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Die schlimmste Ausprägung von Armut in der SchweizAuf der Strasse schlafen, ohne Unterkunft, wo sie sich erholen können: So sieht der Alltag für Obdachlose aus. Obwohl diese Situation als schlimmste Ausprägung von Armut in der Schweiz angesehen wird, gibt es bis heute keine nationale Statistik über das Ausmass von Obdachlosigkeit im Land. Die Nutzungsstatistiken von Notschlafstellen deuten zwar darauf hin, dass die Zahl obdachloser Menschen steigt – sie bilden jedoch nur einen Teil der Realität ab. So geben die Zahlen beispielsweise keinen Aufschluss darüber, wie viele Personen in temporären oder unwürdigen Wohnverhältnissen leben oder an ungeeigneten Orten wie im Auto oder auf dem Campingplatz. Die wenigsten Menschen sind freiwillig obdachlosGemäss der ersten vertieften Studie zur Obdachlosigkeit in Basel*, die von der FHNW durchgeführt wurde, sind die wenigsten Menschen freiwillig obdachlos oder ohne festen Wohnsitz. Von den 469 Befragten gaben nur drei Personen an, freiwillig ohne Dach über dem Kopf zu leben. Die gleiche Studie zeigt, dass der Hauptgrund für einen Wohnungsverlust der Verlust des Arbeitsplatzes ist. Wenn dann noch Faktoren wie Gesundheits- und Beziehungsprobleme oder der angespannte Schweizer Wohnungsmarkt hinzukommen, kann die Obdachlosigkeit anhalten. Sans-Papiers, Asylsuchende und Menschen mit psychischen Problemen sind dabei besonders bedroht. Eine unserer Prioritäten ist es deshalb, die spezifischen Bedürfnisse dieser Menschen genau abzuklären, um angemessen auf sie reagieren zu können. *Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen Ausmass, Profil und Bedarf in der Region Basel, Matthias Drilling, Jörg Dittmann, Tobias Bischoff «Seit ihrer Gründung hat sich die Glückskette stets für bedürftige Menschen in der Schweiz eingesetzt –sei es mit Nothilfe nach Naturkatastrophen oder mit individueller Sozialhilfe. In jüngster Zeit haben wir unsere Unterstützung auf Jugendliche in Not und Kinder, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, ausgeweitet. Jetzt wollen wir auch Menschen, die auf der Strasse oder in prekären Wohnsituationen leben, einen würdigen Platz in der Schweizer Gesellschaft zurückgeben, indem wir hochwertige Projekte finanzieren». Fabienne Vermeulen, Programmverantwortliche Schweiz, Glückskette Würdevolle Integration dank Ihrer HilfeMit unserer Spendensammlung und dem Aufruf zur Projekteingabe wollen wir die Bevölkerung auf ein wenig beachtetes Thema aufmerksam machen, das auch in der Schweiz eine tragische Wirklichkeit darstellt. Wir haben finanzielle Mittel zur Verfügung, um die ersten Projekte zu unterstützen. Damit wir aber nachhaltig handeln können, appellieren wir an Ihre Solidarität. Mit Ihren Spenden finanzieren wir unter anderem folgende Aktivitäten:
Gemeinsam mit Ihnen möchten wir isolierten und gefährdeten Menschen in der Schweiz ermöglichen, sichtbar zu werden und einen Platz in unserer Gesellschaft zu finden. Vielen Dank! Ihre Spende macht den Unterschied. Sie möchten ein Finanzierungsgesuch für ein Projekt stellen? Hier erfahren Sie, wie Sie vorgehen.
Willkommen bei der Glückskette. Wenn Sie "Alle akzeptieren" auswählen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu und ermöglichen es uns, Ihre Benutzererfahrung zu verbessern. Sie können jedoch auch eine kontrollierte Zustimmung geben, indem Sie die "Cookie-Einstellungen" erkunden. Viel Spaß beim Surfen!(Datenschutzpolitik). Manage consent Eine neue Studie liefert Zahlen zur Obdachlosigkeit in Basel-Stadt.symbolbild: shutterstock Man weiss, es gibt sie, man sieht sie aber kaum: Obdachlose in der Schweiz. Eine neue Studie liefert nun erstmals Anhaltspunkte darüber, wer sie sind, wie sie leben und wie man ihnen am besten helfen kann. Sie schlafen bei Bahnhöfen, breiten ihre paar Habseligkeiten unter einer Brücke aus und wärmen sich, so gut es geht, vor Ladeneingängen: Gassenarbeiter von Genf bis Zürich sagen alle, es gebe immer mehr Obdachlose in den Schweizer Strassen. Belegen lässt sich das nicht. Die Obdachlosigkeit ist ein statistisches Niemandsland. Keiner weiss, welche Schicksale sich hinter den Personen ohne Wohnung verbergen, wie sie genau leben und wie viele es hierzulande gibt. Eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz liefert nun erste Anhaltspunkte. Die Wissenschaftler rund um Matthias Drilling, Professor für Sozialplanung und Stadtentwicklung an der Hochschule, haben die Lage in Basel-Stadt unter die Lupe genommen. Herausgekommen sind Zahlen und Hintergründe, die auch für die Obdachlosigkeit in anderen Schweizer Städten Hinweise liefern. Hier ein Auszug der wichtigsten Erkenntnisse: Die wichtigsten Erkenntnisse der Studie
Oft wird gesagt, dass in der Schweiz niemand auf der Strasse schlafen muss, der es nicht will. Die Betroffenen seien lediglich beschämt, Sozialhilfe zu beantragen. «Falsch», sagt Drilling: «Niemand verbringt seine Nächte auf freiwilliger Basis draussen.» Für manche reiche das Geld vom Sozialamt nicht für eine Wohnung, andere würden keine finden, weil sie Schulden haben. Manche müssten, um ihrem Job nachzugehen, in der Notunterkunft eines Kantons schlafen, in dem sie nicht gemeldet sind. «Dort kommen sie dann nicht rein, weil das für sie 40 Franken kostet und sie es sich nicht leisten können.» «Niemand verbringt seine Nächte auf freiwilliger Basis draussen.» Drilling räumt mit einem verbreiteten Irrglauben auf Menschen, die illegal in der Schweiz sind, würden auf der Strasse bleiben, weil sie in der Notschlafstelle registriert werden. Drilling: «Dann wird ihre Ausreise in die Wege geleitet.» Das Paradoxe: Genug Betten gäbe es in den Notstellen eigentlich für alle, so Drilling. «In der Schweiz haben wir kein Mengenproblem, sondern ein Zugangsproblem.» Armut in der SchweizEine Statistik zur Obdachlosigkeit in der Schweiz gibt es nicht, wohl aber einige Zahlen zur Armut im Land: Wer weniger als 2247 Franken pro Monat zur Verfügung hat, gilt hierzulande als arm. Für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 liegt die Armutsgrenze bei 3981 Franken pro Monat. Die Scham spiele aber schon auch eine Rolle, räumt Drilling ein. Drilling: «Gewisse Obdachlose versuchen es zu kaschieren und holen sich möglicherweise nicht die ihnen zustehende Hilfe.» Sie kämen dann oft bei Bekannten unter. Auch deshalb sei die Obdachlosigkeit in der Schweiz für die Gesellschaft oft unsichtbar. Manchen in der Studie befragten Personen geht es so. Sie haben zwar ihr Zuhause verloren, können aber auf dem Sofa von Freunden schlafen. Andere wohnen im Campingwagen oder im Zelt. Besser als gar kein Schutz: Gewisse Obdachlose verbringen die Nacht im Zelt. Hier an der Seine in Paris. bild: shutterstock Innerhalb der Studie wurden auch Menschen in prekären Wohnsituationen interviewt. Bei ihnen läuft auch im kältesten Winter die Heizung nicht, oder die Luft in der Wohnung ist extrem feucht und die Wände voller Schimmel. LösungsansätzeDrilling und sein Team liefern gleich mehrere Lösungsansätze: Bedingungslose Notschlafstellen sind das eine. «Egal ob jemand die Staatsbürgerschaft hat oder im Kanton registriert ist – alle sollten Zutritt erhalten», sagt Drilling. Eine weitere Idee: Tiny Houses. «Halb Europa gefällt derzeit der Gedanke vom genügsamen Leben in diesen kleinen Häusern – und sie könnten auch eine kurzzeitige Lösung für Obdachlose sein.» Mehrere Schweizer Städte hätten bereits Interesse angemeldet. «Irgendein Dach über dem Kopf als temporäre Lösung ist besser als gar keins.» In Seattle werden Obdachlosen bereits solche Mini-Häuser zur Verfügung gestellt. Bild: AP/AP Die GründeDass die Obdachlosigkeit in der Schweiz zunimmt, vermutet auch Drilling. Die Gründe sind vielfältig, unter anderem spielten die «aus dem Ruder laufenden Mietpreise» in Genf, Zürich und Basel eine Rolle. In Genf und Basel auch die Nähe zur Grenze. Eine europäische Forschergruppe, der auch Jörg Dittmann angehört, ist nun dabei die Zahl der Obdachlosen in ganz Europa zu erfassen. Denn auch international vergleichbare Zahlen fehlen. «Es gibt in der Schweiz und ganz Europa nicht genug Menschen, die sich für die Obdachlosen einsetzen. Nicht genug ‹Lobbyismus›, könnte man sagen.» Ausserdem scheitere eine nationale Erhebung am Föderalismus: Der Bund kann keine solche Zählung in Auftrag geben. Die einzelnen Städte müssen selbst tätig werden. Geschichten hinter der ObdachlosigkeitDie meisten Personen rutschen nach mehreren Betreibungen in die Obdachlosigkeit ab. Weil ihnen niemand mehr eine Wohnung vermieten will. Krankheitsfälle, Trennungen, Jobverlust und andere Schicksalsschläge spielten auch oft eine Rolle. Es ist schnell passiert, wie die Geschichte von Julian* zeigt, den Matthias Drilling innerhalb der Studie kennengelernt hat. «Julians Firma in der Metallindustrie ging Konkurs. Er hatte 30 Angestellte, die er nicht per sofort freistellen konnte. Um die Löhne zu zahlen, griff er zuerst ins eigene Portemonnaie, dann verschuldete er sich dafür und schlitterte endgültig in die Krise. Die Frau trennte sich von ihm, er verlor seine Wohnung und konnte keine finden, die er sich leisten konnte. Innerhalb weniger Monate hatte er alles verloren. Auch sein Wertgefühl und seine psychische Gesundheit.» Manche Obdachlose würden sich ihre eigene Situation nicht eingestehen. «Noé*, einen jungen ehemaligen Hotelier, trafen wir immer top frisiert und schick angezogen in der Notstelle. Er pflegte zu sagen: ‹Ich bin nur übergangsweise hier.› Da lebte er aber bereits seit über einem Jahr ohne festen Wohnsitz.» *Namen geändert. Zur Person und StudieMatthias Drilling ist Professor für Sozialplanung und Stadtentwicklung an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er befasst sich in seinen Publikationen intensiv mit den Themen Obdachlosigkeit und Armut junger Erwachsener. Die nun erschienene Studie hat er mit zwei weiteren Experten der Fachhochschule Nordwestschweiz im Auftrag der Christoph Merian Stiftung durchgeführt. 500 Betroffene wurden dafür in Basel-Stadt befragt. In Basel sind rund 100 Menschen obdachlos. Etwa 50 Personen schlafen draussen, weitere 50 Personen in Notunterkünften. Eine Person übernachtet in einer Moschee, eine in einer Kirche. Rund 200 Personen haben keine eigene Wohnung. Sie schlafen in Notwohnungen der Sozialhilfe oder kommen bei Bekannten unter. bild: zvg Diese Obdachlosen haben vermutlich ihr Haus verloren – nicht aber ihren Humor1 / 23 Diese Obdachlosen haben vermutlich ihr Haus verloren – nicht aber ihren Humor Ein Prozent der Schweizer Bevölkerung ist dauerhaft armVideo: srf Das könnte dich auch noch interessieren:Über 65'000 Kilometer Wanderwege führen kreuz und quer durch die Schweiz. Da kommt es natürlich zu vielen Kreuzungen. Wir haben uns gefragt: Von welchem Punkt der Schweiz hat man am meisten Möglichkeiten? Die Antwort ist (nicht ganz) klar. Wanderwegweiser faszinieren mich. Ich weiss gar nicht genau, warum. Vielleicht, weil ich an einem Ort aufgewachsen bin, von dem ich lange dachte, er besitze den grössten Wegweiser der Schweiz. Also «der Grösste» im Sinn von: Am meisten verschiedene Tafeln mit möglichst vielen (verschiedenen) Zielen. Wie viel Geld bekommt ein Obdachloser in der Schweiz?Zwar haben in Basel auch Obdachlose Anspruch auf Sozialhilfe, doch bekommen sie im Monat nur 755 Franken, um ihren Grundbedarf zu decken – eine Person, die eine Wohnung hat, erhält hingegen 986 Franken plus 700 Franken für Miete und Nebenkosten.
Wo bekomme ich Hilfe wenn ich keine Wohnung habe Schweiz?Das Sozialdepartement hilft Einzelpersonen, Jugendlichen, Paaren sowie Familien mit unterhaltspflichtigen Kindern, die kein Dach mehr über dem Kopf haben oder Personen, die unmittelbar vor der Wohnungslosigkeit stehen. Das Sozialdepartement ist aber keine Wohnungsvermittlungsstelle.
Was kann ich tun wenn ich keine Wohnung mehr habe?Wenn Menschen wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind, hilft der ASB. Die Angebote reichen von der Beratung über Tagesstätten bis hin zum Wohnheim. Menschen, die keine Wohnung mehr haben oder von Obdachlosigkeit bedroht sind, erhalten Unterstützung von den ASB-Beratungsstellen.
Wie kann ich mich obdachlos melden?Wenn Sie wohnungslos geworden sind oder Ihnen Wohnungslosigkeit droht, wenden Sie sich am besten so schnell wie möglich bei einer Ambulanten Beratungsstelle der Wohnungslosenhilfe in Ihrer Nähe - die Adressen finden Sie hier oder im Telefonbuch. Die Mitarbeiter helfen Ihnen kompetent und unentgeltlich.
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