Fragen kein Sensorium hat, wird auch mit dem Evangelium nichts anfangen k�nnen. Drastischer formuliert: Wer nicht der eigenen Unm�glichkeit ins Auge geblickt hat, hat f�r die M�glichkeiten Gottes keinen Blick. Ich bezweifle mit meinem st�rksten Gef�hl die bei vielen Leuten anzutreffende Behauptung, wir h�tten schon deshalb mehr hiesige Lebensfreude gewonnen, weil wir nicht mehr in den Himmel kommen wollen. Unser Leben mag bunter geworden sein, interessanter, zerstreuter, keine Frage: Wir fahren an Ostern in die Toscana und fliegen an Weihnachten auf die Malediven. Ob es deswegen aber schon sinnvoller geworden ist? Was die gro�en Fragen anlangt, ist nicht der Weg das Ziel, sondern das Ziel das Ziel. Und das Ziel hei�t Gott. Denn nur in ihm l�sen sich die Fragen, nur in ihm wird das Zerschlagene zusammengef�gt, nur in ihm bewahrheitet sich, wer ich bin und sein kann. Insofern ist es tats�chlich statthaft, Jesus als den �Weg� zu bezeichnen � als Weg auf dieses eine, alles entscheidende Ziel hin.

(2.) Damit sind wir angekommen bei dem zweiten unserer Jesus-Worte: �Ich bin die Wahrheit.� � Wahrheit? Wahrheiten gibt es viele, Wahrheiten gibt es zu Tausenden, an jeder Stra�enecke werden sie feilgeboten. �Was ist Wahrheit?�, fragt Pilatus den gefesselten Jesus (Joh 18,38), und man wei� nicht recht, welchen Tonfall man seiner Frage unterlegen soll: Meint er das agnostisch-bek�mmert? Meint er es gelangweilt achselzuckend? Meint er es zynisch?

In gewisser Weise hat Pilatus nat�rlich recht: F�r eine Wahrheit, die sich ein f�r allemal definieren lie�e, sind wir viel zu widerspr�chlich und doppelb�dig. Was habe ich nicht in meinem Leben alles schon geglaubt! Wenn ich auf die hinter mir liegenden 25 Jahre zur�ckblicke, gibt es da neben allem Sch�nen und Gro�en eben auch manches Fragw�rdige, von dem ich einmal tief �berzeugt war. Und wieviel Unheil hat man nicht im Namen der Wahrheit angerichtet: der Wahrheit nicht nur Gottes und der Kirche, sondern auch der Partei, der Politik, der Wissenschaft, des Fortschritts usw.

Aber darf man deswegen die Frage nach der Wahrheit vergessen? D�rfte man von ihr lassen? Denn da� sich etwas bewahrheitet in meinem Leben; da� es zu einer ihm angemessenen Gestalt finde, da� es sich �ffne auf das ihm Zugemessene, Zugedachte�: was w�re sch�ner als dies!

Wir sind auf Wahrheit angelegt, denn jeder Mensch ist eine Frage, jeder ist ein einziges gro�es �Warum�, und doch k�nnen wir dieses �Warum� aus eigener Kraft nicht beantworten. Wie soll man auch je einen Menschen aussch�pfen? Wie ersch�pfend beschreiben, wer ich bin, wer du bist? Jeder Mensch ist absolut und doch zutiefst relativ � d.h. bezogen auf etwas, das gr��er ist als er selbst. Jeder Mensch ist ein Wort, das ausschlie�lich an ihn und niemanden sonst gerichtet ist � und zugleich ist ein jeder hineingenommen in ein unvordenkliches Gespr�ch, und nur dort kann er sich entfalten. Damit wird deutlich, wie sehr wir alle Widerhall des dreifaltigen Gottes sind. Denn Gott selber ist ein unvordenkliches, liebendes Gespr�ch: Der Ewige Vater spricht sich ganz aus in seinem Ewigen Wort, dem Logos, durch den alles geworden ist. � Jeder Mensch ist ein Gedanke Gottes, jeder ist ein einmaliger Abglanz des Logos, und insofern leben wir immer schon in Gott, sind Teil des liebenden Gespr�ches, das Er von Ewigkeit her ist (m�gen wir uns dessen bewu�t sein oder nicht). Das sind nicht irgendwelche spekulativen Ideen im Elfenbeinturm der Theologie, liebe Schwestern und Br�der, das ist der Versuch zu beschreiben, was in jedem wirklichen Gespr�ch und in jeder Freundschaftsbeziehung geschieht: Wie Jesus sich ausschlie�lich aus der Beziehung zu seinem Gott und Vater versteht und genau darin wird, der er ist: der Sohn, so sch�pfen auch wir unsere Identit�t nicht solipsistisch aus uns selbst, sondern gewinnen sie aus den Beziehungen, in denen wir leben: �Ich will mich nicht mehr nur von mir her verstehen; ich will mich vielmehr von dir her verstehen � mehr noch, ich will mich und dich und uns aus dem Geist unserer Beziehung heraus verstehen!� � Voil�, nichts anderes als dies meint die Trinit�tstheologie, die deshalb auch nicht h�here theologische Mathe�matik ist, aus der sich f�rs praktische Leben nichts machen lie�e, sondern so etwas wie die Tiefengrammatik aller menschlichen Beziehung � Beziehung zu meinen Freunden, zu mir selbst und zu Gott, und zwar weil Gott von Ewigkeit her Liebe ist (das hei�t Beziehung) und nicht nur Liebe hat � und in diese Beziehung hineingenommen zu sein, ist die Wahrheit, auf die unser Leben angelegt ist.

(3.) Damit sind wir bei unserem dritten Jesus-Wort angelangt: �Ich bin das Leben.� � Leben? Auch dies ein merkw�rdiges Wort. Zun�chst wird man sagen m�ssen, da� das Wort �Leben� etwas h�chst Zweifelhaftes beschreibt. Leben lebt vom Leben; Leben, wie wir es kennen, kann nur leben, indem es anderes Leben verzehrt. Auf Kosten von wie vielen habe ich nicht gelebt, um meinen Weg zu finden? Wem bin ich nicht fatales Schicksal geworden? Auch eine Krebsgeschwulst ist Leben � f�r den Menschen, in welchem sie wuchert, freilich ein h�chst parasit�res, weshalb wir es chemotherapeutisch bek�mpfen. �Omnis vita bellum�, alles Leben ist Kampf � Nietzsche und Schopenhauer haben es eindringlich ausgesprochen, und seine Kr�fte zu erproben, hat ja immer auch etwas Fatal-Reizvolles, nicht zuletzt der Sport, nicht zuletzt der Kapitalismus leben aus diesem Prinzip.

Dem johanneischen Jesus steht etwas anderes vor Augen. Nicht das pralle Leben, das alle M�glichkeiten ausreizt (ein solches Leben hat neben allem Sch�nen, das es bieten mag, nicht nur immer auch etwas Schales an sich � es endet zuletzt mit t�dlicher Sicherheit t�dlich), sondern ein �Leben in F�lle� (Joh 10,10), das kein Ende kennt und deswegen die eigene Endlichkeit bejahen kann als Weg zu Gott. Es ist ja so: In aller Aktivit�t, mit der wir unser Leben gestalten, gibt es eine grundlegende Passivit�t des Lebens sich selbst gegen�ber: Nicht wir haben uns ins Leben gerufen, wir sind gerufen worden. Wie aber antworten wir auf diesen Ruf? Indem wir menschlich leben? Nur-Menschlich leben wir alle. Aber da ist etwas in uns, das gr��er ist als wir selbst. Etwas Anonymes, einerseits Humanes, uns mit der Erde, dem Humus, dem Vegetativen Verbindendes, das zugleich aber auch einen Goldgrund, ein Unber�hrbares, ein Heiliges erahnen l��t. So wie jeder von uns Person ist und doch mehr ist als Person, so ist auch Gott mehr als Person. Gott umfa�t alles: �In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir�, sagt Paulus in seiner Rede auf dem Areopag, einen hellenistischen Stoiker zitierend (Apg 17,28). Und doch steht uns Gott gegen�ber, er l��t sich ansprechen: �Vater unser im Himmel�� Dies beides, Gott als der alles Umfassende, der kein Au�en hat und deswegen mir inniglicher ist, als ich mir selber je zu sein vermag, und Gott, der uns zugleich auf schneidende Weise gegen�bersteht, jeden einzelnen zu sich ruft, fordernd, herausfordernd � auch diese merkw�rdige Dialektik wird im Leben Jesu auf un�berbietbare Weise offenbar. Gott ist gr��er als alles, was wir f�r gro� halten, und deshalb hat er die auf heilsame Weise uns besch�mende und zugleich begl�ckende Gr��e, sich umschlie�en zu lassen von dem, was im Vergleich zu ihm gesehen klein und unansehnlich ist: von uns selbst. Und so gewinnen wir Gr��e, so gewinnen wir Ansehen. Indem Gott uns in Christus ansieht, gewinnen wir Ansehen. Indem er in Christus uns tr�gt, werden wir uns ertr�glich. �Vom Gr��ten nicht bezwungen zu werden und doch vom Kleinsten sich umschlie�en zu lassen: das ist g�ttlich�, sagt Ignatius von Loyola. Diese merkw�rdige, alle unsere Begriffe von G�ttlichkeit auf den Kopf stellende G�ttlichkeit Gottes wird uns in Jesus offenbar.

* * *

Vielleicht mag der ein oder andere unter Ihnen jetzt denken: �Naja�! Geht es nicht vielleicht ein bi�chen konkreter?� � Wie unmittelbar konkret die Gedanken, die ich vor Ihnen hier ausgebreitet habe, sein k�nnen, habe ich auf merkw�rdige Weise vor zehn Tagen erlebt. Ich fahre zur Zeit w�chentlich f�r einen Tag nach M�nster, um dort eine Lehrstuhlvertretung wahrzunehmen. Und da Marburg �in the middle of nowhere� liegt, mu� man mit der Bahn manchmal ziemliche Umwege in Kauf nehmen. Es war ein Mittwochabend, der ICE von Frankfurt nach Hamburg war voll besetzt, und da ich ziemlichen Hunger hatte, ging ich gleich in den Speisewagen. An einem Vierertisch sa� ein Mann, so um die Vierzig, er gefiel mir, er hatte ein offenes Gesicht, war braungebrannt, machte einen sportlichen Eindruck, und meine Frage, ob ich mich zu ihm setzen d�rfe, beantwortete er mit einer freundlichen Geste, stand zugleich aber auf, bat mich, auf sein Smart�phone aufzupassen (den Geldbeutel lie� er daneben liegen), denn er wolle auf dem Bahnsteig noch eine rauchen. �Na�, dachte ich, �der ist aber vertrauensselig.� Und zugleich gefiel mir das.

Ich packte eine Reihe von Klausuren aus, die ich auf der Fahrt korrigieren wollte; als er wiederkam, war ich schon in die Arbeit vertieft, aber der Duft seiner Zigarette kam zu mir her�ber, so was gef�llt mir ja. Und so fingen wir an zu plaudern, waren uns sehr bald einig �ber die Unsinnigkeit der deutschen Rauchverbote; dann kam der Ober, brachte mir mein Essen, ich lie� mir�s schmecken, und machte mich wieder an die Klausuren.

Er schaute mir eine Zeitlang zu, dann fragte er: �Ich m�chte Sie ja nicht st�ren, aber � sind Sie Hochschullehrer?� Ich bejahte, er wollte das Fach wissen, ich antwortete �Katholische Theologie�, und dann waren wir auch schon mitten im Gespr�ch. Er sei auch katholisch, d.h. er sei es gewesen, jetzt sei er Atheist. �Ah ja�, antwortete ich, �was verstehen Sie denn darunter�, und dann erz�hlte er mir seine Lebensgeschichte (die ich, um die Diskretion zu wahren, jetzt ein wenig verfremde). Er k�nne nicht an einen Gott glauben, der sein Leben lenke. Er stamme aus Frankreich, habe lange Jahre in Brasilien in der Sport- und Tourismusbranche gearbeitet, sich dort in eine Deutsche verliebt, und das habe ihn nach Dortmund verschlagen, die Beziehung sei in die Br�che gegangen, nur wegen seiner Tochter lebe er noch im Ruhrgebiet, aber gl�cklich f�hle er sich dort nicht. Wo denn da Gott in seinem Leben sei? Das Leben, das er f�hre, sei eine einzige Ansammlung von Zuf�llen, und man m�sse halt das Beste draus machen, mehr gebe es nicht.

Das Ganze trug er nicht verbittert vor, sondern eher melancholisch, und so wagte ich einzuwenden: �Vielleicht f�llt uns ja immer nur das zu, was f�llig ist.� Er schaute verbl�fft auf, meine Bemerkung war wohl ein Treffer, und dann sagte ich, da� das Erstaunliche jeden Zufalls doch darin bestehe, da� ich in ihm mein eigenes Gesicht erkennen k�nne. Der Zufall zeige mir, wof�r ich zur Zeit ein Auge h�tte, will sagen, da� es vielleicht noch manche andere Zuf�lle g�be, die wir aber �bersehen oder �berh�ren, obschon sie zu uns geh�ren. Von Gott bek�men wir immer nur das zu sehen, wof�r wir gerade aufmerksam seien, die Welt sei voll von ihm, aber ob ich ihn sehen k�nne, daf�r tr�ge ich eine ebenso gro�e Verantwortung wie er. In allem sog. Zufall sei mehr am Werk als ein dumpfes, gleichg�ltiges Geschick, deshalb spreche man in der Religion auch von F�gung, und wenn mir das Leben zerfalle, dann vielleicht deshalb, weil ich mir selber zerfallen sei, wie ja auch umgekehrt im Positiven uns nicht selten eben genau das zufalle, was f�llig sei.

Der ICE war mittlerweile in K�ln angelangt, wir hatten uns l�ngst einander vorgestellt und begonnnen, uns mit dem Vornamen anzusprechen. Da begann er, mir seine Tr�ume der letzten Wochen zu erz�hlen, sehe sich in Dortmund, in dem Viertel, wo er wohne, im Traum immer wieder an einer bestimmten Kirche vorbeigehen, er wisse, er m�sse da rein, aber sein Arm sei wie gel�hmt, er k�nne die Klinke der Eingangst�r nicht herunterdr�cken, er h�tte vielmehr den Eindruck, sie werde von innen zugehalten. Ich versuchte den Traum zu deuten, dar�ber verschob sich unser Gespr�ch mehr und mehr auf die Gottesfrage; er sagte, vielleicht sei ja wirklich alles vorherbestimmt, aber er wolle einfach nicht an einen so f�rchterlichen Gott glauben: ein Absolutum, das alles erdr�ckt, weil es alles lenkt und vorherbestimmt. Da sagte ich: �An den Gott, an den Sie nicht glauben, glaube ich auch nicht.� Wieder Verbl�ffung auf seiner Seite, und da er am Beginn unseres Gespr�ches die Bemerkung hatte fallen lassen, da� er auf einer Jesuitenschule sein Abitur gemacht habe, zitierte ich ihm Karl Rahner, den gro�en Jesuitentheologen: �Gott sein dank gibt es nicht das, was sich etwa 90 % der Leute unter Gott vorstellen.� � �Aber was stellen Sie sich denn unter ihm vor?�

Und dann, liebe Schwestern und Br�der, begann ich ihm ungef�hr so von Gott zu reden, wie ich es vorhin im Versuch einer Auslegung des Evangeliums getan habe: Da� Gott gr��er sei als alles, was es gibt, und er deswegen kleiner werden k�nne als alles; und da� er mich deswegen sowohl �berw�lbe als auch unterfange. Da� er, weil er gr��er sei als alles, was ich f�r gro� halte, mir inniglicher sei als ich mir selber, weshalb er der Grund meiner Seele sei. Aber als der Grund meiner Seele sei er keineswegs identisch mit mir, sondern als mein Grund wieder auch jenseits von mir. Da� dieser Gott in Christus den Abgrund des Lebens durchschritten habe und mir deshalb festen Grund unter die F��e gebe, meinem eigenen Leben standzuhalten. Ein Gott, der in der Tat �absolut� ist, absolut aber nicht im Sinne des Monstr�sen, Fixierenden, sondern weil er uns �ab-solviert�, losspricht von den Verstrickungen des Lebens und uns so zu unserer Freiheit befreit � einer Freiheit, die in ihm ihren Halt findet.

Wir hatten mittlerweile Duisburg hinter uns gelassen, waren knapp vor Essen Hauptbahnhof, und dann, ich wei� nicht, wie es geschah, habe ich ihn gefragt, ob er sich absolvieren, freisprechen lassen wolle. Er nickte nur, und mitten im Speisewagen eines ICE auf der Fahrt zwischen Essen und Bochum geschah dann, was sonst nur im Beichtstuhl geschieht: �Ego te absolvo in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.�

Der ICE rollte in Bochum Hauptbahnhof ein. Das Gespr�ch hatte uns beide ersch�pft. Stumm sa�en wir in unseren Sitzen. Der Ober kam und fragte ganz vorsichtig: �Alles in Ordnung, meine Herren?� � �Und ob alles in Ordnung ist!�, rief mein Gegen�ber, �Ja, alles ist in Ordnung! Wein, Herr Ober, bringen Sie uns Wein! Wir wollen trinken!�

Und jener Ober war ein Ober alter Schule, so etwas gibt es ja kaum noch: wei�haarig, zuvorkommend, diskret � und so fragte er gar nicht mehr, was f�r einen Wein wir denn wollten, sondern machte auf dem Absatz kehrt und kam nach einer Minute zur�ck mit zwei Gl�sern und einer gro�en Flasche Grauburgunder. Mein Gegen�ber und ich, wir lachten uns an, tranken uns zu und sagten auf den letzten zehn Minuten der Fahrt nichts mehr.

Der Zug erreichte Dortmund Hauptbahnhof. Mein Gegen�ber packte seine Sachen, bedankte und verabschiedete sich, und ich war allein. Ich schlo� die Augen und dachte nur: �Was hast Du da eigentlich gerade erlebt? Hast du das getr�umt, oder war das jetzt wahr?� Aber auf dem Tisch stand immer noch der Grauburgunder, und den hatte nicht ich bestellt. Ich sch�ttete mir ein zweites Glas ein � da spricht mich jemand vom Tisch auf der anderen Seite des Ganges an und sagt: �Entschuldigung, ich m�chte Sie ja nicht st�ren, aber d�rfte ich mich f�r ein paar Minuten mal zu Ihnen setzen? Ich h�tte da ein paar Fragen.� � Und dann begann das Ganze von vorn, aber die Fahrt von Dortmund nach M�nster ist kurz, nur eine halbe Stunde, jedoch Gespr�che wie das von mir eben geschilderte brauchen ihre Zeit, und so gab ich dem Menschen meine Telefonnummer, er k�nne mich anrufen, wenn er wolle.

Dann fuhr der Zug in M�nster ein, ich packte meine Sachen zusammen und bat den Ober um die Rechnung. Er brachte sie, ich bemerkte, da� der Wein gar nicht auf der Rechnung st�nde, aber der Ober sagte nur: �Der geht auf Rechnung des Hauses.� � Kann man das glauben?!

Warum erz�hle ich Ihnen diese verr�ckte Geschichte? Aus drei Gr�nden, und die haben alle mit dem Tag zu tun, da ich vor 25 Jahren meine Priesterweihe hatte:

Erstens: Die Welt ist voller Wunder, sie ist voll der Wunder Gottes, nur unsere bl�den Augen sehen das meistens nicht. Wenn wir doch Gott und seiner Gnade ein bi�chen mehr zutrauen w�rden, selbst die Deutsche Bahn w�rde sich dran beteiligen wie auf jener Fahrt im ICE von Frankfurt nach M�nster. Ist das nicht ein schlagender Beweis f�r das Wirken des Geistes?!

Zweitens: �Die Mysterien finden am Hauptbahnhof statt!� Dieser Satz stammt von Joseph Beuys, und er ist wahr. �berall kann sich das Mysterium der Gegenwart Gottes ereignen, nicht nur am Hauptbahnhof, sondern auch am Tresen einer Kneipe, im Vorlesungssaal der Universit�t, und manchmal im Speisewagen eines ICE.

Jedoch, und damit bin ich bei meinem Drittens angelangt: Damit wir um die Mysterien wissen, bedarf es der Kirchen und Pfarrgemeinden wie dieser hier. Denn nur, wo man Sonntag f�r Sonntag zusammenkommt, um das Geheimnis von Tod und Auferstehung Christi zu begehen, h�lt man in sich die Ahnung wach, da� unser Leben gr��er und weiter ist als die siebzig, achtzig Jahre, die uns gestundet sind. Und damit bin ich bei meinem Dank an Sie, die Kugelkirchengemeinde samt ihrem Pfarrer Franz Langstein angelangt: Da� Sie mich seit f�nf Jahren hier unter sich aufnehmen, Woche f�r Woche meine etwas verschrobenen Gedanken ertragen und der ein oder andere unter Ihnen, so will mir scheinen, mich auch noch ganz gern hat � das empfinde ich als ein riesengro�es Geschenk. Und daf�r m�chte ich Ihnen heute von Herzen danken.

Was bedeutet Joh 14 6?

Die Worte Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben gehören zu einer Bildrede Jesu (Joh 14,6). Es stellt das vorletzte einer Reihe von sieben Ich-bin-Worten Jesu dar, die im Evangelium nach Johannes überliefert sind.

Wie beginne ich eine Predigt?

Nutze ein Schema für deine Predigt. Das einfachste Schema ist Einleitung- Hauptteil-Schluss. Nutze dies und bedenke dabei, dass jeder Teil eine eigene Funktion hat. Eine Einleitung z.B. soll in das Thema einführen, Spannung aufbauen oder ein Problem aufzeigen, das in der Predigt geklärt werden soll.

Welche Predigt Jesu wurde weltberühmt?

Die Bergpredigt (lateinisch oratio montana; auch Bergrede) ist ein Textabschnitt des Matthäusevangeliums (Mt 5,1–7,29) im Neuen Testament (NT), in dem Jesus von Nazaret seine Lehre verkündet.

Was ist das Ziel einer Predigt?

Oberstes Ziel einer Predigt ist es, die Zuhörerinnen und Zuhörer durch die Wortwahl und die Art der Rede zu berühren. Einer Trauergesellschaft können Sie durch emotionale Veranschaulichungen und echte Empathie Trost vermitteln und das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.