Karla rosalie und das loch in der wand sendetermin

Die ungleichen Schwestern: Rosa (Jutta Speidel) und Margret (Ruth Reinecke). So wie sie sich wieder aneinander gew�hnen m�ssen, so muss man sich als Zuschauer an diese "altert�mliche" Art von Kom�die und sie zu spielen gew�hnen. Doch im Verlauf des Films gewinnt die Geschichte an Tiefgang und es �ndert sich damit auch ihr Ton.

Bei den Titeln ihrer Freitagsfilme im „Ersten“ greift die ARD-Tochter Degeto gern mal daneben. „Karla, Rosalie und das Loch in der Wand“ ist dagegen geradezu wohltuend unplakativ. Streng genommen m�sste neben Ingenieurin Rosalie und ihrer jungen Nachbarin Karla auch noch Rosas �ltere Schwester Margret genannt werden, denn sie ist f�r die Handlung nicht minder wichtig; das Loch in der Wand ist vor allem in dramaturgischer Hinsicht von Bedeutung. Zweiter Einschaltgrund neben der ungew�hnlichen Geschichte ist das Ensemble: Die Charaktere sind ein bisschen zugespitzt, aber die drei Hauptdarstellerinnen haben der Versuchung widerstanden, auf naheliegende Klischees zur�ckzugreifen.

Soundtrack: Los Van Van („Temba, Tumba, Timba“), The Beatles („Money”), Miriam Makeba („Pata Pata”), Milk & Sugar & Vaya Con Dios („Hey”), Bukahara („Happy”), Joy Denalane („Mamani”), Edward Sharpe & the Magnetic Zeros („Home”), Rick James („Super Freak”)

Der Film beginnt mit einem Schw�cheanfall. Rosa (Jutta Speidel) arbeitet seit Jahrzehnten f�r die Organisation „Ingenieure f�r die Welt“. Ihr j�ngstes Projekt ist ein riesiges Solarfeld in Kenia. Kaum hat sie kurz vor der Er�ffnung einen Kurzschluss behoben, bricht sie zusammen. Die empfohlene Auszeit will sie sich im Elternhaus nehmen, aber da hat sich mittlerweile einiges ge�ndert: Margret (Ruth Reinecke) hat die H�lfte des Eigenheims an eine Familie vermietet. Als Rosa im G�stezimmer ein Tuch aufh�ngen will, gibt die vom Nachbarn eingezogene Wand nach und einen kleinen Schatz preis: Irgendjemand hat hier einige tausend Euro versteckt. Rosa ist pleite, der unerwartete Segen kommt wie gerufen, denn Margret erwartet, dass sie sich an den Haushaltskosten beteiligt. Um zu erkl�ren, woher sie pl�tzlich das Geld hat, erz�hlt Rosa, Nachbartochter Karla (Paula Hartmann) habe sie engagiert, um sie bei den Vorbereitungen aufs Abitur zu unterst�tzen.

Karla rosalie und das loch in der wand sendetermin

Foto: Degeto / Stefan Erhard

Das Loch in der Wand ist ein doppelter Hinsicht ein Segen. Jutta Speidel als Karla

Bis zu diesem Punkt klingt der Inhalt nach einer typischen Geschichte �ber zwei grundverschiedene Schwestern, die mit g�ngigen Altersproblemen konfrontiert werden: Margret, ehemalige Lehrerin, erweckt den Eindruck, als habe sie nicht nur das Mobiliar ihrer Eltern behalten, sondern trage auch die Kleidung ihrer Mutter auf. Die Frau ist eine Spa�bremse, die t�glich zum Grab des Gatten pilgert und selbst den koffeinfreien Kaffee noch verd�nnt. Es dauert eine Weile, bis das Drehbuch (Nadine Gottmann) offenbart, worum es bei Margret eigentlich geht: Sie ist einsam. Die lebensbejahende Rosa ist das exakte Gegenteil, auffallend bunt gekleidet und gem�� dem (unausgesprochenen) Motto „�lter werde ich sp�ter“ im Herzen jung geblieben; so jung, dass sie die Warnsignale ihres K�rpers ignoriert. Ihr Thema ist das Loslassen und die Erkenntnis, dass ein neuer Lebensabschnitt beginnt.

Karla rosalie und das loch in der wand sendetermin

Foto: Degeto / Stefan Erhard

Achtung, Wasserschlacht! Der Spa�faktor steigt nicht nur bei den Filmfiguren deutlich. Jutta Speidel, Ruth Reinecke und Paula Hartmann als Rollifahrerin Rosalie

Die Handlung w�re ohne Weiteres als Zwei-Personen-St�ck denkbar, aber durch die dritte Figur kommt Schwung in die Geschichte. Dank des Lochs in der Wand kriegt Rosa alles mit, was sich in Karlas Zimmer tut, denn auf deren Seite ist ein L�ftungsgitter. Auf diese Weise hat sie das n�tige Wissen, um sich erfolgreich in das Leben des M�dchens einzumischen. Sie verwendet das gefundene Geld, um der jungen Frau hinter dem R�cken des verwitweten Vaters (Aurel Manthei) den F�hrerschein zu finanzieren, und sorgt daf�r, dass sie vor die T�r kommt, denn Karla versteckt sich in ihrem Rollstuhl vor dem Leben. Ihr Thema ist das Dasein als Au�enseiterin, was trotz eines denkbar schlechten Beginns die Freundschaft zwischen der jungen und der reifen Frau erkl�rt, denn Rosa ist es einst offenbar �hnlich ergangen. Wie zu erwarten f�llt Rosas Kartenhaus jedoch irgendwann in sich zusammen, und auch die k�rperliche Robustheit entpuppt sich als frommer Selbstbetrug.

F�r Tempo sorgen neben der munteren Musik (Tobias Wagner, Justin Michael La Vallee) vor allem die flotten Dialoge; die sarkastischen Wortgefechte haben den drei Schauspielerinnen bestimmt genauso viel Spa� gemacht wie der Autorin beim Schreiben. Margret ist von Rosa, die sich stets aus dem Staub gemacht hat, wenn’s brenzlig wurde, tief entt�uscht, und l�sst sie das mit jedem Satz sp�ren. Karlas Frustriertheit hat zwar nicht urs�chlich mit Rosa zu tun, aber sie dient als willkommener Blitzableiter; Paula Hartmann und Jutta Speidel erg�nzen sich vortrefflich. Zur Kom�die wird der Film, weil Nadine Gottmann immer wieder kleine Heiterkeiten einflicht: Der Container mit Rosas Hab und Gut landet zielsicher auf Margrets Lieblingsrosen, in Karlas K�che entwickelt die Sp�lmaschine ein unerw�nschtes Eigenleben, Margrets schl�frige (und verbl�ffend namhaft besetzte) Canasta-Runde vergisst ihre morbiden Themen und wird pl�tzlich ganz munter, als Rosa Sex on the Beach serviert und amour�se Anekdoten aus ihrem ereignisreichen Leben zum Besten gibt. Regie f�hrte Hanno Olderdissen, dessen nicht minder unterhaltsamer Deb�tfilm „Familie verpflichtet“ (2015) von der schwierigen schwulen Beziehung zwischen einem Juden und einem Araber handelte.

Karla rosalie und das loch in der wand sendetermin

Foto: Degeto / Stefan Erhard

Die Abenteuerin & die Spa�bremse sind eben doch Schwestern! Speidel & Reinecke�

Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.