Kann man einen alten Bandscheibenvorfall im MRT?

Indikation OP Bandscheibenvorfall

Dieser Text ist primär für ärztliche Kollegen geschrieben, kann jedoch auch für interessierte Nicht-Mediziner im Einzelfall interessant sein; falls Begriffe unklar sind, dürfen wir auf unser Glossar verweisen, oder fragen Sie bei uns nach. Sie können den Text auch als PDF herunterladen. Klicken Sie dazu bitte das PDF mit der rechten Maustaste, wählen Sie dann speichern unter und geben Sie anschließend das gewünschte Ziel ein.

Die nachfolgende Darstellung erfolgt auf Basis einer Literatur-Analyse unter Berücksichtigung der derzeit gültigen Leitlinien beteiligter Fachgesellschaften und internationaler Empfehlungen.

Der Indikationsstellung zur operativen Behandlung bei lumbalem und cervikalem Bandscheibenvorfall ist wie bei allen operativen Verfahren auch für den Erfolg entscheidend. Bei richtig selektierten Patienten ist die operative Behandlung des lumbalen Bandscheibenvorfalls nach der aktuellen Literatur zu etwa 90% erfolgreich. Dabei ist der Bandscheibenvorfall (sog. „weicher Prolaps”) klar von den knöchernen Stenosen (Harddisk, Spinalstenose) zu differenzieren. Denn bei einer fixierten knöchernen Stenose mit Claudicatio spinalis ist eine wie auch immer geartete konservative Behandlung in der Regel zur dauerhaften Heilung nicht geeignet. Sie kann sogar unter Umständen eine fehlerhafte Behandlung darstellen (z. B. cervikale Spinalstenose mit Myelopathie, siehe unten).

Eine symptomatische Spinalstenose ist ähnlich zu bewerten wie ein sog. Massenprolaps und beinhaltet eine Cauda-Kompression mit der Gefahr der bleibenden Querschnittslähmung. Daher ist primär die OP-Indikation gegeben. Noch mehr gilt dies für die cervikale Spinalstenose mit im MRT sichtbarer Myelopathie. Hier eine konservative Behandlung zu indizieren und die OP Indikation abzulehnen, ist fast schon ein Kunstfehler, da bereits bei Bagatelltraumen eine Querschnittslähmung auftreten kann.

Die Indikationsdiskussion über konservative versus operative Behandlung stellt sich also lediglich beim sogenannten unkomplizierten „weichen” Bandscheibenvorfall, also der Vorfall ohne neurologische Begleitsymptomatik mit leichteren Schmerzen und moderaten Veränderungen in der Bildgebung.

Die Indikationskriterien, selbst und vor allem bei Patienten mit diesen „unkompliziertem Bandscheibenvorfall” sind nicht eindeutig festgeschrieben (vergl. auch Lühmann et al.). Evidenzbasierte Leitlinien sehen als Grundvoraussetzung für alle invasiven Maßnahmen bei Bandscheibenvorfall, dass eine Übereinstimmung der Ergebnisse von Anamnese und klinischer Untersuchung einerseits sowie den Ergebnissen bildgebender Untersuchungsverfahren (z. B. CT, MRT) andererseits gegeben sein muss. Außerdem sind die Erwartungen des Patienten in Bezug auf Ursache und Verlauf seiner Erkrankung sowie seine Lebensumstände prognostische Faktoren, die bei der Entscheidung zur Operation berücksichtigt werden sollen (Clinical guideline on low back pain (AAOS) und Leitlinie „Kreuzschmerzen”, Evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, 2003)

In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (letzte Version) werden auch die frisch aufgetretene hochgradige Lähmung sowie der „drohende Wurzeltod” als Notfalloperation klassifiziert.

Außerdem wird bei Lähmungen, zunehmenden Sensibilitätsstörungen, Massenvorfall (ggf. mit knöcherner Enge) und bei großen Sequestern (ggf. mit knöcherner Enge) eine Operation im Ablaufschema der Leitlinie angezeigt, ohne dass zuvor konservativ behandelt wird. Bei massiven radikulären Schmerzen, die kurzfristig nicht durch Analgetika beeinflussbar sind, und einem adäquaten Befund in der Bildgebung (i.d.R. MRT) ist ebenfalls ein frühes operatives Vorgehen gerechtfertigt.

Bei leichteren Verläufen ist eine konservative Therapie, die aber innerhalb eines Zeitraumes von 6-8 Wochen eine deutliche Verbesserung der Schmerzen und eine Zunahme der Belastbarkeit erbringen sollte, eine Alternative. Anderenfalls muss eine Umstellung der Therapie respektive eine operative Maßnahme diskutiert werden (Rothoerl et al. 2002, Postacchini 1996). Eine unkritische Fortführung der konservativen Therapiemaßnahmen birgt die Gefahr der Chronifizierung von Schmerzsyndromen in sich.

Für die Gruppe der Patienten mit symptomatischem und klinisch gesichertem (Anamnese, klinische Untersuchung, ggf. bildgebende Diagnostik) Vorfall, aber ohne Cauda-equina-Syndrom und ohne progressive motorische Dysfunktion, fehlt eine klare Therapie-Empfehlung (Operationsindikation ja oder nein) in allen Leitlinien. Abgesehen davon ist diese Leitlinie nicht mehr gültig; sie galt nach Angabe im Text der Leitlinie bis 2006. Eine neue existiert bislang nicht. Davon abgesehen, dass Leitlinien Empfehlungscharakter haben und nicht verbindliche Anweisungen sind, liegt die Therapie-Entscheidung im Ermessen des behandelnden Arztes unter Berücksichtigung aller klinischen und persönlichen Aspekte des Patienten.

Bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie existiert zum Thema Bandscheibenvorfall keine bzw. keine aktuelle Leitlinie.

Einige, auch ausländische (USA), evidenzbasierte orthopädische Leitlinien fordern bei zweifelsfreier Übereinstimmung der Ergebnisse aus Anamnese, klinischer und bildgebender Diagnostik sowie berücksichtigten Patientenerwartungen vor der primären Diskektomie ein initiales Abwarten von vier bis acht Wochen mit konservativer Therapie.

Krämer et al. sehen eine Indikation zur lumbalen Diskotomie gegeben, wenn sich nach mindestens sechswöchiger konservativer Behandlung keine Besserung der Symptomatik (starke Schmerzen) ergibt und eine CT/MRT eindeutig eine Bandscheibenprotrusion bzw. einen -prolaps nachweist. Als Kontraindikationen für eine lumbale Diskotomie geben sie Kreuzschmerzen ohne radikuläre Symptomatik, Unklarheiten in der Diagnose, fehlende Bereitschaft des Patienten und Wirbelsäulenhypochondrie an. Es handelt sich hier um eine publizierte Einzelmeinung, nicht um die Aussage z. B. einer Fachgesellschaft.

Andere Autoren äußern hingegen, dass der Leidensdruck des Patienten ein wesentlicher Faktor bei der Stellung der frühen Indikation für invasive Therapieverfahren bei Patienten mit diskogenem Rückenschmerz auch ohne begleitende neurologische Defizite ist (Mayer, HM: Discogenic low back pain and degenerative lumbar spinal stenosis – how appropriate is surgical treatment? In: Der Schmerz 15 (2001) Nr. 6, S. 484-491).

Insofern gibt es keine klare Definition der Indikationen und keine evidenzbasierte verbindliche Leitlinie. Es ist eine Entscheidung des behandelnden Arztes im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Befunde.

Für Deutschland sind gebräuchliche Indikationsregeln für den nicht als Notfall oder dringliche Operation einzustufenden Eingriff bei bandscheibenbedingter Ischialgie bzw. für die degenerative lumbale Nervenwurzelkompression über die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) herausgegeben (vergl. Lühmann et al.). Beide Leitlinien ziehen bei der Definition des Störungsbilds anamnestische Angaben, klinische Unter- suchungsbefunde und die Ergebnisse bildgebender Verfahren heran. Die Entscheidung hat der behandelnde Arzt im Einzelfall zu treffen.

Daraus resultiert, dass keinesfalls ein schematisches Vorgehen mit regelhaft vorausgehender konservativer Behandlung gefordert wird, sondern ein auf den Einzelfall ausgerichtetes Vorgehen, das der individuellen Situation des Patienten gerecht wird.

Bei den zitierten deutschen Leitlinien bleibt zudem zu bedenken, dass es sich um so genannte Stufe 1 Leitlinien handelt. Die Inhalte werden von einer Expertengruppe innerhalb der Fachgesellschaften erarbeitet. Eine systematische und transparente Unterlegung der ausgesprochenen Empfehlungen mit entsprechender Evidenz aus klinischen Studien erfolgt nicht.

In der Medizin hat sich als Definition des Begriffes „Evidenz” die englischsprachige Bedeutung der „besten zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnis” eingebürgert. Bei konkurrierenden Diagnose- und Therapiemöglichkeiten bedeutet ein hoher Empfehlungsgrad für eine einzelne Maßnahme jedoch nicht automatisch, dass sie allen anderen überlegen sein muss. Die Evidenzaussage bezieht sich auf die untersuchte Fragestellung und oft fehlen entsprechende Studien für die anderen Methoden oder zum Vergleich der Methoden. Eine Unwirksamkeit oder Unterlegenheit kann nur bei explizitem Nachweis als gesichert angesehen werden. Leitlinien sind dazu nicht verbindlich; die Behandlungsfreiheit des Arztes bleibt bestehen, insbesondere da die Leitlinien nach der Einteilung der international akzeptierten Empfehlungen des SIGN der Gruppe D und nicht A oder B zuzuordnen sind.

Bei der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie ist des Weiteren zu berücksichtigen, dass die letzte Überarbeitung 2004 (im wesentlichen unverändert sei 1999 und mit Gültigkeit bis 2006) erfolgt ist und die operativen Verfahren, insbesondere die mikroneurochirurgischen Methoden und die endoskopische Technik erhebliche Fortschritte gemacht haben, sodass die Operation nicht nur wesentlich komplikationsärmer sondern auch noch erfolgreicher ist.

Es ist daher einem schwer schmerzgeplagten Patienten oder einem Patienten mit entsprechendem sozialem oder beruflichem Hintergrund (z. B. selbständiger Unternehmer, Handwerker oder z. B. auch Profisportler etc.) aus medizinischer und beruflich existentieller Sicht nicht zuzumuten, eine konservative Behandlung von sechs Wochen durchzuführen, obwohl es gute Alternativen mit deutlich schnellerer Heilung gibt, zumal dazu die Gefahr einer Krankheitsverschlimmerung besteht und die medikamentöse Therapie auch mit erheblichen Nebenwirkungen, Risken und der Gefahr der Chronifizierung behaftet sein kann.

Wir versuchen daher, in jedem Fall – im interdisziplinären Kontext (Neurochirurgie, Neurologie, Orthopädie und Schmerztherapie) für den individuellen Patienten die für ihn bestmögliche Behandlung zu evaluieren. Dies kann beim lumbalen Bandscheibenvorfall ein konservatives Vorgehen sein aber auch im Einzelfall ein frühes operatives Vorgehen ohne langdauernde konservative Behandlung.

Cervikale Vorfälle und hochgradige lumbale Spinalkanalstenosen und cervikale Spinalkanalstenosen sind wie oben erläutert grundsätzlich anders zu betrachten.

Es ist unseres Erachtens nicht richtig, ohne klare wissenschaftliche Grundlage – und sogar teilweise gegen die Empfehlungen aus der wissenschaftlichen Literatur – pauschal und noch dazu bei sehr verschiedenartigen Erkrankungen mit unterschiedlicher Ätiologie und Prognose ein starres Vorgehen mit konservativer Behandlung zu fordern.

Weitere Informationen über eine endoskopische Bandscheibenoperation.

Kann man einen alten Bandscheibenvorfall erkennen?

Sicher feststellen lässt sich ein Bandscheibenvorfall durch bildgebende, radiologische Verfahren. Anhand eines Röntgenbildes der Wirbelsäule sieht der Arzt zum Beispiel, ob die Höhe der Bandscheiben geschmälert ist, das heißt die Wirbelkörper näher beieinander liegen oder sich verschoben haben.

Wie lange kann ein Bandscheibenvorfall unbemerkt bleiben?

Ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbel kann auf den Ischiasnerv drücken und Schmerzen auslösen, die häufig über ein Bein bis in den Fuß ausstrahlen. Bei den meisten Menschen heilt ein Bandscheibenvorfall innerhalb von sechs Wochen von allein aus.

Kann man einen eingeklemmten Nerv im MRT sehen?

Bildgebende Verfahren wie Ultraschall und MRT können den eingeengten Nerv manchmal direkt darstellen. So lässt sich die genaue Stelle der Einengung auffinden. Vorrangiges Therapieziel ist, den betroffenen Nerv dauerhaft vor Druck zu schützen und zu entlasten.

Was ist besser bei Bandscheibenvorfall CT oder MRT?

für Angst- und Schmerzpatienten. Die CT der Wirbelsäule wird auch häufig durchgeführt, wenn Kontraindikationen gegen eine MRT-Untersuchung sprechen, z.B. bei Trägern von Herzschrittmachern, bei bestimmten Implantaten oder Clips. Ein Vorteil gegenüber der MRT ist vor allem die kürzere Untersuchungszeit.