Was passiert wenn man eine Frist versäumt?

Vor einigen Tagen kam ein aufgeregter Mandant zu uns und legte einen Beschluss des Landgerichts vor, mit dem seine Berufung als unzulässig verworfen wurde. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Berufung nicht in der gesetzlichen Frist begründet wurde. Und nun? Game over für den Mandanten – oder ein Fall der Anwaltshaftung?
Fristen spielen im Alltag eines Jeden eine Rolle – sei es für die Abgabe der Steuererklärung oder auch nur für die Rückmeldung auf eine Geburtstagseinladung.
Im beruflichen Alltag eines Anwalts spielen hingegen Fristen eine sehr große Rolle. Versäumt der Anwalt eine Frist, kann es zu enormen Nachteilen für den Mandanten führen. Der richtige Umgang mit Fristen gehört deshalb zu den zentralen Pflichten eines Anwalts.

Doch was sind Fristen und was bedeuten sie?

Fristen im anwaltlichen Alltag gibt es zahlreiche. Die wichtigsten sind:

  • Fristen, innerhalb derer eine Klage erhoben werden muss, um den Anspruch durchzusetzen; die Verjährungsfrist (lesen Sie hierzu auch unseren Blogbeitrag Forderung verjährt – und nun?),
  • die vom Gericht gesetzte Frist zur Stellungnahme auf einen Hinweis des Gerichts
  • Fristen zur Erwiderung auf einen Schriftsatz der Gegenseite;
  • die Frist zur Einzahlung des geforderten Gerichts- oder Auslagenvorschusses etc.

oder

  • die Frist für die Begründung der Berufung.

Es gibt Verjährungsfristen und Ausschlussfristen. Nach Ablauf der Verjährungsfrist bleibt der Anspruch zwar bestehen, der Verpflichtete darf die Leistung aber verweigern. Dagegen verliert man nach Ablauf einer Ausschlussfrist automatisch ein Recht.

Wann ist eine Frist versäumt?

Ganz einfach: eine Frist ist dann versäumt, wenn der Anwalt die von ihm geforderte Handlung nicht innerhalb dieser Frist vornimmt.

Warum wird eine Frist versäumt?

Gründe für eine Fristversäumnis gibt es viele:

  • Der Anwalt hat sie einfach vergessen.
  • Die Frist wurde nicht korrekt vom Anwalt berechnet.
  • Die Frist wurde nicht richtig in den Kalender eingetragen.
  • Die Übertragung des Schriftsatzes an das Gericht wurde nicht kontrolliert.

Was ist vom Anwalt zu verlangen, damit er Fristen nicht verpasst?

Selbstverständlich muss der Anwalt die Frist kennen oder erkennen und diese dokumentieren. Das bedeutet, dass er Beginn und Ende der Frist zunächst korrekt bestimmt und diese in den in jeder Kanzlei zu führenden Fristenkalender einträgt.
Durch organisatorische Vorkehrungen in der Kanzlei muss er dafür Sorge tragen, dass er rechtzeitig vor Ablauf der Frist auf diese hingewiesen wird und er deshalb Zeit hat, den Schriftsatz etc. zu fertigen.
Er muss sicherstellen und kontrollieren, dass sein Schriftsatz dann noch innerhalb der Frist vollständig an das Gericht übermittelt wird.

Was tun, wenn eine Frist versäumt ist?

Bei Versäumen einer bestimmten Frist, so wie in unserem Fall der Frist zur Begründung der Berufung, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden. Dies bedeutet, dass die verpasste Frist ohne Folgen bleibt und das Verfahren ganz normal fortgesetzt wird.
Die Voraussetzungen sind aber streng. So darf die Fristversäumnis nicht verschuldet worden sein. Verpassen Anwälte die Frist, gelingt dies nur, wenn sie beispielsweise glaubhaft belegen, dass ihr Büropersonal einen Fehler gemacht hat und sie ihre Angestellten ausreichend belehrt und überwacht haben.
In unserem Fall wurde ein solcher Antrag nicht gestellt. Das Verfahren war durch den Beschluss des Landgerichts beendet.

Ein Fall der Anwaltshaftung?

Grundsätzlich ist die Versäumung einer Frist ein Fall für die Anwaltshaftung, wenn der Anwalt ihm obliegende Pflichten verletzt. Allerdings ist dies nur der erste Schritt zum Schadensersatz. Den gibt es nur, wenn sich die Pflichtverletzung des Anwalts zum Nachteil des Mandanten auswirkt, ihm also dadurch Schaden entstanden ist.
Ein Schaden wäre regelmäßig erst dann entstanden, wenn die Berufung ohne die Fristversäumnis erfolgreich für den Mandanten hätte geführt werden können. (lesen Sie dazu unseren Blogbeitrag Anwaltshaftung – was bedeutet dies?)

Fazit: Frist versäumt – und nun?

Wenn Ihr Anwalt eine Frist versäumt, ist das nicht gut, bedeutet aber noch nicht das Ende. Wenn Sie im Urteil oder in einem sonstigen gerichtlichen Schreiben lesen oder vermuten, dass ihr Anwalt eine Frist versäumt hat, seien Sie hellhörig und lassen Sie prüfen, ob Ihnen dadurch Schaden entstanden ist.

Bildnachweis: Kalender Foto erstellt von rawpixel.com – de.freepik.com

14. April 2020

Wie lange darf sich ein Anwalt Zeit lassen?

Laut BGH wird die Anfrage eines Mandanten unverzüglich beantwortet, wenn die Antwort ohne schuldhaftes Zögern erfolgt (§ 11 Abs. 2 BORA in Verbindung mit § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), d.h. nach Ablauf einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist.

Wer darf eine Frist setzen?

Wer kann Fristen setzen? Juristisch bedeutende Fristen werden immer richterlich, per Vertrag oder auch per Gesetz festgelegt. Damit bleiben die Vorgänge verlässlich und planbar. Bei Rechtsstreiten regeln sie den Zeitrahmen für alle Beteiligten.

Was tun wenn der Anwalt sich nicht kümmert?

Ist der Mandant der Auffassung, dass die Vertrauensbasis nicht mehr besteht, sollte ein Anwaltswechsel in Betracht gezogen werden. Ob der Mandant sich dann noch über den Rechtsanwalt bei der Rechtsanwaltskammer beschweren sollte, liegt freilich bei ihm.

Wann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand?

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. (2) Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.