Wer die freiheit aufgibt um sicherheit zu gewinnen wird am ende beides verlieren

„Wer Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“ Mein Chef, der Bürgermeister, hat dieses Zitat des amerikanischen Freiheitskämpfers und Gründervaters der USA, Benjamin Franklin, auf seinen WhatsApp-Status geladen.

Tatsächlich werden zur Zeit praktisch alle Grundrechte eingeschränkt: Das Grundrecht auf Bewegungsfreiheit – wir dürfen nur einzeln aus dem Haus und ob das Sitzen auf einer Parkbank erlaubt ist, musste der Innenminister persönlich klären. Die Reisefreiheit: Teilweise sind nicht nur Reisen ins Ausland verboten, sondern auch im Inland eingeschränkt. Die Gewerbefreiheit: Läden bleiben geschlossen, der Schreiner darf sein Handwerk ausüben, der Friseur nicht.

Gleichheitsgrundsatz? Die Versammlungsfreiheit ist ausgesetzt mit der für einen demokratischen Rechtsstaat kuriosen Folge, dass man sich nicht mehr friedlich und ohne Waffe unter freiem Himmel versammeln kann (Demonstrationsrecht), um gegen Freiheitseinschränkungen protestieren zu können. Die Religionsfreiheit wird durch das Verbot von Gottesdiensten eingeschränkt und es dürfte ungewiss sein, ob eine gegen diese Anordnung gerichtete Klage im Angesicht des Osterfestes nicht doch Erfolg gehabt hätte, wenn die Kirchen von sich aus nicht alle Gottesdienste abgesagt hätten.

Aber da kommt der dritte Begriff ins Spiel, der in diesem Spannungsfeld zwischen grundgesetzlich verbrieften Freiheitsrechten und der erstrebten Sicherheit vor Ansteckung mit Covid-19 oder der Überforderung des Gesundheitswesens Bedeutung hat: Verantwortung.

Wir erleben, dass der Staat zwar mehr Freiheitsrechte beschränkt, als im Fall eines militärischen Angriffs auf das Bundesgebiet oder eines Aufstands im Inneren zulässig wäre, aber die Bevölkerung das akzeptiert und die Anordnungen weitgehend freiwillig befolgt. Ja, dieses Land ist so demokratisch gereift, dass wir in den auferlegten Einschränkungen keine obrigkeitliche Willkür oder gar Gefahr für unser Gemeinwesen, sondern den vorübergehenden Charakter der Gefahrenabwehr (an)erkennen.

In der Tat sind ja die Verstöße gegen die Regeln, Anordnungen und Verbote eigentlich irrelevant. Die angetrunkenen Jugendlichen aus irgendwo hinter dem Regenbogen, die an einer Bushaltestelle lümmelten und von der Polizei mit einem Kinderfahrrad verfolgt wurden, schaffen es immer noch regelmäßig in die landesweiten Newsflashs, so selten sind die Vorfälle. Selten auch werden im Land der Prozesshansl die Gerichte angerufen und deren Entscheidungen sind sehr verantwortungsvoll. Wo erkennbar über das Ziel hinausgeschossen wurde, etwa als Meck-Pom Einheimischen den Ausflug ans Meer verbieten wollte. Ansonsten der Tenor meist: Nicht schön, aber noch nicht bedenklich, sofern die Maßnahmen stets auf ihre Erforderlichkeit geprüft werden.

Ich denke, eines ist ganz entscheidend: Unsere Landes- und Bundespolitiker, die mit ruhigem Leadership und gut erklärender Kommunikation ein ganzes Land dazu gebracht haben, für die Erreichung eines Ziels zusammenzuarbeiten, zusammenzurücken und freiwillig Verzicht zu üben, müssen in der Lage sein, ebenso souverän und ruhig das unterschwellig gegebene Versprechen einzulösen, uns Deutsche auch wieder in alle unsere Rechte einzusetzen. Nicht schlagartig, nicht sofort, aber mit Perspektive.

Mein Chef ist stolz auf die Bürgerinnen und Bürger seiner Stadt, die sich vorbehaltlos solidarisch gezeigt haben. Aber er hat auch ein feines Gespür dafür, dass man einen Bogen nicht überspannen darf, ebenso wenig wie die Geduld der Menschen. Auch er wird mithelfen, die behutsame Rückkehr zur Normalität so eng wie möglich argumentativ zu begleiten, dass viele sich weiter freiwillig Beschränkungen auferlegen, zum Beispiel ältere Menschen oder Leute, die gut auch von zuhause aus arbeiten können.

Denn er weiß mit dem russischen Schriftsteller Anton Tschechow: „Es gibt keine Sicherheit, es gibt nur verschiedene Grade der Unsicherheit“.

Mehr als 20 Jahre sind seit der Wiedervereinigung vergangen - braucht man da noch eine Stasi-Unterlagen-Behörde? Das wollten die Schüler der Klasse O121 der Marie-Elisabeth-Lüders-Oberschule im Interview von Roland Jahn, dem Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, wissen. Beim exklusiven Termin für die Morgenpost-Projektschüler erklärte Jahn, warum die Arbeit seiner Behörde wichtig bleibt. Und dass viele der ehemaligen Spitzel noch immer wenig Reue zeigen:

Berliner Morgenpost: Wie sieht bei Ihnen ein normaler Arbeitstag aus, Herr Jahn?

Jahn: Ich habe keinen "normalen" Arbeitstag. Kein Tag gleicht dem anderen. Neben der Leitung der Behörde nehme ich unter anderem öffentliche Termine wahr, halte zum Beispiel Vorträge, nehme an Konferenzen teil, eröffne Ausstellungen oder bin Gast bei Podiumsdiskussionen. Das alles erfordert viel Ausdauer, in der Regel habe ich eine 80-Stunden-Woche. Obenan steht immer die Aufklärungsarbeit über das Wirken der Stasi. Es ist mir wichtig, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, wie die Stasi Menschen- und Grundrechte verletzte und dabei auch die Frage aufzuwerfen, wie dies geschehen konnte. Je besser wir Diktatur begreifen, umso besser können wir Demokratie gestalten.

Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben?

Jahn: Die Stasi-Unterlagen-Behörde ist ein Dienstleister für die Gesellschaft. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben ist es, die Stasi-Akten zu verwahren und zu verwalten und sie für die Opfer und die öffentliche Aufarbeitung zugänglich zu machen. Darüber hinaus unterrichten wir die Öffentlichkeit über das Wirken der Stasi.

Was ist das Interessanteste an Ihrer Arbeit?

Jahn: Die Menschen. Zum einen, die jüngere Generation an das Thema heranzuführen und zum anderen, den Kontakt mit den Betroffenen des Überwachungsstaats zu pflegen, ihnen zu helfen, mit ihrer gestohlenen Biografie umzugehen. Ihre Fragen an ihr Leben zu klären und sie dabei zu unterstützen, mit den Tätern von damals ins Gespräch zu kommen, um Versöhnung möglich zu machen.

Wie erleben Sie die Begegnungen mit diesen Tätern?

Jahn: Mein Resümee ist, dass es zu wenig Bekenntnis zur Verantwortung gibt, es wird immer noch geleugnet und verdrängt. Sicher gibt es auch Ausnahmen und gerade diese Reue ist es dann, die den Opfern das Vergeben ermöglicht und Frieden schließen lässt.

Welche Konsequenzen drohten beziehungsweise drohen diesen Tätern?

Jahn: Die Mitarbeit bei der Stasi an sich konnte im Grunde strafrechtlich nicht verfolgt werden. Eine strafrechtliche Verfolgung ist dann möglich, wenn im Rahmen der Tätigkeiten für die Stasi Delikte begangen wurden, die auch schon zu DDR-Zeiten gesetzeswidrig waren. Dennoch drohen ehemaligen Stasi-Mitarbeitern auch Konsequenzen, zum Beispiel dann, wenn sie im öffentlichen Dienst beschäftigt sind und ihre Stasi-Tätigkeit verheimlicht haben. In diesem Fall kann der Dienstherr ihre Entlassung oder Versetzung veranlassen.

Wie wichtig ist es heute noch, die Öffentlichkeit über die Stasi-Verstrickungen berühmter Persönlichkeiten zu informieren?

Jahn: In einer demokratischen Gesellschaft ist Transparenz wichtig. Es ist wichtig über ein vergangenes Unrechtssystem aufzuklären. Das Wissen um das Geschehene trägt zur Offenheit in einer Gesellschaft bei und fördert das demokratische Verantwortungsbewusstsein in der Gesellschaft.

Wie geriet man ins Visier der Stasi?

Jahn: Zum Beispiel, wenn man seine Meinung sagte. War man einmal im Visier, war es sehr gefährlich. Und durch das willkürliche Eingreifen der Stasi entstand oft ein Gefühl der Ohnmacht.

Wie bewerten Sie rückblickend die Methoden der Stasi, welche waren die schlimmsten?

Jahn: Wenn man sich den Stasi-Begriff der Zersetzung genauer vor Augen führt, sieht man, dass die Stasi als "Waffe der SED" Menschenrechte verletzte und Biografien zerstörte. Sie hat Menschen verunsichert, Persönlichkeiten zerstört, Familien zerrüttet und vieles mehr. Es ist schwer, da eine Wertung vorzunehmen. Die Stasi hat sogar vor Mordplänen nicht zurückgeschreckt.

Wie wurden die Stasi-Mitarbeiter ausgebildet, dass sie Menschen so fertig machen konnten?

Jahn: Es gab unter anderem eigene Studiengänge, an denen spezifische psychologische Methoden der Staatssicherheit gelehrt wurden. Hier ging es zum Beispiel darum zu lernen, wie man die Glaubwürdigkeit eines Opfers zerstört und so seine "Zersetzung" erreicht.

Warum gab es nicht früher Widerstand?

Jahn: Anpassung war in der DDR die große Linie. Es hat lange gedauert, bis sich genug Menschen gefunden haben, die "nein" sagten. Das Machtsystem der SED durchzog die gesamte Gesellschaft, da war es nicht einfach, sich gegen diese Bedrohung zu erheben. Ziel der Stasi war der Machterhalt der SED, nicht der Schutz der Menschen in der DDR.

Haben Sie selber Freunde gehabt, die mit der Stasi gegen Sie gearbeitet haben?

Jahn: Ja, es gab solche Freunde und deswegen sind einige Beziehungen zerbrochen. Nach dem Ende habe ich mit vielen das Gespräch gesucht, um aufzuarbeiten. Allerdings waren nur einige von ihnen bereit, mit mir zu sprechen, andere leugnen und verdrängen bis heute.

Die Stasi verletzte Menschen- und Bürgerrechte - warum hatte sie trotzdem so viele Mitarbeiter?

Jahn: Sicher spielten Privilegien eine große Rolle. Die Mitarbeiter hatten ein gutes Gehalt und - wie nur wenige - ein Telefon und vieles mehr. Da wollten viele dazugehören. Zudem ließ die Stasi ihre Mitarbeiter glauben, dass sie für die richtige Sache kämpften und dass ihre Arbeit im Interesse der Menschen in der DDR sei.

Was sollten wir Ihrer Meinung nach noch heute über die Stasi wissen?

Jahn: Wir sollten so viel wie möglich darüber wissen und unsere Sinne schärfen, damit so ein System der Unterdrückung und der Angst nicht wieder entstehen kann.

Die Wiedervereinigung ist jetzt fast 23 Jahre her - brauchen wir heute noch immer diese Behörde?

Jahn: Wir brauchen die Stasi-Unterlagen-Behörde, solange ihre Dienstleistung in dieser Form gefragt ist.

2019 soll mit der Stasi-Unterlagen-Behörde Schluss sein - wie stehen Sie dazu?

Jahn: Das steht noch nicht definitiv fest. Ob und wann die Behörde ihre Arbeit beendet, das klärt eine Expertenkommission des Bundestags.

Kann es sein, dass der Überwachungsstaat aus Angst vor Terrorismus wieder kommt?

Jahn: Das ist eine gute Frage. Wie viel Freiheit darf eingeschränkt werden für Sicherheit? Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.

Die Fragen stellten die Schüler der Klasse O 121 der Marie-Elisabeth-Lüders-Oberschule, Schöneberg

Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen wird am Ende beides verlieren Kontext?

Wer bereit ist, Freiheit zu opfern, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder das eine noch das andere, und wird am Ende beides verlieren. Weiterhin erfährt man, dass die Bundeskanzlerin dieses Zitat gerade auch so aufgegriffen habe. Und man denkt: Das passt doch im NSA-Kontext gleichfalls ganz gut.

Wer die Freiheit aufgibt Zitat?

Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren. Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten. Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst.

Wer aus Angst die Freiheit aufgibt?

Benjamin Franklin: Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.

Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt Original?

Das Original stammt aus einem Schreiben, das Franklin 1755 im Namen der Versammlung von Pennsylvania an den Gouverneur gerichtet hatte. Unter anderem schrieb er: „Those who would give up essential Liberty to purchase a little temporary Safety, deserve neither Liberty nor Safety.