Was tun wenn man keine lust mehr auf sex hat

Stress gilt als Lustkiller schlechthin. Warum es manchmal klug ist, die Lust zu vergessen: Tipps von der Sexualtherapeutin.

Lustkiller Stress - wenn wir einfach unsere Ruhe wollen

Da war es wieder: "Haben wir jetzt schon wieder keinen Sex?" Immer dieses Schon-wieder. Mit einer Drehung befreit sich Katrin aus der Umarmung ihres Mannes. Seine Worte hallen in ihr nach. Warum begreift er nicht, dass sie gerade keinen Kopf dafür hat?
Eigentlich sind sie ein Top-Team. Sie teilen die Hausarbeit, kümmern sich beide um ihren Sohn, haben Jobs, die sie gern machen – und, ja, sie lieben einander. Aber es gibt diese Tage, wenn im Büro jeder etwas von ihr will, sie danach zur Kita hetzt und auf dem Weg noch Mails beantwortet, dann fühlt sie sich nicht nach Nähe und schon gar nicht nach Sex.


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Stressfaktor Liebesleben

Gerade in stressigen Phasen wird die Lust oft ein weiteres To-do. Zu angespannt, zu eingespannt, schlicht zu müde – das kennen viele Frauen. Während Männer sich durch Sex entspannen möchten, müssen Frauen meist entspannt sein, um Sex zu wollen.

Lust auf Sex – eine Frage des Timings

Und dieser kleine Unterschied kann ziemlich groß werden, wenn zwei darauf warten, dass wie von Zauberhand bei beiden das richtige Gefühl im selben Moment entsteht. Dabei ist die Lust meist nicht weg – wir wollen nur gerade nicht. Wie lässt sich der richtige Moment spüren?

Sextipps gegen Unlust von Psychologin Sandra Gathmann

Die Wiener Sexualtherapeutin und Psychologin Sandra Gathmann kennt Paare wie Katrin und Jan aus ihrer Praxis. Sie beobachtet, dass gerade bei Paaren, die sich besonders um Gleichberechtigung bemühen, die Lust in den Hintergrund gerät. Diese Paare sind es gewohnt, ihren Alltag gemeinsam zu organisieren, Dinge auszuhandeln und sich auf Augenhöhe zu begegnen. Alles wird sich brav geteilt. Schön für den Alltag.

Sex braucht Egoismus, um nicht langweilig zu werden,

sagt die Paartherapeutin.

Erst ein gesundes Maß an Ungleichgewicht mache ihn aufregend – und das zuzulassen falle vielen dieser Paare schwer.

Guter Sex braucht Egoismus

Ein Spiel mit Rollen, ein Wechsel von Geben und Nehmen, die Führung zu übernehmen und sich auszuliefern machen erst den Reiz aus. Deshalb wundert sich Sandra Gathmann auch nicht, dass der Hype um erotische Sadomaso-Romane auch nach "Shades of Grey" anhält. "Sex ist eine Zone, in der es politisch unkorrekt zugehen darf", sagt die Psychologin.
 

Stress mit Sex – das sagt die Statistik

Aber genau das können Paare im eigenen Bett offenbar schlecht zulassen. Eine Studie der Uni Göttingen mit knapp 13.500 Befragten, die in Beziehungen lebten, ergab, dass jeder Sechste seit vier Wochen keinen Sex hatte. Und fast die Hälfte weniger als einmal in der Woche mit dem Partner schlief.

Sich hingeben und fallen lassen – und zwar jetzt!?

Gerade Frauen, die gelernt haben, sich im Beruf durchzusetzen, und die im Alltag über vieles die Kontrolle haben, geraten in der Sexualität oft in einen Konflikt. Es fällt ihnen schwer, sich zu erlauben, sich hinzugeben, weil sie damit ihr Selbstbild unterlaufen. "Aber warum Sex nicht mal als Urlaub von sich selbst verstehen?", schlägt Sandra Gathmann vor. Eine Möglichkeit, eine andere Seite auszuleben, mal loszulassen und abzutauchen.
Emanzipierte Männer stehen vor der Frage: Darf ich mich lustvoll aggressiv zeigen, oder bin ich dann gleich ein grenzüberschreitender Macho? Sie wollen ihre Frauen nicht als Lustobjekt sehen, sondern ihnen mit demselben Respekt begegnen wie im Alltag auch. Aber alle fünf Minuten abzufragen: "Ist das so okay für dich?", ist wenig antörnend. So wird Sex zur Kopfsache, der Flow, das Gefühl, dem man sich einfach hingibt, geht verloren. Und plötzlich sind beide Seiten verunsichert.
Intimität entsteht, wenn man sich traut, Wünsche und Ängste zu offenbaren, auch auf die Gefahr hin, dass der andere was anderes will. Jan überlegt sich mittlerweile jeden Annäherungsversuch bei Katrin zweimal, aus Angst, abgelehnt zu werden. Doch wenn der Frust schon in der Luft liegt, ist nicht viel Lust zu erwarten.

Wege zur Lust – Tipps für ein entspanntes Sexleben

1. Verabredungen zum Sex

Dabei ist es vergleichsweise simpel, der Lust wieder Raum zu geben, indem man Zeitinseln vereinbart. "Paare murren bei dem Vorschlag sofort", sagt Sandra Gathmann: "Was, wir sollen uns zum Sex verabreden?" Aber wenn sie fragt, wie viel Zeit beide in der Woche füreinander haben, kommen die meisten Paare nur auf ein oder zwei Abende. Die Stunden verfliegen schnell, mit Dingen, die zu organisieren sind, oder damit, dass jeder vor sich hinpuzzelt. "Es geht nicht darum, zu einem verabredeten Zeitpunkt auf Knopfdruck Sex zu haben", sagt die Sexualtherapeutin, sondern vielmehr darum, Momente zu schaffen, in denen beide entspannt genug sind, sich zu fragen: Was würde mir mit dir jetzt guttun? Und das kann alles sein. Gemeinsam auf dem Sofa die neue Folge von "House of Cards" schauen. Oder miteinander ins Bett gehen – und weder lesen noch schlafen.

2. Sexualtherapie hilft Paaren

In ihrer Praxis versucht Sandra Gathmann auch zu vermitteln, den Blick zu öffnen, denn im Alltag steckt viel mehr Sexualität, als die meisten sich bewusst machen. Sex ist immer da. Er drückt sich aus in einer Geste, einem Gespräch, einem Blick – was nicht heißt, dass man miteinander schlafen muss. "Jeder trägt in sich das Bedürfnis, begehrt zu werden und begehren zu können", sagt Sandra Gathmann. Lust verschwindet nie ganz. Auch Männer sehnten sich nach Zärtlichkeit, nur verwechselten sie diese Sehnsucht manchmal mit dem Verlangen nach Sex.

3. Lust bewusst genießen

Gerade wenn man länger keinen Sex hatte, fällt es oft schwer, sich darauf einzulassen. "Wichtig ist, sich von der Illusion zu lösen, dass Lust einfach so entsteht", erklärt die Psychologin. Sex ist eine Entscheidungssache, das heißt, man muss bereit sein, etwas dafür zu geben. Emotional, zeitlich, körperlich. "Und dann heißt es zu lernen, richtig dazu einzuladen", sagt Sandra Gathmann. Möglicherweise offensiv zu zeigen: Jetzt bin ich entspannt. Neugierig zu sein und sich neugierig machen zu lassen. Zu zeigen, was man sich wünscht. Und den anderen nach seinen Bedürfnissen zu fragen, herauszufinden, wie man einander berühren kann.

4. Wie Fantasie Ihre Beziehung belebt

All das läuft am Anfang einer Beziehung wie von selbst. Schon vorm nächsten Treffen malt man sich aus, was passieren könnte. Klar nimmt das ab, denn irgendwann weiß man ja, was man bekommt. Doch dieses Für-sich-selbst-in-Stimmung-Kommen kann man sich erhalten. Fantasien zulassen.
Wissenschaftler haben festgestellt, dass Frauen sexuell immer abwartender werden, je länger eine Beziehung dauert. Sie ergreifen seltener die Initiative und warten auf den richtigen Augenblick. Dabei bieten gerade gleichberechtigte Beziehungen eine besondere Chance: Wenn die Liebe kein Machtkampf ist, spricht nichts dagegen, sich auch mal erregen zu lassen, selbst wenn man gar keine Lust hat. Oder Sex aus Zugewandtheit zu haben, weil man weiß, das tut dem Partner jetzt gut. Und mit der Erregung kommt oft die Lust.

Unsere Expertin Sandra Gathmann ist Dipl. Psychologin, Sexualtherapeutin und Sexualberaterin in Wien.


Was hilft bei sexueller Unlust bei Frau?

Liegt dem Libidoverlust keine organische Ursache zugrunde, kann eine unspezifische Therapie helfen. Bereits ein Gespräch oder Entspannungsübungen können dazu führen, dass sich negative Denkmuster und Stress auflösen. Manchen Frauen hilft es auch, sexuellen Tagträumen Raum zu geben.

Was wenn die Lust auf Sex verschwindet?

Manchmal sind es auch einfach körperliche Gründe, die zur Unlust führen. Einige Erkrankungen können für ein Nachlassen der Libido sorgen, zum Beispiel Depressionen oder neurologische Störungen. Auch eine hormonelle Schwankung kann dazu führen, dass wenig Lust auf Sex besteht. Das betrifft vor allem Frauen.