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Chronisch totale Okklusion (CTO)Sie befinden sich hier:CTO Programm
Eine chronische totale Okklusion (CTO) wird durch den kompletten Verschluss einer Koronararterie über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten definiert. Die Prävalenz wird in der Literatur
mit bis zu 30% angegeben. Für die interventionelle Behandlung stellt CTO eine besondere Herausforderung dar und aufgrund der speziellen Anatomie der Läsionen können viele Patienten gar nicht, oder nur chirurgisch, therapiert werden. Spezielle Herausforderungen im Vergleich zur herkömmlichen Intervention sind einerseits die Drahtpassage und die Stentimplantation sowie andererseits der vergrößerte spezifische Materialaufwand und die verlängerte Untersuchungs- bzw. Interventionsdauer. Die
technische Komplexität mit hohem Anspruch an den Untersucher, die anfallenden Kosten (Material, Personal, Untersuchungszeit) und eine erhöhte Misserfolgsrate führten historisch zu verminderten Revaskularisationsversuchen. AnsprechpartnerInhaltsverzeichnisPräambel
PräambelDie perkutane Koronarintervention von chronischen Koronarverschlüssen (CTO-PCI) zählt zu den komplexesten und technisch aufwendigsten Eingriffen in der modernen interventionellen Kardiologie. Hinsichtlich der Indikationsstellung zur Revaskularisation gibt es in der Fachwelt bis heute unterschiedliche Meinungen. Randomisierte Daten konnten zwar eine symptomatische Verbesserung, aber bisher keine Mortalitätssenkung nach erfolgter Koronarintervention zeigen. Umso entscheidender ist die richtige Patientenauswahl verbunden mit einer niedrigen periinterventionellen Komplikationsrate. Um dies zu gewährleisten, hat sich die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DKG) entschieden, ein Positionspapier für alle in Praxen und Krankenhäusern tätigen Kardiologen, insbesondere aber auch für alle interventionellen Kardiologen zu verfassen. 1. EinleitungIn den letzten beiden Jahrzehnten wurden die interventionelle Therapie mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) von chronischen Koronarverschlüssen (CTO = chronische totale Okklusion, englisch: „chronic total occlusion“) durch neue Techniken und Technologien immer weiter verbessert. Durch die wissenschaftlichen, internationalen Kooperationen und den anhaltenden Austausch von Informationen und über Techniken bei nationalen und internationalen Kongressen kam es zu einer stetigen Optimierung von CTO-PCI-Techniken und zu einer Reduktion der Komplikationsraten. Zudem führte die neue Generation von medikamentenbeschichteten Stents in Kombination mit intravaskulärer Bildgebung und optimaler Pharmakotherapie zu einer Reduktion von harten klinischen Endpunkten. Mittlerweile ist die interventionelle Behandlung der CTO mit ihren eigenen Nomenklaturen, speziellen Materialien, eigenen Trainingsanforderungen, weltweiten Netzwerken und vielen internationalen Live-Demonstrationskursen längst zu einer eigenen Subspezialität der interventionellen Kardiologie geworden. DefinitionCTO werden als Verschlüsse der großen epikardialen Koronargefäße ohne antegraden Fluss (definiert nach der Thrombolysis in Myocardial Infarction[TIMI]-Klassifikation: Grad 0 Fluss) und mit einer Verschlussdauer von mehr als 3 Monaten definiert [1]. Die proximale Kappe der CTO ist hierbei frei von Thromben und ohne Nachweis eines stehenden Kontrastmitteldepots. Dadurch sind eine instabile Plaqueruptur und eine katheterinduzierte, iatrogene Koronardissektion ausgeschlossen. Bei den allermeisten CTO liegt eine Kollateralisierung des Koronargefäßes distal des Verschlusses vor, die in aller Regel mittels kontralateraler Kontrastmittelapplikation gut dargestellt werden kann. Hinsichtlich der technischen Komplexität der interventionellen Rekanalisation ist hierbei die Abgrenzung der CTO von „funktionellen Verschlüssen“, die noch einen residuellen antegraden TIMI I-Fluss aufweisen, wichtig. Bei einer länger als 3 Monate zurückliegenden Koronarangiographie mit nachgewiesenem Verschluss kann definitiv von einer CTO ausgegangen werden. Schwieriger ist es allerdings, wenn keine Angiographie vorliegt. Hierbei gibt nur der Beginn anamnestisch geschilderter Symptome Aufschluss in Bezug auf die Dauer der CTO. Prävalenz der CTOEine eindeutige Aussage zur Prävalenz von CTO kann nicht getroffen werden und wird in Studien unterschiedlich angegeben. Allerdings werden CTO bei invasiven Koronarangiographien im klinischen Alltag nahezu täglich angetroffen. In einem großen kanadischen multizentrischen Register, in das 14.439 Patienten mit Koronarangiographie eingeschlossen wurden, fand sich in 14,7 % der Patienten eine CTO [2]. Noch häufiger wird eine CTO nach aortokoronarer Bypass(ACB)-Operation vorgefunden (in mehr als der Hälfte der Patienten [54 %]). Bei Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt wurde in 10 % der Patienten eine begleitende CTO verifiziert, wobei gerade dieses Patientenkollektiv durch eine deutlich erhöhte kardiovaskuläre Mortalität charakterisiert ist [3]. In dem prospektiv angelegten schwedischen SCAAR-Register (Swedish Coronary Angiography and Angioplasty Registry) wurden von Januar 2005 bis einschließlich Januar 2012 über 276.931 Koronarangiographien von 215.836 Patienten analysiert [4]. Nach Ausschluss von Patienten mit akutem Myokardinfarkt und vorangegangener ACB-Operation hatten 16,0 % des verbliebenen Kollektivs mit diagnostizierter koronarer Herzerkrankung (KHK) eine CTO. Ischämieprävention durch KollateralgefäßeIn der Regel sind bei einer CTO zusätzlich feine Kollateralgefäße vorhanden. Dieses Kollateralnetz kann unter Ruhebedingungen die Sauerstoffversorgung in das Myokardareal, das eigentlich von der CTO-Arterie versorgt werden sollte, gerade noch gewährleisten. Dadurch können Myokardnekrosen verhindert werden. Zudem werden die metabolische Versorgung des Myokards und die Kontraktilität in Ruhe aufrechterhalten. Die funktionelle Reserve der retrograden Durchblutung über die Kollateralen reicht in der Regel jedoch nicht aus, um eine relevante Koronarischämie etwa unter Belastung zu verhindern [5,6,7,8]. Die Kollateraldurchblutung ist hierbei durch einen wesentlich geringeren retrograden Perfusionsdruck bis etwa 50 mm Hg charakterisiert, der wiederum zu einer funktionellen Verkleinerung und allgemeinen Unterschätzung des Durchmessers des distalen Gefäßabschnitts nach dem CTO-Segment führt [9]. Dabei besteht keine Korrelation zwischen dem Ausmaß und der Größe der Kollateralen, die weder ein Indikator für eine vorhandene Vitalität noch für eine ausreichende Sauerstoffversorgung unter Belastung sind [6]. Ausgeprägte Kollaterale können auch bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt bzw. bei großen akinetischen Myokardarealen vorhanden sein. Dies impliziert somit die Notwendigkeit für eine Vitalitätsdiagnostik insbesondere bei akinetischen Arealen und für eine Ischämietestung in Abhängigkeit des Beschwerdebildes vor Durchführung einer CTO-PCI. Darüber hinaus ist eine genaue präinterventionelle Analyse des Kollateralsystems im Hinblick auf die technische Durchführbarkeit einer retrograden CTO-PCI obligat [10,11,12]. 2. Indikationsstellung der CTO-PCI im Vergleich zur ACB-OperationFolgt man den Leitlinien der europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) zur Myokardrevaskularisation aus dem Jahr 2018 [13], sollte die Indikation zur Behandlung einer CTO im Wesentlichen der von nichtokklusiven Koronarstenosen entsprechen. Die Empfehlung für die CTO-PCI hat hier einen Empfehlungsgrad II mit einem Evidenzgrad B. Jedoch müssen aufgrund der Komplexität des Eingriffs bestimmte Voruntersuchungen und Befunde vorausgesetzt werden (s. Tab. 1). Zunächst sollte der betroffene Patient unter KHK-typischen Symptomen wie typischer Angina pectoris oder Dyspnoe in Ruhe oder Belastung leiden. Die Symptome sollten trotz optimaler medikamentöser, antianginöser Therapie weiter nachweisbar sein. Bei fehlenden Symptomen wurde bisher der Nachweis einer relevanten Myokardischämie von mindestens 10 % verlangt, die zuvor durch moderne invasive oder nichtinvasive Bildgebung (z. B. durch Stress-MRT, PET-CT, Myokardszintigraphie bzw. Stressechokardiographie) dokumentiert sein muss. Allerdings konnte der kürzlich publizierte ISCHEMIA-Trial keine Prognoseverbesserung auch bei relevanter Myokardischämie durch eine Myokardrevaskularisation zeigen [14]. Ob die Ergebnisse der ISCHEMIA-Studie auch auf CTO-Patienten zutreffen, wird in 2 derzeit rekrutierenden, großen randomisierten Studien untersucht, dem ISCHEMIA-CTO-Trial (Nordic and Spanish Randomized Trial on the Effect of Revascularization or Optimal Medical Therapy of Chronic Total Coronary Occlusions With Myocardial Ischemia; NCT03563417) und der NOBLE-CTO Studie (Nordic-Baltic Randomized Registry Study for Evaluation of PCI in Chronic Total Coronary Occlusion; NCT03392415). Tab. 1 Indikationsstellung für die CTO-PCI Full size table Weitere Voraussetzung für jede CTO-PCI ist der Nachweis von vitalem Myokardgewebe im CTO-Versorgungsbereich. Hierfür reicht in der Regel der echokardiographische Nachweis von Kinetik. Im Falle einer ausgeprägten Akinesie sollte dann ergänzend eine Vitalitätsdiagnostik (z. B. durch ein Kardio-MRT) durchgeführt werden, um den transmuralen Narbenanteil zu bestimmen (i. e. < als 50 %). Über den Nutzen der operativen Myokardrevaskularisation einer CTO durch eine ACB-Operation mit Anastomosierung distal des CTO-Segments sind kaum aktuelle Daten verfügbar. Häufige, für die operative Komplettrevaskularisation limitierende Faktoren sind gerade das Vorhandensein einer CTO, Bifurkationsstenosen, diffuse KHK inklusive schmalkalibriger Gefäße, instabile Angina pectoris und mehrfache sequenzielle Koronarstenosen [15]. Ein Venengraft der Vv. saphenae auf dünne, diffus erkrankte Koronargefäße ist mit einer höheren Rate von Bypassverschlüssen in der Folge assoziiert. Darüber hinaus sind nicht immer ausreichend viele Bypassconduits verfügbar, um hier alle notwendigen Zielgebiete zu anastomosieren. Für die Revaskularisation im CTO-Gebiet wird häufig noch das Konzept der „angemessenen“ inkompletten Revaskularisation vertreten, das zum Teil jedoch auf älteren Daten beruht, die keinen Überlebensnachteil infolge der konservativen Therapie von Nicht-RIVA-Territorien erbrachten [16,17,18]. 3. Expertise in der interventionellen Behandlung von CTODie interventionelle Behandlung der CTO setzt eine ausreichende und jahrelange Erfahrung in der Behandlung von komplexen Koronaranatomien und -läsionen voraus. Die CTO-PCI ist durch die damit verbundenen zusätzlichen Materialkenntnisse und speziellen Techniken zu einer eigenen Disziplin der interventionellen Kardiologie geworden und sollte nur von sehr erfahrenen, speziell dafür trainierten Operateuren durchgeführt werden. Die Europäischen Leitlinien zur Myokardrevaskularisation [13] nehmen zur Behandlung von „Hoch-Risiko“-Interventionen spezifisch Stellung. Hierbei sollten komplexe Eingriffe wie die PCI am letzten verbliebenen – entweder funktionell oder anatomisch offenen – Koronargefäß, von Hauptstamminterventionen sowie die Behandlung von CTO nur von erfahrenen Operateuren in Zentren mit der Möglichkeit zur Herz-Kreislauf-Unterstützung und intensivmedizinischer Überwachung erfolgen (IIa, C Empfehlung). Die Mindestvoraussetzungen für einen selbstständigen CTO-Operateur bestehen laut eines Konsensusdokuments des europäischen CTO-Clubs (EuroCTO Club) [19] aus mindestens 50 eigenständig durchgeführten CTO-PCI pro Jahr. Spezielle Techniken wie das retrograde Vorgehen oder sog. Dissektions-Reentry-Techniken sollten nur von Spezialisten an Zentren durchgeführt werden. Bei komplexeren Prozeduren sind oft 2 erfahrene CTO-Operateure, zusätzliches Assistenzpersonal und die Unterstützung durch einen Anästhesisten oder Intensivmediziner erforderlich. Zudem muss allen Beteiligten die Indikationsstellung und Notwendigkeit zur Intervention im Vorfeld klar kommuniziert werden. Der letztendliche Erfolg einer komplexeren Prozedur hängt neben der Teamexpertise nicht selten von der Geduld des Operateurs ab. Darüber hinaus sollte sich jeder interventionelle Kardiologe, der die sichere und zuverlässige interventionelle Rekanalisation von CTO erlernen möchte, neben dem selbstständigen Literatur- und Fallstudium mindestens 1‑mal jährlich in Workshops (z. B. im Rahmen der Interventionsakademie der AGIK) fortbilden und einen regelmäßigen Austausch mit erfahrenen Operateuren pflegen. Letzterer impliziert die regelmäßige präprozedurale Besprechung des Patienten, der Planungskoronarangiographie und der möglichen Rekanalisationstechniken, die sich für den individuellen Patienten am besten eignen. Dies ist insbesondere deshalb von großer Bedeutung, weil der CTO-Patient häufig ein Patient mit einem chronischen Koronarsyndrom (CCS) ist, der durch eine lange Krankheitsgeschichte mit vorangeschrittener Komorbidität inklusive arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK), Herz- und Niereninsuffizienz charakterisiert sein kann [20]. Als Hauptansprechpartner für Fort- und Weiterbildung dienen der Arbeitskreis CTO der Arbeitsgruppe interventionelle Kardiologie (AGIK) der DGK (https://agik.de/arbeitskreise/cto/) und der europäische CTO-Club (https://www.eurocto.eu). 4. Wissenschaftliche Rationale: Symptomlinderung versus PrognoseverbesserungEine CTO verschlechtert die Prognose der betroffenen PatientenEs gibt viele retrospektive Registeranalysen, die eine erhöhte kardiovaskuläre Mortalität bei CTO-Patienten belegen [3, 21,22,23]. In dem bereits zuvor dargestellten SCAAR-Register [3] wurden 14.441 CTO-Patienten gegenüber 75.431 Nicht-CTO-Patienten mit einer KHK, definiert als das Vorliegen von mindestens einer über 50 %-Koronarstenose, hinsichtlich ihrer Langzeitmortalität verglichen. CTO-Patienten hatten innerhalb von 3,2 Jahren eine signifikant erhöhte adjustierte Langzeitmortalität, sodass das Vorhandensein einer CTO einen unabhängigen Mortalitätsprädiktor darstellte (HR: 1,29 %, 95 % CI: 1,22–1,37, p < 0,001). In einer Subgruppenanalyse war die Mortalität von Patienten mit stabiler KHK am niedrigsten, während Patienten mit einem akuten Myokardinfarkt die höchste Mortalität hatten. In der HORIZONS-AMI(The Harmonizing Outcomes with RevasculariZatiON and Stents in Acute Myocardial Infarction)-Studie [22] wurden CTO-Patienten mit akutem Myokardinfarkt untersucht. Auch hier war das Vorhandensein einer CTO in multivariablen Regressionsanalysen ein unabhängiger Prädiktor für eine erhöhte Mortalität nach 30 Tagen (HR 2,88, 95 % CI 1,41–5,88, p = 0,004) und nach 3 Jahren (HR 1,98, 95 % CI 1,19–3,29, p = 0,009) [23]. Gerade Patienten mit CTO und koronarer Mehrgefäßerkrankung, die das initiale Infarktereignis überlebt hatten, hatten im Vergleich zu Patienten mit Mehrgefäßerkrankung ohne CTO die höchste Mortalität (10,2 % vs. 4,1 %, p < 0,01). Beim Vorliegen eines kardiogenen Schocks ist eine zusätzlich nachweisbare CTO von prognostischer Bedeutung. Eine kanadische Arbeitsgruppe untersuchte hierfür die 30-Tages-Mortalität von Patienten im kardiogenen Schock infolge eines akuten Myokardinfarktes [24]. In dieser retrospektiven Datenanalyse lag die kardiovaskuläre Mortalität insgesamt bei 40,2 %. Beim Vorliegen einer CTO lag diese sogar bei 65,6 %. Keiner der Patienten mit mindestens 2 CTO und kardiogenem Schock hatte die ersten 30 Tage überlebt. Die CTO war auch in diesem Hochrisikokollektiv ein unabhängiger Mortalitätsprädiktor (HR 1,83, 95 % CI 1,10–3,01, p = 0,02). In der Subgruppenanalyse der prospektiv randomisierten IABP-Schock-II- [25] und Culprit-Shock-Studien [26] wurde der prognostische Nachteil von CTO-Patienten im kardiogenen Schock auch nach 1 Jahr der Nachbeobachtung bestätigt [27]. Besonderes Augenmerk sollte darüber hinaus auf Patienten mit einem erhöhten Risiko für ventrikuläre Tachyarrhythmien gelegt werden. Hier konnten mehrere Registerarbeiten einen ungünstigen prognostischen Einfluss für CTO-Patienten dokumentieren. Die „VACTO Primary“(Ventricular Arrhythmias and Chronic Total Coronary Occlusion)-Studie konnte dabei belegen, dass bei Patienten mit einem implantierbaren Defibrillator (ICD) zur Primärprävention dann vermehrt adäquate ICD-Therapien ausgelöst wurden, wenn sie an einer CTO litten und darüber hinaus eine erhöhte Langzeitmortalität vorwiesen [28]. In der folgenden „VACTO Secondary“-Studie konnte entsprechend nachgewiesen werden, dass auch CTO-Patienten mit sekundär prophylaktisch implantiertem ICD (n = 425) eine signifikant höhere 4‑Jahres-Mortalität (51,7 % vs. 36,3 %; p = 0,001) und eine erhöhte Rezidivrate für ventrikuläre Tachyarrhythmien hatten [29]. Eine weitere Studie bei Patienten nach primärprophylaktischer ICD-Implantation konnte sogar zeigen, dass eine CTO das Risiko für ventrikuläre Tachyarrhythmien und Mortalität bei Patienten mit einem zurückliegenden stummen Myokardinfarkt (i. e. Konzept der „infarct-related CTO artery“) triggern kann [30]. In der zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht veröffentlichen „VACTO Tertiary“ Study gibt es Hinweise, dass sich eine Rekanalisation insbesondere bei einer „infarct-related CTO artery“ als prognostisch vorteilhaft erweisen könnte. Das weltweit größte monozentrische „all-comers“-Register der Mannheimer Arbeitsgruppe (Registry of Malignant Arrhythmias and Sudden Cardiac Death – Influence of Diagnostics and Interventions, RACE-IT) untersuchte den prognostischen Einfluss der CTO bei insgesamt 1416 konsekutiven Patienten (von 2002 bis 2016) mit ventrikulären Tachyarrhythmien und durchgeführter Koronarangiographie im stationären Setting. Hierbei konnte gezeigt werden, dass Patienten mit ventrikulären Tachyarrhythmien und einer CTO (20 %) sowohl mit einer erhöhten Gesamtmortalität nach 18 Monaten als auch mit einer höheren Rate des kombinierten Endpunkts bestehend aus kardialem Tod innerhalb von 24 h nach Indexereignis, Rezidiven von ventrikulären Tachyarrhythmien und adäquaten ICD-Therapien nach 18 Monaten assoziiert waren. Multiple CTO waren innerhalb der CTO-Gruppe häufig nachweisbar (22 %) [31]. Auch innerhalb der Patienten, die mit einem ICD versorgt waren, blieb die CTO mit einem höheren Rezidiv- und ICD-Therapierisiko nach 5 Jahren assoziiert, während eine geringere Kollateralisierung und eine komplexere CTO-Kategorie, gemessen an einem J‑CTO-Score von ≥3, die stärksten Prädiktoren für Rezidive innerhalb der CTO-Gruppe waren (25 % von 422 ICD-Patienten) [32]. Der Einfluss der CTO auf die elektrophysiologischen Veränderungen des Myokards konnte bisher nur in kleineren nicht randomisierten Studien untersucht werden. So konnte eine südeuropäische Arbeitsgruppe zeigen, dass Patienten mit einer „infarct-related“ CTO sowohl größere Narbenareale als auch größere elektroanatomische Grenzzonen („border zones“) vorwiesen und entsprechend ein höheres Rezidivrisiko für ventrikuläre Tachykardien hatten [33]. Im Gegensatz dazu konnte eine japanische Arbeitsgruppe in einem kleinen Patientenkollektiv zeigen, dass sich infolge einer erfolgreichen CTO-PCI diese Grenzzonen verringerten, während sich Bereiche mit erhaltener Leitfähigkeit vergrößerten und Narbenareale unverändert blieben [34]. Einfluss der CTO-PCI auf die Symptomatik und Prognose der betroffenen PatientenInfolge der zunehmenden praktischen Erfahrung und neuer interventioneller Techniken in den letzten beiden Jahrzehnten können erfolgreiche Rekanalisationsraten in bis zu 90 % aller CTO-PCI-Prozeduren erreicht werden [35]. Der wissenschaftlich belegte Nutzen der CTO-PCI bezieht sich hierbei v. a. auf die Verringerung von Symptomen wie typischer Angina pectoris oder Dyspnoe bzw. auf einen möglichen Überlebensvorteil. Vier randomisierte kontrollierte Studien erforschten bisher den Nutzen der CTO-PCI im Vergleich zur konservativen Therapie der CTO in verschiedenen Patientengruppen. Die EXPLORE-Studie (Evaluating XIENCE and Left Ventricular Function in Percutaneous Coronary Intervention on Occlusions After ST-Elevation Myocardial Infarction) untersuchte, ob die zusätzliche PCI einer CTO innerhalb von 7 Tagen nach einem erfolgreich intervenierten ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI) zu einer Verbesserung der linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) und des LV enddiastolischen Volumens (LVEDV) nach 4 Monaten führt [36]. Dabei konnte keine signifikante Verbesserung der LVEF bzw. LVEDV nachgewiesen werden (i. e. mittlere LVEF bei Einschluss 40 %). Die Interpretation der Ergebnisse wird jedoch durch eine geringe CTO-PCI-Erfolgsrate von nur 73 % sowie einer hohen Rate an Crossover-Patienten (23 %) und Patienten mit Tod infolge eines kardiogenen Schocks erschwert. Die multizentrische randomisierte DECISION-CTO-Studie wurde aufgrund ihrer langsamen Rekrutierung vorzeitig beendet (834 von 1284 Patienten eingeschlossen). Sie zeigte nur einen numerischen Vorteil bezüglich der Lebensqualität nach CTO-PCI im Vergleich zur alleinigen optimalen medikamentösen Therapie [37]. Der kombinierte Endpunkt aus Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und erneuter Revaskularisation innerhalb von 3 Jahren unterschied sich trotz der hohen Erfolgsrate der CTO-PCI von 91 % zwischen beiden Gruppen nicht (21,2 % vs. 19 %). Dies wurde als Hinweis für eine Nichtunterlegenheit der alleinigen medikamentösen Therapie gedeutet. Kritisiert wurde diese Studie wegen des vorzeitigen Studienendes, der langsamen Rekrutierung, aber v. a. wegen der zu hohen Crossover-Rate, die zu einer Schwächung der statistischen Aussagekraft führte. Etwa 20 % der Studienteilnehmer im medikamentösen Therapiearm wurden innerhalb der ersten 72 h mittels CTO-PCI behandelt und infolge der geplanten „Intention-to-Treat“-Analyse statistisch dem medikamentösen Arm zugeordnet. Darüber hinaus wurden nichtokklusive Koronarstenosen bei einem Großteil der Patienten erst nach Randomisierung interveniert. Schließlich war die Studie für den prognostischen Mortalitätsendpunkt nicht ausreichend statistisch gepowert, um einen möglichen prognostischen Einfluss der CTO-PCI zu belegen [38]. Zwei randomisiert kontrollierte Studien konnten dagegen bisher die Überlegenheit der CTO-PCI gegenüber der konservativen Therapie im Hinblick auf die Verringerung von Symptomen, myokardialer Ischämielast und Verbesserung der Lebensqualität sowie Belastbarkeit nachweisen. In der multizentrischen Euro-CTO-Studie konnte bei 396 Patienten gezeigt werden, dass nach der Behandlung aller nichtokklusiven Koronarstenosen die zusätzliche CTO-PCI (i. e. Erfolgsrate: 86,3 %) im Vergleich zu einer optimalen medikamentösen Therapie die Anginahäufigkeit und CCS(Canadian Cardiovascular Society)-Klasse verringerte und damit zu einer symptomatischen Verbesserung und der Lebensqualität innerhalb von 12 Monaten führte [39]. Die kleinere IMPACTOR(Impact on Inducible Myocardial Ischemia of PercutAneous Coronary InTervention versus Optimal Medical TheRapy in Patients with Right Coronary Artery Chronic Total Occlusion)-Studie, in die 94 Patienten mit CTO der RCA eingeschlossen wurden, zeigte, dass die CTO-PCI im Vergleich zur medikamentösen Therapie die myokardiale Ischämielast, gemessen im Adenosin-Kardio-MRT, signifikant innerhalb von 12 Monaten senkte und die subjektive Belastbarkeit und Lebensqualität verbesserte [40]. Das Ergebnis der IMPACTOR-Studie deckt sich mit den Ergebnissen einer nicht randomisierten Studie, die eine signifikante Verbesserung der kardiopulmonalen Belastbarkeit innerhalb von 7 Monaten nach erfolgreicher CTO-PCI belegte. Hier konnten neben der Verbesserung der subjektiven Symptomatik objektivierbare, signifikante Verbesserungen der gängigen Parameter der Spiroergometrie (i. e. maximale Sauerstoffaufnahme, anaerober Grenzwert und Sauerstoffpuls) nachgewiesen werden [41]. Zusammenfassend wurde somit der symptomatische Nutzen der CTO-PCI im Vergleich zur alleinigen medikamentösen Therapie in 2 randomisierten Studien belegt. Über den prognostischen Nutzen der CTO-PCI existieren derzeit noch immer keine prospektiv randomisierten Studien, jedoch eine Fülle nicht randomisierter Studien. In diesen werden in der Regel Patienten mit erfolgreicher gegenüber erfolgloser CTO-PCI hinsichtlich verschiedener prognostischer Endpunkte evaluiert. So kann auch das bereits erwähnte SCAAR-Register angeführt werden [3]. Von den zwischen 2005 und 2012 insgesamt 6442 CTO-Patienten waren 54,2 % der Patienten mit erfolgreicher CTO-PCI mit einer geringeren Gesamtmortalität nach 5 Jahren assoziiert (HR: 0,85, 95 % CI: 0,73–0,98, p < 0,034). Auch anhand der United Kingdom Central Cardiac Audit Database konnte ein Überlebensvorteil bei 14.439 CTO-Patienten durch die CTO-PCI (70,6 %) innerhalb von 2,65 Jahren nahegelegt werden (HR: 0,72, 95 % CI: 0,62–0,83, p < 0,001) [42]. Der größte Überlebensvorteil war dabei für die Patienten nachweisbar, die eine komplette Koronarrevaskularisation erhielten (HR: 0,70, 95 % CI: 0,56–0,87, p = 0,002). Unklar bleibt, ob es sich hierbei tatsächlich um einen Behandlungseffekt oder einen Selektionseffekt handelt. Während insbesondere die Euro-CTO-Studie eine Verringerung der Angina pectoris und Verbesserung der Lebensqualität bei Patienten mit normaler LVEF darlegen konnte, ist der prognostische Vorteil der CTO-PCI möglicherweise bei Patienten mit systolischer Herzinsuffizienz belegbar. Der Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Symptomkonstellationen von CTO-Patienten in Abhängigkeit der LVEF wurde kürzlich in einer weiteren nicht randomisierten, multizentrischen Arbeit dargelegt [43]; 839 CTO-Patienten wurden über 16 Monate nachbeobachtet. Die Erfolgsrate der CTO-PCI lag bei 93,6 %. CTO-Patienten mit LVEF von ≥50 % litten eher an Angina-pectoris-Beschwerden als CTO-Patienten mit einer LVEF ≤35 %, die vermehrt an verminderter Belastbarkeit und vermehrter Kurzatmigkeit litten. Gerade bei Patienten mit fortgeschrittener systolischer Herzinsuffizienz wurde durch die CTO-PCI eine Verbesserung der gemittelten LVEF von 29,1 auf 41,6 % nach 6 Monaten erreicht. Eine weitere Arbeit der Bad Krozinger-Arbeitsgruppe konnte darüber hinaus an 2002 konsekutiven CTO-Patienten nahelegen, dass die CTO-PCI sowohl bei Patienten mit einer LVEF > oder ≤40 % mit einer besseren Lebenserwartung innerhalb von 2,5 Jahren assoziiert war (relative Risikoreduktionen, LVEF >40 %: 6,6 % vs. 16,9 %, adjustiert HR 0,48, p < 0,001; Mortalität: LVEF ≤40 %: 26,2 % vs. 45,2 %, adjustiert HR 0,63, p = 0,04) [44]. Komplettrevaskularisation bei koronarer Mehrgefäßerkrankung mit CTO: perkutane Koronarintervention versus operative MyokardrevaskularisationEs gibt ausreichend viele Hinweise, dass Patienten mit einer koronaren Mehrgefäßerkrankung von einer kompletten Myokardrevaskularisation unabhängig vom Revaskularisationsverfahren profitieren. Die größte Metaanalyse beinhaltet Daten von fast 90.000 Patienten aus 35 Studienkohorten, allerdings bereits aus den Jahren 1970 bis 2012 [15]. Die komplette Revaskularisation war assoziiert mit einer 29 %igen Reduktion der Gesamtmortalität (relatives Risiko [RR]: 0,71, 95 % CI: 0,65–0,77, p < 0,001), einer Reduktion der Infarktrate (RR: 0,78, 95 % CI: 0,68–0,90, p = 0,001) und einer geringen Re-Interventionsrate (RR: 0,74, 95 % CI: 0,65–0,83, p < 0,001) innerhalb des Nachbeobachtungszeitraum von 4,6 (±4) Jahren. Ernüchternd war jedoch, dass nur die Hälfte der Patienten komplett revaskularisiert wurde. Die Rate der inkompletten Revaskularisationen war nach PCI deutlich größer als nach einer Bypassoperation (56 % vs. 25 %; p < 0,001). Innerhalb des New York State Registry, das über 21.000 Patienten zwischen 1997 und 2000 eingeschlossen hatte, konnte nur bei einem Drittel der Patienten eine komplette Koronarrevaskularisation durchgeführt werden. Dennoch war diese mit einem verbesserten Langzeitüberleben assoziiert, während das Vorhandensein einer unbehandelten CTO das Überleben verschlechterte (adjustierte HR = 1,35, 95 % CI 1,14–1,59, p < 0,001) [45]. Als Ursache für die inkomplette Revaskularisation wird häufig die CTO angeführt. In einer Subgruppenanalyse der sog. SYTNAX-Studie zur Erfassung der Prädiktoren der inkompletten Revaskularisation war die CTO – nachweisbar bei 20 % aller Patienten – der stärkste Prädiktor für eine inkomplette Koronarrevaskularisation (Hazard Ratio: 2,70, 95 % CI: 1,98–3,67, p < 0,001) [46]. Insgesamt war die Bypassoperation der PCI hinsichtlich einer kompletten Revaskularisation überlegen (52,8 % PCI vs. 66,9 % Bypass). In einer weiteren Subgruppenanalyse konnten die Ursachen einer inkompletten Revaskularisation nach Bypassoperation eruiert werden. Häufigster Grund waren eine instabile Angina pectoris bei Einschluss (OR = 1,42, 95 % CI 1,02–1,98, p = 0,038), ein krankes distales Zielgefäß (<2 mm) (OR = 1,87, 95 % CI 1,31–2,69, p = 0,001) sowie die Anzahl notwendiger Bypassanastomosen (OR = 1,70, 95 % CI 1,53–1,89, p < 0,001) [47]. Leider sind die Daten zu den Offenheitsraten von Bypässen auf CTO-Gefäße sehr rar. Ähnlich wie bei der PCI hängt der Erfolg der operativen Komplettrevaskularisation zusätzlich von der Expertise des Herzchirurgen ab. Da mittlerweile in speziellen CTO-Zentren sehr hohe Erfolgsraten mittels PCI (i. e. >90 %) zu erzielen sind, sollte die CTO per se nicht als einziges Entscheidungskriterium im Hinblick auf PCI oder ACB herangezogen werden. Grundsätzlich sollten Patienten mit einer Mehrgefäßerkrankung und erhöhtem Syntax-Score im Heart-Team besprochen werden. Entsprechend den aktuellen europäischen Leitlinien aus dem Jahr 2018 sollte das Revaskularisationsverfahren priorisiert werden, mit dem die prognostisch vorteilhafte Komplettrevaskularisation tatsächlich erreicht werden kann, also entweder die ACB-Operation, die PCI oder ein Hybridverfahren in Abhängigkeit von Ausprägung und Komplexität der KHK (Empfehlungsgrad IIa, Evidenzgrad B) [13]. Faktoren, die die Durchführung einer koronaren Komplettrevaskularisation ungünstig beeinflussen können, sind in Abb. 1 dargestellt. Abb. 1 Limitierende Faktoren, die die Notwendigkeit der koronaren Komplettrevaskularisation im klinischen Alltag behindern können. ACB aortokoronare Bypassoperation, CTO chronischer Koronarverschluss, LV-Dysfunktion linksventrikuläre Dysfunktion, PCI perkutane Koronarintervention (adaptiert nach [52]) Full size image 5. Ressourcenplanung zur Durchführung der CTO-PCIUm eine CTO erfolgreich und komplikationslos interventionell zu rekanalisieren, ist es wichtig, bestimmte Voraussetzungen im Sinne einer optimalen Ressourcenplanung im eigenen Herzkatheterlabor fest zu etablieren. Der Hauptansprechpartner für CTO – und damit auch der Haupt-CTO-Operateur – sollte dokumentierte, weitreichende, jahrelange praktische Erfahrungen mit der PCI von Notfällen (also den akuten Myokardinfarkten STEMI und NSTEMI) vorweisen, konventionelle und komplexe Koronarinterventionen (an ostialen Läsionen, Hauptstammstenosen, Bifurkationsstenosen, Instent-Rezidiv-Stenosen, diffus und schwer verkalkten Läsionen) sicher beherrschen. Darüber hinaus sollten bestimmte PCI-Techniken sicher beherrscht werden (i. e. Mother-in-Child-Techniken, Anchor-Ballon-Techniken, Trapping-Techniken, Snare-Systeme, Cutting/Scoring-Ballons, Rotablation, intravaskuläres Imaging [im Speziellen mittels IVUS], Coiling, Implantation von gecoverten Stents, Notfallperikardiozentese). Neben der erfolgreichen CTO-PCI-Prozedur muss das erste Ziel eine Prozedur-bedingte Risikoreduktion sein, denn nur dadurch kann der Mehraufwand im Hinblick auf den Patientenbenefit und ökonomischen Aspekt gerechtfertigt werden. Der für das CTO-Programm verantwortliche interventionelle Kardiologe sollte mit anderen erfahrenen CTO-Operateuren gut vernetzt sein, um einen engen und regelmäßigen Erfahrungsaustausch (i. e. in derselben oder anderen Institutionen) pflegen zu können (s. unter Kap. 3). Die organisatorische Ressourcenplanung umfasst mindestens 2 einsatzfähige Herzkatheterlabore in einem CTO-Zentrum, geplante Slots in einem der 2 Labore für eine Mindestdauer von 3 h pro Prozedur, ein eingearbeitetes Team aus mindestens 2 Pflegekräften und ggf. einen zweiten CTO-Operateur bzw. Katheterassistenten. Die CTO-PCI sollte niemals ad hoc, sondern immer geplant und damit elektiv im Team durchgeführt werden. Die patientenbezogene Ressourcenplanung soll die weitreichende Absicherung des Patienten während der Prozedur gewährleisten. Dies bedeutet, dass jeder Patient umfassend aufgeklärt und vorbereitet wird, gerade im Hinblick auf seine Komorbiditäten und die präprozedurale Herangehensweise während der CTO-PCI (i. e. antegrad vs. retrograd). Wichtige Aspekte, die hierbei von Bedeutung sein können, sind notwendige kombinierte arterielle Punktionsorte (bifemoral vs. radial-femoral vs. biradial), Defibrillatorschutz mit Klebepads, Anlage eines Urindauerkatheters oder einer Urinflasche, ggf. die Gabe von Sedativa, periinterventionelle intravenöse Volumengabe, intensivmedizinisches Back-up, erweitertes Monitoring im Falle einer CTO-PCI mit einem Herzunterstützungssystem (i. e. Pulmonaliskatheter, zentraler Venenkatheter, ggf. geplante Intubationsnarkose, Katecholamin-Therapie). Periprozedural sind folgenden Aspekte zu beachten: Die Anwendung effektiver Maßnahmen zum Strahlenschutz umfassen das Auflegen einer Strahlenschutzmatte auf den Patienten, um die Streustrahlenbildung zu reduzieren, eine erhöhte Tischposition, ein regelmäßiges Variieren der Angulationen zur Verhinderung von potenziellen Strahlenschäden, Einblenden, weniger Zoom, Anwendung digitaler Bildbearbeitungstechniken, Durchleuchtungsspeicher, niedrige Bildraten (i. e. 6 bis 7,5 pro Sekunde während der Durchleuchtung und 7,5 pro Sekunde beim Filmen), höhere Bildraten nur bei Bedarf, das Tragen einer Bleischutzbrille, ggf. Bleischutzhaube durch den Operateur. Die Wahl der adäquaten Zugangsschleusen ist essenziell (i. e. mindestens 6 French für einfachere antegrade Techniken, und 7 French für komplexere antegrade Techniken, zudem retrograd ab 6 French und größer, ggf. lange 45-cm-Schleusen zum besseren Back-up und zur Reduktion des Kinkings im Bereich der Iliakalgefäße). Ein kontrastmittelsparendes Vorgehen (i. e. maximale Kontrastmittelmenge 4‑fach der Ausgangs-GFR) und die Auswahl geeigneter Interventionskatheter mit guten Back-up-Eigenschaften (i. e. für RCA Amplatz Left ≥0,75–1,0; für LCA Extra Back-up Katheter ≥3,5) werden empfohlen. Für die materielle Ressourcenplanung stellt Tab. 2 eine Auflistung spezifischer CTO-Materialien zur Verfügung. Unabdingbar ist für jeden CTO-Operateur die genaue Kenntnis über die Eigenschaften, Beschaffenheit und das Rekanalisationsverhalten der einzelnen CTO-PCI-spezifischen Materialien. Das Vorhalten aller Materialien in einem einheitlichen Schranksystem oder mobilen CTO-Wagen ist zu empfehlen. Für die periprozedurale Antikoagulation ist Heparin zu geben mit einem Ziel der „activated clotting time“ (ACT) von über 300 s bei antegraden Prozeduren und >350 s bei retrograden Prozeduren. Die ACT muss regelmäßig mindestens alle 30 min kontrolliert werden. Vor Abschluss der Intervention ist eine Bildgebung mittels IVUS vor und nach Stentimplantation (gerade bei langen Stentstrecken) zur Optimierung des Stentresultates sinnvoll [48, 49]. Tab. 2 Auswahl und Beispiele verschiedener CTO-PCI-spezifischer Materialien Full size table Nach erfolgreicher CTO-PCI sind für das postprozedurale Management folgende Aspekte wichtig: Verordnung der dualen antithrombotischen oder Triple-Therapie entsprechend internationaler Empfehlung (hierbei duale Thrombozytenhemmung in der Regel 6 bis 12 Monate) [20], mehrzeitiger echokardiographischer Ausschluss eines Perikardergusses, intramuralen Hämatoms und Kontrolle der Herzfunktion, postinterventionelles Monitoring ggf. auf der Intensivstation, Kontrolle der renalen Retentionswerte sowie Herzenzymkontrolle, ggf. invasive Kontrollkoronarangiographie nach 6 bis 12 Monaten, Echokardiographie nach 3 bis 9 Monaten zur Verlaufskontrolle der Herzleistung, ggf. Spiroergometrie prä und post CTO-PCI [41]. 6. Die CTO-PCIPlanungsangiographie, Algorithmus, Scoringsysteme, histopathologische MerkmaleUm die Erfolgschancen der CTO-PCI zu steigern, sollte im Vorfeld jeder Untersuchung eine detaillierte Besprechung der technischen Komplexität des Koronarangiographiebefundes im Kontext der klinischen Komorbiditäten des Patienten im Herzkatheterteam erfolgen. Um die CTO anatomisch zu verstehen, ist eine Planungsangiographieaufnahme in simultaner (dualer) Injektionstechnik notwendig [50]. Nur so kann die CTO-PCI mit dem geringsten Risiko für den Patienten und der größten Sicherheit durch den Untersucher und sein Team durchgeführt werden. Die Simultaninjektion sollte technisch einwandfrei unter Beachtung wichtiger Aspekte durchgeführt worden sein (Tab. 3). Hierbei müssen verschiedene Charakteristiken in Augenschein genommen werden, die letztlich über die zu wählende Interventionsstrategie, den zu erwartenden Schwierigkeitsgrad und deren Erfolgsaussichten entscheiden (Abb. 2). Zu diesen Merkmalen zählen insbesondere die Konfiguration der proximalen CTO-Verschlusskappe, der proximale Gefäßabschnitt vor der CTO, die Länge der CTO-Läsion und deren Verlauf sowie die Qualität des distalen Gefäßabschnitts nach dem Verschlusssegment. Darüber hinaus werden alle visualisierten Kollateralgefäße genau betrachtet. Hierbei wird zwischen ipsilateralen, kontralateralen, epikardialen und intramyokardialen/septalen Kollateralverbindungen unterschieden. Zudem werden die Anzahl, Größe und Tortuosität der Kollateralen, deren Ein- und Austrittswinkel sowie -lokalisation beurteilt. Eine gesonderte, detaillierte Analyse muss bei Patienten nach Bypassoperation erfolgen. Dabei können teilweise alte, verschlossene Bypässe als retrograde Option dienen. Es sollten alle verfügbaren, alten Koronarangiographien im Vorfeld der CTO-PCI mit beurteilt und einstudiert werden. Anhand der beurteilten Charakteristiken sowie der weiteren individuellen Koronaranatomie wird dann das interventionelle Vorgehen geplant. Für diesen sehr wichtigen Planungsschritt sollte bei geringerer Erfahrung eine Teambesprechung mit einem erfahrenen, ggf. externen CTO-Operateur durchgeführt werden. Die Abb. 3 fasst die europäischen Empfehlungen [51] in Anlehnung an den modifizierten Hybridalgorithmus für CTO-PCI-Strategien in einem Flow-Chart unter Berücksichtigung der anatomischen Besonderheiten grafisch zusammen. In den letzten Jahren wurden verschiedene Scoringsysteme etabliert, die darüber hinaus den zu erwartenden technischen Schwierigkeitsgrad sowie die technische Erfolgsrate im Vorfeld der Prozedur abbilden (i. e. Euro CTO CASTLE, Progress CTO, J‑CTO-Scores) [52,53,54,55]. Tab. 3 Wichtige Aspekte bei der Durchführung der simultanen (dualen) Injektionstechnik bei der Koronarangiographie zur optimalen Darstellung der CTO und Planung der CTO-PCI Full size table Abb. 2 Anatomische und topografische CTO-Charakteristiken zur Beurteilung der zu wählenden Interventionsstrategie, des Schwierigkeitsgrades und der Erfolgsaussichten. CTO chronischer Koronarverschluss Full size image Abb. 3 Modifiziertes Hybridvorgehen bei der CTO-PCI (adaptiert nach dem EuroCTO Club Konsensus-Dokument 2019 [51]). AWE „antegrade wire escalation“, ADR „antegrade dissection re-entry“, BASE-Technik „Balloon assisted sub-intimal entry“-Technik, CTO chronischer Koronarverschluss, IVUS intravaskulärer Ultraschall, POBA „poor balloon angioplasty“, reverse CART „reverse controlled antegrade and retrograde tracking technique“, RWE „retrograde wire escalation“, RDR „retrograde dissection re-entry“, STAR „subintimal tracking and re-entry technique“ Full size image Wie in Abb. 4 dargestellt, berücksichtigen diese 3 Scoringsysteme in verschiedenen Kombinationen das Vorhandensein eines ACB, das Patientenalter, die Beschaffenheit der proximalen CTO-Verschlusskappe, die Tortuosität des CTO-Verlaufs, die Okklusionslänge und den Nativkalkanteil der CTO, das Vorhandensein interventionell nutzbarer Kollateralgefäße, das CTO-Zielgefäß sowie vorangegangene CTO-PCI-Fehlversuche. Die Homogenität der Scoresysteme und deren prognostischer Nutzen wurden mehrfach belegt [56, 57]. Abb. 4 Scoresysteme zur Beurteilung der Erfolgsrate der CTO-PCI, a CASTLE-Score, b J‑CTO-Score, c Progress-CTO-Score (adaptiert nach [52, 54, 55]). CABG „coronary artery bypass graft surgery“, CTO chronischer Koronarverschluss Full size image Um die morphologischen Charakteristiken der CTO grundsätzlich zu verstehen, hilft die Veranschaulichung histopathologischer Merkmale (Abb. 5). Häufig besteht die antegrade proximale Verschlusskappe der CTO aus fibrotischem oder fibrotisch kalzifiziertem Gewebe mit dichten Kollagenanteilen. Im Verschlusssegment selbst findet sich häufig eher hartes fibrotisch kalzifiziertes Gewebe. Die distale Verschlusskappe der CTO enthält wiederum fibrotisches Gewebe mit Kollagen in geringerer Ausprägung und ist damit in der Regel dünner und weicher als die proximale Kappe. Diese Eigenschaften der distalen Verschlusskappe der CTO sind im Wesentlichen durch die geringeren retrograden Füllungsdrücke bedingt. Ausnahmen können Patienten nach ACB-Operation darstellen. Hier kann die retrograde Kappe nach vielen Jahren infolge des hohen Perfusionsdruckes über den Bypass häufig stark fibrotisch verändert und schwierig zu penetrieren sein. Generell weist die distale CTO-Kappe eine eindeutigere Morphologie als die proximale Kappe auf. Diese Charakteristiken sind für die im Folgenden beschriebenen antegraden und retrograden Vorgehen bei der CTO-PCI von entscheidender Bedeutung. Abb. 5 Morphologische Charakteristiken der CTO Full size image Antegrades VorgehenAntegrade Techniken der CTO-PCI zählen zu den einfachsten und am weitesten verbreiteten Techniken und sind selbst in nicht selektionierten CTO-Kollektiven in 50–70 % der Fälle erfolgreich. Besonders gute Erfolgsaussichten bestehen insbesondere dann, wenn die proximale Kappe konisch endet und mit einem weichen Polymer-beschichteten Draht (d. h. Fielder XT-Serie) penetriert werden kann. Dies ist häufig dann der Fall, wenn die CTO-Läsion nicht länger als 20 mm ist oder ein chronischer In-Stent-Verschluss besteht. Für diese Technik wird stets ein antegrader konventioneller Mikrokatheter (Tab. 2) über einen sog. Workhorse-Draht kurz vor das proximale CTO-Segment geschoben. Daraufhin wird der Workhorse-Draht entfernt und der erste CTO-Rekanalisationsdraht über den liegenden Mikrokatheter vorgebracht. Der antegrade Mikrokatheter stabilisiert den Draht, beugt einem Drahttwist vor, gibt mehr Back-up, erleichtert das Drahtwechseln und verbessert die Steuerbarkeit und damit das Eindringen des CTO-Drahtes an der richtigen Stelle der proximalen Verschlusskappe. Bei der sog. antegraden Drahteskalationstechnik (englisch: „antegrade wire escalation“ [AWE]) wird zunächst der am wenigsten harte CTO-Draht gewählt (z. B. Fielder XT-Serie) (Tab. 2). Nach leichtem Vorbiegen der weichen Drahtspitze wird der Draht durch den liegenden antegraden Mikrokatheter an die proximale Verschlusskappe vorgeschoben. Die Steuerung des Drahtes kann hierbei mit oder ohne Torquer erfolgen. Nach Passieren der Kappe mit der sog. „Sliding“-Technik wird vorhandenes weiches Gewebe durch vorsichtige Rotationen der Drahtspitze sondiert. Dieses Manöver kann bereits zum weiteren Vorankommen innerhalb des CTO-Segments und zur Passage in das distale wahre Lumen führen. Beim Feststecken der Drahtspitze oder wenn kein Drahtvorschub möglich ist, sollte nach kurzen Repositionierungsversuchen auf einen etwas härteren Draht eskaliert werden. Zu diesen zählen z. B. die Gaia- oder Judo-Drähte (Tab. 2). Mit diesen nicht polymerbeschichteten sehr gut steuerbaren Drähten können härtere Kalkanteile innerhalb des CTO-Segments überwunden werden. Hierfür werden kontrollierte, maximal 90-Grad-Drehbewegungen in abwechselnd entgegengesetzte Richtungen am besten mittels Torquer durchgeführt, wodurch der CTO-Draht durch das CTO-Segment manövriert wird. Sieht oder fühlt der CTO-Operateur kein suffizientes Vorankommen des eskalierten Drahtes aufgrund von hoher Kalklast, kann man sich für noch härtere CTO-Drähte mit größerer Penetrationskraft entscheiden. Zu diesen zählen die Drähte der Confianza-Familie (8–12 g) und der Hornet 14 g (Tab. 2). Mittels dieser Drähte können kurze, harte Kalkanteile wie bei einer Nadelpunktion penetriert werden, um distal davon erneut auf einen weicheren CTO-Draht zu deeskalieren („Step-up-Step-down“-Technik). Die beschriebenen Schritte implizieren die Verwendung einzelner CTO-Drähte unterschiedlicher Stärke, die jeweils über den liegenden Mikrokatheter nacheinander eingewechselt werden (i. e. Single-Wire-Technik). Die korrekte Positionierung der Drahtspitze und des proximalen Drahtendes wird in regelmäßigen Abständen über die kontralaterale Gabe von Kontrastmittel geprüft. Eine antegrade Kontrastmittelgabe ist hierbei strengstens untersagt, da diese zu einem großen subintimalen Depot mit ausgeprägter Hämatombildung führen kann. Sollte es im Bereich der distalen Kappe zum Eintritt des Drahtes in den subintimalen Raum gekommen sein, bieten sich die sog. Paralleldrahttechniken an. Zu diesen zählt man die eigentliche „Parallel-Wire“-Technik, die sog. „See-Saw“-Technik und die Doppel-Lumen-Mikrokatheter-Technik. Bei allen Paralleldrahttechniken verbleibt der erste CTO-Draht vor Ort, während ein zweiter härterer Draht zusätzlich verwendet wird. Der erste CTO-Draht dient somit als Markerdraht, der den „Entry“ in das falsche Lumen blockiert bzw. markiert, zudem noch den Gefäßverlauf stabilisiert. Bei der „Parallel-Wire“-Technik wird der erste Mikrokatheter per „Trapping“-Technik vom ersten, im CTO-Segment zurückliegenden Draht entfernt. Der zweite härtere Draht wird – unterstützt durch den nun freien Mikrokatheter – parallel durch das CTO-Segment manövriert. Im Vergleich dazu wird bei der „See-Saw“-Technik sowohl der erste Mikrokatheter mit dem liegenden ersten CTO-Draht belassen und der zweite Parallelversuch mit einem zweiten Draht in einem zweiten Mikrokatheter unternommen. Bei der „Doppel-Lumen-Mikrokatheter“-Technik wird der erste Mikrokatheter über den liegenden ersten CTO-Draht durch einen Doppel-Lumen-Mikrokatheter ausgetauscht, über dessen zweites freies Lumen schließlich ein härterer Draht durch das CTO-Segment manövriert wird. Wenn die antegraden Drahteskalationstechniken nicht zur sicheren intraluminalen CTO-Passage geführt haben und damit frustran verliefen, können antegrade Dissektions- und Reentry(ADR)-Techniken angewandt werden. Diese Techniken erfordern jedoch eine große Erfahrung des Operateurs und sollten niemals nach dem „Try-and-Error“-Prinzip durchgeführt werden. Das Konzept dieser Techniken basiert darauf, den Verschluss nicht in der Plaque („intraplaque“), sondern um die Plaque herum („extraplaque“) zu passieren [58], indem man einen Polymer-beschichteten Draht mittels Schlaufenbildung („Knuckle Wire“) an der CTO vorbei manövriert, um im Anschluss mit einem Re-Entry-Ballon (z. B. „Stingray LP“) den Wiedereintritt in das wahre Gefäßlumen zu schaffen. Voraussetzungen für ADR-Techniken sind unter anderem großkalibrige distale Gefäßabschnitte distal der CTO und lange CTO-Segmente über 20 mm. Diese Technik kommt insbesondere bei stark geschlängelten und massiv verkalkten Verschlüssen zum Tragen. Der Eintritt in den Subintimalbereich kann ballon-, draht- oder kontrastmittelassistiert durchgeführt werden (i. e. sog. „Ballon Assisted Subintimal Entry (BASE)“-Technik, „Scratch and Go“-Technik, „Carlino“-Technik [59]). Nach aktueller Datenlage birgt die ADR-Technik mit dem Stingray-Ballon ein geringeres Risiko als das retrograde Vorgehen [60], darf jedoch nur im Falle ausgewiesener CTO-Expertise und unter Anleitung eines CTO-Proktors erlernt werden. Retrogrades VorgehenDas retrograde Vorgehen bei der CTO-PCI ist v. a. bei den folgenden Situationen sinnvoll: ostiale Verschlüsse, CTO mit einer proximalen stumpfen oder nicht eindeutigen Verschlusskappe, einer von antegrad nicht zu penetrierenden Kappe, CTO mit einer Bifurkation an der distalen Kappe, CTO mit sehr kranken distalen Gefäßabschnitten, lange und stark gewundene, verkalkte CTO-Verläufe über 20 mm, CTO mit zurückliegenden antegraden Fehlversuchen, CTO mit einem unklaren distalen Zielgebiet und für die retrograde „Marker‑“ oder „Kissing-Wire“-Technik. Entscheidender Schritt beim retrograden Vorgehen ist die interventionelle Passage von geeigneten, in der Regel intramyokardialen bzw. septalen Kollateralgefäßen. Dies gelingt mittels spezieller feinerer und flexiblerer Kollateralpassagedrähte (z. B. Sion Black-Draht) und entsprechend dünneren „Low-profile“-Mikrokatheter (z. B. Corsair Pro XS, Caravel, Turnpike LP). Für die Passage septaler Kollateralen kommt entweder die sog. „Septal-Surfing-Technik“ [61] oder die über einen Mikrokatheter applizierte kontrastmittelgeführte Kollateralpassage in Betracht („Tip Injection“). Genaue angiographische Planungsaufnahmen und Referenzbildeinstellungen sind hierbei sehr hilfreich. In Ausnahmesituationen können auch Bypass-Grafts oder epikardiale Kollateralgefäße für das retrograde Vorgehen verwendet werden, obliegen jedoch dezidiert CTO-Operateuren mit großer Erfahrung. Nach erfolgreicher Kollateralpassage mittels retrograden Koronardrahts und Mikrokatheters wird der Kollateralpassagedraht über den liegenden retrograden Mikrokatheter in einen CTO-Rekanalisationsdraht ausgewechselt (z. B. Fielder XT‑R, Gaia-Drähte). Daraufhin erfolgen die Penetration der distalen CTO-Verschlusskappe und die Drahtpassage der CTO von retrograd (s. oben). Dabei gelingt in 20–40 % der Fälle ein direkter retrograder Eintritt („direct retrograde wiring“) in das wahre proximale Gefäßlumen. Sollte retrograd keine Drahtpassage gelingen, kommt das sog. „Reverse controlled antegrade and retrograde tracking“(reverse CART)-Manöver zur Anwendung [62]. Dabei wird über den antegrad liegenden CTO-Draht, dessen distales Ende – wie das des retrograden Drahtes – im CTO Segment liegt, eine antegrade Mikrofenestrierung über einen PTCA-Ballon (Durchmesser 2,0–2,5 mm) durchgeführt. Nach Deflation wird noch während der Ballonretraktion zeitgleich der retrograde CTO-Draht mit Schlaufen(Knuckle)-Bildung über die iatrogen hergestellte Querverbindung (Fenestrierung) nach antegrad in das wahre Gefäßlumen und bestenfalls in den antegraden Führungskatheter vorgeschoben (i. e. DRAFT-Technik [63]). Daraufhin wird der retrograde Mikrokatheter über den retrograden Draht, der per Trapping-Technik im antegraden Führungskatheter passager fixiert wird, zusätzlich in den antegraden Mikrokatheter gebracht. Als letzter Schritt des retrograden Vorgehens folgt dann die sog. Drahtexternalisation [64]. Nach Entfernen des retrograden Drahtes aus dem retrograden Mikrokatheter wird ein 3 m langer Externalisationsdraht über den retrograden Mikrokatheter in den antegraden Führungskatheter gebracht und über das extrakorporale proximale Ende externalisiert [64]. Schließlich können über diesen Draht die Prädilatation und folgende PCI mit Stentimplantation der CTO antegrad durchgeführt werden. In den letzten 2 Jahrzehnten wurden detaillierteste Techniken für diverse Problemsituationen während der CTO-PCI veröffentlicht. Die genaue Ausführung dieser Techniken geht jedoch über den Inhalt dieses Positionspapiers hinaus. Die Autoren verweisen hier ausdrücklich auf weiterführende Literatur der jeweiligen Konsensusdokumente [50, 51, 65, 66] und den bereits vorgestellten modifizierten Hybridalgorithmus (Abb. 3). 7. Erfolgsaussichten, Risiken und Komplikationsmanagement bei der CTO‑PCIDie Erfolgsaussichten der CTO-PCI liegen in den meisten großen CTO-Registern heute bei über 85 %. Im ursprünglich in den USA initiierten PROGRESS-CTO-Register, das über 3122 Prozeduren aus 20 verschiedenen Zentren einschließt, wurde zwischen 2012 und 2017 eine technische Erfolgsrate von 87 % dokumentiert [60]. Ähnliche Ergebnisse fanden sich mit jeweils 86 % technischer Erfolgsrate im amerikanischen OPEN-CTO(Outcomes, Patient Health Status, and Efficiency in Chronic Total Occlusion Hybrid Procedures) [67] und im europäischen RECHARGE(REgistry of Crossboss and Hybrid procedures in FrAnce, the NetheRlands, BelGium and UnitEd Kingdom)-Register [68]. Im japanischen J‑CTO-Register war die Erfolgsrate sogar noch höher und lag bei 89 % [69]. Daten aus dem weltweit größten Register, dem europäischen Euro CTO-Register, mit über 17.000 behandelten CTO-Patienten zeigen einen Anstieg der prozeduralen Erfolgsrate von 79,7 % auf 89,3 % zwischen 2008 und 2015 [70]. Die Inzidenz von Komplikationen wurde hingegen im PROGRESS-CTO-Register am genauesten untersucht. Hierbei lag die periinterventionelle kombinierte Komplikationsrate, bestehend aus Tod, Myokardinfarkt und Re-Intervention, bei 3,0 %. Die Mortalität der interventionellen Behandlung lag bei 0,9 % und die Schlaganfallrate bei 0,3 %. In 1,1 % der Fälle zeigte sich ein periinterventioneller Myokardinfarkt. Eine der schwerwiegendsten Komplikationen der CTO-PCI ist die Koronarperforation mit konsekutiver Perikardtamponade, die hier in 0,9 % der Fälle eintrat. Die größte Gefahr für eine Perikardtamponade besteht bei der retrograden Passage von epikardialen Kollateralgefäßen. Grundsätzlich korreliert in allen Registern die intrahospitale Komplikationsrate am stärksten mit der anatomischen Komplexität der CTO-Läsion und begleitenden KHK, die in der Praxis durch den J‑CTO-Score bestimmt wird [54]. Aufgrund möglicherweise fehlenden Monitorings von Komplikationen in den gängigen Registerstudien sollte am ehesten von einer potenziellen Unterrepräsentation der Komplikationsraten ausgegangen werden. Gerade in Bezug auf die Koronarperforation konnte eine kürzlich publizierte multizentrische europäische Arbeit zeigen, dass Perforationen häufiger vorkommen [71]. Insgesamt zeigte sich hierbei eine Perforationsrate von 5,5 % während der CTO-PCI, die in 20 % der Patienten zu einer klinisch relevanten Tamponade führte. Besondere Vorsicht ist v. a. bei der Passage von epikardialen Kollateralen geboten. Im Falle einer Ruptur kann es hier zu einer sofortigen Tamponade kommen. Besonders problematisch sind Patienten mit Zustand nach ACB-Operation, da sich das Blut nicht im Perikard ausdehnen kann, sondern zu einer potenziell letalen Hämatombildung führen kann. Daher sollten Blutungen im Bereich epikardialer Kollateralen – wann immer möglich – sofort mittels Coils embolisiert werden. Zudem sollte eine Prozedur bei nicht erfolgreicher intraluminaler Drahtlage und Erreichen eines Strahlenwertes von 5 Gy (Air kerma; Gesamtkörperdosis) oder einer Kontrastmittelmenge von >4 × GFR, insbesondere bei eingeschränkter Nierenfunktion, vom Untersucher beendet werden [51]. 8. Fazit für die PraxisDie interventionelle Behandlung chronischer Koronarverschlüsse hat sich in der letzten Dekade stetig weiterentwickelt und geht mittlerweile mit Erfolgsraten von über 85 % einher. Hauptindikation ist der symptomatische Nutzen der CTO-PCI. Die Ausbildung zum selbstständigen CTO-Operateur dauert oft mehrere Jahre und Bedarf neben institutionellen Voraussetzungen eines hohen Eigenengagements zur ständigen Weiterbildung. Zielführend erscheint eine bundesweite Etablierung von spezialisierten CTO-Zentren. Nur dadurch können diese hochkomplexen Prozeduren dem Patienten mit einem niedrigen und somit vertretbaren Risiko angeboten werden. Literatur
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