Wie viel Alkohol pro Tag ist normal?

Wer dauerhaft mehr als zwei Liter Bier oder eine Flasche Wein pro Woche konsumiert, riskiert mehr Schlaganfälle und Herzversagen. Das ergibt eine Analyse der Trinkgewohnheiten von 600.000 Menschen aus 19 Ländern.

Quelle: WELT

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Eine Studie empfiehlt neue Richtwerte für einen risikoarmen Alkoholkonsum. Bestehende Werte müssten demnach drastisch korrigiert werden. Ein Feierabendbier ist aber unter Umständen in Ordnung.

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Na gut, ein Bier noch. Aber danach ist Schluss! Es ist immerhin schon das vierte an diesem Abend. Aber man kann noch aufrecht stehen, einigermaßen geradeaus schauen, und die Sätze kommen auch noch zusammenhängend heraus. Glaubt man zumindest. Für einen geselligen Abend kann man das doch schon mal machen. Oder?

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Tatsächlich fällt derzeit die medizinische Antwort darauf ganz unterschiedlich aus – je nachdem, in welchem Land man sich aufhält. In Deutschland heißt es beispielsweise nach nationalen Richtwerten, dass Frauen pro Woche nicht mehr als 84 Gramm Alkohol trinken sollten – eine Menge, die vier Bier entspricht. Für Männer sind es nach aktuellem Richtwert acht Bier. In den USA sind es dagegen für Frauen fünf Biere und für Männer zehn.

In der Schweiz hält man dagegen acht Bier für Frauen unbedenklich, doppelt so viele wie in Deutschland. Männer können den Schweizer Richtlinien zufolge sogar 252 Gramm Alkohol pro Woche trinken, ohne langfristige Schäden davonzutragen. Das sind zwölf Biere – und ein großer Unterschied zu dem, was in Deutschland empfohlen wird.

Wie viel Alkohol pro Tag ist normal?

In Deutschland gelten 84 Gramm Alkohol pro Woche für Frauen als Richtwert, 168 sind es für Männer

Quelle: Infografik WELT

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Dabei haben Männer in Deutschland, den USA oder der Schweiz einen absolut vergleichbaren Stoffwechsel, ebenso wie Frauen in den Ländern. Wie viel Alkohol darf man also trinken, ohne langfristige Schäden davonzutragen?

Nun liegt eine umfangreiche Studie vor, die in dieser Frage überraschende Erkenntnisse liefert. Nummer eins: Zwischen Männern und Frauen gibt es keinen wirklichen Unterschied, wenn es um einen möglichst risikoarmen Alkoholkonsum geht. Für beide Geschlechter kann etwa der gleiche Richtwert angenommen werden, natürlich über Ländergrenzen hinweg. Und Nummer zwei: Dieser Richtwert liegt weit unter dem, was derzeit in Deutschland für Männer angegeben wird und über dem, was für Frauen gilt. Es sind 100 Gramm pro Woche – eine Menge, die etwa fünf Bier entspricht.

Daten von 600.000 Alkoholtrinkern

Ein Glas Rotwein am Abend oder ein Feierabendbier unter der Woche wären demnach tatsächlich in Ordnung. Aber nur, wenn es auch wirklich dabei bleibt und man sich am Wochenende in Enthaltsamkeit übt.

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Zu diesem Ergebnis kommt ein großes Team von Medizinern aus der ganzen Welt im Fachblatt „Lancet“. Die Forscher hatten Daten aus insgesamt 83 Langzeitstudien ausgewertet, die zwischen 1964 und 2010 veröffentlicht worden waren. Insgesamt konnten sie so auf Daten von fast 600.000 Personen zurückgreifen. Die Forscher um Studienleiterin Angela Wood vom Department of Public Health and Primary Care an der Universität Cambridge wählten ausschließlich Daten von Menschen, die sich selbst als Alkohol-Konsumenten bezeichneten.

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Solche, die noch nie Alkohol getrunken hatten und Abstinenzler schlossen sie von vornherein aus. Denn wer enthaltsam lebt, muss nicht notwendigerweise günstige Gesundheitswerte haben: Unter ihnen gibt es auch jene, die bereits körperliche Schäden durch zu viel Alkohol davongetragen haben und nun aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr trinken. Deren Risiko, an entsprechenden Leiden zu erkranken, ist häufig ohnehin erhöht und hätte die Studienergebnisse verfälscht.

Wie viel Alkohol pro Tag ist normal?

Ein Glas Sekt ist der Studie zufolge unbedenklich. Aber selten bleibt es nur bei einem

Quelle: Getty Images

Die Forscher wollten herausfinden, wie sich die Sterblichkeit und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Verhältnis zum Alkoholkonsum entwickelt. Sie suchten nach einem Schwellenwert, bei dem die Sterblichkeit möglichst niedrig und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch vertretbar war. Da sich die 83 Studien jeweils auf mehrere aufeinanderfolgende Jahre bezogen, konnten sie beides gut nachvollziehen.

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Sie registrierten 40.310 Todesfälle, die auf unterschiedliche Ursachen zurückgingen. Die wenigsten davon traten in der Personengruppe auf, die angegeben hatte, 100 Gramm Alkohol oder weniger pro Woche zu konsumieren. Je geringer der Alkoholkonsum, desto besser die Lebenserwartung: Ein 40-jähriger Mann, der pro Woche nicht mehr als 100 Gramm Alkohol zu sich nehmen würde, hätte eine um ein bis zwei Jahre längere Lebensdauer als ein gleichaltriger Mann, der sich an die aktuelle Empfehlung der USA halten würde und entsprechend knapp 200 Gramm Alkohol konsumieren würde, schreiben die Forscher.

Risiko für Herzinfarkt sinkt mit höherem Konsum

Die Studie zeige auch, wie gefährlich sogenanntes Binge-Drinking sei, sagt Katharina Diehl, Programmleiterin „Jugend und Gesundheit“ am Mannheimer Institut für Public Health der Universität Heidelberg. Dieses hemmungslose Betrinken, auch Komasaufen genannt, ist unter Jugendlichen ein Trend. Einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung von 2016 zufolge haben 16,5 Prozent der 12- bis 17-Jährigen innerhalb der letzten 30 Tage sogenanntes Komasaufen betrieben.

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Zwar zeigen Daten der Bundeszentrale auch, dass Komasaufen unter Jugendlichen über die Zeit rückläufig ist. Doch sie sind nach wie vor vorhanden – weshalb weitere Aufklärungsarbeit notwendig sei, sagt Diehl. Die Studie von Wood und ihren Kollegen zeige, dass das Sterblichkeitsrisiko schon bei mehr als 350 Gramm pro Woche stark ansteigt – etwa so viel, wie eine Flasche Schnaps enthält.

Zudem registrierten die Forscher in der Studie 39.018 Fälle von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf, wobei das Risiko bei einem Alkoholkonsum von 100 Gramm pro Woche am geringsten war. Das Risiko für einen Herzinfarkt war sogar kleiner, wenn mehr Alkohol getrunken wurde. In Deutschland starben 2014 einem Bericht des Robert-Koch-Instituts insgesamt 14.099 Menschen an Krankheiten, die eindeutig mit Alkohol in Verbindung stehen.

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Weltweit ist Alkoholmissbrauch eine der fünf größten Risikofaktoren für Krankheiten, Beeinträchtigungen und Todesfälle. Um das Risiko zu minimieren, sind Länder daher bestrebt, Richtwerte für einen vertretbaren Konsum anzugeben. Sollten die Richtwerte nun international auf 100 Gramm pro Woche angepasst werden?

Cornelia Lange, Leiterin des Fachgebiets Gesundheitsverhalten am Robert-Koch-Institut, warnt vor diesem Rückschluss. Zwar lobt sie den Aufbau der Studie und ihre Gründlichkeit. Da nur Alkoholtrinker betrachtet wurden, seien die Zusammenhänge zwischen den Todesfällen und den Herz-Kreislauf-Erkrankungen eindeutig auf den Alkohol zurückzuführen.

Trotzdem solle man nicht allein auf Basis der vorliegenden Studie unmittelbare Empfehlungen verändern. Schließlich hätten die Forscher um Angela Wood lediglich die Gesamtsterblichkeit der Studienteilnehmer betrachtet und ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch ein vermehrter Alkoholkonsum erhöht auch das Risiko für einzelne andere Krankheiten, beispielsweise Brustkrebs – allerdings unterschiedlich zwischen den Geschlechtern, sagt Lange. Daher kann es auch durchaus sinnvoll sein, für Männer und Frauen verschiedene Richtwerte anzugeben.

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„Es lässt sich nicht ableiten, dass die Grenzwerte für Frauen nun heraufgesetzt werden sollten“, sagt auch Hans-Jürgen Rumpf, Leitender Psychologe der Forschungsgruppe „Substanzbezogene und verwandte Störungen: Therapie, Epidemiologie und Prävention“ an der Universität Lübeck. Ein erhöhtes Brustkrebsrisiko sei in den für Deutschland geltenden Grenzwerten bereits berücksichtigt.

Negative Einflüsse überwiegen bei weitem

Auch Michael Roerecke rät davon ab, den neuen Wert sofort umzusetzen. Viele Krankheiten stehen mit Alkohol in Verbindung, die von der Studie nicht erfasst sind, sagt der Forscher der unter anderem an der Dalla Lana School of Public Health an der Universität von Kanada arbeitet. So sei vielen auch das Risiko für Mund- und Speiseröhrenkrebs nicht bewusst.

Das Statistische Bundesamt listet gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information 17 Krankheiten erfasst, die unmittelbar mit Alkohol in Verbindung stehen. „Jeglicher Alkoholkonsum ist mit einem Risiko verbunden, und weltweit überwiegt der negative Einfluss bei Weitem“, sagt Roerecke.

Die Studie zeige, dass es immer besser sei, weniger zu trinken, so der Forscher. „Es ist klar, dass ein hoher Alkoholkonsum immer ein erhöhtes Risiko mit sich bringt, ohne jeglichen positiven Einfluss.“ Den positiven Einfluss auf das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, relativiert er: „Das muss nicht unbedingt für alle Trinker zutreffen.“

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Andere Studien hätten demnach gezeigt, dass zum Beispiel der sozioökonomische Status für diesen Faktor eine Rolle spielt – wer finanziell besser gestellt ist und sich eine gute gesundheitliche Versorgung leisten kann, hat bessere Chancen, einem Herzinfarkt durch zu viel Alkohol zu entgehen.

Solche Faktoren wurden jedoch in der aktuellen Studie nicht berücksichtigt. Daher sollte der Alkoholkonsum in jedem Fall so gering wie möglich gehalten werden, sagt Roerecke. „Alkoholkonsum ist keine Medizin, um das Herz-Kreislauf-Risiko zu senken.“ Viele andere Methoden seien dazu wesentlich besser geeignet, die ein wesentlich geringeres Risiko mit sich bringen – Sport und gesunde Ernährung etwa.

Wie viel Alkohol pro Tag ist ok?

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen gibt als Grenzwerte für einen risikoarmen Konsum 12 g bei Frauen und 24 g bei Männern an. (Gramm reinen Alkohols/Tag) Der Konsum innerhalb dieser Grenzen, in Verbindung mit 2 Tagen pro Woche, an denen gar kein Alkohol getrunken wird, wird als risikoarm eingestuft.

Ist es normal jeden Tag Alkohol zu trinken?

Das Robert-Koch-Institut bezeichnet risikoarmen Alkoholkonsum für Männer als 24 Gramm Reinalkohol (0.5 – 0.6 Liter Bier oder 0.25 – 0.3 Liter Wein) am Tag. Für Frauen liegt die Konsumgrenze bei der Hälfte, also 12 Gramm Reinalkohol. Wichtig: Es sollten mindestens 2 alkoholfreie Tage pro Woche eingehalten werden.

Sind 6 Bier am Tag zuviel?

Bier-Promille Konsum Nach 6 Bieren, 1,5 Promille schwindet das Gleichgewichtsgefühl und Schwindel kann einsetzen. Nach 24 Bieren, 2,5 Promille treten Störungen der Atmung und des Blutkreislaufs auf und die motorischen Nerven versagen.

Was gilt als übermäßiger Alkoholkonsum?

Der Begriff «episodisch risikoreicher Konsum» steht laut internationalen Richtlinien für den Konsum einer grossen Menge Alkohol – bei Frauen mindestens 4 Gläser und bei Männern mindestens 5 Gläser innerhalb einiger Stunden mindestens einmal pro Monat.