Wer hat die bibel ins deutsche übersetzt

Im Sommer 1522 schien es eine sehr gute Idee zu sein, eine deutsche Bibel auf den Markt zu bringen. Deutschland war in Unruhe. Die Weltsicht der alten kirchlichen Autoritäten wurde angezweifelt. Also wollten die Menschen selber verstehen, was in dem Buch stand, auf dem das ganze Christentum gründete. Obendrein hatte sich der Buchdruck rund 70 Jahre nach seiner Erfindung durch Gutenberg und sein Team erheblich verbilligt.

Der Bibel-Flop aus Halberstadt

Doch leider war die Bibel, die im Juli des genannten Jahres in Halberstadt herauskam, nicht von Martin Luther. Und zu diesem Zeitpunkt wollte ganz Deutschland eine Übersetzung der Heiligen Schrift nur noch von einem lesen: von dem Mann, der durch seine 95 Thesen und Schriften wie „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ der religiösen Gärung eine Stimme gegeben hatte. Luther hatte zu jener Zeit schon mit seiner eigenen Übertragung des Neuen Testaments aus dem griechischen Originaltext begonnen. Er brauchte dafür nur elf Wochen. Im September 1522 erschien sein sogenanntes Septembertestament. Es war binnen weniger Wochen vergriffen. Bald legte der Reformator ein überarbeitetes Dezembertestament nach.

Das weiß man vom geheimnisvollen Bibelübersetzer

Professor Martin Schubert gehört zu den Forschern, die das Rätsel des österreichischen Bibelübersetzers lösen wollen. Hier erklärt er, was wir über Leben und Werk des Mannes aus dem Mittelalter wissen.

Quelle: Matthias Heine

Die Halberstädter Bibel vom Juli dagegen wurde der wohl größte Flop, den bis dahin ein Verleger auf dem noch recht jungen Buchmarkt verkraften musste. Wolfgang Schellmann, der eine Ausstellung über „Deutsche Bibeln vor Luther“ im Lüneburger Kloster Lüne kuratiert hat, schreibt: „Mit Büchern konnte man damals außerordentlich viel Geld verdienen, aber schlechter oder auch nur schleppender Verkauf führten leicht in die Katastrophe und hatten oft genug den totalen Ruin des Unternehmers zur Folge.“ Von der Übertragung ins Niederdeutsche aus dem Sommer 152 sind heute nur noch sieben Exemplare erhalten. Eins davon ist nun in der Ausstellung zu sehen.

Ein Österreicher war der erste deutsche Bibelübersetzer

Mittlerweile hat es sich ja herumgesprochen, dass Luther nicht der Erste war, der sich getraute, die Bibel ins Deutsche zu übersetzen. Bereits im frühen 14. Jahrhundert hatte ein anonymer Autor, den man heute nur den Österreichischen Bibelübersetzer nennt, große Teile der lateinischen Vulgata in ein schönes flüssiges Deutsch übertragen. Wolfgang Schellmann, der die Lüneburger Ausstellung kuratiert hat, vermutet, dass diese bis ins 15. Jahrhundert in vielen Handschriften kursierende Übersetzung „maßgeblich für die vorlutherischen deutschen Bibeln“ war.

Austellung im Kloster Lüne

Die Austellung "Deutsche Bibeln vor Luther" im Kloster Lüne

Quelle: Wolfgang Schellmann

Zwar hatte Kaiser Karl IV. das bestehende Verbot von Bibeln in einer Volkssprache 1369 noch einmal verschärft. Doch wie Wolfgang Schellmann im Ausstellungskatalog anmerkt, hielt sich nicht einmal Karls Sohn Wenzel daran. Um 1390 gab er für den eigenen Gebrauch die prächtigste Bibelhandschrift des späten Mittelalters in Auftrag. Die deutschsprachige Wenzelsbibel blieb allerdings unvollendet. Sie endet schon vor dem Beginn des Neuen Testaments.

Elf Jahre nach Gutenberg kam Mentellin

Die erste gedruckte deutsche Bibel war die sogenannte Mentelin-Bibel, die 1466, elf Jahre nach der lateinischen Gutenberg-Bibel, in Straßburg bei Johannes Mentelin erschien. Es war eine umständliche Wort-zu-Wort-Übertragung, die ängstlich am lateinischen Text klebte. Da hieß es dann: „Der Herr richt mich und mir gebrast nit: und an der stat der weyde do satzt er mich. Er fürtte mich ob dem wasser der widerbringung.“ Das war der Klang der „Buchstabilisten“ über die Luther höhnte und denen er eine Übersetzung entgegenstellte, die sich an der deutschen Sprache orientierte und nicht an der lateinischen.

Dennoch war Mentelins Bibel ein verlegerischer Erfolg, der Nachahmer inspirierte. 1470 veröffentlichte sein entlaufener Gehilfe Heinrich Eggestein Raubdrucke von Mentelins Konvolut. In den folgenden zwei Jahren kamen in Augsburg und Nürnberg fünf weitere Neudrucke in Auflagen von 300 bis 500 Exemplaren heraus. Die Kirche hatte es aufgegeben, gegen volkssprachliche Bibeln vorzugehen.

Schöne Bilder waren ganz wichtig

Die genannten Drucke boten den Text in oberdeutschen Mundarten. 1478 brachte dann eine leistungsfähige Druckerei in Köln gleich zwei sehr aufwendige Bibelausgaben in den niederdeutschen Dialektformen Niedersächsisch und Niederrheinisch heraus. Sensationell daran war, dass diese Bibeln erstmals mit einem Bilderzyklus illustriert waren. Das sollte für die nächsten 200 Jahre Standard bei gehobenen Bibelausgaben bleiben. Auch Luthers Septembertestament von 1522 und alle späteren Wittenberger Ausgaben verdanken ihren Erfolg mit den Bildern aus der Werkstatt Lucas Cranachs.

Dieser Unbekannte übersetzte die Bibel vor Luther

Professor Martin Schubert gehört zu den Forschern, die das Rätsel des Österreichischen Bibelübersetzers lösen wollen. Hier erklärt er, warum das so wichtig für die Geschichte der deutschen Sprache ist.

Quelle: Matthias Heien

Die Kölner Bibel von 1478 ist nun in Lüneburg genauso ausgestellt wie die 1489 bei Anton Koberger in einer sensationellen Auflage von 1000 Exemplaren erschienene Version. Koberger übernahm für seine Fassung die Kölner Holzschnitte, aber 1495 ging ein Lübecker Drucker für eine Bibel in niedersächsischem Platt noch einmal das Risiko ein, ganz neue Bilder zu bestellen, die ein anonymer Künstler herausragend gestaltete. Auch davon sieht man jetzt im Kloster Lüne ein Exemplar.

Heute wirken Luthers Vorgänger veraltet

Da stellt sich die Frage: Kannte und nutzte Luther die Vorgängerbibeln. Mindestens eine muss er gekannt haben, denn er wollte sich ja von den schlechten Vorgängern absetzen, die übersetzten „Warumb ist diese Verlierung der Salben geschehen?“ statt einfach „Es ist schade um die Salbe“. Man geht davon aus, dass es die Bibel war, die Günther Zainer, der bei Mentellin in Straßburg gelernt hatte, 1477 in Augsburg druckte. Freimut Löser, der gerade das Werk des Österreichischen Bibelübersetzer in einem langwierigen Akademieprojekt ediert, vermutet, das Luther auch Übersetzungen einzelner Bibelpassagen in ostmitteldeutsche Mundart gelesen haben könnte, die der Deutsche Orden in Auftrag gegeben hatte.

Heute wirken fast alle der insgesamt 18 vorlutherischen gedruckten Bibeln unbeholfen und fremd. Das zeigt einerseits, wie genau, flüssig und poetisch kraftvoll Luthers Übersetzung war. Andererseits wird erkennbar, wie sehr unsere heutige Vorstellung davon, was gutes und richtiges Deutsch ist, von Luthers Leistung geprägt ist.

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Wann wurde die Bibel ins Deutsche übersetzt?

Erste komplette deutsche Übersetzungen des Neuen und des Alten Testaments entstanden im 14. Jahrhundert. Die älteste überlieferte Übersetzung des Neuen Testaments ins Deutsche ist eine Augsburger Pergamenthandschrift von 1350.

Hat Martin Luther die Bibel übersetzt?

Vor 500 Jahren beginnt Martin Luther auf der Wartburg mit seiner Bibelübersetzung. Er übersetzt das Neue Testament ins Deutsche. Dafür braucht er nur elf Wochen. 1522 erscheint die Erstausgabe zur Leipziger Buchmesse.

In welche Sprache wurde die Bibel zuerst übersetzt?

Die Bibel wurde ursprünglich in Hebräisch (das Alte Testament) und Griechisch (das Neue Testament) verfasst. Schon im 4. Jahrhundert war der Text ins Lateinische übersetzt worden.

Hat Luther die Bibel falsch übersetzt?

Er verbindet verschiedene Anregungen zu eigener Gestaltung. Er übersetzt selbst (falsch) aus dem Griechischen gegen Erasmus und gegen die Vulgata.