Kann man eine coronavirus infektion ohne symptome haben

Der Steckbrief beleuchtet wesentliche epidemiologische und Public Health-relevante Aspekte von COVID-19 und dem Erreger SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2). Er basiert auf der fortlaufenden Sichtung der wissenschaftlichen Literatur, inklusive der methodischen Bewertung der entsprechenden Quellen. Der Steckbrief dient damit als orientierende Literatur-Zusammenfassung, kann aber nicht für jeden Gliederungspunkt die Detailtiefe einer systematischen Übersichtsarbeit darstellen. Einige der referenzierten Veröffentlichungen sind bisher nur als Vorab-Publikation („preprint“) verfügbar. Das heißt, sie wurden zwar schon der (Fach-) Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, wurden aber noch nicht in einem Peer Review-Verfahren begutachtet. Da sich die Datenlage sehr rasch erweitert, kann nicht ausgeschlossen werden, dass Publikationen in der aktuellen Version des Steckbriefs noch nicht berücksichtigt wurden. Auch ist es möglich, dass einzelne Quellen von anderen Personen anders bewertet werden. Wir weisen zudem darauf hin, dass die Studienlage häufig Zeiträume abbildet, in denen die Zirkulation der neuen besorgniserregenden Virusvarianten (VOC) ebenso wie der Einfluss der Impfungen gegen COVID-19 keine oder eine untergeordnete Rolle spielen. Für weiterführende Informationen zu spezifischen Fragestellungen verweisen wir auch auf die entsprechenden medizinischen Fachgesellschaften. Dieser Erregersteckbrief ist ein „dynamisches Dokument“, d. h. es werden laufend Erweiterungen, Präzisierungen sowie redaktionelle Anpassungen und Kürzungen vorgenommen. Anmerkungen oder Ergänzungsvorschläge sind willkommen.

Tabelle 1: Wesentliche Parameter zu COVID-19 im Überblick. Lageabhängige Parameter wie z. B. Altersmedian und Fall-Verstorbenen-Anteil sind dem Lage- und Wochenbericht zu entnehmen

ParameterWertHaupt­übertragungs­wegTröpfchen/Aerosole, die eingeatmet werdenHäufige SymptomeHusten, Fieber, Schnupfen, Störung des Geruchs- und/oder Geschmacks­sinnsRisikogruppeninsbesondere Ältere, VorerkrankteInkubationszeit (Median)4–6 Tage (je nach Virusvariante)Manifestations­index bei Suszeptiblen55–85 %Dauer des Krankenhaus­auf­enthaltes (Median)8-10 Tage (ohne spezifische Therapie)Impfungverfügbar

1. Erreger

SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) ist ein neues Beta-Coronavirus, das Anfang 2020 als Auslöser von COVID-19 identifiziert wurde. Zu den Beta-Coronaviren gehören u.a. auch SARS-CoV, MERS-CoV (Middle East respiratory syndrome coronavirus) sowie die als „Erkältungsviren“ zirkulierenden humanen Coronaviren (HCoV) HKU1 und OC43.
Coronaviren sind unter Säugetieren und Vögeln weit verbreitet. Sie verursachen beim Menschen vorwiegend milde Erkältungskrankheiten, können aber mitunter schwere Lungenentzündungen hervorrufen. SARS-CoV-2 verwendet das Enzym ACE-2 als Rezeptor, um in die Wirtszellen zu gelangen. Eine hohe ACE-2-Dichte besteht im Atemwegstrakt, sowie im Darm, in Gefäßzellen, in der Niere, im Herzmuskel und in anderen Organen.
Weiterführende Informationen zu den Erregereigenschaften finden sich in Abschnitt 20 „Besondere Aspekte“ unter „Tenazität und und Inaktivierung des Virus“ sowie im Dokument Virologische Basisdaten sowie Virusvarianten des Robert Koch-Instituts.

Virusvarianten
Seit Beginn der Zirkulation von SARS-CoV-2 erwerben die Viren eine zunehmende Anzahl von polymorphen Nukleotidpositionen, die zu Aminosäure-Austauschen führen. Anhand derer werden die Viren in Varianten (auch: Kladen bzw. Linien) unterteilt. Diese Veränderungen des Erregergenoms können mit Veränderungen der Erregereigenschaften, bspw. mit einer höheren Übertragbarkeit, einer veränderten Immunantwort oder einem schwereren Krankheitsverlauf in Zusammenhang stehen. Wird dies für eine Virusvariante beobachtet oder nachgewiesen, erfolgt eine Einstufung als besorgniserregende Variante (engl. variant of concern; VOC). Varianten, die Aminosäure-Austausche im S-Protein aufweisen wie sie auch bei VOC vorkommen, für welche aber Eigenschaften wie eine höhere Übertragbarkeit oder eine veränderte Immunantwort nicht ausreichend nachgewiesen wurden, können als variant of interest (VOI) eingestuft werden und stehen unter besonderer Beobachtung. Weiterführende Informationen zu VOC und VOI, inklusive Angaben zu ihrer Verbreitung in Deutschland und den Erkenntnissen zur Impfprotektivität, finden sich unter anderem in den folgenden Dokumenten des RKI:

2. Übertragungswege

In der Allgemeinbevölkerung (gesellschaftlicher Umgang)
Der Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstehen (1). Je nach Partikelgröße bzw. den physikalischen Eigenschaften unterscheidet man zwischen den größeren Tröpfchen und kleineren Aerosolen, wobei der Übergang zwischen beiden Formen fließend ist. Während insbesondere größere respiratorische Partikel schnell zu Boden sinken, können Aerosole auch über längere Zeit in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen. Ob und wie schnell die Tröpfchen und Aerosole absinken oder in der Luft schweben bleiben, ist neben der Größe der Partikel von einer Vielzahl weiterer Faktoren, u. a. der Luftbewegung, der Temperatur, der Luftfeuchtigkeit und der Belüftung des Raumes, abhängig (1).

Beim Atmen und Sprechen, aber noch stärker beim Schreien und Singen, werden Aerosole ausgeschieden (2-4); beim Husten und Niesen entstehen zusätzlich deutlich vermehrt größere Partikel (5). Neben einer steigenden Lautstärke können auch individuelle Unterschiede zu einer verstärkten Freisetzung beitragen (2, 6). Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber infektiösen Partikeln jeglicher Größe im Umkreis von 1-2 m um eine infektiöse Person herum erhöht (7). Eine Maske (Mund-Nasen-Schutz oder Mund-Nasen-Bedeckung) kann das Risiko einer Übertragung durch Partikel jeglicher Größe im unmittelbaren Umfeld um eine infizierte Person reduzieren (8).

Beim Aufenthalt in Räumen kann sich die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung durch Aerosole auch über eine größere Distanz als 1,5 m erhöhen, insbesondere wenn der Raum klein und schlecht belüftet ist. Längere Aufenthaltszeiten und besonders tiefes oder häufiges Einatmen durch die exponierten Personen erhöhen die Inhalationsdosis. Durch die Anreicherung und Verteilung der Aerosole im Raum ist das Einhalten des Mindestabstandes zur Infektionsprävention ggf. nicht mehr ausreichend. Auch wenn das Tragen eng anliegender Masken und Frischluftzufuhr das Risiko senken können, kann es bei (stunden-)langen Aufenthalten in einem Raum mit infektiösen Aerosolen u.U. dennoch zu relevanten Inhalationsdosen kommen, wie z.B. in Büroräumen. Ein extremes Beispiel ist das gemeinsame Singen in geschlossenen Räumen über einen längeren Zeitraum, wo es z. T. zu hohen Infektionsraten kam, die sonst nur selten beobachtet werden (9, 10). Auch schwere körperliche Arbeit bei mangelnder Lüftung hat, beispielsweise in fleischverarbeitenden Betrieben, zu hohen Infektionsraten geführt (11). Ein effektiver Luftaustausch kann die Aerosolkonzentration in einem Raum vermindern (12). Übertragungen im Außenbereich kommen insgesamt selten vor und haben einen geringen Anteil am gesamten Transmissionsgeschehen (24). Bei Wahrung des Mindestabstandes ist die Übertragungswahrscheinlichkeit im Außenbereich aufgrund der Luftbewegung sehr gering.

Kontaktübertragung
Eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen ist insbesondere in der unmittelbaren Umgebung der infektiösen Person nicht auszuschließen (13), da vermehrungsfähige SARS-CoV-2-Viren unter Laborbedingungen auf Flächen einige Zeit infektiös bleiben können (14, 15) (siehe unter Abschnitt 20, „Tenazität und Inaktivierung des Virus“). Bei an COVID-19 erkrankten Menschen gelang der PCR-Nachweis in Stuhlproben (16-18). Für eine Ansteckung über Stuhl müssen Viren jedoch vermehrungsfähig sein. Dies wurde in Studien bisher nur selten gezeigt (19, 20).

Konjunktiven als Eintrittspforte
Bei drei (von 63 untersuchten) Personen mit COVID-19-Pneumonie waren Konjunktivalproben PCR-positiv (21). Dies ist jedoch kein Beleg, dass Konjunktiven als Eintrittspforte fungieren können.

Übertragungen durch Nahrungsmittel
Nach jetzigem Wissensstand sind bislang keine Übertragungen durch den Verzehr kontaminierter Nahrungsmittel nachgewiesen. Weitere Informationen dazu finden Sie auf den Seiten des Bundesinstituts für Risikobewertung.

Vertikale Übertragung von der (erkrankten) Mutter auf ihr Kind (vor und während der Geburt sowie über die Muttermilch)
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine direkte diaplazentare bzw. vertikale Transmission von SARS-CoV-2 von einer infizierten Mutter auf das ungeborene Kind möglich oder wahrscheinlich ist (22). Für die fetale Gesundheit könnten jedoch weniger eine vertikale Transmission von Viren, sondern eher entzündliche Veränderungen der Plazenta oder ein Zytokinsturm bei der Mutter relevant sein (22). Die Übertragung einer mütterlichen SARS-CoV-2-Infektion auf das Neugeborene scheint insgesamt ein seltenes Ereignis zu sein und löst beim Neugeborenen auch nur in seltenen Fällen Symptome aus.

In Muttermilch gelang in einigen Fällen der Nachweis von Virus RNA, eine erfolgreiche Virusanzucht ist jedoch bislang nicht beschrieben (23). Übereinstimmend mit der WHO (24) sprechen sich auch die deutschen Fachgesellschaften für das Stillen auch bei an COVID-19 infizierten Müttern unter Einhaltung adäquater Hygienemaßnahmen aus (25).

Medizinischer Sektor
Im medizinischen Sektor sind alle potenziellen Übertragungswege von Bedeutung und müssen durch entsprechende Maßnahmen verhindert werden. Ein Hochrisikosetting sind Aerosol-produzierende Vorgänge, wie z. B. Intubation, Bronchoskopie oder bestimmte zahnärztliche Prozeduren. Zur Verhinderung einer Übertragung werden bei diesen Tätigkeiten spezielle Atemschutzmasken und Augenschutz durch die betroffenen Berufsgruppen getragen.

3. Übertragung durch asymptomatische, präsymptomatische und symptomatische Infizierte

Generell wird unterschieden, ob eine ansteckende Person zum Zeitpunkt der Übertragung bereits erkrankt (symptomatisch) war, ob sie noch keine Symptome entwickelt hatte (präsymptomatisches Stadium) oder ob sie auch später nie symptomatisch wurde (asymptomatische Infektion). Eine große Bedeutung haben die Übertragungen von infektiösen Personen, wenn sie bereits Krankheitszeichen (Symptome) entwickelt haben (26, 27). Die Symptome einer COVID-19-Erkrankung sind vielfältig und variieren in der Ausprägung. Einer Phase mit leichten Symptomen kann später eine Phase mit schweren Symptomen und starkem Krankheitsgefühl folgen (28). Typische Symptome wie Fieber oder Husten können aber auch komplett fehlen.

Da im Zeitraum vor dem Auftreten von Symptomen eine hohe Infektiosität besteht, steckt sich ein relevanter Anteil von Personen innerhalb von 1-2 Tagen bei bereits infektiösen, aber noch nicht symtomatischen Personen an (26, 29). Wie groß dieser Anteil ist, kann nicht genau beziffert werden, da in vielen der Studien der „Symptombeginn“ nicht oder nicht ausreichend definiert wurde.

Die Dauer von der Ansteckung (Infektion) bis zum Beginn der eigenen Ansteckungsfähigkeit (Infektiosität) ist genauso variabel wie die Inkubationszeit. Aus Einzelbeobachtungen lässt sich jedoch schließen, dass auch sehr kurze Intervalle bis zum Beginn der Ansteckungsfähigkeit möglich sind, d. h. eine Ansteckung anderer Personen am Tag nach der eigenen Infektion, möglicherweise sogar am selben Tag (28).

Schließlich gibt es vermutlich auch Ansteckungen durch Personen, die zwar infiziert und infektiös waren, aber gar nicht erkrankten (asymptomatische Übertragung). Diese Ansteckungen spielen vermutlich jedoch eine untergeordnete Rolle (30).

Zur Verminderung des Übertragungsrisikos sind in allen drei Konstellationen die schnelle Isolierung von positiv getesteten Personen, die Identifikation und die empfehlungsgerechte frühzeitige Quarantäne enger Kontaktpersonen wirksam. Das Abstand halten zu anderen Personen, das Einhalten von Hygieneregeln, das Tragen von (Alltags-) Masken sowie Lüften (AHA + L-Regel) sind Maßnahmen, die insbesondere auch die Übertragung von (noch) nicht erkannten Infektionen verhindern.

Auch bei geimpften Personen kann es zu Infektionen kommen und geimpfte infizierte Personen können das Virus auch prinzipiell auf andere Personen übertragen, beides jedoch in deutlich geringerem Ausmaß als bei Ungeimpften (31, 32). Sowohl hinsichtlich einer Infektion als auch einer Übertragung spielen hierbei viele Faktoren eine Rolle, vor allem der Zeitraum seit der Impfung, das Lebensalter und der verwendete Impfstoff (31). Bei einer starken Verbreitung von Infektionen in der Bevölkerung und entsprechend hohem Infektionsdruck bleibt daher auch für Geimpfte die konsequente Anwendung der empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen (AHA+L), Kontaktreduktion, und insbesondere Vorsicht (bzw. Testen) bei Kontakt mit vulnerablen Gruppen wichtig.

4. Reproduktionszahl

Die Basisreproduktionszahl R0 gibt an, wie viele Personen von einer infizierten Person durchschnittlich angesteckt werden, vorausgesetzt, dass in der Bevölkerung keine Immunität besteht und keine infektionspräventiven Maßnahmen ergriffen wurden. Eine Infektion breitet sich langfristig nur dann aus, wenn ihr R0 über 1 liegt. Für die Basisreproduktionszahl des ursprünglichen SARS-CoV-2 „Wildtyps“ wurde in mehreren systematischen Reviews (48-50) ein mittlerer Wert (Median) von 2,8 bis 3,8 ermittelt. Neue Virusvarianten können eine höhere Übertragbarkeit und dementsprechend höhere Basisreproduktionszahl aufweisen (siehe hierzu Abschnitt „Virusvarianten“).

In Studien zu Pandemiebeginn kann es zu einer Überschätzung des R0 Wertes gekommen sein, da sich die Infektion zu Beginn meist v.a. unter Personen ausbreitete, die überdurchschnittlich viele Kontakte hatten.

R0 ist eine Größe, die für eine bestimmte Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt spezifisch ist, es kann somit kein allgemeingültiger Wert angegeben werden. Sie kann verstanden werden als das Produkt aus der durchschnittlichen Zahl der Kontakte mit anderen Personen pro Zeiteinheit, der Übertragungswahrscheinlichkeit und der Dauer der Infektiosität. Daraus leiten sich infektionspräventive Maßnahmen ab: Die Reduktion von Kontaktpersonen, die Isolation Infizierter und die Quarantäne enger Kontaktpersonen reduzieren die Zahl der Kontakte pro Zeiteinheit. Das Tragen von Masken, Abstand halten und das Lüften vermindern die Übertragungswahrscheinlichkeit. Auch eine zunehmende Immunisierung (infolge einer Impfung oder einer durchgemachten SARS-CoV-2 Infektionen) wirkt mindernd auf R, weil dadurch die Anzahl suszeptibler Kontaktpersonen sinkt. Den aus ergriffenen Maßnahmen bzw. einer zunehmenden Immunisierung resultierenden Wert nennt man effektive Reproduktionszahl (Reff).

Bei niedriger Neuerkrankungsrate kann die Reproduktionszahl durch einzelne Ausbruchsgeschehen stark beeinflusst werden und ist dann weniger aussagekräftig. In diesem Fall ist ein Wert über die gepoolten Daten aus mehreren Tagen weniger für Ausreißer anfällig.

5. Inkubationszeit und serielles Intervall

Die Inkubationszeit gibt die Zeitspanne von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung an. In einer Meta-Analyse wurde die mittlere Inkubationszeit auf 5,8 Tage (95% Konfidenzintervall 5,0-6,7 Tage) berechnet (33). Die 95%-Perzentile wurde mit 11,7 Tagen angegeben (95% Konfidenzintervall 9,7-14,2 Tage).

Möglicherweise haben die Virusvarianten Alpha bzw. Delta eine um etwa 1,5-2 Tage kürzere Inkubationszeit als der so genannte Wildtyp, d. h. die Viren, die im Jahr 2020 zirkulierten (34, 35).

Das serielle Intervall definiert dagegen die Zeitspanne vom Beginn der Erkrankung eines ansteckenden Falles bis zum Erkrankungsbeginn eines von diesem angesteckten Falles. Das serielle Intervall hat den Vorteil, dass es bei bekannten Infektor-Infizierten-Paaren leicht zu messen ist. Das serielle Intervall ist allerdings abhängig von der Inkubationszeit, vom zeitlichen Ausmaß der Infektiosität und davon, wie rasch ein infektiöser Fall isoliert wird. Daher ist das serielle Intervall keine stabile Größe, es kann sich z.B. verkürzen, wenn eine Epidemie zunehmend besser unter Kontrolle gebracht wird (36).

6. Manifestationsindex

Der Manifestationsindex beschreibt den Anteil der Infizierten, die tatsächlich erkranken. In der Literatur wird von unterschiedlichen Manifestationsindizes berichtet. Das hängt u. a. damit zusammen, dass asymptomatisch infizierte Personen oft nicht getestet werden. Weiterhin können die Untersuchungssituationen in unterschiedlichen Settings sowie die untersuchten Populationen stark differieren. So könnten beispielsweise jüngere Personen ohne Vorerkrankungen nur einmalig untersucht worden sein, und das u. U. auch nur während einer frühen Phase der Infektion und ohne Kenntnis darüber, ob sich im weiteren Verlauf noch Symptome entwickelten. Manifestationsindizes werden in verschiedenen Übersichtsarbeiten auf 55-85% geschätzt (30, 37, 38).

7. Diagnostik

Die Infektion mit dem SARS-CoV-2 präsentiert sich mit einem breiten aber unspezifischen Symptomspektrum (siehe Abschnitt 9 „Manifestationen, Komplikationen und Folgeerkrankungen“), sodass die virologische Diagnostik die tragende Säule im Rahmen der Erkennung der Infektion, des Meldewesens und der Steuerung von Maßnahmen ist. Umfassende Informationen zur Indikation und Durchführung der Teste sowie zur Bewertung der Ergebnisse finden sich in den „Hinweisen zur Testung von Patienten auf Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2“. Informationen zu Antigentests als ergänzendes Instrument in der Pandemiebekämpfung finden sich im . In der Rubrik "Diagnostik und Teststrategie" (unter www.rki.de/covid-19) finden sich Informationen zur Zahl der durchgeführten Tests und zur Nationalen Teststrategie.
Siehe auch die FAQs des RKI zur Diagnostik.

8. Demografische Faktoren, Symptome und Krankheitsverlauf

Frauen und Männer sind von einer SARS-CoV-2-Infektion etwa gleich häufig betroffen. Männer erkranken jedoch häufiger schwer und sterben laut einer Übersichtsarbeit doppelt so häufig wie Frauen (39, 40).

Zu den im deutschen Meldesystem am häufigsten erfassten Symptomen zählen Husten, Fieber, Schnupfen, sowie Geruchs- und Geschmacksverlust (s. Tab. 2). Der Krankheitsverlauf variiert stark in Symptomatik und Schwere, es können symptomlose Infektionen bis hin zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen und Tod auftreten. Insgesamt sind 1,8% aller Personen, für die bestätigte SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland übermittelt wurden, im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung verstorben (Stand: 23.11.2021).

Ein systematisches Review/eine Metaanalyse zeigt, dass Schwangere, deren SARS-CoV-2 Infektion im Krankenhaus festgestellt wurde, vergleichsweise seltener Symptome wie Fieber, Atemnot und Muskelschmerzen aufweisen (41).

Tabelle 2: Erfasste Symptome für COVID-19-Fälle in Deutschland (Meldedaten, (42))

Husten42%Fieber26%Schnupfen31%Störung des Geruchs- und/oder Geschmackssinns*19%Weitere Symptome:
Halsschmerzen, Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Konjunktivitis, Hautausschlag, Lymphknotenschwellung, Apathie, Somnolenz.

* In Deutschland werden seit der 17. KW 2020 für die COVID-19-Fälle Geruchs- und Geschmacksverlust als Symptome erfasst. In vielen internationalen Studien wurde bei über der Hälfte der Probanden ein Geruchs- und/oder Geschmacksverlust beschrieben (43-45). Diese deutlich höhere Prävalenz resultiert vermutlich aus der intensiveren Ermittlung solcher Symptome unter Studienbedingungen im Vergleich zu den im Meldewesen übermittelten Angaben.

9. Manifestationen, Komplikationen und Langzeitfolgen

COVID-19 kann sich in vielfältiger Weise und nicht nur in der Lunge, sondern auch in anderen Organsystemen manifestieren. Die Manifestationsorte sind u. a. von der Dichte der ACE-2 Rezeptoren in den Geweben abhängig, die dem Virus den Eintritt in die Zelle ermöglichen. Neben direkten zytopathischen (zellverändernden) Effekten werden überschießende Immunreaktionen sowie Durchblutungsstörungen in Folge einer Hyperkoagulabilität (gesteigerte Blutgerinnung) beobachtet (46, 47).

Pulmonale Erkrankungen
SARS-CoV-2 verursacht sehr häufig Atemwegsinfektionen. Meist in der zweiten Krankheitswoche kann sich eine Pneumonie entwickeln, die in ein beatmungspflichtiges ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrome) fortschreiten kann, das u. U. eine Sauerstoffaufsättigung des Blutes außerhalb des Körpers (ECMO) erforderlich macht (48-50).

Neurologische Symptome und Erkrankungen
Zu den neurologischen Symptomen zählen Kopfschmerzen, Riech- und Geschmacksstörungen, Schwindel, Verwirrtheit und andere Beeinträchtigungen (51). Auch neuropsychiatrische Symptome bzw. Krankheitsbilder, SARS-CoV-2 assoziierte (Meningo-) Enzephalopathien und Schlaganfälle, Fälle von Guillain-Barré- und Miller-Fisher-Syndrom sind beschrieben.

Gastrointestinale Symptome
Eine SARS-CoV-2-Infektion kann mit gastrointestinalen Symptomen (Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, abdominelle Schmerzen, Durchfälle) und Leberfunktionsstörungen einhergehen (52, 53).

Herz-Kreislauf-Symptome und Erkrankungen
Eine kardiale Beteiligung ließ sich anhand erhöhter Herzenzyme bzw. Troponin bei einem Teil der Erkrankten nachweisen, darunter auch Kinder und Erkrankte mit mildem oder moderatem Verlauf (54-57). Insbesondere bei schweren Infektionen der Atemwege erleidet eine Reihe von Patientinnen und Patienten kardiovaskuläre Erkrankungen, einschließlich Myokardschädigungen, Myokarditis, akutem Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und venösen thromboembolischen Ereignissen (58, 59). Die pathologisch erhöhte Blutgerinnung geht bei schweren COVID-19-Verläufen mit einem erhöhten Risiko für Thromboembolien, u. a. in den unteren Extremitäten, sowie Lungenarterien- und zerebrovaskulären Embolien und möglichen Folgeschäden einher (60-63).

Nierenerkrankungen
Insbesondere bei schwer erkrankten beatmungspflichtigen COVID-19-Patientinnen und -Patienten wird das Auftreten von akutem, u. U. dialysepflichtigem, Nierenversagen beobachtet (17, 48, 64-71).

Dermatologische Manifestationen
Es ist eine relativ große Bandbreite an dermatologischen Manifestationen beschrieben, die jedoch insgesamt selten sind (0,2-1,2%) (17). Dazu zählen juckende, morbilliforme Ausschläge, Papeln, Rötungen und ein Nesselsucht-ähnliches Erscheinungsbild sowie Hautbläschen und Frostbeulen-ähnliche Hautläsionen. In seltenen Fällen sind schwere Durchblutungsstörungen in den Akren bis hin zum Gangrän beschrieben (72-80). Das Auftreten dieser Hautmanifestationen wird sowohl am Anfang des Krankheitsverlaufs (noch vor anderen bekannten Symptomen) als auch im späteren Erkrankungsverlauf beobachtet.

PIMS
Siehe Abschnitt 17 unter „Komplikationen“.

Hyperinflammationssyndrom
Einige Patientinnen und Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf entwickeln 8-15 Tage nach Erkrankungsbeginn eine Verschlechterung im Sinne eines Hyperinflammationssyndroms, in dessen Folge es zu Multiorganversagen kommen kann, das mit einer hohen Mortalität assoziiert ist. Weitere Informationen hierzu finden Sie .

Ko-Infektionen
Insbesondere schwer erkrankte COVID-19-Patientinnen und -Patienten können unter weiteren Infektionen leiden (48, 56, 64, 81-85). Zu den nachgewiesenen Erregern zählen u. a. Mycoplasma pneumoniae, Candida albicans und Aspergillus spp. Zudem wurden in einigen Fällen Superinfektionen mit multiresistenten Bakterien (z. B. resistente Varianten von Klebsiella pneumoniae (86) oder Acinetobacter baumannii) festgestellt.

Langzeitfolgen
Nach den ersten Hinweisen Mitte 2020 werden mögliche längerfristige gesundheitliche Folgen einer SARS-CoV-2-Infektion intensiv erforscht. Bislang lässt sich kein einheitliches Krankheitsbild abgrenzen und die zugrunde liegenden Mechanismen sind noch nicht klar. Es werden sehr unterschiedliche Symptome berichtet, die über Wochen und Monate fortbestehen, phasenweise wieder auftreten oder auch neu hinzukommen können (87-93). Zu den häufig genannten Beschwerden (allein oder in Kombination) zählen Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit, Kurzatmigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Schlafstörungen, Muskelschwäche und -schmerzen sowie psychische Probleme wie depressive Symptome und Ängstlichkeit. Auch eine Verschlechterung der Lungenfunktion sowie Leber- und Nierenfunktionseinschränkungen, Herzmuskelentzündungen und das Neuauftreten eines Diabetes mellitus werden beobachtet. Die Datenlage bei Kindern und Jugendlichen ist noch eingeschränkt (94).

Die ersten Leitlinienempfehlungen des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) zu Diagnostik und Therapie bezeichnen Krankheitssymptome, die über mehr als 4 Wochen seit SARS-CoV-2-Infektion/COVID-19-Krankheitsbeginn hinaus bestehen, als „Long COVID“ (95). Als „Post-COVID-Syndrom“ werden gesundheitliche Beschwerden definiert, die länger als 12 Wochen nach Infektion bestehen oder nach mehr als 12 Wochen neu auftreten und nicht anderweitig erklärbar sind. Die deutsche “S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID” berücksichtigt zudem ungeklärte Verschlechterungen von vorbestehenden Gesundheitsproblemen und bietet eine erste diagnostisch-therapeutische Orientierung (96). Ergänzend dazu gibt es eine Patientenleitlinie mit Informationen für Betroffene, Angehörige und pflegende Personen (97).

Die vorläufige Arbeitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert POST-COVID-19 als gesundheitliche Beschwerden, die länger (in der Regel drei Monate) nach einer durchgemachten Infektion fortbestehen oder neu auftreten, über längere Zeit (mindestens zwei Monate) andauern oder wiederkehrend auftreten und nicht anderweitig erklärbar sind (98). Für besonders alltagsrelevant hält die WHO Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit, Kurzatmigkeit in Ruhe und Einschränkungen von Konzentrations- und Merkfähigkeit („Brain Fog“). Aufgrund der begrenzten Datenlage ist unklar, ob diese Definition auf Kinder und Jugendliche übertragbar ist.

Die bisherige Studienlage erlaubt keine verlässliche Einschätzung, wie häufig es zu Long-COVID/Post- COVID kommt, zumal sich die Studien hinsichtlich der untersuchten Gruppen, erfassten Symptome und Gesundheitsprobleme und Nachbeobachtungszeiträume unterscheiden. Von stationär behandelten erkrankten Erwachsenen hatten bis zu 76 % noch 6 Monate nach Entlassung ein oder mehrere Symptome (89, 99). Für stationär behandelte Kinder und Jugendliche hatte etwa ein Viertel, insbesondere ältere Kinder und Jugendliche, noch längerfristig mindestens ein Symptom und rund 10 % mehrere Symptome. Bevölkerungsbezogene oder Stichprobenuntersuchungen, die auch leichtere Krankheitsverläufe einbeziehen, schätzen ein geringeres Vorkommen von Langzeitsymptomen nach 12 oder mehr Wochen: zwischen rund 2 % und über 20 % bei Erwachsenen (89, 98-102) und zwischen etwa 2-12 % bei Kindern und Jugendlichen (89, 99, 102-104), wobei die Anteile für ältere Kinder und Jugendliche und für Jungen höher ausfallen. Grundsätzlich wird für alle Altersgruppen ein Rückgang der Symptombelastung über die Zeit beobachtet (100, 103, 105).
Allerdings besteht z.T. eine Arbeitsunfähigkeit über Wochen bis Monate und Krankenversichertendaten zeigen eine häufigere Inanspruchnahme von Leistungen wegen körperlicher und psychischer Neuerkrankungen, einen vermehrten Medikationsbedarf und eine höhere Sterblichkeit (99).

Verschiedenste Aktivitäten und Forschungsprojekte zu chronischen Langzeitfolgen zielen ab auf Verbesserungen bei der Erfassung und Erforschung, sowie bei der Versorgung und bei Unterstützungsangeboten für Betroffene.

10. Dauer der Ansteckungsfähigkeit (Kontagiosität)

Der genaue Zeitraum, in dem Ansteckungsfähigkeit besteht, ist nicht klar definiert. Als sicher gilt, dass die Ansteckungsfähigkeit in der Zeit kurz vor und nach Symptombeginn am größten ist (26, 28, 106, 107) und dass ein erheblicher Teil von Übertragungen bereits vor dem Auftreten erster klinischer Symptome erfolgt (26, 106, 108-112). Zudem ist gesichert, dass bei normalem Immunstatus die Kontagiosität im Laufe der Erkrankung abnimmt, und dass schwer erkrankte Personen mitunter länger infektiöses Virus ausscheiden als Patientinnen und Patienten mit leichter bis moderater Erkrankung (26, 106, 107, 113). Nach derzeitigem Kenntnisstand geht bei leichter bis moderater Erkrankung die Kontagiosität innerhalb von 10 Tagen nach Symptombeginn deutlich zurück (107, 108, 114-117). Bei schweren Krankheitsverläufen und bei Vorliegen einer Immunschwäche können Patientinnen und Patienten auch noch erheblich länger als 10 Tage nach Symptombeginn ansteckend sein (113, 118).

Im Gegensatz zu replikationsfähigem Virus ist die RNA von SARS-CoV-2 bei vielen Erkrankten noch Wochen nach Symptombeginn mittels PCR-Untersuchung nachweisbar (119, 120). Diese positiven PCR- Ergebnisse sind jedoch nicht mit Ansteckungsfähigkeit gleichzusetzen (107, 108, 114, 115, 121).

Die Angaben zur Ansteckungsfähigkeit variiieren. Eine Ursache hierfür ist die uneinheitliche (oder fehlende) Definition des Symptombeginns; außerdem wird eine unspezifische Initialsymptomatik nicht von allen Patientinnen und Patienten als Krankheitsbeginn erkannt und mitgeteilt.
Der derzeitige Kenntnisstand zur Zeitdauer der Ansteckungsfähigkeit basiert auf zwei Arten von Untersuchungen:

1. Epidemiologische (Kontaktnachverfolgungs-)Studien: Aus dem Bezug zwischen Symptombeginn und Übertragungsereignissen lassen sich Rückschlüsse auf das Ausmaß der Ansteckungsfähigkeit im Zeitverlauf der Infektion treffen. Die ermittelte Übertragungsrate wird dabei aber auch durch die Anzahl der Kontakte beeinflusst. Aufgrund von Isolierungsmaßnahmen sinkt diese häufig sobald Symptome auftreten, was die Bestimmung der Ansteckungsfähigkeit nach Symptombeginn erschwert. Studien deuten darauf hin, dass die Ansteckungsfähigkeit an den Tagen vor Symptombeginn, zum Zeitpunkt des Symptombeginns, und in der frühen Erkrankungsphase am höchsten ist. Außerdem zeigt sich, z. T. in Verbindung mit Modellierungen, dass rund die Hälfte der SARS-CoV-2-Transmissionen von prä- und asymptomatischen Personen ohne klinische Beschwerden ausgeht (26, 106, 109-112).

2. Virologische Studien: Eine erfolgreiche Virusanzucht aus Probenmaterial weist auf die Präsenz replikationsfähiger Viren hin. Die positive Anzucht ist daher ein Surrogatmarker für Kontagiosität. Bei präsymptomatischen Personen wurde über eine erfolgreiche Virusanzucht sogar 6 Tage vor Symptombeginn berichtet (108, 122). Dies kann sowohl Ausdruck der unscharfen Definition des Symptombeginns sein oder auf die Möglichkeit mitunter frühzeitiger präsymptomatischer Übertragungen hinweisen. Innerhalb der ersten Woche nach Symptombeginn sinkt die Anzuchtwahrscheinlichkeit ab (107, 122). Bei schwerer Erkrankung oder Immundefizienz besteht jedoch die Tendenz zur längeren Ausscheidung infektiöser Viren, zum Teil über Wochen, oder - bei schwerer Immunsuppression - sogar Monate (118, 123-125). Ob das Lebensalter die Zeitdauer der Ansteckungsfähigkeit beeinflusst, ist bislang nicht abschließend geklärt. Hohes Alter stellt jedoch einen unabhängigen Risikofaktor für die längere Ausscheidung von SARS-CoV-2-RNA dar (119, 126). In Hochrisikosettings wie Altenpflegeeinrichtungen bestehen daher, ebenso wie bei schwerer Erkrankung, gesonderte Empfehlungen zur Isolierungsdauer (127).

11. Zeitintervalle bei der Behandlung

Zeit von Symptombeginn bis Hospitalisierung
Die Dauer bis zur Hospitalisierung wird nicht allein durch den Krankheitsverlauf, sondern auch durch andere Faktoren, wie z.B. der Leistungsfähigkeit und Struktur der medizinischen Versorgung, bestimmt. In einer Untersuchung der ersten COVID-19-Welle wurden Erkrankte im Mittel (Median) nach vier Tagen stationär aufgenommen (42). Studien aus England (n=16.749) und Shanghai (n=249) berichten einen identischen Zeitraum (IQR: 1-8 Tage) (128, 129). Für Patienten mit akutem Lungenversagen wurde ein Zeitraum von sieben (IQR: 2–10) Tagen berichtet (130).

Zeit von Symptombeginn bis Pneumonie und ARDS
In einer Veröffentlichung (chinesische Fallserie [n = 1.099]) betrug die Zeitspanne von Symptombeginn bis Pneumonie vier Tage (IQR: 2–7 Tage), und bis zum akuten Lungenversagen acht Tage (IQR: 6-12) (131).

Zeit von Symptombeginn bzw. Hospitalisierung bis Aufnahme Intensivstation (ITS)
Während der ersten COVID-19-Welle in Deutschland kamen intensivpflichtig Behandelte im Median (IQR: 0-3 Tage) mit der Krankenhausaufnahme auch auf die Intensivstation (42). Die Zeitspanne von Hospitalisierung bis ITS ist im Bericht des ISARIC (International Severe Acute Respiratory and Emerging Infections Consortium) auf Basis von 51.270 Erkrankten aus 42 Ländern im Mittel (Median) mit einem Tag angegeben (IQR: 1-3 Tage) (132).

Dauer des Aufenthalts im Krankenhaus und auf der Intensivstation
In der Untersuchung der ersten COVID-19-Welle in Deutschland betrug die mittlere Gesamtdauer (Median) der Krankenhausaufenthalte 9 Tage, und für ITS-Fälle mit vorhandenen Informationen ebenfalls im Mittel (Median) 9 Tage (Median, IQR: 4-18) (42).

Im Rahmen einer deutschen Sentinel-Erhebung über 1.426 COVID-19-Patienten mit einer akuten respiratorischen Erkrankung wurde eine mittlere Hospitalisierungsdauer (Median) von 10 Tagen angegeben (IQR: 5-19 Tage) (133). COVID-19-Patienten mit einer Intensivbehandlung waren hierbei im Median 16 Tage hospitalisiert (IQR: 8-27 Tage), Patienten mit mechanischer Beatmung für 18 Tage (IQR: 8-31 Tage). Wo eine Intensivbehandlung notwendig war, dauerte sie im Median 5 Tage (IQR: 2-15 Tage), eine mechanische Beatmung dauerte im Median 10 Tage (IQR: 3-19). Patienten ohne Intensivbehandlung oder Beatmung, die nach Hause entlassen werden konnten, waren im Schnitt (Median) 7 Tage hospitalisiert.

In einer Studie mit 10.021 Erkrankten in 920 Krankenhäusern in Deutschland dauerte die Beatmung im Mittel (Median) 13,5 Tage (71).

Zeit von Symptombeginn bis zum Tod
In einer multinationalen Fallserie wird die mittlere Dauer (Median) von Symptombeginn bis zum Tod mit 18 Tagen (134) und in einer Übersichtsarbeit mit 16 Tagen angeben (135). Während der ersten COVID-19-Welle in Deutschland betrug diese Zeitspanne im Mittel (Median) 11 Tage (42).

12. Angaben zu hospitalisierten COVID-19-Erkrankten

Die folgenden Angaben beziehen sich auf immunnaive Erkrankte ohne spezifische Therapie.

Anteil der Hospitalisierten unter den Erkrankten
In einer Analyse der Daten aus dem deutschen Meldesystem (bis Februar 2021) wurden kumulativ ca. 10 % der in Deutschland übermittelten Fälle hospitalisiert (136).

Anteil der Hospitalisierten, die auf Intensivtherapiestationen (ITS) behandelt wurden
In Auswertungen der Daten der ersten und zweiten COVID-19-Welle in Deutschland wurde dieser Anteil auf insgesamt 33 % geschätzt (136). Hierbei gab es jedoch deutliche altersspezifische Unterschiede: während jüngere Altersgruppen unter 15 Jahren nur sehr selten intensivmedizinisch behandelt werden, lag der Anteil bei hospitalisierten COVID-19-Fällen ab 35 Jahren bei mindestens 27 %, und am häufigsten wurden Patienten und Patientinnen in der Altersgruppe 60 bis 79 Jahre intensivmedizinisch behandelt (41 %).

Anteil der beatmungspflichtigen Erkrankten
In einer Analyse der Daten der ersten und zweiten COVID-19-Welle in Deutschland (bis Februar 2021) wurden insgesamt 20 % der hospitalisierten COVID-19-Fälle beatmet. Im Median waren diese Patientinnen und Patienten 73 Jahre alt (136). In einer Analyse von Versichertendaten (bis September 2020) wurden 15 % der hospitalisierten COVID-19-Fälle beatmet und waren im Median 70 Jahre alt (137).

Anteil der invasiv beatmeten Patienten mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO)
Hierzu liegen nur wenige Informationen vor. In einer Studie in den USA wurde bei 10 % der beatmeten Patientinnen und Patienten eine ECMO eingesetzt (138).

Anteil Verstorbener unter Hospitalisierten und ITS-Patienten
Gemäß einer Analyse von Daten der syndromischen Surveillance sind in der ersten und zweiten COVID-19-Welle in Deutschland insgesamt 26 % der hospitalisierten COVID-19-Fälle verstorben, wobei dieser Anteil in der zweiten Welle (27 %) höher lag als in der ersten Welle (21 %) (136, 137). Es zeigten sich große altersspezifische Unterschiede. So verstarben 5 % der Fälle aus der Altersgruppe 35 bis 59 Jahre, jedoch 40 % der Fälle aus der Altersgruppe ab 80 Jahre, und der Altersmedian der verstorbenen Fälle lag bei 82 Jahren. In einer Analyse von Versichertendaten der AOK betrug die Sterblichkeitsrate im Krankenhaus (bis zum 30.06.2020) insgesamt 19 % (137). Sie war mit 50 % bei beatmungspflichtigen Patientinnen und Patienten deutlich höher im Vergleich zu nicht beatmeten Fällen (13 %).

In einer deutschen Sentinel-Erhebung bis April 2020 wurde der Anteil Verstorbener unter hospitalisierten COVID-19-Patientinnen und -patienten, die an einer schweren akuten Atemwegserkrankung litten, mit 21 % angegeben. Von den intensivpflichtigen Erkrankten verstarben 30 %, von den beatmeten 36 % (133).

Aktuelle Fallzahlen zu hospitalisierten, intensivmedizinisch betreuten und beatmeten Patientinnen und Patienten (inkl. ECMO) für das Erwachsenen- und Kindesalter können den Berichten des DIVI-Intensivregister entnommen werden.

13. Fall-Verstorbenen-Anteil, Infektions-Sterbe-Rate, Letalität

Die (i) Letalität ist der Anteil der an COVID-19 Erkrankten, der verstirbt. Andere Indikatoren zur Bewertung des Sterberisikos sind (ii) die Infektions-Sterbe-Rate (der Anteil der Infizierten, der verstorben ist) und (iii) der Fall-Verstorbenen-Anteil (der kumulative Anteil der gemeldeten Fälle, der verstorben ist).

Bei dem regelmäßig vom RKI veröffentlichten Fall-Verstorbenen-Anteil ist zu beachten, dass dieser eine Unterschätzung darstellt, weil ein Teil der aktuell gemeldeten Fälle erst in der Zukunft verstirbt. Dieser Fehler ist aber durch die mittlerweile hohen Fallzahlen relativ klein geworden. Die Infektions-Sterbe-Rate hängt u. a. auch von der Gesundheitsversorgung und Behandlung ab und ist daher international nicht für alle Regionen bzw. Länder und betrachteten Zeitpunkte gleich. Insbesondere wenn die Infektions-Sterbe-Rate nicht für einzelne Altersgruppen, sondern für ganze Bevölkerungen angegeben wird, kann es allein durch die demographische Zusammensetzung große Unterschiede geben.

Alle drei Indikatoren müssen demnach unterschiedlich interpretiert werden. Ihre Werte haben sich im Lauf der Pandemie über die Zeit geändert und sind sehr stark von der Altersgruppe und anderen Faktoren, wie z. B. Vorerkrankungen, abhängig (139, 140). So schwankt die Letalität in den Altersgruppen zwischen nahezu 0 % (jüngste Altersgruppen) bis etwa 10-30 % (80+ Jahre alte Personen; je nach Anzahl der Risikofaktoren (42, 136)).

Es gibt bei der Berechnung jeden Indikators Unschärfen und Schwächen, die berücksichtigt werden müssen. Zum Beispiel reflektieren die Meldezahlen nicht die tatsächliche Zahl der Infizierten und es ist nicht immer korrekt angegeben, ob eine Symptomatik und damit eine Erkrankung vorlag oder nicht. Es kann zudem nicht davon ausgegangen werden, dass alle an COVID-19 Verstorbenen als SARS-CoV-2 bedingte Todesfälle gemeldet werden, z. B., weil bei einem relativ raschen und möglicherweise medizinisch unbegleiteten Krankheitsverlauf kein Test auf SARS-CoV-2 gemacht wurde.

Um die Spannweite der verschiedenen Indikatoren für die gesamte Bevölkerung aufzuzeigen, werden diese im Folgenden vereinfacht orientierend dargestellt:

(i) Näherungsweise Schätzung der Letalität in der 1. Welle: Basierend auf den publizierten Daten zu Verstorbenen (42) errechnet sich, bezogen auf die Fälle mit Angaben zur Symptomatik, eine Letalität von etwa 6,2% (8.616/138.464).

(ii) Näherungsweise Schätzung der Infektions-Sterbe-Rate: Multipliziert man die Zahl der gemeldeten Fälle (Stand 23.11.2021 ca. 5,4 Millionen) mit einem in Studien beobachteten Untererfassungsfaktor von 2-5 (141) (s. auch Abschnitt 20, Untererfassung), so ergibt sich eine Infektions-Sterbe-Rate von etwa 0,4-0,9% (99.433/10,8 Millionen bzw. 99.433/27 Millionen).

(iii) Berechnung des Fall-Verstorbenen-Anteils: bei 99.433 Verstorbenen unter 5,4 Millionen gemeldeten Fällen (Datenstand 23.11.2021) ergibt sich ein Wert von 1,8%.

14. Therapie

Nur ein Teil der COVID-19-Erkrankungen verläuft schwer. Im Zentrum der Behandlung stehen die optimalen unterstützenden Maßnahmen entsprechend der Schwere des Krankheitsbildes (z. B. Sauerstoffgabe, Ausgleich des Flüssigkeitshaushaltes, ggf. Antibiotikagabe zur Behandlung von bakteriellen Ko-Infektionen) sowie die Überwachung von relevanten Grunderkrankungen und ggf. die Anpassung ihrer Behandlung.

Viele verschiedene spezifische Therapieansätze (direkt antiviral wirksam, immunmodulatorisch wirksam) wurden und werden im Verlauf der COVID-19-Pandemie in Studien untersucht. Mit der mittlerweile verbesserten Evidenzlage zu vielen der untersuchten Substanzen konnten bereits weltweit Therapieempfehlungen evidenzbasiert formuliert werden. In Deutschland wurde z.B. inzwischen eine S3-Leitlinie zur „Stationären Therapie von COVID-19-Patienten“ erarbeitet und durch die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) veröffentlicht. Auch auf den Seiten der verschiedenen Fachgesellschaften, sowie auf den Seiten des RKI (www.rki.de/covid-19-therapie) sind weiterführende Informationen und Empfehlungen zur Therapie von COVID-19 zu finden. Dabei ist die richtige der empfohlenen Substanzen zu der jeweiligen Krankheitsphase essentiell. Zu beachten ist jedoch auch, dass es sich bei den meisten der empfohlenen Arzneimittel um Substanzen handelt, die für die Behandlung von SARS-CoV-2-Infektion bzw. COVID-19 noch nicht zugelassen sind und deren Einsatz im Rahmen eines sog. individuellen Heilversuches (bei experimentellen Substanzen ohne anderweitige Zulassung) oder als sog. Off-Label-Use (Anwendung von Substanzen, die für andere Indikationen zugelassen sind) in besonderer Verantwortung mit erweiterter Aufklärungspflicht des Behandlers liegt (siehe auch www.rki.de/covid-19-arzneimittelbevorratung). Eine infektiologische Beratung zur Substanzauswahl sowie zur Diskussion der Einzelfallentscheidungen durch das Infektiologie-Beratungsnetzwerk von STAKOB und DGI wird empfohlen (Kontaktdaten siehe ).

Für Patientinnen und Patienten mit Risiko für einen schweren Verlauf von COVID-19 (s. Abschnitt 15) stehen in der Frühphase der Infektion monoklonale Antikörper gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 zur Verfügung. Die Kombination der monoklonalen Antikörper Casirivimab und Imdevimab wurde am 12.11.2021 in der Europäischen Union zur frühzeitigen antiviralen Therapie sowie zur Prophylaxe in Risikogruppen zugelassen. Die Evidenz aus den bisherigen Studien weist darauf hin, dass ihre Anwendung in der Frühphase der Infektion (innerhalb der ersten 3 Tage und maximal bis zu 7 Tagen nach Symptombeginn) den weiteren Verlauf günstig beeinflussen kann: die Zeit zur Viruselimination wird verkürzt, es wird seltener eine Hospitalisierung erforderlich und die Sterblichkeitsrate ist geringer (142, 143). Diese frühzeitige Behandlungsoption wird ungeimpften und unvollständig geimpften Personen mit vorliegenden Risikofaktoren für einen schweren Verlauf sowie Geimpften bei begründeter Vermutung eines unzureichenden Impfansprechens trotz Prime-Boost-Boost-Immunisierung empfohlen (z.B. bei Immunsuppression) (siehe ). Durch das Bundesministerium für Gesundheit konnten einige dieser monoklonalen Antikörper zentral beschafft und in ausgewählten Apotheken in Deutschland bevorratet werden (siehe hier). Eine Auflistung der bevorratenden Apotheken, der beteiligten Krankenhäuser sowie eine Prozessbeschreibung zum Abruf der Arzneimittel finden sich auf der Internetseite des RKI. Zusätzliche Informationen finden sich auf den Seiten des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Die Evidenz für die Anwendung weiterer antiviraler Arzneimittel in der Frühphase der Infektion (z.B. oralen Substanzen wie Molnupiravir oder Paxlovid) wird derzeit intensiv durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) geprüft. Für andere, bereits zugängliche und in anderen Indikationen zugelassene Substanzen, existiert derzeit keine ausreichende Evidenz, die einen generellen Einsatz außerhalb von kontrollierten Studien rechtfertigen würde.

Für Patientinnen und Patienten mit einem schweren Krankheitsverlauf, der eine Hospitalisierung notwendig macht, stehen inzwischen ebenfalls ausgewählte Arzneimittel zur Verfügung, welche allerdings nur nach einer sehr differenzierten Betrachtung des Einzelfalls angewendet werden sollten (siehe die COVID-19 Seite der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)).

15. Risikogruppen für schwere Verläufe

Dieser Steckbrief dient lediglich als Orientierung und kann nur einen Überblick zu größeren Erkrankungsgruppen bzw. Risikofaktoren geben. Die Vielfalt verschiedener potenziell prädisponierender Vorerkrankungen und ihrer Schweregrade sowie die Vielzahl anderer Einflussfaktoren machen die Komplexität einer Risiko-Einschätzung deutlich. Daher ist eine generelle Festlegung zur Einstufung in eine Risikogruppe nicht möglich. Eine personenbezogene Risiko-Einschätzung im Sinne einer (arbeits-) medizinischen Beurteilung findet sich im Dokument "Umgang mit aufgrund der SARS-CoV-2-Epidemie besonders schutzbedürftigen Beschäftigten" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Wichtige weiterführende Informationen zur Risiko-Einschätzung finden sich auch auf den Internetseiten der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften. Darüber hinaus verweisen wir auf die im Rahmen der Impfpriorisierung von der Ständigen Impfkommission am RKI (STIKO) verfassten Empfehlungen und Dokumente.

Schwere Verläufe können auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung (56, 65) und bei jüngeren Patienten auftreten (144, 145). Bei folgenden Personengruppen werden schwere Krankheitsverläufe häufiger beobachtet:

  • ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50–60 Jahren)
  • Männliches Geschlecht (39, 40)
  • Raucher (17, 146, 147) (schwache Evidenz)
  • adipöse (BMI>30) und stark adipöse (BMI>35) Menschen (148)
  • Schwangere (22)
  • Menschen mit Down-Syndrom (Trisomie 21) (149, 150)
  • Personen mit bestimmten Vorerkrankungen, ohne Rangfolge (148):

    • des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck)
    • chronische Lungenerkrankungen (z. B. COPD)
    • chronische Leber- und Nierenerkrankungen (insbesondere bei Dialysepflichtigkeit)
    • neurologische und psychiatrische Erkrankungen (z. B. Demenz)
    • Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
    • Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung
    • Patienten mit geschwächtem Immunsystem (z. B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht, wie z.B. bei hämatologischen Neoplasien oder bei schlecht kontrollierter HIV-Erkrankung; oder durch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr beeinflussen und herabsetzen können, wie z.B. systemische Kortikosteroide, Methotrexat, Cyclophosphamid, Azathioprin, Antikörper wie Rituximab sowie Immunsuppressiva bei Z.n. Organ- oder Stammzelltransplantation).

16. Ungeborene und neugeborene Kinder

In fast allen Studien wird ein signifikant häufigeres Auftreten von Präeklampsie und Früh-geburtlichkeit (insbesondere im 3. Trimenon) bei infizierten im Vergleich zu nicht-infizierten Schwangeren berichtet. Dabei liegen der vermehrt beobachteten Frühgeburtlichkeit wahrscheinlich medizinische Indikationen zugrunde (22).

Das kindliche Outcome unterscheidet sich bei infizierten und nicht-infizierten Schwangeren nicht wesentlich (41). Allerdings wurde für Neugeborene von Frauen mit COVID-19 ein höheres Risiko ermittelt, nach der Geburt auf einer neonatologischen Intensivstation betreut zu werden, insbesondere bei einem schweren Erkrankungsverlauf der Mutter (22). Die häufigere Aufnahme auf eine neonatologische Station ist wahrscheinlich durch die höhere Frühgeburtsrate bedingt. Das Risiko für Aborte und die neonatale Mortalität sind nicht erhöht.

In einigen Studien wurden ein erhöhtes mütterliches Sterberisiko sowie ein erhöhtes Risiko für Totgeburten beschrieben. Die Studienlage ist hier jedoch nicht eindeutig (22). Zudem ist die Mortalität von SARS-CoV-2-positiven Schwangeren im Vergleich zu SARS-CoV-2-positiven Nicht-Schwangeren nicht erhöht.
Zum Übertragungsweg des Virus von der Mutter auf das ungeborene Kind siehe Abschnitt 2, „vertikale Transmission“.

17. Kinder und Jugendliche

Empfänglichkeit (Suszeptibilität) und Transmission:
Grundsätzlich ist eine Übertragung von SARS-CoV-2 von und innerhalb jeder Altersgruppe möglich. Zwar ist das Transmissionsrisiko durch jüngere Kinder nicht abschließend geklärt, jedoch sind Kinder für SARS-CoV-2 suszeptibel und können auch innerhalb der jeweiligen Altersgruppen übertragen (151-157). Kinder nehmen am Transmissionsgeschehen Teil, und COVID-19-Ausbrüche treten sowohl in Kitas als auch in Schulen auf (158). Neuere Untersuchungen deuten darauf hin, dass Kinder bei der Alpha und Delta Variante eine höhere Empfänglichkeit und Transmission als beim bisherigen Wildtyp aufweisen könnten (159-161).

Infektiosität:
Die Infektiosität im Kindesalter wurde bisher selten untersucht und kann daher nicht abschließend bewertet werden (151-155). Insgesamt scheinen Kinder weniger infektiös zu sein als Erwachsene (152, 153, 155, 162-164). Auf Basis von Haushaltsuntersuchungen gibt es jedoch Hinweise darauf, dass die Empfänglichkeit und Infektiosität von mit der Alpha-Variante infizierten Kindern im Kindergartenalter im Vergleich zu den vorher zirkulierenden Varianten angestiegen ist (159, 165).

Eine Aussage, welche der Altersgruppen innerhalb der Kinder am infektiösesten ist, kann nicht verlässlich gemacht werden (152, 153, 155, 162, 163, 166). Die Studienlage zur Viruslast bei Kindern mit Infektion durch die in 2020 zirkulierenden Wildtyp-Viren ist heterogen, viele Veröffentlichungen werfen methodische Fragen auf. Die Daten einer größeren, qualitativ höherwertigen vorveröffentlichten Studie deuten darauf hin, dass Kinder, insbesondere jüngere Kinder, wahrscheinlich eine niedrigere Viruslast als Erwachsene haben (167). Innerhalb der Gruppe der Kinder gibt es Hinweise darauf, dass die Viruslast von älteren zu jüngeren Kindern abnimmt (167). Asymptomatische Kinder haben vermutlich eine niedrigere Viruslast als symptomatische Kinder (168).

Dabei ist grundsätzlich zu beachten, dass die zur Verwendung kommende Labormethode (PCR) auch in der Lage ist, kleine und sehr kleine Mengen an RNA nachzuweisen. Dies ist jedoch nicht damit gleichzusetzen, dass noch vermehrungsfähiges Virus vorliegt, was wiederum eine Voraussetzung für die Übertragbarkeit ist.

Symptome und Verlauf:
Die Mehrzahl der Kinder zeigt nach bisherigen Studien einen asymptomatischen oder milden Krankheitsverlauf (42, 169-175). So wurden laut Daten der Corona-KiTa-Studie bei etwa 35% der 0- bis 5-Jährigen mit vorhandenen klinischen Informationen keine COVID-19 relevanten Symptome angegeben (176). Bei 65% der Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren wurde mindestens ein Symptom angegeben. In einer Studie der ersten Welle in Deutschland zählten Husten, Fieber und Schnupfen zu den am häufigsten erfassten Symptome (s. Tab. 3).

Tabelle 3: Am häufigsten erfasste Symptome für Kinder und Jugendliche für an das RKI im Rahmen des IfSG übermittelte Fälle während der ersten COVID-19-Welle in Deutschland (42)

0-4 Jahre5-19 JahreHusten40%42%Fieber48%34%Schnupfen23%30%Allgemeinsymptome18%30%Halsschmerzen8,5%8,5%

Geruchs- und Geschmacksverlust wurden seit Meldewoche 17 in 2020 übermittelt. Da sich die Daten auf die erste Welle in Deutschland beziehen, ist dieses Symptom hier nicht dargestellt.

Weitere mögliche klinische Bilder sind Allgemeinsymptome, Halsschmerzen, Atemnot, Magen-Darm-Beschwerden, Pneumonie, oder ARDS. In anderen Studien werden darüber hinaus Symptome wie Myalgie (Muskelschmerzen), Brustschmerzen und Herzrasen, sowie Geschmacks- und Geruchsverlust angegeben (170, 171, 173, 175, 177-179). Eine Magen-Darm-Beteiligung kommt häufiger vor als bei Erwachsenen, teilweise auch ohne dass respiratorische Symptome vorliegen (53). Es ist auffällig, dass ein erheblicher Teil der Kinder und Jugendlichen nur ein Symptom aufweist. Der Manifestationsindex wird in Studien etwas geringer als bei Erwachsenen beziffert (172, 173, 180). Nur ein sehr kleiner Teil benötigt eine intensivmedizinische Versorgung und wird beatmungspflichtig (173, 175, 181).

Risikofaktoren für einen schweren Verlauf:
Bei den hospitalisierten Kindern sind pulmonale (15%) und kardiale (8%) Vorerkrankungen häufiger registriert worden (182). Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern sind auch schwere Verläufe beschrieben (172, 181-187). In einer europaweiten Studie waren Alter unter einem Monat, das Vorliegen einer Vorerkrankung sowie Anzeichen einer Infektion der unteren Atemwege Risikofaktoren für eine Aufnahme auf die Intensivstation (181). Detaillierte Informationen zu stationären COVID-19 Behandlungen im Kindesalter erfasst ein Survey der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI).

Komplikationen:
In seltenen Fällen entwickeln Kinder ein Krankheitsbild, welches das ECDC als „paediatric inflammatory multisystem syndrome (PIMS)“ in Kombination mit einem „toxic shock syndrome“ (TSS) bezeichnet. PIMS-TSS weist Ähnlichkeit mit dem Kawasaki-Syndrom auf, das bei Kindern im Zusammenhang mit anderen Infektionskrankheiten beobachtet wird, wobei an PIMS erkrankte Kinder meist älter sind (188-191). Der Großteil der Kinder muss intensivmedizinisch versorgt werden. Das Krankheitsbild ist in der Regel gut behandelbar, für Kinder mit komplizierteren Verläufen (z.B. bei Entwicklung von koronaren Aneurysmen) ist die Langzeitprognose unklar. Die Sterblichkeit wird in systematischen Reviews mit 1,7-3,5% beziffert (192, 193). Weiterführende Informationen zu diesem Krankheitsbild werden u. a. auf den Webseiten der DGPI, welche auch einen Survey zu PIMS durchführt, und vom ECDC bereitgestellt.

18. Immunität

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 induziert die Bildung verschiedener Antikörper, die im Median in der zweiten Woche nach Symptombeginn nachweisbar sind (194). Auch neutralisierende Antikörper sind in der Regel am Ende der zweiten Woche nach Symptombeginn nachweisbar (107, 195, 196). Zwar können neutralisierende Antikörper über mehrere Monate nach Infektion nachgewiesen werden (197-200), jedoch nimmt der Titer der neutralisierenden wie auch der Gesamt-IgG-Antikörper, insbesondere bei Personen mit milder oder asymptomatischer Infektion, mit der Zeit wieder ab (201-203). Es ist unklar, zu welchem Grad die Antikörper-Titer mit einem Schutz vor einer Reinfektion oder schweren Erkrankung korrelieren.

Auch die Bedeutung der zellvermittelten Immunreaktion im Rahmen der komplexen Immunantwort gegen SARS-CoV-2 ist noch Gegenstand der Forschung. Bei Erkrankten wurde eine T-Zell-Reaktivität gegen das Spike-Protein (204) sowie gegen weitere SARS-CoV-2-Proteine festgestellt (205, 206), die mit dem Nachweis neutralisierender (206, 207) bzw. Nukleocapsid-Antikörper korrelierten (208). T-Zellen wurden auch bei Infizierten festgestellt, die keine Antikörpertiter aufwiesen und asymptomatisch waren (209). Der Nachweis SARS-CoV-2-reaktiver T-Zellen früh nach Infektionsbeginn ist möglicherweise indikativ für einen leichten Verlauf der Erkrankung (210) und auch der Nachweis sowohl naiver als auch CD4- und CD8-positiver T-Zellen ist mit einem milderen Verlauf assoziiert (211). Für mindestens sechs bis acht Monate nach Symptombeginn konnten Antikörper gegen das Spike-Protein und auch mehrheitlich Spike-Protein-spezifische B-Zellen sowie T-Zell-Reaktivität nachgewiesen werden (212-214).

Die B-Gedächtniszell-Antwort entwickelt sich während der ersten sechs Monate nach Infektion. Bei schweren COVID-19-Verläufen mit Todesfolge wurde eine Hemmung des B-Zell-Reifungsprozesses beschrieben (215). Es ist noch unklar, ob eine solche Störung auch bei milderen Verläufen auftritt. Möglicherweise trägt eine Antigenpersistenz zur Entwicklung der B-Zell-Antwort bei, die bei Reinfektion vor einer erneuten Erkrankung schützt (216). Aktuell werden zahlreiche potentielle immunologische Biomarker zur Detektion einer SARS-CoV-2-Infektion bzw. bezüglich ihrer Eignung für eine Prognoseabschätzung untersucht (217, 218). Darüber hinaus existieren Hinweise, dass sowohl beim Menschen als auch im Tiermodell eine geschlechtsspezifische Immunantwort die Schwere der Erkrankung beeinflusst (219, 220).

Auch wenn die bisherigen Studienergebnisse keine protektive Immunität beweisen, legt der Nachweis potenter neutralisierender Antikörper einen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen mit erhöhter Überlebenswahrscheinlichkeit nahe. Diese Antikörper schützen zumindest partiell vor Reinfektionen mit aktuell zirkulierenden SARS-CoV-2-Stämmen (200, 221).

Eine vorangegangene Infektion mit HCoV kann eine kreuzreaktive Immunantwort sowohl auf B- als auch auf T-Zell-Ebene auslösen. Die Studienlage zur Frage, ob und inwiefern HCoV-Antikörper bzw. kreuzreaktive neutralisierende Antikörper sowie eine kreuzreaktive T-Zellreaktivität möglicherweise einen Schutz vor einer schweren COVID-19-Erkrankung bieten, ist widersprüchlich (222-224).

Erneute Infektionen, bei denen unterschiedliche Virusvarianten nachweisbar waren, werden selten berichtet (225-230). Eine solche Konstellation spricht - in Abgrenzung zu einer länger anhaltenden PCR-Positivität nach Infektion - für eine Reinfektion. Die Definition einer Reinfektion mit SARS-CoV-2 des RKI ist abrufbar unter www.rki.de/covid-19-meldepflicht. Da Reinfektionen bei endemischen Coronaviren (HCoV) vorkommen und die HCoV-Immunität mit der Zeit abnimmt, ist denkbar, dass - möglicherweise unbemerkt - auch Reinfektionen mit SARS-CoV-2 nicht ungewöhnlich sind (231, 232). Untersuchungen an Mitarbeitenden im Gesundheitsdienst ergaben, dass Antikörper nach überstandener SARS-CoV-2 Infektion über mehrere Monate nachweisbar sind und Reinfektionen selten auftreten. Reinfizierte wiesen aber hohe Virusmengen im Nase-Rachenbereich auf und könnten SARS-CoV-2 somit potenziell übertragen, was die Bedeutung und konsequente Einhaltung der Schutzmaßnahmen unterstreicht (233).

19. Impfung

Seit dem 26.12.2020 wird in Deutschland gegen COVID-19 geimpft (www.rki.de/covid-19-impfen). Bislang stehen vier Impfstoffe zur Verfügung (Stand November 2021). Für weitere Impfstoffe sind oder werden Zulassungen durch die Europäischen Arzneimittelbehörde beantragt (FAQs zum Zulassungsverfahren s. FAQs des Paul-Ehrlich-Instituts zum Zulassungsverfahren).

Da initial nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung stand, um den gesamten Bedarf zu decken, wurden prioritär zu impfende Risikogruppen definiert, die eine besonders hohe Vulnerabilität oder ein besonders hohes Expositionsrisiko haben (www.rki.de/covid-19-impfempfehlung).

Eine systematische Aufarbeitung und Bewertung der Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der in Deutschland verfügbaren Impfstoffe sowie der Effektschätzer für schwere COVID-19 Verläufe in den priorisierten Risikogruppen ist in den Wissenschaftlichen Begründungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu finden.

Weiterführende Informationen und Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um die Impfung finden sich hier, sowie ein digitales Impfquotenmonitoring hier. Angaben zu Impfquoten und eine Abschätzung der Impfeffektivität sind zudem im Wochenbericht des RKI zu finden.

20. Besondere Aspekte

„Superspreading“ und „superspreading events“

Superspreading events (SSE) sind Ereignisse, bei denen eine infektiöse Person eine Anzahl an Menschen ansteckt, die deutlich über der durchschnittlichen Anzahl an Folgeinfektionen liegt. In diesem Erreger-Steckbrief werden SSE als Einzelereignisse verstanden, im Gegensatz zu Situationen mit intensiver Übertragung, in denen mehrere Ereignisse, möglicherweise über mehrere Tage, zum Übertragungsgeschehen beitragen.

Für das Auftreten eines SSE sind die folgenden drei Aspekte von Bedeutung: (i) die Anwesenheit eines Superspreaders, (ii) die äußeren Begleitumstände (Setting) und (iii) die Eigenschaften der Exponierten.

Ad (i): die individuelle Infektiosität unterliegt vermutlich einer großen Streuung, so dass wenige Personen sehr infektiös und viele weniger infektiös sind (234). Bei Messungen wurde festgestellt, dass manche Personen besonders viele infektiöse Partikel beim Atmen (235), Sprechen (236) oder Singen (237) emittieren (sogenannte „super-emitter“). Allerdings sind auch intraindividuelle Streuungen bekannt (238). Schließlich muss bei einer infizierten Person auch eine hohe Viruslast vorliegen, um ein SSE auslösen zu können. Generell ist die Viruslast in der Anfangsphase der Infektion höher, außerdem führen die Virusvarianten, die im späteren Pandemieverlauf dominierten (Alpha, Delta-Varianten), möglicherweise zu höheren Viruslasten als der anfänglich zirkulierende Wildtyp (35, 239).

Ad (ii): es gibt Begleitumstände, die eine ungewöhnlich hohe Übertragung begünstigen. Zu diesen gehören vor allem Situationen, in denen sich kleine, infektiöse Partikel (aerosolisierte Partikel) im Raum anreichern. Dazu tragen kleine Räume, keine oder geringe Frischluftzufuhr und ein längerer Aufenthalt in einem Raum mit infektiösen Aerosolen bei (240). Darüber ist die Freisetzung kleiner Partikel generell ansteigend vom Atmen über Sprechen, lauterem Sprechen, Schreien bzw. Singen (4, 236), sowie Aktivitäten mit gesteigerter Atemtätigkeit wie beim Sporttreiben oder bei anderen schweren körperlichen Aktivitäten. Ein weiterer Faktor können extensive soziale Interaktionen und erhöhte Kontaktraten sein.

Ad (iii): auch wenn sich unter den Exponierten besonders viele Personen mit einer erhöhten Empfänglichkeit für eine Infektion befinden (z.B. ältere Menschen ohne Impfung oder mit reduziertem Impfansprechen), kann es zu einer großen Anzahl an Übertragungen kommen.

Klassische Beispiele für SSE sind die SARS-Ausbrüche im Jahr 2003 durch einen infizierten Arzt im Metropol-Hotel in Hong Kong (241) und durch eine einzelne infektiöse Person im Amoy Garden- Wohnkomplex in Hong Kong (242). Zu größeren COVID-19-Ausbrüchen kam es u. a. in Chören (9), in Fitnessstudios (243), bei religiösen Veranstaltungen (244, 245), in fleischverarbeitenden Betrieben (11, 246), während einer Busfahrt in China (247), in einem Nachtclub (248), oder während eines Jugendcamps in den USA (249).

Typische SSE-Settings und Situationen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für Übertragungen sollten vermieden werden. Dazu zählen u. a. Treffen in geschlossenen Räumen bei schlechter Belüftung, Menschenansammlungen und Gespräche ohne Mund-Nasen-Schutz.

Vitamin-D-Versorgung

Eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung ist neben der Bedeutung für die Knochengesundheit wichtig für ein gut funktionierendes Immunsystem. Unter Einwirkung von Sonnenlicht bildet der Körper in der Haut dieses Vitamin selbst. Bei geringem Aufenthalt im Freien sowie in der dunklen Jahreszeit ist dieser Versorgungsweg unzureichend. Risikogruppen für einen Vitamin-D-Mangel sind unter anderem Ältere, Menschen mit stärkerer Hautpigmentierung und Menschen, die sich selten im Freien aufhalten beziehungsweise aufhalten können, etwa weil sie immobil, chronisch krank oder pflegebedürftig sind (siehe auch FAQ zu Vitamin-D).

Schon früh wurde vermutet, dass eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung mit einem geringeren Erkrankungswahrscheinlichkeit bzw. milderen Verlauf einer COVID-19-Erkrankung einhergeht (250, 251). In Beobachtungsstudien zeigten sich Zusammenhänge zwischen einem niedrigeren Vitamin-D-Status unter COVID-19-Erkrankten im Vergleich zu Kontrollgruppen (252, 253). Einige erste randomisierte Kontrollstudien deuten darauf hin, dass sich eine gute Vitamin-D-Versorgung positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken kann (254-256). Eine unabhängige Rolle einer ausreichenden Vitamin-D-Versorgung ist in Hinblick auf Krankheitsverlauf bei COVID-19 nicht abschließend geklärt (257-259). Bis dahin ist es ratsam, die allgemeinen Empfehlungen zur Vitamin-D-Versorgung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die in einer aktuellen Fachinformation zu Vitamin D und COVID-19 zu einer ähnlichen Einschätzung der Datenlage kommen, zu befolgen und sich nach Möglichkeit regelmäßig im Freien aufzuhalten (z.B. Spaziergänge).

Saisonalität

Endemische Humancoronaviren, wie z.B. OC43 oder NL62, verbreiten sich wie viele andere saisonale Viren akuter Atemwegserkrankungen besser in der kalten Jahreszeit (260, 261). In unterschiedlichen Klimazonen ist Saisonalität unterschiedlich stark ausgeprägt: während auf der Nord- und Südhalbkugel die Jahreszeiten und damit auch stärkere saisonale Effekte beobachtet werden, lassen sich in (sub-)tropischen Regionen weniger starke Effekte feststellen (261, 262).

SARS-CoV-2 ist ein neu aufgetretener, pandemischer Erreger, der auf eine suszeptible Bevölkerung trifft, so dass starke Übertragungsdynamiken über das ganze Jahr hinweg möglich sind. Dennoch beeinflusst das Zusammenspiel von Faktoren, welche die Saisonalität bei anderen saisonalen Viren bedingen, wahrscheinlich auch den Verlauf der SARS-CoV-2 Dynamik (unabhängig von der Grundimmunität in der Bevölkerung): z. B. Umweltfaktoren (Temperatur, Sonnenlicht/UV-Strahlung, Wind, Luftfeuchtigkeit), Infektionssettings (innen vs. außen), menschliches Verhalten, Immunstärke, oder der Vitamin D Status (260, 261, 263, 264).

Auf Basis des Zusammenspiels dieser Faktoren ist die Übertragungsdynamik im Winter tendenziell stärker und im Sommer abgeschwächt. Bei fehlender Grundimmunität in weiten Teilen der Bevölkerung sind größere Ausbrüche aber auch im Sommer möglich, was Maßnahmen zur Pandemieeindämmung zu jeder Jahreszeit notwendig macht (262, 265).

Untererfassung

Die veröffentlichten Fallzahlen basieren auf den im Meldesystem gemäß Infektionsschutzgesetz erfassten COVID-19-Fällen. Veröffentlicht werden gemäß RKI- nur laborbestätigte COVID-19-Fälle (per Nukleinsäure-Amplifikationstest oder Virusisolierung), unabhängig vom Vorliegen klinischer Symptome. Die Vollzähligkeit der Erfassung hängt von verschiedenen Faktoren ab, so beispielsweise von der medizinischen Versorgung, also u. a. davon, wie viele Personen eine Arztpraxis bzw. eine Teststelle aufsuchen und wie viele Laboruntersuchungen durchgeführt werden. Da asymptomatische und milde Verläufe auftreten ist davon auszugehen, dass nicht alle Infizierten einen Arzt bzw. eine Ärztin aufsuchen oder ein Labortest veranlasst wird. Auch spielt die Fallfindung durch die Gesundheitsämter im Rahmen von Ausbruchsuntersuchungen und der Kontaktpersonennachverfolgung eine wichtige Rolle.

Im Rahmen von Antikörperstudien mit Zufallsstichproben der Allgemeinbevölkerung (seroepidemiologische Studien) kann der Anteil der Personen geschätzt werden, die tatsächlich eine Infektion durchgemacht haben. Es ist aufgrund der variablen Sensitivität der Nachweisverfahren jedoch möglich, dass auch Antikörperstudien den Anteil der Infektionen unterschätzen (266).

Seroepidemiologische SARS-CoV-2 Studien wurden in Deutschland in der ersten Covid-19-Welle und im Sommer 2020 vor allem in Hotspots, d.h. in Orten oder Regionen mit hoher Inzidenz durchgeführt. Sie zeigten eine Untererfassung der Fälle um den Faktor 4 bis 5 (zusammengefasst in (141)), demzufolge wird geschätzt, dass es etwa 4 bis 5-mal so viele SARS-CoV-2-Infizierte gab, als für diesen Zeitraum nach Infektionsschutzgesetz an die Gesundheitsämter gemeldet wurden. Die seit dem Herbst 2020 vorliegenden Ergebnisse seroepidemiologischer SARS-CoV-2 Studien aus Deutschland zeigen eine niedrigere Untererfassung, in der Mehrzahl der Studien um etwa den Faktor zwei, in einigen Studien um den Faktor drei bis fünf (141). Dies kann als Zeichen für ein im Untersuchungszeitraum erfolgreiches Zusammenwirken von Teststrategie, Gesundheitswesen und öffentlichem Gesundheitsdienst gewertet werden. Einschränkend ist hier eine im Vergleich zu Beginn der Pandemie in den meisten Studien niedrigere Teilnahmerate zu nennen.

Tenazität und Inaktivierung des Virus

Die Tenazität beschreibt die Widerstandsfähigkeit eines Mikroorganismus gegenüber äußeren Einflüssen. Aufgrund der strukturellen Ähnlichkeit der beiden Viren SARS-CoV und SARS-CoV-2 liegt es nahe, die umfangreicheren Daten zu SARS-CoV der Tenazitäts-Beurteilung von SARS-CoV-2 zu Grunde zu legen. Inzwischen liegen auch Daten zu SARS-CoV-2 vor, die diese Annahmen bestätigen (267).

Grundlegend für die Bewertung der Tenazität ist der Nachweis infektiöser Viruspartikel, deren Vorhandensein und Infektiosität durch Isolation und Anzucht in der Zellkultur bestätigt werden muss (im Gegensatz zum Nachweis einzelner Komponenten des Virus, wie z.B. der Virus-RNA zum Nachweis einer zurückliegenden Kontamination).

Dabei sind Daten aus unterschiedlichen Laboruntersuchungen zur Stabilität von Viruspartikeln auf kontaminierten Materialien z. T. schwer vergleichbar, da sie mit unterschiedlichen Methoden und unter unterschiedlichen Bedingungen durchgeführt wurden. Die Menge der aufgetragenen Viruspartikel, die Nachweisgrenze der verwendeten Methode, die Anschmutzung (d.h. die Einbettung des Virus in Proteine oder Serum (268, 269)) sowie Umgebungsbedingungen wie Temperatur oder relative Luftfeuchtigkeit tragen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellt umfangreiche Informationen zu SARS-CoV-2 auf Oberflächen zur Verfügung.

Stabilität auf Oberflächen
In mehreren Untersuchungen wurde SARS-CoV-2-RNA auf verschiedenen Flächen in der Umgebung von COVID-19-Patienten gefunden (270-273). Vermehrungsfähige Viruspartikel wurden außerhalb des Gesundheitswesens nur einmal von der Verpackung einer tiefgekühlten Ware isoliert (274). Eine Transmission von SARS-CoV-2 über kontaminierte Oberflächen wurde außerhalb des Gesundheitswesens bisher nicht belegt.

Labordaten weisen darauf hin, dass SARS-CoV-2-Viruspartikel bei geringerer Umgebungstemperatur bzw. relativer Luftfeuchtigkeit stabiler sind (275, 276). Eine Studie hat die Oberflächenbeständigkeit von SARS-CoV-2 bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 40-50 % bei verschiedenen Temperaturen untersucht. Es konnte gezeigt werden, dass das Virus bei 4 °C auf Geldscheinen bis zu 96 Stunden vermehrungsfähig bleiben kann; bei Raumtemperatur (RT) war das Virus dort nur noch 8 Stunden und bei 37 °C nur noch 4 Stunden stabil. Auf Kleidung war bei 37 °C nur bis zu 4 Stunden vermehrungsfähiges Virus nachweisbar (277).

Bei starker Kontamination, also wenn ein großer Virustiter aufgetragen wird, zeigt SARS-CoV-2 auf glatten Materialien eine höhere Stabilität als auf porösen Strukturen (276, 278, 279). So wurde beispielsweise in einer Studie unter Innenraumbedingen auf Edelstahl und Plastik bis zu 72 Stunden vermehrungsfähiges SARS-CoV-2 detektiert, wohingegen auf Karton nur bis zu 24 Stunden vermehrungsfähiges Virus nachweisbar war (267). Unter für die Virusstabilität optimalen Bedingungen (20°C, dunkel, glatte Oberfläche, geringe Luftfeuchtigkeit, hoher aufgetragener Virustiter) können SARS-CoV-2 Viruspartikel bis zu 28 Tage auf glatten Oberflächen infektiös bleiben (280).

In einer vergleichenden Untersuchung konnte keine unterschiedliche Oberflächenstabilität zwischen verschiedenen Virusvarianten festgestellt werden (281).

Stabilität in Aerosolen
Unter Laborbedingungen waren in künstlich generierten und mit SARS-CoV-2 angereicherten Aerosolen vermehrungsfähige Viren auch nach drei Stunden noch nachweisbar (267, 282) (siehe Abschnitt 2 „Übertragungswege“).

Stabilität in Flüssigkeiten
In Flüssigkeiten weist das Virus eine relativ hohe Beständigkeit bei unterschiedlichen Temperaturen auf. Neben der verwendeten Flüssigkeit bedingt die Konzentration der Viruspartikel, aber auch die Eigenschaften einzelner Virusvariationen und nicht zuletzt die Untersuchungsmethode Unterschiede in der ermittelten Temperaturbeständigkeit. Untersuchungen zu SARS-CoV-2 in flüssigem Nährmedium haben gezeigt, dass bei 4 °C noch nach 14 Tagen infektiöses Virus nachweisbar war, wohingegen bei 70 °C das Virus innerhalb von 5 Minuten inaktiviert war (278). In mit SARS-CoV-2 versehenem menschlichen Nasensekret und Auswurf lag die Virushalbwertzeit bei 4 °C bei maximal 7 Stunden und bei Raumtemperatur bei maximal 3,7 Stunden (283).

UV-Beständigkeit
Zu einer inaktivierenden Wirkung von UV-Licht liegen unterschiedliche Daten zu SARS-CoV vor. Bei Anschmutzung kann das Virus durch kurzwellige UV-C-Strahlung nur geringfügig inaktiviert werden (269, 284). Eine Virussuspension von SARS-CoV-2 ohne Proteinbelastung konnte unter experimentellen Bedingungen durch UV-C-Strahlung bei einem Abstand von 3 cm innerhalb von 9 Minuten inaktiviert werden (285).

In einem Laborexperiment wurden SARS-CoV-2-haltige Aerosole aus künstlichem Speichel und aus Zellkulturmedium generiert und simuliertem Sonnenlicht mit UV-A- und UV-B-Spektrum ausgesetzt. Das Virus wurde bei starker Bestrahlung (vergleichbar mit direktem, intensiven Sommersonnenlicht im Freien) im Durchschnitt innerhalb von 8 Minuten bis zu 90 % inaktiviert, wohingegen das Virus ohne den Einfluss von simuliertem Sonnenlicht (Innenraumbedingungen) erst nach 286 Minuten zu 90% inaktiviert vorlag (282).