Was bedeuten eingedruckte zahlen im stiefelschaft

The Project Gutenberg EBook of In Stahlgewittern, by Ernst J�nger

This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
almost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away or
re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
with this eBook or online at www.gutenberg.org/license


Title: In Stahlgewittern
       Aus dem Tagebuch eines Sto�truppf�hrers

Author: Ernst J�nger

Release Date: October 19, 2010 [EBook #34099]
[Last updated. February 5, 2014]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK IN STAHLGEWITTERN ***




Produced by Jens Sadowski





Was bedeuten eingedruckte zahlen im stiefelschaft

Was bedeuten eingedruckte zahlen im stiefelschaft

In Stahlgewittern Aus dem Tagebuch eines Sto�truppf�hrers

Von
Ernst J�nger

Kriegsfreiwilliger, dann Leutnant und Kompagnief�hrer
im F�s. Regt. Prinz Albrecht v. Preu�en (Hann. Nr. 73)
Leutnant im Reichswehr-Regiment Nr. 16 (Hannover)

Was bedeuten eingedruckte zahlen im stiefelschaft

Dritte Auflage
6.—8. Tausend

Mit dem Bilde des Verfassers
Berlin 1922 / Verlag von E. S. Mittler & Sohn

Zur Erinnerung an meine gefallenen
Kameraden.

Herrn Hermann Stegemann
in Verehrung gewidmet

Alle Rechte aus dem Gesetze vom 19. Juni 1901
sowie das �bersetzungsrecht sind vorbehalten

Vorwort.

Noch wuchtet der Schatten des Ungeheuren �ber uns. Der gewaltigste der Kriege ist uns noch zu nahe, als da� wir ihn ganz �berblicken, geschweige denn seinen Geist sichtbar auskristallisieren k�nnen. Eins hebt sich indes immer klarer aus der Flut der Erscheinungen: Die �berragende Bedeutung der Materie. Der Krieg gipfelte in der Materialschlacht; Maschinen, Eisen und Sprengstoff waren seine Faktoren. Selbst der Mensch wurde als Material gewertet. Die Verb�nde wurden wieder und wieder an den Brennpunkten der Front zur Schlacke zergl�ht, zur�ckgezogen und einem schematischen Gesundungsproze� unterworfen. „Die Division ist reif f�r den Gro�kampf.“

Das Bild des Krieges war n�chtern, grau und rot seine Farben; das Schlachtfeld eine W�ste den Irrsinns, in der sich das Leben k�mmerlich unter Tage fristete. Nachts w�lzten sich m�de Kolonnen auf zermahlenen Stra�en dem brandigen Horizont entgegen. „Licht aus!“ Ruinen und Kreuze s�umten den Weg. Kein Lied erscholl, nur leise Kommandoworte und Fl�che unterbrachen das Knirschen der Riemen, das Klappern von Gewehr und Schanzzeug. Verschwommene Schatten tauchten aus den R�ndern zerstampfter D�rfer in endlose Laufgr�ben.

Nicht wie fr�her umrauschte Regimentsmusik ins Gefecht ziehende Kompagnien. Das w�re Hohn gewesen. Keine Fahnen schwammen wie einst im Pulverdampf �ber zerhackten Karrees, das Morgenrot leuchtete keinem fr�hlichen Reitertage, nicht ritterlichem Fechten und Sterben. Selten umwand der Lorbeer die Stirn des W�rdigen.

Und doch hat auch dieser Krieg seine M�nner und seine Romantik gehabt! Helden, wenn das Wort nicht wohlfeil geworden w�re. Draufg�nger, unbekannte, eherne Gesellen, denen es nicht verg�nnt war, vor aller Augen sich an der eigenen K�hnheit zu berauschen. Einsam standen sie im Gewitter der Schlacht, wenn der Tod als roter Ritter mit Flammenhufen durch wallende Nebel galoppierte. Ihr Horizont war der Rand eines Trichters, ihre St�tze das Gef�hl der Pflicht, der Ehre und des inneren Wertes. Sie waren �berwinder der Furcht; selten ward ihnen die Erl�sung, dem Feinde in die Augen blicken zu k�nnen, nachdem alles Schreckliche sich zum letzten Gipfel get�rmt und ihnen die Welt in blutrote Schleier geh�llt hatte. Dann ragten sie empor zu brutaler Gr��e, geschmeidige Tiger der Gr�ben, Meister des Sprengstoffs. Dann w�teten ihre Urtriebe mit kompliziertesten Mitteln der Vernichtung.

Doch auch wenn die M�hle des Krieges ruhiger lief, waren sie bewundernswert. Ihre Tage verbrachten sie in den Eingeweiden der Erde, vom Schimmel umwest, gefoltert vom ewigen Uhrwerk fallender Tropfen. Wenn die Sonne hinter gezackten Schattenrissen von Ruinen versankt, entklirrten sie dem Pesthauch schwarzer H�hlen, nahmen ihre W�hlarbeit wieder auf oder standen, eiserne Pfeiler, n�chtelang hinter den W�llen der Gr�ben und starrten in das kalte Silber zischender Leuchtkugeln. Oder sie schlichen als J�ger �ber klickenden Draht in die �de des Niemandslandes. Oft zerrissen j�he Blitze das Dunkel, Sch�sse knallten und ein Schrei verwehte ins Unbekannte. So arbeiteten und k�mpften sie, schlecht verpflegt und bekleidet, als geduldige, eisenbeladene Tagel�hner des Todes.

Manchmal kamen sie zur�ck, standen vertr�umt auf den Asphaltmeeren der St�dte und schauten ungl�ubig auf das Leben, das strudelnd in seinen gewohnten Bahnen flo�. Dann st�rzten sie sich hinein, um keine Minute der kurzen Tage ungen�tzt verflie�en zu lassen, tranken und k��ten. Mit der ihnen Lebensform gewordenen R�cksichtslosigkeit schwangen sie in tollen N�chten den Becher, bis ihnen die Welt versank. Da lie� man die gefallenen Freunde leben und schierte sich den Teufel um den n�chsten Tag. Und dann ging es wieder auf den gewohnten Stra�en der Brandung zu.

Das war der deutsche Infanterist im Kriege. Gleichviel wof�r er k�mpfte, sein Kampf war �bermenschlich. Die S�hne waren �ber ihr Volk hinausgewachsen. Mit bitterem L�cheln lasen sie das triviale Zeitungsgew�sch, die ausgelaugten Worte von Helden und Heldentod. Sie wollten nicht diesen Dank, sie wollten Verst�ndnis. Kein Dank kann gro� genug sein. Ein Bild: der h�chste Alpengipfel, ausgehauen zu einem Gesicht unter wuchtendem Stahlhelm, das still und ernst �ber die Lande schaut, den deutschen Rhein hinunter aufs freie Meer. — Einst wird kommen der Tag . . .

*                    *
*

Der Zweck dieses Buches ist, dem Leser sachlich zu schildern, was ein Infanterist als Sch�tze und F�hrer w�hrend des gro�en Krieges inmitten eines ber�hmten Regimentes[1] erlebt, und was er sich dabei gedacht hat. Es ist entstanden aus dem in Form gebrachten Inhalt meiner Kriegstageb�cher. Ich habe mich bem�ht, meine Impressionen m�glichst unmittelbar zu Papier zu bringen, weil ich merkte, wie rasch sich die Eindr�cke verwischen und wie sie schon nach wenigen Tagen eine andere F�rbung annehmen. Es erforderte Energie, diesen Stapel von Notizb�chern zu f�llen, in den kurzen Pausen des Geschehens, nach dem Tagewerk der Front, beim tr�ben Licht einer Kerze, auf den Treppen schmaler Stollenh�lse, in zeltverhangenem Trichter oder feuchten Kellern von Ruinen; indes es hat sich gelohnt. Ich habe mir die Frische der Erlebnisse gewahrt. Der Mensch neigt zur Idealisierung des Geleisteten, zur Vertuschung des H��lichen, Kleinlichen und Allt�glichen. Unmerklich stempelt er sich zum „Helden“.

Ich bin kein Kriegsberichterstatter, ich lege keine Helden-Kollektion vor. Ich will nicht beschreiben, wie es h�tte sein k�nnen, sondern wie es war.

Iliacos muros peccatur intra et extra. Der Grad der Sachlichkeit eines solchen Buches ist der Ma�stab seines inneren Wertes. Der Krieg setzt sich wie alle menschlichen Handlungen aus Gut und B�se zusammen. Nur treten hier, wo sich die Kraft von V�lkern aufs H�chste steigert, die Gegens�tze noch greller hervor als sonst. Neben gipfelnden Werten g�hnen dunkelste Abgr�nde. Da, wo ein Mensch die beinah g�ttliche Stufe der Vollkommenheit erreicht, die selbstlose Hingabe an ein Ideal bis zum Opfertode, findet sich ein anderer, der dem kaum Erkalteten gierig die Taschen durchw�hlt. Von gro�en Worten Berauschte brechen im Moment der Gefahr elend zusammen. M�nner, deren Gesinnung wie ein Fels schien, stellen sich in entscheidender Stunde „auf den Boden der Tatsachen“, ohne den Degen zu ziehen, der sonst so schallend gerasselt. Andere durchschwelgen die N�chte, in denen fernes Rot am Himmel glutet und leises Dr�hnen mahnend an die Fenster schl�gt.

Das mu� gesagt werden. Um so gl�nzender hebt sich aus diesem dunkeln Hintergrunde der wahre Mann, der unscheinbare, echte, vom Geist getriebene Krieger, der seine Pflicht tat, am letzten Tage wie am ersten. Was war dagegen der Rausch von 1914? Eine Massensuggestion! Und doch, wie viele habe ich kennengelernt, die unter dem grauen Tuch ein Herz von Gold und einen Willen von Stahl bargen, eine Auslese der T�chtigsten, die sich dem Tode in die Arme warf — mit stets gleichbleibender Freudigkeit. Ob ihr gefallen seid auf freiem Felde, das arme, von Blut und Schmutz entstellte Gesicht dem Feinde zu, �berrascht in dunklen H�hlen oder versunken im Schlamm endloser Ebenen, einsame, kreuzlose Schl�fer; das ist mir Evangelium: Ihr seid nicht umsonst gefallen. Wenn auch vielleicht das Ziel ein anderes, gr��eres ist, als ihr ertr�umtet. Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Kameraden, euer Wert ist unverg�nglich, Euer Denkmal tief in den Herzen eurer Br�der, die mit Euch standen, vom flammenden Ringe umschlossen. Legten wir nicht wei�e B�nder auf eure Wunden und sahen in eure brechenden Augen, als euch der Vorhang der Ewigkeit hochrauschte?

M�ge dies Buch dazu beitragen, eine Ahnung zu geben von dem, was ihr geleistet. Wir haben viel, vielleicht alles, auch die Ehre verloren. Eins bleibt uns: die ehrenvolle Erinnerung an euch, an die herrlichste Armee, die je die Waffen trug und an den gewaltigsten Kampf, der je gefochten wurde. Sie hochzuhalten inmitten dieser Zeit weichlichen Gewinsels, der moralischen Verk�mmerung und des Renegatentums ist stolzeste Pflicht eines jeden, der nicht nur mit Gewehr und Handgranate, sondern auch mit lebendigem Herzen f�r Deutschlands Gr��e k�mpfte.

[1]  Das Stammregiment des F�silier-Regiments Nr. 73, das vormals K�niglich Hannoversche Garderegiment, verteidigte von 1779 bis 1783 fast vier Jahre lang unter General Elliot Gibraltar siegreich gegen die Spanier und Franzosen. Zur Erinnerung an diese ruhmvolle Waffentat tr�gt unser Regiment am �rmel des Waffenrocks ein blaues Band mit der Aufschrift „Gibraltar“. Dasselbe Zeichen wird jetzt von der 5. Kompagnie des Reichswehr-Regiments Nr. 16 (Hannover) weitergetragen.

Vorwort zur 2. Auflage.

Schneller als gedacht, wurde eine zweite Auflage Bed�rfnis. Aus Zuschriften und Gespr�chen ersah ich, da� der Zweck des Buches erreicht, der Geist der Leute am Feind getroffen war. Wer sollte ihn auch besser treffen als einer, der vier Jahre lang in allen L�chern und H�hlen der Westfront in ihrem Kreise hockte?

Dies Interesse f�r das Geschehen einer Zeit, die uns zu Boden hagelte, ist von Bedeutung. Das Volk im ganzen hat nicht den Willen, das zu verleugnen, wof�r Unz�hlige fielen. Der Krieg ist eine Sache, an der alle beteiligt sind. Sind zur Stunde noch die Nerven ersch�ttert vom Grauenhaften seiner �u�eren Gestaltung, so wird er sp�teren Generationen vielleicht erscheinen wie manche Kreuzigungsbilder alter Meister: Als gro�er Gedanke, der Nacht und Blut �berstrahlt. Dann wird man wohl auch mit R�hrung an uns zur�ckdenken, an uns und die Hoffnungen und Gef�hle, die unsere Brust durchzuckten, als wir im Dunkel durch br�llende W�sten irrten.

Oder sollten Str�mungen unserer Zeit dann schon so rei�end geworden sein, da� niemand mehr versteht, wie wir das Leben geringer achten konnten als unsere Idee?

Ich kann es nicht glauben.

Berlin, im Juli 1921.

Inhaltsverzeichnis.

Vorwort

Orainville

Von Bazancourt bis Hattonch�tel

Les Eparges

Douchy und Monchy

Vom t�glichen Stellungskampf

Der Auftakt zur Somme-Offensive

Guillemont

Am St. Pierre-Vaast

Der Somme-R�ckzug

Im Dorfe Fresnoy

Gegen Inder

Langemarck

Regni�ville

Noch einmal Flandern

Die Cambraischlacht

Am Cojeul-Bach

Die gro�e Schlacht

Englische Vorst��e

Mein letzter Sturm

Orainville.

Der Zug hielt in Bazancourt, einem St�dtchen der Champagne. Wir stiegen aus. Mit ungl�ubiger Ehrfurcht lauschten wir dem langsamen Takte des Walzwerkes der Front, einer Melodie, die uns in langen Jahren Gewohnheit werden sollte. Ganz weit zerflo� der wei�e Ball eines Schrapnells im grauen Dezemberhimmel. Der Atem des Kampfes wehte her�ber und lie� uns seltsam erschauern. Ahnten wir, da� fast alle von uns verschlungen werden sollten an Tagen, in denen das dunkle Murren dahinten aufbrandete zu unaufh�rlich rollendem Donner? Der eine fr�her, der andere sp�ter?

Wir hatten H�rs�le, Schulb�nke und Werktische verlassen und waren in den kurzen Ausbildungswochen zusammengeschmolzen zu einem gro�en, begeisterten K�rper, Tr�ger des deutschen Idealismus der nachsiebziger Jahre. Aufgewachsen im Geiste einer materialistischen Zeit, wob in uns allen die Sehnsucht nach dem Ungew�hnlichen, nach dem gro�en Erleben. Da hatte uns der Krieg gepackt wie ein Rausch. In einem Regen von Blumen waren wir hinausgezogen in trunkener Morituri-Stimmung. Der Krieg mu�te es uns ja bringen, das Gro�e, Starke, Feierliche. Er schien uns m�nnliche Tat, ein fr�hliches Sch�tzengefecht auf blumigen, blutbetauten Wiesen. Kein sch�nrer Tod ist auf der Welt . . . . Ach, nur nicht zu Haus bleiben, nur mitmachen d�rfen!

„In Gruppenkolonne antreten!“ Die erhitzte Phantasie beruhigte sich beim Marsche durch den schweren Lehmboden der Champagne. Tornister, Patronen und Gewehr dr�ckten wie Blei. „Kurztreten. Aufbleiben dahinten!“

Ach, zu des Geistes Fl�geln wird so bald

Kein k�rperlicher Fl�gel sich gesellen!

Endlich erreichten wir das Dorf Orainville, den Ruheort des F�silier-Regiments 73, eins der typischen Nester jener Gegend, gebildet durch 50 H�uschen aus Ziegel- oder Kreidesteinen um einen parkumschlossenen Herrensitz.

Das Treiben auf der Dorfstra�e bot den kulturgewohnten Augen einen fremden Anblick. Man sah nur wenige scheue und zerlumpte Zivilisten; �berall Soldaten in abgetragenen, zerschlissenen R�cken mit wettergegerbten, meist von gro�en B�rten umrahmten Gesichtern, die langsamen Schrittes dahinschlenderten oder in kleinen Gruppen vor den T�ren der H�user standen und uns Neulinge mit Scherzrufen empfingen. Irgendwo stand eine nach Erbsensuppe duftende Feldk�che, von kochgeschirrklappernden Essenholern umringt. Die wallensteinsche Romantik wurde durch den beginnenden Verfall des Dorfes noch gesteigert.

Nachdem wir die erste Nacht in einer gewaltigen Scheune verbracht hatten, wurden wir im Hofe des Schlosses vom Regimentsadjutanten, dem damaligen Oberleutnant v. Brixen, eingeteilt und ich der 9. Kompagnie �berwiesen.

Unser erster Kriegstag sollte nicht vor�bergehen, ohne uns einen entscheidenden Eindruck zu hinterlassen: Wir sa�en in der uns als Quartier angewiesenen Schule und fr�hst�ckten. Pl�tzlich dr�hnte eine Reihe dumpfer Ersch�tterungen in der N�he, w�hrend aus allen H�usern Soldaten dem Dorfeingang zust�rzten. Wir befolgten dies Beispiel, ohne recht zu wissen warum. Wieder ert�nte ein eigenartiges, nie geh�rtes Flattern und Rauschen �ber uns und ertrank in polterndem Krachen. Ich wunderte mich, da� die Leute um mich sich zusammenduckten wie unter furchtbarer Drohung.

Gleich darauf erschienen schwarze Gruppen auf der menschenleeren Dorfstra�e, in Zeltbahnen oder auf den verschr�nkten H�nden schwarze B�ndel schleppend. Mit einem merkw�rdig beklommenen Gef�hl der Unwirklichkeit starrte ich auf eine blut�berstr�mte Gestalt mit lose am K�rper herabh�ngendem Bein, die unaufh�rlich ein heiseres „Zu Hilfe!“ hervorstie� und in ein Haus getragen wurde, von dessen Eingang die Rote-Kreuz-Flagge herabwehte. — Was war das nur? Der Krieg hatte seine Krallen gezeigt und die gem�tliche Maske abgeworfen. Das war so r�tselhaft, so unpers�nlich. Kaum, da� man dabei an den Feind dachte, dieses geheimnisvolle, t�ckische Wesen irgendwo dahinten. Das v�llig au�erhalb der Erfahrung liegende Ereignis machte einen so starken Eindruck, da� es M�he kostete, die Zusammenh�nge zu begreifen. Es war wie eine gespenstische Erscheinung am hellen Mittag.

Eine Granate war oben am Portal des Schlosses krepiert und hatte eine Wolke von Steinen und Sprengst�cken in den Eingang geschleudert, gerade, als die durch die ersten Sch�sse aufgeschreckten Insassen aus dem Torweg str�mten. Sie erschlug 13 Opfer, darunter den Musikmeister Gebhard, eine mir von den hannoverschen Promenaden-Konzerten her wohlbekannte Erscheinung. Ein angebundenes Pferd witterte die Gefahr eher als die Menschen, ri� sich wenige Sekunden vorher los und galoppierte, ohne verletzt zu werden, in den Schlo�hof.

Im Gespr�ch mit meinen Kameraden merkte ich, da� dieser Zwischenfall manchem die Kriegsbegeisterung sehr ged�mpft hatte. Da� er auch auf mich stark gewirkt hatte, ersah ich aus zahlreichen Geh�rst�uschungen, die mir das Rollen jedes vor�berfahrenden Wagens in das fatale Ger�usch der Ungl�cks-Granate verwandelten.

Am Abend desselben Tages kam der lang ersehnte Augenblick, in dem wir, schwer bepackt, zur Kampfstellung aufbrachen. Durch die aus phantastischem Halbdunkel ragenden Ruinen des Dorfes Betricourt f�hrte unser Weg nach einem einsamen, in Tannenwaldungen versteckten Forsthause, der sogenannten „Fasanerie“, wo die Regiments-Reserve lag, der bis zu dieser Nacht auch die dort liegende 9. Kompagnie angeh�rte. Ihr F�hrer war der Leutnant d. R. Brahms.

Wir wurden in Empfang genommen, auf die Gruppen verteilt und befanden uns bald im Kreise b�rtiger, lehmbekrusteter Gesellen, die uns mit einem gewissen ironischen Wohlwollen begr��ten. Wir wurden gefragt, wie es in Hannover auss�he, und ob der Krieg denn noch nicht bald zu Ende gehen sollte. Dann drehte sich das Gespr�ch in eint�niger K�rze um Schanzen, Feldk�che, Grabenst�cke und andere Angelegenheiten den Stellungskrieges.

Nach einiger Zeit erscholl vor der T�r unseres h�ttenartigen Aufenthaltes der Ruf: „Heraustreten!“ Wir traten bei unseren Gruppen an und stie�en auf das Kommando: „Laden und Sichern!“ mit geheimer Wollust einen Rahmen scharfer Patronen ins Magazin.

Dann ging es schweigend Mann hinter Mann querbeet durch die n�chtliche, von dunklen Waldst�cken bes�te Landschaft. Ab und zu verhallte ein einsamer Schu�, oder eine Leuchtkugel strahlte zischend auf, um nach kurzer, geisterhafter Beleuchtung eine noch tiefere Dunkelheit zu hinterlassen. Monotones Klappern von Gewehr und Schanzzeug durch den Warnungsruf: „Achtung, Draht!“ unterbrochen. Wie oft bin ich nach diesem erstenmal in halb melancholischer, halb erregter Stimmung durch ausgestorbene Landschaften zur vorderen Linie geschritten!

Endlich verschwanden wir in einem der Laufgr�ben, die sich wie wei�e Schlangen durch die Nacht zur Stellung wanden. Dort fand ich mich einsam und fr�stelnd zwischen zwei Schulterwehren wieder, angestrengt in eine vorm Graben liegende Tannenreihe starrend, in der meine Phantasie mir allerhand Schattengestalten vorgaukelte, w�hrend ab und zu eine verirrte Kugel durchs Ge�st klatschte. Die einzige Abwechslung in dieser schier endlosen Zeit war, da� ich von einem �lteren Kameraden abgeholt wurde und mit ihm durch einen langen, schmalen Gang zu einem vorgeschobenen Postenloch trottete, in dem wir wiederum damit besch�ftigt waren, das Vorgel�nde zu betrachten. Zwei Stunden durfte ich in einem kahlen Kreideloche versuchen, den Schlaf der Ersch�pfung zu finden. Als der Morgen graute, war ich bleich und lehmbeschmiert wie die anderen, und es war mir, als ob ich dieses Maulwurfsleben schon monatelang gef�hrt h�tte.

Die Stellung des Regiments wand sich durch den Kreidebogen der Champagne gegen�ber dem Dorfe Le Gauda. Sie lehnte sich rechts an ein zerhacktes Waldst�ck, den Granat-Wald, lief dann durch riesige Zuckerr�benfelder, aus denen die roten Hosen gefallener St�rmer leuchteten, und endete in einem Bachgrund, �ber den die Verbindung mit dem Regiment 74 durch n�chtliche Patrouillen aufrechterhalten wurde. Der Bach rauschte �ber das Wehr einer zerst�rten, von finsteren B�umen umringten M�hle. Ein unheimlicher Aufenthalt, wenn nachts der Mond durch zerrissene Wolken wechselnde Schatten warf, und seltsame Laute in das Murmeln des Wassers und das Rascheln des Schilfes sich zu mischen schienen.

Der Dienst war der denkbar anstrengendste. Das Leben begann mit dem Einbruch der D�mmerung, w�hrend der die ganze Besatzung im Graben stehen mu�te. Von 10 Uhr abends bis 6 Uhr morgens durften dann je zwei Mann jeder Gruppe schlafen, so da� man einen Nachtschlaf von zwei Stunden geno�, der indes durch fr�heres Wecken, Strohholen und andere Besch�ftigungen illusorisch gemacht wurde.

Entweder hatte man Wache im Graben, oder man zog in eins der zahlreichen Postenl�cher, die mit der Stellung durch lange, ausgehobene Verbindungswege zusammenhingen; eine Art der Sicherung, die wegen der Exponiertheit der Posten im Laufe des Stellungskrieges bald aufgegeben wurde.

Diese endlosen, furchtbar erm�denden Nachtwachen waren bei klarem Wetter und selbst bei Frost noch ertr�glich, sie wurden jedoch qualvoll, wenn es, wie meist im Januar, regnete. Wenn die Feuchtigkeit erst die �ber den Kopf gezogene Zeltbahn, dann Mantel und Uniform durchdrang und stundenlang am K�rper herunterrieselte, geriet man in eine Stimmung, die selbst durch das Rauschen der heranwatenden Abl�sung nicht erhellt werden konnte. Die Morgend�mmerung beleuchtete ersch�pfte, kreidebeschmierte Gestalten, die sich z�hneklappernd mit bleichen Gesichtern auf das faule Stroh der tropfenden Unterst�nde warfen. Diese Unterst�nde! Es waren nach dem Graben zu offene, in die Kreide gehauene L�cher mit einer Lage von Brettern und einigen Schaufeln Erde bedeckt. Hatte es geregnet, so tropften sie noch tagelang nachher; ein gewisser Galgenhumor hatte sie deshalb mit entsprechenden Namen, wie „Tropfsteinh�hle“, „Zum M�nnerbad“ usw., bezeichnet. Wollten mehrere darin der Ruhe pflegen, so waren sie gezwungen, ihre Beine als unfehlbare Fu�angeln f�r jeden Vor�bergehenden in den Graben zu legen. Unter diesen Umst�nden war nat�rlich auch tags�ber von Schlaf wenig die Rede. Au�erdem mu�te man noch zwei Stunden Tagesposten stehen, den Graben reinigen, Essen, Kaffee, Wasser holen und anderes mehr.

Man wird begreifen, da� dieses ungewohnte Leben uns sehr hart vorkam, besonders da wir dazu von den meisten der alten Leute in jeder Weise schikaniert wurden. Diese aus der Kaserne in den Krieg mitgenommene Gewohnheit trug viel dazu bei, uns die schweren Tage noch mehr zu verbittern, verschwand aber nach der ersten zusammen bestandenen Schlacht. Dem gemeinen Mann war auch die Tatsache, da� wir uns freiwillig gemeldet hatten, schwer verst�ndlich. Er sah das als einen gewissen �bermut an, eine Auffassung, der ich im Kriege oft begegnet bin.

Die Zeit, w�hrend der die Kompagnie in Reserve lag, war nicht viel besser. Wir hausten dann in tannenzweiggedeckten Erdh�tten bei der Fasanerie oder im Hiller-W�ldchen, deren mistbepackter Boden wenigstens eine angenehme G�rungsw�rme ausstrahlte. Manchmal erwachte man in einer zolltiefen Wasserpf�tze. Trotzdem ich Rheumatismus bislang nur dem Namen nach gekannt hatte, sp�rte ich schon nach wenigen Tagen infolge der dauernden Durchn�ssung Schmerzen in allen Gelenken. Die N�chte dienten auch hier nicht dem Schlaf, sondern wurden benutzt, die zahlreichen Ann�herungsgr�ben zu vertiefen.

Ein Lichtblick in diesem �den Einerlei war die allabendliche Ankunft der Feldk�che an der Ecke des Hiller-W�ldchens, wo sich bei der �ffnung des Kessels ein k�stlicher Duft nach Erbsen mit Speck oder anderen herrlichen Sachen verbreitete. Aber auch hier gab es einen dunklen Punkt: das D�rrgem�se, das von entt�uschten Gourmets als „Drahtverhau“ oder „Flurschaden“ geschm�ht wurde.

Am angenehmsten waren die Ruhetage in Orainville, die mit Ausschlafen, Reinigen der Sachen und Exerzieren verbracht wurden. Die Kompagnie hauste in einer gewaltigen Scheune, die nur zwei h�hnerleiterartige Treppen als Ein- und Ausgang hatte. Obwohl das Geb�ude noch mit Stroh gef�llt war, standen �fen darin. Eines Nachts rollte ich gegen den einen und erwachte erst infolge der Bem�hungen einiger Kameraden, die mich kr�ftigen L�schversuchen unterzogen. Zu meinem Schrecken gewahrte ich, da� meine Uniform an der R�ckseite arg verkohlt war, so da� ich l�ngere Zeit in einem frackartigen Anzuge umherlaufen mu�te.

Nach kurzem Aufenthalt beim Regiment hatten wir fast alle Illusionen verloren, mit denen wir ausgezogen waren. Statt der erhofften Gefahren hatten wir Schmutz, Arbeit und schlaflose N�chte vorgefunden, zu deren Bezwingung ein uns wenig liegendes Heldentum geh�rte. Diese dauernde �beranstrengung war Schuld der F�hrung, die den Geist des neuartigen Stellungskrieges noch nicht erfa�t hatte. In einem kurzen, draufg�ngerischen Kriege kann und mu� der Offizier die Mannschaft r�cksichtslos ersch�pfen, in einem sich lang hinschleppenden f�hrt dies zu physischem und moralischem Zusammenbruch. Die ungeheure Postenzahl und die ununterbrochene Schanzarbeit war zum gr��ten Teil unn�tig und sogar sch�dlich. Nicht auf gewaltige Verschanzungen kommt es an, sondern auf den Mut und die Frische der Leute, die dahinterstehen. „Eiserne Herzen auf h�lzernen Schiffen gewinnen die Schlachten.“

Wohl h�rten wir im Graben Geschosse pfeifen, bekamen auch ab und zu einige Granaten von den Reimser Forts, aber diese kleinen kriegerischen Ereignisse blieben weit hinter unseren Erwartungen zur�ck. Trotzdem wurden wir manchmal an den blutigen Ernst gemahnt, der hinter diesem scheinbar absichtslosen Geschehen lauerte. So schlug am 8. Januar eine Granate in die Fasanerie und t�tete den Leutnant Schmidt, unseren Bataillons-Adjutanten.

Am 27. Januar lie�en wir unserem Kaiser zur Ehre drei kr�ftige Hurras erschallen und stimmten auf der langen Front, von feindlichen Gewehren begleitet, ein „Heil dir im Siegerkranz“ an.

In diesen Tagen hatte ich ein sehr unangenehmen Erlebnis, das meine milit�rische Laufbahn fast zu einem vorzeitigen und unr�hmlichen Abschlu� gebracht h�tte. Die Kompagnie lag am linken Fl�gel, und ich mu�te mich gegen Morgen nach v�llig durchwachter Nacht mit einem Kameraden in den Bachgrund auf Doppelposten begeben. Ich hatte der K�lte wegen verbotenerweise meine Decke um den Kopf geschlagen und lehnte an einem Baum, nachdem ich mein Gewehr neben mich in einen Busch gestellt hatte. Pl�tzlich h�rte ich hinter mir ein Ger�usch, griff danach — die Waffe war verschwunden! Der revidierende Portepee-Tr�ger, ein Offizier-Stellvertreter, hatte sich an mich herangeschlichen und sie unbemerkt an sich genommen. Um mich zu bestrafen, schickte er mich eigenm�chtig, nur mit einer Beilpicke bewaffnet, in der Richtung auf die franz�sischen Postierungen, ungef�hr 100 Meter weit, vor, eine Indianeridee, die mich beinahe ums Leben gebracht h�tte. W�hrend meiner merkw�rdigen Strafwache schlich n�mlich eine Patrouille von drei Kriegsfreiwilligen durch das Schilf vor, wurde von den Franzosen bemerkt und beschossen. Einer von ihnen, namens Lang, wurde getroffen und nie wieder gesehen. Da ich ganz in der N�he stand, bekam ich auch mein Teil von den damals so beliebten Gruppensalven ab, so da� mir die Zweige des Weidenbaumes, an dem ich stand, um die Ohren pfiffen. Ich bi� die Z�hne zusammen und blieb aus Trotz stehen. Ich habe dem Offizier-Stellvertreter diese Gemeinheit nie vergessen k�nnen.

Wir waren alle herzlich stolz, als uns mitgeteilt wurde, da� wir diese Stellung endg�ltig verlassen sollten, und feierten unseren Abschied von Orainville durch einen kr�ftigen Bierabend in der gro�en Scheune. Am 4. Februar 1915 marschierten wir, von einem s�chsischen Regiment abgel�st, nach Bazancourt.

Dieser Monat war f�r mich, obwohl der h�rteste des ganzen Krieges, doch eine gute Schule. Ich hatte den Wacht- und Arbeitsdienst in seiner schwersten Form gr�ndlich kennengelernt. Das bewahrte mich sp�ter, als ich selbst f�hrte, davor, von meinen Leuten Unm�gliches zu verlangen.

Von Bazancourt bis Hattonch�tel.

In Bazancourt, einem �den Champagne-St�dtchen, wurde die Kompagnie in der Schule einquartiert, die infolge des geradezu erstaunlichen Ordnungssinnes unserer Leute in kurzer Zeit das Aussehen einer Friedenskaserne annahm. Da gab es einen Unteroffizier vom Dienst, der Morgens p�nktlich weckte, Stubendienst und allabendliche Appells durch die Korporalschaftsf�hrer. Jeden Morgen r�ckten die Kompagnien aus, um auf den umliegenden �dfeldern einige Stunden stramm zu exerzieren. Diesem Dienstbetrieb wurde ich nach einigen Tagen durch Abkommandierung zum Offizier-Aspiranten-Kursus in Recouvrence entzogen.

Recouvrence war ein entlegenes, in lieblichen Kreideh�geln verstecktes D�rfchen, in das von der Division eine Anzahl junger Leute geschickt wurde, um durch den von jedem Regiment gestellten Offizier und einige Unteroffiziere eine gr�ndliche milit�rische Ausbildung zu erhalten. Wir 73er haben in dieser Beziehung dem �u�erst f�higen, leider kurz darauf gefallenen Leutnant Hoppe viel zu verdanken.

Das Leben in diesem weltabgeschiedenen Neste setzte sich aus einer merkw�rdigen Mischung von Kasernendrill und akademischer Freiheit zusammen. Tags�ber wurden die Z�glinge nach allen Regeln der Kunst zum milit�rischen Menschen geschliffen, abends versammelten sie sich mit ihren Lehrern um riesige F�sser, wo in ebenso gr�ndlicher Weise gezecht wurde. Wenn in den Morgenstunden die verschiedenen Abteilungen aus ihren Kneiplokalen str�mten, hatten die kleinen Kreidesteinh�user den ungewohnten Anblick eines studentischen Walpurgistreibens. Unser Kursusleiter, ein Hauptmann, hatte �brigens die erzieherische Gewohnheit, den Dienst an den darauffolgenden Tagen mit doppelter Energie zu handhaben.

Unser Verkehr untereinander war, wie bei Leuten derselben Bildungsstufe unter diesen Verh�ltnissen selbstverst�ndlich, sehr kameradschaftlich. Wir wohnten zu dritt oder viert zusammen und f�hrten gemeinsame Wirtschaft. Besonders ist mir noch unser regelm��iges Abendessen von R�hrei und Bratkartoffeln in guter Erinnerung. Sonntags leisteten wir uns das landess�bliche Kaninchen oder einen Hahn. Da ich den Einkauf f�r den Abendtisch besorgte, legte mir unsere Wirtin einmal eine Anzahl von Bons vor, die sie von requirierenden Soldaten erhalten hatte; meist des Inhalts, da� der F�silier N. N. der Tochter des Hauses Liebensw�rdigkeiten erwiesen und daf�r 12 Eier requiriert habe. Zur Anf�hrung ist diese erg�tzliche Bl�tenlese des Volkshumors leider durchweg zu saftig.

Mitte Februar wurden wir 73er durch die Nachricht der gro�en Verluste unseres Regiments bei Perthes �berrascht und waren sehr traurig, diese Tage fern von unseren Kameraden verbracht zu haben. Am 21. M�rz kamen wir nach einem kleinen Examen zum Regiment zur�ck, das wieder in Bazancourt lag. Es schied in diesen Tagen nach einer gro�en Parade und einer Abschiedsansprache des Generals von Emmich aus dem Verbande des X. Korps. Wir wurden am 24. M�rz verladen und fuhren bis in die Gegend von Br�ssel, wo wir mit den Regimentern 76 und 164 zur 111. Infanterie-Division zusammengestellt wurden.

Unser Bataillon wurde in dem St�dtchen H�rinnes (fl�misch: Herne) untergebracht, inmitten einer Landschaft von fl�mischer Behaglichkeit. Ich erlebte hier recht gl�cklich meinen 20. Geburtstag.

Obwohl die Belgier in ihren H�usern gen�gend Platz hatten, wurde unsere Kompagnie aus falscher R�cksichtnahme in eine gro�e zugige Scheune gesteckt, durch die w�hrend der kalten M�rzn�chte der rauhe Seewind jener Gegend pfiff. Sonst war uns der Aufenthalt in Herne eine gute Erholung; es wurde zwar viel exerziert, doch gab es auch gute Verpflegung und Lebensmittel f�r geringes Geld.

Die halb aus Flamen, halb aus Wallonen bestehende Bev�lkerung war sehr freundlich zu uns. Ich unterhielt mich oft mit dem Besitzer eines Estaminets, einem eifrigen Sozialisten und Freigeist, der mich am Ostersonntag zum Festmahl einlud und sogar f�r seine Getr�nke kein Geld nehmen wollte. Man kann sich kaum vorstellen, wie wohltuend eine solche Begegnung inmitten der rauhen Schule der Feldkameradschaft wirkt.

Gegen Ende unseres Aufenthaltes wurde das Wetter sch�n und lud zu Spazierg�ngen in der lieblichen, wasserreichen Umgebung ein. Die Landschaft war malerisch verziert durch die vielen entkleideten Kriegsleute, die, ihre W�sche auf dem Scho�, l�ngs der pappelums�umten Bachufer eifrig der L�usejagd oblagen. Von dieser Plage bislang ziemlich verschont geblieben, war ich indes meinem Kriegskameraden Priepke, einem Hamburger Exportkaufmann, behilflich, in seine wollene Weste, die bev�lkert war wie weiland das Habit Simplicii Simplicissimi, zu Desinfektionszwecken einen schweren Stein zu wickeln und sie in einen Bach zu versenken. Da unser Aufbruch von Herne sehr pl�tzlich erfolgte, wird sie sich dort wohl noch heute eines ungest�rten Aufenthalts erfreuen.

Am 12. April 1915 wurden wir in Hal verladen und fuhren, um Spione zu t�uschen, �ber den Nordfl�gel der Front in die Gegend des Schlachtfeldes von Mars-la-Tour. Die Kompagnie bezog ihr gewohntes Scheunen-Quartier im Dorfe Tronville, einem der �blichen langweiligen, aus flachd�chrigen, fensterlosen Steink�sten zusammengew�rfelten lothringischen Drecknester. Der Fliegergefahr wegen mu�ten wir uns meist in dem �berf�llten Orte aufhalten, in dessen N�he die ber�hmten St�tten von Mars-la-Tour und Gravelotte liegen. Wenige hundert Meter vom Dorfe wurde die Stra�e nach Gravelotte von der Grenze geschnitten, an der der franz�sische Grenzpfahl zerschmettert am Boden lag. Abends machten wir uns oft das wehm�tige Vergn�gen eines Spazierganges nach Deutschland.

Unsere Scheune war so bauf�llig, da� man balancieren mu�te, um nicht durch die morschen Bretter auf die Tenne zu st�rzen. An einem Abend, als unsere Gruppe gerade unter Vorsitz ihres biederen Korporals Kerkhoff besch�ftigt war, auf einer Krippe die Portionen zu teilen, l�ste sich ein ungeheurer Eichklotz aus dem Geb�lk und st�rzte krachend herunter. Zum Gl�ck klemmte er sich dicht �ber unseren K�pfen zwischen zwei Lehmw�nden. Wir kamen mit dem Schrecken davon, aber unsere sch�ne Fleischportion war durch den aufgewirbelten Schutt ungenie�bar geworden. Kaum hatten wir uns an diesem omin�sen Abend niedergelegt, als kr�ftig an das Tor gedonnert wurde und die alarmierende Stimme des Feldwebels uns vom Lager trieb. Zuerst, wie immer in solchen Augenblicken, ein Moment der Stille, dann wirres Durcheinander und Gepolter: „Mein Helm! Wo ist mein Brotbeutel? Ich kriege meine Stiefel nicht an! Du hast meine Patronen geklaut! Hol’t Mul, du August!“

Zuletzt war doch alles fertig, und wir marschierten zum Bahnhof von Chamblay, von wo wir in einigen Minuten mit der Bahn bis Pagny-sur-Moselle fuhren. In den Morgenstunden erklommen wir die Moselh�hen und, blieben in Pr�ny, einem romantischen, von einer Burgruine �berragten Bergdorf. Diesmal war unsere Scheune ein mit aromatischem Bergheu gef�llter Steinbau, aus dessen Luken wir auf die weinbepflanzten Moselberge und das im Tal gelegene St�dtchen Pagny blicken konnten, das oft mit Granaten und Fliegerbomben belegt wurde. Einige Male schlug ein Gescho� in die Mosel, eine turmhohe Wassers�ule hochschleudernd.

Das warme Wetter und die pr�chtige Landschaft wirkten wahrhaft belebend auf uns und reizten in den Freistunden zu langen Spazierg�ngen. Wir waren so �berm�tig, da� wir abends noch einige Zeit ulkten, bevor alles zur Ruhe kam. Unter anderem war es ein beliebter Scherz, Schnarchern aus einer Feldflasche Wasser oder Kaffee in den Mund zu gie�en.

Am Abend des 22. April marschierten wir von Pr�ny ab, legten �ber 30 Kilometer bis zum Dorfe Hattonch�tel zur�ck, ohne trotz dem schweren Gep�ck einen Marschkranken zu haben, und schlugen rechts von der ber�hmten Grande Tranch�e mitten im Walde Zelte auf. Es war aus allen Anzeichen zu ersehen, da� wir am n�chsten Tage ins Gefecht kommen w�rden. Wir empfingen Verbandp�ckchen, zweite Fleischb�chsen und Signalflaggen f�r die Artillerie.

Am Abend sa� ich noch lange in jener ahnungsvollen Stimmung, von der die Krieger aller Zeiten zu erz�hlen wissen, auf einem von blauen Anemonen umwucherten Baumstumpf, ehe ich �ber die Reihen der Kameraden an meinen Zeltplatz kroch, und tr�umte in der Nacht wirres Zeug zusammen, in dem ein Totenkopf die Hauptrolle spielte. Priepke, dem ich am Morgen davon erz�hlte, hoffte, da� es ein Franzosensch�del gewesen sei.

Les Eparges.

Das junge Gr�n des Waldes schimmerte im Morgen. Wir wanden uns durch versteckte Wege zu einer engen Schlucht hinter der vorderen Linie. Es war bekanntgegeben, da� das Regiment 76 nach 20minutiger Feuervorbereitung st�rmen und wir als Reserve bereitstehen sollten. Punkt 12 Uhr er�ffnete unsere Artillerie eine heftige Kanonade, die vielfach in den Waldschluchten widerhallte. Zum ersten Male vernahmen wir hier das schwere Wort: Trommelfeuer. Wir sa�en auf den Tornistern, unt�tig und erregt. Eine Ordonnanz st�rzte zum Kompagnief�hrer. Hastige Worte. „Die drei ersten Gr�ben sind in unserer Hand, sechs Gesch�tze erbeutet!“ Ein Hurra flammte auf. Draufg�ngerstimmung erwachte.

Endlich kam der ersehnte Befehl. Wir zogen in langer Reihe nach vorn, von wo verschwommenes Gewehrfeuer prasselte. Es wurde ernst. Zur Seite des Waldpfades dr�hnten in einem Tannendickicht dumpfe St��e, Zweige und Erde rauschten nieder. Ein �ngstlicher warf sich unter erzwungenem Gel�chter der Kameraden zu Boden. Dann glitt der Mahnruf des Todes durch die Reihen: „Sanit�ter nach vorn!“

Auf der Grande Tranch�e hasteten Truppen vor. Um Wasser flehende Verwundete kauerten am Stra�enrand, bahrentragende Gefangene keuchten zur�ck, Protzen rasselten im Galopp durchs Feuer. Rechts und links stampften Granaten den weichen Boden, schweres Ge�st brach nieder. Mitten im Wege lag ein totes Pferd mit riesigen Wunden, daneben dampfende Eingeweide. An einem Baume lehnte ein b�rtiger Landwehrmann: „Jungens, jetzt feste ran, der Franzmann ist im Laufen!“

Wir gelangten in das kampfzerw�hlte Reich der Infanterie. Der Umkreis der Sturmausgangsstellung war von Geschossen kahl geholzt. Im zerrissenen Zwischenfelde lagen die Opfer des Sturmes, den Kopf feindw�rts; die grauen R�cke hoben sich kaum vom Boden ab. Eine Riesengestalt, mit rotem, blutbesudeltem Vollbart starrte zum Himmel, die F�uste in die lockere Erde gekrallt. Ein junger Mensch w�lzte sich in einem Trichter, die gelbliche Farbe des Todes auf den Z�gen. Unsere Blicke schienen ihm unangenehm, mit einer gleichg�ltigen Bewegung zog er sich den Mantel �ber den Kopf und wurde still.

Wir l�sten uns aus der Marschkolonne. Fortw�hrend zischte es in langem, scharfem Bogen heran, Blitze wirbelten den Boden der Lichtung hoch. „Sanit�ter!“ Wir hatten den ersten Toten. Dem F�silier S. zerri� eine Schrapnellkugel die Halsschlagader. Drei Verbandp�ckchen waren im Nu vollgesogen. Er verblutete in Sekunden. Neben uns protzten zwei Gesch�tze ab, noch st�rkeres Feuer anziehend. Ein Artillerieleutnant, der im Vorgel�nde nach Verwundeten suchte, wurde durch eine vor ihm hochfahrende Dampfs�ule niedergeschleudert. Er erhob sich langsam und kam mit markierter Ruhe zur�ck. „Eben ziemlichen Torkel entwickelt!“ Unsere Augen gl�nzten ihn an.

Es dunkelte, als wir den Befehl zu weiterem Vorr�cken erhielten. Unser Weg f�hrte uns durch dichtes, gescho�durchklatschtes Unterholz in einen endlosen Laufgraben, den fliehende Franzosen mit Gep�ck bestreut hatten. In der N�he des Dorfes Les Eparges mu�ten wir, ohne Truppen vor uns zu haben, eine Stellung in festes Gestein hauen. Zuletzt sank ich in einen Busch und schlief ein.

„Mensch, aufstehen, wir r�cken ab!“ Ich erwachte in taufeuchtem Grase. Durch die sausende Garbe eines Maschinengewehres st�rzten wir in unseren Laufgraben zur�ck und besetzten eine verlassene franz�sische Stellung am Waldsaume. Ein s��licher Geruch und ein im Drahtverhau h�ngendes B�ndel erweckten meine Aufmerksamkeit. Ich sprang im Morgennebel aus dem Graben und stand vor einer zusammengeschrumpften franz�sischen Leiche. Fischartiges, verwestes Fleisch leuchtete gr�nlichwei� aus zersetzter Uniform. Mich umwendend prallte ich entsetzt zur�ck: Neben mir kauerte eine Gestalt an einem Baum. Leere Augenh�hlen und wenige B�schel Haar auf dem schwarzbraunen Sch�del verrieten, da� ich es mit keinem Lebenden zu tun hatte. Ringsumher lagen noch Dutzende von Leichen, verwest, verkalkt, zu Mumien ged�rrt, in unheimlichem Totentanz erstarrt. Die Franzosen mu�ten monatelang neben den gefallenen Kameraden ausgehalten haben, ohne sie zu bestatten.

In den Vormittagsstunden durchbrach die Sonne den Nebel und entsandte eine behagliche W�rme. Nachdem ich etwas auf der Grabensohle geschlafen hatte, ging ich durch den vereinsamten, am Vortage erst�rmten Graben, dessen Boden mit Bergen von Proviant, Munition, Ausr�stungsst�cken, Waffen und Zeitungen bedeckt war. Die Unterst�nde glichen gepl�nderten Tr�dell�den. Dazwischen lagen die Leichen tapferer Verteidiger, deren Gewehre noch in den Schie�scharten steckten. Aus zerschossenem Geb�lk ragte ein eingeklemmter Rumpf. Kopf und Hals waren abgeschlagen, wei�e Knorpel gl�nzten aus r�tlich-schwarzem Fleisch. Es wurde mir schwer, zu verstehen. Daneben ein ganz junger Mensch auf dem R�cken, die glasigen Augen und die F�uste im Zielen erstarrt. Ein seltsames Gef�hl, in solche toten, fragenden Augen zu blicken. Ein Schaudern, das ich im Kriege nie ganz verloren habe. Neben ihm lag seine arme, ausgepl�nderte B�rse.

Mit zunehmender Klarheit verst�rkte sich das Artilleriefeuer und steigerte sich bald zu w�stem Tanze. Ich kehrte zu meiner Gruppe zur�ck. In immer k�rzeren Pausen flammte es um uns auf. Wei�es, schwarzes und gelbes Gew�lk mischte sich. Manchmal erdr�hnten Schl�ge von unheimlicher Brisanz, dazwischen schwirrten mit eigenartigem Singen die Z�nder. Bald war der Wald in Brand geschossen, Flammen kletterten knatternd an den B�umen empor. Ich sa� mit einem Kameraden auf einer in den Lehm der Grabenwand gestochenen Bank, w�hrend neben uns ein hagerer Rekrut vor Angst an allen Gliedern schlotterte. Mein Gef�hrte machte sich den grausamen Scherz, heimlich eine Handvoll aufgeraffter Schrapnellkugeln neben ihn zu schleudern.

Ich beobachtete mit merkw�rdiger Ruhe das Vorgel�nde. „Sie wissen ja gar nicht, wo du bist. — Sie k�nnen dich gar nicht sehen, sie schie�en ja ganz wo anders hin.“ Es war der Mut der Unerfahrenheit. Pl�tzlich knallte das Brett der Schie�scharte, und ein Infanteriegescho� schlug zwischen unseren K�pfen in den Lehm. In diesem Augenblick tauchte ein Mann an der Ecke unseres Grabenst�ckes auf: „Nach links folgen!“ Wir gaben den Befehl weiter und schritten die rauchdurchschwelte Stellung entlang. Gerade waren die Essenholer zur�ckgekommen und Hunderte von verlassenen Kochgeschirren dampften auf der Brustwehr. Wer mochte jetzt essen? Eine Menge Verwundeter mit blutdurchtr�nkten Verb�nden pre�te sich an uns vor�ber, die Aufregung des Kampfes auf den bleichen Gesichtern. Die Ahnung einer schweren Stunde t�rmte sich vor uns auf. „Vorsicht, Kameraden, mein Arm, mein Arm!“ „Los, los, Mensch, halt Anschlu�!“

Der Graben endete in einem Waldst�ck. Unentschlossen standen wir unter gewaltigen Buchen. Aus dichtem Unterholz tauchte unser Zugf�hrer, ein Leutnant, auf und rief dem �ltesten Unteroffizier zu: „Lassen Sie ausschw�rmen in Richtung auf die untergehende Sonne und Stellung nehmen. Meldungen erreichen mich im Unterstande an der Lichtung.“ Fluchend �bernahm jener das Kommando.

Der Eindruck, den dieses Verhalten auf die Leute machte, ist mir w�hrend meiner ganzen F�hrerzeit eine eindringliche Lehre gewesen. Sp�ter lernte ich diesen Offizier, der sich noch oft auszeichnete, als Kameraden kennen und erfuhr, da� er dort Wichtiges zu tun gehabt. Gleichviel, der Offizier darf sich unter keinen Umst�nden in der Gefahr von der Mannschaft trennen. Die Gefahr ist der vornehmste Augenblick seines Berufes, da gilt es, gesteigerte M�nnlichkeit zu beweisen. Ehre und Ritterlichkeit erheben ihn zum Herrn der Stunde. Was ist erhabener, als hundert M�nnern voranzuschreiten in den Tod? Gefolgschaft wird solcher Pers�nlichkeit nie versagt, die mutige Tat fliegt wie Rausch durch die Reihen.

Wir schw�rmten aus und legten uns erwartungsvoll in eine Reihe flacher Mulden, von irgendwelchen Vorg�ngern ausgehoben. Mitten in scherzende Zurufe schnitt markersch�tterndes Geheul. Zwanzig Meter hinter uns wirbelten Erdklumpen aus wei�er Wolke und klatschten hoch ins Ge�st. Vielfach rollte der Schall durch den Wald. Beklommene Augen starrten sich an, K�rper schmiegten sich in niederdr�ckendem Gef�hl v�lliger Ohnmacht an den Boden. Schu� folgte auf Schu�. Stickige Gase schwammen im Unterholz, Qualm verh�llte die Gipfel, B�ume und Zweige st�rzten rauschend zu Boden, Schreie wurden laut. Wir sprangen hoch und rannten blindlings, von Blitzen und bet�ubendem Luftdruck gehetzt, von Baum zu Baum, Deckung suchend und wie gejagtes Wild riesige St�mme umkreisend. Ein Unterstand, in den viele liefen, erhielt einen Treffer, der den dicken Balkenbelag hochri�.

Ich eilte mit dem Unteroffizier keuchend um eine m�chtige Buche. Pl�tzlich blitzte es in dem weit ausgreifenden Wurzelwerk, und ein Schlag gegen den linken Oberschenkel warf mich zu Boden. Ich glaubte, von einem Erdklumpen getroffen zu sein, doch belehrte mich reichlich str�mendes Blut bald, da� ich verwundet war. Es zeigte sich sp�ter, da� mir ein haarscharfer Splitter eine Fleischwunde geschlagen hatte, nachdem seine Wucht durch meine dicke Leder-Geldtasche abgeschw�cht war.

Ich warf meinen Tornister fort und rannte dem Graben zu, aus dem wir gekommen waren. Von allen Seiten strebten Verwundete aus dem beschossenen Geh�lz strahlenf�rmig darauf zu. Der Durchgang war entsetzlich, von Schwerverwundeten und Sterbenden versperrt. Eine bis zum G�rtel entbl��te Gestalt mit aufgerissenem R�cken lehnte an der Grabenwand. Ein anderer, dem ein dreieckiger Lappen vom Hintersch�del herabhing, stie� fortw�hrend schrille, ersch�tternde Schreie aus. — Und immer neue Einschl�ge.

Ich will offen gestehen, da� mich meine Nerven restlos im Stiche lie�en. Nur fort, weiter, weiter! R�cksichtslos rannte ich alles �ber den Haufen. Ich bin kein Freund des Euphemismus: Nervenzusammenbruch. Ich hatte ganz einfach Angst, blasse, sinnlose Angst. Ich habe sp�ter noch oft kopfsch�ttelnd an jene Momente zur�ckgedacht.

In der N�he lag ein mit St�mmen gedeckter Sanit�tsunterstand, in dem ich die Nacht, eng zusammengedr�ngt mit vielen Verwundeten, verbrachte. Ein abgespannter Arzt stand mitten im Gew�hl st�hnender Menschen, verband, machte Einspritzungen und gab mit ruhiger Stimme Ermahnungen. Als ich am n�chsten Morgen fortgetragen wurde, durchbohrte ein Splitter das Segeltuch der Tragbahre zwischen meinen Knien.

Ich wurde �ber die immer noch schwer beschossene Grande Tranch�e zum Hauptverbandplatze und dann in die Kirche des Dorfes St. Maurice transportiert. Neben mir im stampfenden Lazarettwagen lag ein Mann mit Bauchschu�, der die Kameraden flehentlich bat, ihn mit der Pistole des Sanit�ters zu erschie�en. In St. Maurice stand schon ein Lazarettzug unter Dampf, der uns in zwei Tagen nach Heidelberg bef�rderte. Beim Anblick der von bl�henden Kirschb�umen bekr�nzten Neckarberge empfand ich ein eigent�mliches, starkes Heimatgef�hl. Wie sch�n war doch das Land, wohl wert, daf�r zu bluten und zu sterben.

Die Schlacht von Les Eparges war meine erste. Sie war ganz anders, als ich gedacht. Ich hatte an einer gro�en Kampfhandlung teilgenommen, ohne einen Gegner zu Gesicht bekommen zu haben. Erst viel sp�ter erlebte ich den Zusammenprall, den Gipfelpunkt des modernen Kampfes im Erscheinen des Infanteristen auf freiem Felde, das f�r entscheidende, m�rderische Augenblicke die chaotische Leere des Schlachtfeldes unterbricht.

Douchy und Monchy.

Meine Wunde war in vierzehn Tagen geheilt; ich wurde zum Ersatzbataillon nach Hannover entlassen und meldete mich dort als Fahnenjunker. Nachdem ich einen Kursus in D�beritz besucht hatte und zum F�hnrich bef�rdert war, fuhr ich im September 1915 zum Regiment zur�ck.

Ich verlie� mit einer Abteilung Ersatz beim Sitze des Divisionsstabes, dem Dorfe St. L�ger, den Zug und marschierte nach Douchy, dem Ruheorte des Regiments. Vorn war die Herbstoffensive im vollen Gange. Die Front hob sich, eine lange wallende Wolke, aus weitem Gel�nde. �ber uns knatterten die Maschinengewehre von Luftgeschwadern. Ein Fesselballon schien uns ersp�ht zu haben, am Dorfeingang sprang der schwarze Kegel einer Granate vor uns auf. Ich bog ab und f�hrte die Kolonne auf Umwegen in den Ort.

Douchy, das Ruhedorf des F�silier-Regiments 73, war von mittlerer Gr��e und hatte durch den Krieg noch wenig gelitten. Dieser im wellenf�rmigen Gel�nde des Artois gelegene Platz wurde dem Regiment w�hrend seines eineinhalbj�hrigen Stellungskampfes in jener Gegend zur zweiten Garnison, zu einer St�tte der Erholung und inneren Festigung nach schweren Tagen des Kampfes und der Arbeit in vorderer Linie. Wie oft atmeten wir auf, wenn uns durch dunkle Regenn�chte ein einsames Licht vom Dorfeingang entgegenschimmerte! Man hatte doch wieder ein Dach �ber dem Kopf und sein einfaches, ungest�rtes Lager. Wie neugeboren war man am ersten Ruhetage, wenn man gebadet und den Anzug vom Schmutz des Grabens gereinigt hatte. Auf den umliegenden Wiesen wurde exerziert und Turnspiele veranstaltet, um die eingerosteten Knochen gelenkig zu machen und das Zusammengeh�rigkeitsgef�hl der in langen Nachtwachen vereinsamten Leute wieder zu erwecken. Das gab Spannkraft f�r neue, lastenreiche Tage. In der ersten Zeit marschierten die Kompagnien abwechselnd in die vordere Linie zu n�chtlicher Schanzarbeit. Diese anstrengende Doppelbesch�ftigung unterblieb sp�ter auf Anordnung unseres Oberstleutnants von Oppen. Die Sicherheit einer Stellung beruht auf der Frische und dem unersch�pften Mut ihrer Verteidiger, nicht auf dem verschlungenen Bau ihrer Ann�herungswege und der Tiefe der Kampfgr�ben.

In den freien Stunden bot Douchy seinen grauen Bewohnern manche Quelle ungezwungener Erholung. Zahlreiche Kantinen waren reichlich versehen mit E�- und Trinkbarem; es gab ein Lesezimmer, eine Kaffeestube und sp�ter sogar, kunstvoll in eine gro�e Scheune eingebaut, ein Lichtspiel. Die Offiziere hatten ein vorz�glich eingerichtetes Kasino und eine Kegelbahn im Garten des Pfarrhauses. Oft wurden gro�e Kompagniefeste gefeiert, bei denen Offiziere und Mannschaft auf gut altdeutsch im Trinken wetteiferten.

Da die Zivilbev�lkerung noch im Dorfe wohnte, mu�te der vorhandene Raum in jeder Weise ausgenutzt werden. In den G�rten waren zum Teil Baracken und Wohnunterst�nde erbaut; ein gro�er Obstgarten in der Mitte des Dorfes war zum Kirchplatz, ein anderer, der sogenannte Emmich-Platz, zum Lustgarten umgewandelt. Am Emmich-Platz lagen in zwei mit Baumst�mmen bedeckten Unterst�nden die Rasierstube und die Zahnstation. Eine gro�e Wiese neben der Kirche diente als Begr�bnisplatz, zu dem fast t�glich eine Kompagnie marschierte, um einem oder vielen Kameraden unter den Kl�ngen eines Chorals das letzte Geleit zu geben.

Die franz�sische Bev�lkerung war am Ausgange nach Monchy kaserniert. Meist scheue, mitleiderweckende Gestalten, die schwer am Kriege zu tragen hatten. Ahnungslose Kinder spielten vor den Schwellen der bauf�lligen H�user, und Greise schlichen gebeugt durch das neue Getriebe, das ihnen mit brutaler R�cksichtslosigkeit die St�tten entfremdete, an denen sie ihr Leben verbracht hatten. Die jungen Leute mu�ten jeden Morgen antreten und wurden vom Ortskommandanten, dem Oberleutnant Oberl�nder, der ein strenges Regiment f�hrte, zur Bewirtschaftung der Dorfgemarkung eingeteilt. Wir kamen mit den Einheimischen nur zusammen, wenn wir ihnen unsere W�sche zum Reinigen brachten oder Butter und Eier einkaufen wollten. Zarte Beziehungen waren �u�erst selten; die Erotik fand keinen Raum in dem w�sten, zerr�ttenden Getriebe.

Eine merkw�rdige Erscheinung war der v�llige Anschlu� zweier verwaister kleiner Franzosen an die Truppe. Die beiden Jungen, von denen der eine acht, der andere zw�lf Jahre alt sein mochte, waren ganz in feldgrau gekleidet, sprachen flie�end deutsch und gr��ten alle Vorgesetzten auf der Stra�e vorschriftsm��ig. Von ihren Landsleuten sprachen sie, wie sie es den Soldaten abgesehen hatten, nur ver�chtlich als „Schangels“. Ihr gr��ter Wunsch war, einmal mit ihrer Kompagnie in Stellung gehen zu d�rfen. Sie konnten tadellos exerzieren, traten bei Appells an den linken Fl�gel und baten, wenn sie den Kantinengehilfen zum Einkauf nach Cambrai begleiten wollten, um Urlaub. Als das zweite Bataillon f�r einige Wochen zur Ausbildung nach Qu�ant kam, sollte der eine, namens Louis, auf Befehl des Oberstleutnants von Oppen in Douchy zur�ckbleiben, um der Zivilbev�lkerung keinen Anla� zu unwahren Ger�chten zu geben; er wurde auch w�hrend des Marsches nicht mehr gesehen, sprang aber bei der Ankunft des Bataillons ganz vergn�gt aus dem Packwagen, in dem er sich versteckt hatte. Leider nahmen unvern�nftige Leute die Kleinen �fters mit in die Kantine und machten sich den schlechten Spa�, ihnen Alkohol zu geben. Der �ltere soll sp�ter nach Deutschland auf Unteroffiziersschule geschickt worden sein.

Kaum eine Stunde Weges von Douchy entfernt lag Monchy-au-bois, das Dorf, in dem die beiden Reserve-Kompagnien des Regiments untergebracht waren. Es war im Herbst 1914 das Ziel erbitterter K�mpfe gewesen, zuletzt war es in deutscher Hand geblieben und der Kampf im engen Halbkreis um die Tr�mmer des ehemals reichen Ortes zum Stehen gekommen.

Nun waren die H�user ausgebrannt und zusammengeschossen, die verwilderten G�rten von Granaten durchfurcht und die Obstb�ume geknickt. Das Steingewirr war durch Gr�ben, Stacheldraht, Barrikaden und betonierte St�tzpunkte zur Verteidigung eingerichtet. Die Stra�en konnten von einem im Mittelpunkte liegenden Betonklotz, der „Feste Torgau“, unter Maschinengewehrfeuer genommen werden. Ein anderer St�tzpunkt war die „Feste Altenburg“, ein Feldwerk rechts vom Dorfe, das einen Zug der Reservekompagnie beherbergte. Sehr wichtig f�r die Verteidigung war ein Bergwerk, dem in Friedenszeiten der Kreidestein zum Bau der H�user entnommen war, und das wir nur durch Zufall entdeckt hatten. Ein Kompagniekoch, dem der Wassereimer in einen Brunnen gefallen war, hatte sich hinuntergelassen und dabei ein sich h�hlenartig erweiterndes Loch bemerkt. Man untersuchte die Sache, und nachdem noch ein zweiter Eingang gebrochen war, bot es bombensichere Unterkunft f�r eine gro�e Zahl von K�mpfern.

Auf der einsamen H�he am Wege nach Ransart lag eine Ruine, ein ehemaliges Estaminet, wegen des weiten Ausblicks auf die Front Bellevue genannt, ein Ort, der mich trotz seiner gef�hrlichen Lage besonders anzog. Die Verlassenheit und das tiefe Schweigen, ab und zu vom dumpfen Ton der Gesch�tze unterbrochen, verst�rkten den traurigen Eindruck der Zerst�rung. Zerrissene Tornister, abgebrochene Gewehre, Zeugfetzen, dazwischen in grausigem Kontrast ein Kinderspielzeug, Granatz�nder, tiefe Trichter der krepierten Geschosse, Flaschen, Ernteger�te, zerfetzte B�cher, zerschlagenes Hausger�t, L�cher, deren geheimnisvolles Dunkel einen Keller verr�t, in dem vielleicht die Gerippe der ungl�cklichen Hansbewohner von den �beraus gesch�ftigen Rattenschw�rmen benagt werden, ein Pfirsichb�umchen, das seiner st�tzenden Mauer beraubt ist und hilfesuchend seine Arme ausstreckt, in den St�llen die noch an der Kette h�ngenden Skelette der Haustiere, im verw�steten Garten Gr�ber, dazwischen gr�nend, tief im Unkraut versteckt, Zwiebeln, Wermut, Rhabarber und Narzissen, auf den benachbarten Feldern Getreidediemen, auf deren D�chern schon die K�rner wuchern; all das durchzogen von einem halbversch�tteten Laufgraben, umgeben vom Geruch des Brandes und der Verwesung. Traurige Gedanken beschleichen den Krieger, dessen Fu� auf den Tr�mmern einer solchen St�tte ruht, wenn er derer gedenkt, die noch vor kurzem hier friedlich lebten.

Die Kampfstellung verlief, wie schon berichtet, in engem Halbkreis um das Dorf, mit dem sie durch eine Reihe von Laufgr�ben verbunden war. Sie war in zwei Unterabschnitte, Monchy-S�d und Monchy-West, geteilt. Diese gliederten sich wiederum in die sechs Kompagnie-Abschnitte A bis F. Die bogenf�rmige F�hrung der Stellung bot dem Engl�nder eine gute Flankierungsm�glichkeit, die auch geh�rig ausgenutzt wurde und uns schwere Verluste brachte.

Ich war der sechsten Kompagnie zugeteilt und r�ckte einige Tage nach meiner Ankunft als F�hrer einer Gruppe mit in Stellung, wo mir gleich durch einige englische Kugelminen ein unangenehmer Empfang bereitet wurde. Der Abschnitt C, in dem die Kompagnie lag, war der exponierteste des Regiments. Wir hatten indes in unserem Kompagnief�hrer, dem Leutnant d. R. Brecht, der zu Beginn des Krieges von Amerika her�bergeeilt war, einen Offizier, der zur Verteidigung eines solchen Platzes der geeignete Mann war. Seine Draufg�ngernatur suchte die Gefahr und brachte ihm zuletzt einen ruhmvollen Tod.

Unser Leben im Graben verlief sehr geregelt; ich schildere im folgenden den Verlauf eines normalen Tages.

Der Sch�tzengrabentag beginnt erst mit hereinbrechender D�mmerung. Um 7 Uhr weckt mich ein Mann meiner Gruppe aus dem Nachmittagsschlafe, den ich in Voraussicht der n�chtlichen Wachen getan habe. Ich schnalle um, stecke Leuchtpistole und Handgranaten ins Koppel und verlasse den mehr oder minder gem�tlichen Unterstand. Beim ersten Durchschreiten des wohlbekannten Zugabschnitts �berzeuge ich mich, ob alle Posten an ihren richtigen Pl�tzen stehen. Mit leiser Stimme wird die Parole ausgetauscht. Inzwischen ist die Nacht hereingebrochen, und die ersten Leuchtkugeln steigen silbern in die H�he, w�hrend angestrengte Augen ins Vorgel�nde starren. Eine Ratte raschelt zwischen den �ber Deckung geworfenen Konservenb�chsen. Eine zweite gesellt sich pfeifend zu ihr, und bald wimmelt es von huschenden Schatten, die den Ruinenkellern des Dorfes oder zerschossenen Stollen entstr�men. Die Jagd auf sie bietet eine beliebte Abwechslung in der �de des Postendienstes. Ein St�ckchen Brot wird als K�der ausgelegt und das Gewehr darauf eingerichtet, oder es wird Sprengpulver von Blindg�ngern in ihre L�cher gestreut und angez�ndet. Quiekend schie�en sie dann mit versengtem Fell hervor. Es sind widerliche, ekelhafte Gesch�pfe. Ein greulicher Dunst umwebt ihre schwirrenden Rudel. Ich mu� immer an ihre verborgene, leichensch�nderische T�tigkeit in den Kellern des Dorfes denken. Auch einige Katzen sind aus den zerst�rten D�rfern in die Gr�ben gezogen; sie lieben die N�he der Menschen. Ein gro�er wei�er Kater mit zerschossener Vorderpfote geistert h�ufig im Niemandslande umher und scheint bei beiden Parteien zu verkehren.

Doch ich sprach ja vom Grabendienst. Man liebt solche Abschweifungen, man wird leicht gespr�chig, um die dunkle Nacht und die endlose Zeit zu f�llen. Deshalb bin ich auch bei einem bekannten Krieger oder einem anderen Unteroffizier stehen geblieben und lausche mit gespanntem Interesse seinen tausend Nichtigkeiten. Als F�hnrich werde ich auch �fters von dem wachthabenden Offizier, der sich ebenso unbehaglich f�hlt, in ein wohlwollendes Gespr�ch verwickelt. Ja, er wird sogar ganz kameradschaftlich, redet leise und eifrig, kramt Geheimnisse und W�nsche aus. Und ich gehe gern darauf ein, denn auch mich dr�cken die schweren, schwarzen W�lle des Grabens, auch ich bange nach W�rme, nach irgend etwas Menschlichem in dieser unheimlichen Einsamkeit.

Das Gespr�ch wird matter. Wir sind erm�det. Apathisch lehnen wir an einer Schulterwehr und starren auf die gl�hende Zigarette des andern . . . .

Bei Frost trampelt man frierend auf und ab, da� die harte Erde von vielen Tritten erklingt. Sehr oft regnet es, dann steht man traurig mit hochgeschlagenem Mantelkragen unter den Regend�chern der Stolleneing�nge und lauscht dem gleichf�rmigen Falle der Tropfen. H�rt man die Schritte eines Vorgesetzten auf der nassen Grabensohle, so tritt man rasch hervor, geht weiter, dreht sich pl�tzlich um, schl�gt die Hacken zusammen und meldet: „Unteroffizier vom Grabendienst. Im Abschnitt nichts Neues!“ Denn das Stehen in den Stolleneing�ngen ist verboten.

Die Gedanken wandern. Man sieht in den Mond und denkt an sch�ne gem�tliche Tage zu Hause oder an die gro�e Stadt weit dahinten, in der jetzt gerade die Menschen aus den Kaffees str�men, und viele Bogenlampen das rege, n�chtliche Treiben des Zentrums bestrahlen. Es scheint, als ob man das nur irgendwo getr�umt h�tte.

Da raschelt irgend etwas vorm Graben, zwei Dr�hte klirren leise. Im Nu zerflattern die Tr�ume, alle Sinne sind bis zum Schmerz gesch�rft. Man klettert auf den Postenstand, schie�t eine Leuchtkugel hoch: nichts r�hrt sich. Es wird wohl nur ein Hase oder Rebhuhn gewesen sein.

Oft h�rt man den Gegner an seinem Drahtverhau arbeiten. Dann schie�t man rasch hintereinander dorthin. Nicht nur, weil es befohlen ist, man empfindet auch eine gewisse Befriedigung dabei. „Jetzt sitzen sie dr�ben aber in Druck. Vielleicht hast du sogar einen getroffen.“ Auch wir ziehen fast jede Nacht Draht und haben h�ufig Verwundete. Dann fluchen wir auf diese gemeinen Schweine von Engl�ndern.

Mitunter h�rt man auch ein pfeifendes, flatterndes Ger�usch nach dumpfem Abschu�. „Achtung, Mitte!“ Man st�rzt zum n�chsten Stolleneingang und h�lt den Atem an. Die Minen krachen ganz anders, viel aufregender als die Granaten. Sie haben �berhaupt so etwas Rei�endes, Hinterlistiges, etwas von pers�nlicher Geh�ssigkeit. Es sind heimt�ckische Wesen. Die Gewehrgranaten sind nicht viel besser. Leuchtet es an bestimmten Stellen des feindlichen Hinterlandes auf, so springen alle Posten von ihren St�nden und verschwinden. Sie wissen aus langer Erfahrung ganz genau, wo die Gesch�tze stehen, die auf den Abschnitt C eingerichtet sind.

Endlich zeigt das Leuchtzifferblatt, da� zwei Stunden verflossen sind. Nun rasch die Abl�sung geweckt und in den Unterstand. Vielleicht haben die Essenholer Briefe, Pakete oder eine Zeitung mitgebracht. Man empfindet ein ganz merkw�rdiges Gef�hl, wenn man die Nachrichten von der Heimat und ihren friedlichen Sorgen liest, w�hrend die Schatten der flatternden Kerze �ber das niedrige, rohe Geb�lk huschen. Nachdem ich mir mit einem Holzspan den gr�bsten Dreck von den Stiefeln gekratzt und an ein Bein des primitiven Tisches gestrichen habe, lege ich mich auf die Pritsche und ziehe meine Decke �ber den Kopf, um f�r vier Stunden zu „r�cheln“, wie der Fachausdruck lautet. Drau�en knallen die Geschosse in eint�niger Wiederholung auf Deckung, eine Maus huscht �ber Gesicht und H�nde, ohne meinen festen Schlaf zu st�ren. Auch vor dem niederen Getier habe ich Ruhe, wir haben den Unterstand erst vor einigen Tagen gr�ndlich desinfiziert.

Noch zweimal werde ich aus dem Schlafe gerissen, um meines Amtes zu walten. W�hrend der letzten Wache k�ndet ein heller Strich hinter uns am �stlichen Himmel den neuen Tag. Die Umrisse des Grabens werden sch�rfer; er macht im grauen Fr�hlicht einen Eindruck uns�glicher �de. Eine Lerche steigt hoch; ich empfinde ihr Getriller als aufdringlichen Kontrast, es irritiert mich. An eine Schulterwehr gelehnt, starre ich im Gef�hl einer gro�en Ern�chterung auf das tote drahtumschlossene Vorfeld. Da� die letzten zwanzig Minuten auch gar kein Ende nehmen wollen! Endlich klappern die Kochgeschirre der zur�ckkehrenden Kaffeeholer im Laufgraben: es ist 7 Uhr, die Nachtwache ist beendet.

Ich gehe in den Unterstand und trinke Kaffee. Das macht mich munter; ich habe die Lust verloren, mich hinzulegen. Um 9 Uhr mu� ich ja auch schon wieder meine Gruppe zur Arbeit einteilen und anstellen. Wir sind wahre Allesk�nner, der Graben stellt t�glich seine tausend Anforderungen an uns. Wir w�hlen tiefe Stollen, bauen Unterst�nde und Betonkl�tze, bereiten Drahthindernisse vor, schaffen Entw�sserungsanlagen, verschalen, st�tzen, nivellieren, erh�hen und schr�gen ab, sch�tten Latrinen zu und so weiter.

Um ein Uhr wird das Mittagessen in gro�en Gef��en, ehemaligen Milchkannen und Marmeladeeimern, aus der K�che, die in einen Keller Monchys eingebaut ist, herausgeholt. Nach dem Essen wird etwas geschlafen oder gelesen. Allm�hlich kommen auch die beiden Stunden heran, die f�r den Grabendienst des Tages bestimmt sind. Sie verlaufen bedeutend schneller als die der Nacht. Man beobachtet die wohlbekannte feindliche Stellung durch Glas oder Scherenfernrohr und kommt auch �fters zum Schu� aus der Fernrohrb�chse gegen Kopfziele. Aber Vorsicht, auch der Engl�nder hat scharfe Augen und gute Gl�ser.

Ein Posten st�rzt pl�tzlich blut�berstr�mt zusammen. Kopfschu�. Die Kameraden rei�en ihm die Verbandp�ckchen vom Rock und verbinden ihn. „Hat ja keen Zweck mehr, Willem.“ „Mensch, hei atmet doch noch!“ Dann kommen die Sanit�ter, um ihn zum Verbandplatz zu tragen. Die Bahre st��t hart gegen die winkligen Schulterwehren. Kaum ist sie entschwunden, ist alles wieder beim alten. Einer wirft einige Schaufeln Erde �ber die rote Lache und jeder geht seiner Besch�ftigung nach. Man ist ja so stumpf geworden. Nur ein Neuling lehnt noch mit bleichem Gesicht an der Verschalung. Er m�ht sich noch ab, die Zusammenh�nge zu fassen. Das war ja so pl�tzlich, so furchtbar �berraschend, ein uns�glich brutaler �berfall. Das kann ja gar nicht m�glich, nicht Wirklichkeit sein. Armer Kerl, im Hintergrunde lauern auf dich noch ganz andere Dinge . . .

Oft ist es auch ganz nett. Manche sind mit sportsm��igem Interesse bei der Sache. Mit einer gewissen Schadenfreude betrachten sie die Einschl�ge der eigenen Artillerie im feindlichen Graben. „Junge, der sa�.“ „Donnerwetter, sieh mal, wie das spritzt! Armer Tommy!“ Gern schie�en sie Gewehrgranaten und leichte Minen hin�ber, sehr zum Mi�vergn�gen �ngstlicher Gem�ter. „Mensch, la� doch den Bl�dsinn, wir kriegen gerade Dunst genug!“

Die Stunde des Nachmittagskaffees ist manchmal direkt gem�tlich. Oft mu� der F�hnrich einem der Kompagnieoffiziere dabei Gesellschaft leisten. Es geht ganz f�rmlich zu: „Darf ich mir gestatten?“ „Danke gehorsamst!“ Eine sch�ne Eigenschaft des preu�ischen Offiziers, diese korrekte Geschlossenheit in jeder Lage. Sie verleiht auch dem ganz jungen etwas Festes, Pers�nliches.

Es schimmern sogar zwei Porzellantassen von der Tischdecke aus Sandsacktuch. Nachher stellt der Bursche eine Flasche und zwei Gl�ser auf den wackligen Tisch. Das Gespr�ch wird vertraulicher. Merkw�rdigerweise bildet auch hier der liebe N�chste einen willkommenen Gegenstand der Unterhaltung. Es hat sich sogar ein �ppiger Grabenklatsch entwickelt, der bei den Nachmittagsvisiten eifrig gepflegt wird. Bald wie in einer kleinen Garnison. Vorgesetzte, Kameraden und Untergebene werden einer gr�ndlichen Kritik unterzogen. Ein neues, interessantes Ger�cht hat im Nu die Zugf�hrer-Unterst�nde s�mtlicher sechs Kampfabschnitte vom rechten bis zum linken Fl�gel durchlaufen. Die Beobachtungsoffiziere, die mit Fernrohr und Skizzen-Mappe die ganze Regimentsstellung abgehen, sind nicht ganz unschuldig daran.

„Herr Leutnant, darf ich mich verabschieden, ich habe in einer halben Stunde Dienst!“ Drau�en gl�nzen die Lehmw�lle der B�schungen in den letzten Strahlen der Sonne, der Graben liegt bereits in tiefem Schatten. Bald steigt die erste Leuchtkugel empor, die Nachtposten ziehen auf, der neue Tag des Sch�tzengrabensoldaten hat begonnen.

Vom t�glichen Stellungskampf.

So verliefen unsere Tage in anstrengendem Gleichma�, unterbrochen durch die kurze Ruhezeit in Douchy. Doch auch in Stellung bot sich manche sch�ne Stunde. Oft sa� ich mit einem Gef�hl behaglicher Geborgenheit am Tische meines kleinen Unterstandes, dessen rohe, waffenbehangene Bretterw�nde an Wildwest erinnerten, trank eine Tasse Tee, las und rauchte, w�hrend mein Bursche an dem winzigen Ofen besch�ftigt war, der den Raum mit dem Geruch ger�steter Brotscheiben erf�llte. Welcher Grabenk�mpfer kennt diese Stimmung nicht? Drau�en am Postenstande stapften schwere, gleichm��ige Schritte, eint�niger Zuruf erscholl, wenn jemand im Graben entlang ging. Das abgestumpfte Ohr h�rte kaum noch das nie erl�schende Gewehrfeuer, den kurzen Hieb auf Deckung schlagender Geschosse oder die Leuchtkugel, die neben der M�ndung des Lichtschachtes verzischte. Dann nahm ich mein Notizbuch aus der Kartentasche und schrieb in kurzen Worten die Ereignisse des Tages nieder. So entstand mit der Zeit eine gewissenhafte Chronik des Abschnitts C, dieses kleinen, winkligen St�ckes der langen Front, in dem wir zu Hause waren, in dem wir l�ngst jeden verwachsenen Stichgraben, jeden verfallenen Unterstand kannten. Um uns ruhten in aufget�rmten Lehmw�llen die Leichen gefallener Kameraden, auf jeder Fu�breite Boden hatte sich ein Drama abgespielt, hinter jeder Schulterwehr lauerte das Verh�ngnis, Tag und Nacht, sich wahllos ein Opfer zu greifen. Und doch empfanden wir alle ein starkes Zugeh�rigkeitsgef�hl zu unserem Abschnitt, waren fest mit ihm verwachsen. Wir kannten ihn, wenn er sich als schwarzes Band �ber die verschneite Landschaft zog, wenn die blumige Wildnis ringsum ihn zur Mittagsstunde mit bet�ubenden Ger�chen durchstr�mte, oder wenn die spukhafte Bl�sse des Vollmondes seine dunklen Winkel umspann, in denen pfeifende Rattenscharen ihr geheimnisvolles Wesen trieben. Wir sa�en heiter an langen Sommerabenden auf seinen Lehmb�nken, wenn die laue Luft gesch�ftiges Klopfen und heimatliches Lied zum Feinde trug; wir st�rzten �ber Geb�lk und zerhackten Draht, wenn der Tod mit st�hlerner Keule auf die Gr�ben loskolbte und tr�ger Qualm aus zerrissenen Lehmw�nden kroch. Oft wollte uns der Oberst einen ruhigeren Teil der Regimentsstellung anweisen, jedesmal bat die ganze Kompagnie wie ein Mann, im Abschnitt C bleiben zu d�rfen. Ich bringe hier einen kurzen Auszug von den Notizen, die ich damals in den N�chten von Monchy niederschrieb.

7. 10. 1915. Stand in der Morgend�mmerung neben dem Posten meiner Gruppe auf dem Sch�tzenauftritt bei unserem Unterstande, als ein Gewehrgescho� dem Mann die Feldm�tze von vorn bis hinten aufri�, ohne ihn zu verletzen. Zur selben Stunde wurden am Draht zwei Pioniere verwundet. Der eine Querschl�ger durch beide Beine, der andere Schu� durchs Ohr.

Am Vormittag erhielt der linke Fl�gelposten einen Schu� durch beide Backenknochen. Das Blut sprudelte in dicken Strahlen aus der Wunde. Zu allem Ungl�ck kam heute auch noch der Leutnant von Ewald in unseren Abschnitt, um die nur 50 Meter vom Graben entfernt liegende Sappe N. zu photographieren. Als er sich umdrehte, um wieder vom Postenstand herunterzusteigen, zerschmetterte ihm ein Gescho� den Hinterkopf. Er starb augenblicklich. Ferner bekam ein Mann einen leichten Schulterschu�.

19. 10. Der Abschnitt des mittleren Zuges wurde mit 15-Zentimeter-Granaten beschossen. Ein Mann wurde vom Luftdruck gegen einen Pfahl der Grabenverkleidung geschleudert. Er erlitt schwere innere Verletzungen, au�erdem durchschlug ihm ein Splitter die Armschlagader. Im Morgennebel entdeckten wir beim Ausbessern unseres Drahtes vorm rechten Fl�gel eine franz�sische Leiche, die schon Monate alt sein mu�te. — In der Nacht wurden beim Drahtziehen zwei unserer Leute verwundet.

30. 10. In der Nacht st�rzten infolge starker Regenschauer s�mtliche Schulterwehren ein und verbanden sich mit dem Regenwasser zu z�hem Brei, der den Graben in einen schwer passierbaren Sumpf verwandelte. Der einzige Trost war, da� es dem Engl�nder auch nicht besser ging, denn man sah, wie aus seinen Gr�ben eifrig Wasser gesch�pft wurde. Da wir etwas erh�ht liegen, pumpten wir ihm unseren �berflu� noch herunter. — Die herabst�rzenden Grabenw�nde legten eine Reihe von Leichen aus den K�mpfen des vorigen Herbstes blo�.

21. 11. Ich f�hrte eine Abteilung Schanzer von der „Feste Altenburg“ in den Abschnitt C, von denen der Landsturmmann Diener auf einen Vorsprung der Grabenwand stieg, um Erde �ber Deckung zu schaufeln. Kaum war er oben, als ein aus der Sappe abgefeuertes Gescho� quer durch seinen Sch�del schlug und ihn tot auf die Grabensohle warf. Er war verheiratet und Vater von vier Kindern. Seine Kameraden lauerten noch lange Zeit hinter den Schie�scharten, um Blutrache zu nehmen. Sie weinten vor Wut. Es ist merkw�rdig, wie wenig objektiv sie den Krieg auffassen. Sie schienen in dem Engl�nder, der das t�dliche Gescho� abgefeuert, einen ganz pers�nlichen Feind zu sehen. Ich kann es ihnen nachf�hlen.

24. 11. Ein Mann der M. G. K. bekam in unserem Abschnitt einen schweren Kopfschu�. Einem anderen von unserer Kompagnie wurde eine halbe Stunde sp�ter durch Infanteriegescho� die Backe aufgerissen.

Am 29. 11. r�ckte unser Bataillon f�r 14 Tage nach dem in der Etappe der Division gelegenen St�dtchen Q., das sp�ter eine so blutige Ber�hmtheit erlangen sollte, um dort zu exerzieren und sich der Segnungen des Hinterlandes zu erfreuen. W�hrend unseres Aufenthaltes dort erfuhr ich meine Bef�rderung zum Leutnant und wurde in die zweite Kompagnie versetzt, in der ich viele heitere und ernste Tage verleben sollte.

Wir wurden in Q. und den Nachbarorten �fters von dem Ortskommandanten zu schwerem Umtrunk geladen und bekamen einen kleinen Einblick in die fast unumschr�nkte Gewalt, mit der diese Dorff�rsten ihre Untergebenen und die Einwohner beherrschten. Unser Rittmeister nannte sich K�nig von Q. und erschien jeden Abend, durch Erheben der rechten H�nde und ein donnerndes: „Es lebe der K�nig“ begr��t, an der Tischrunde, wo er als launige Majest�t � la Shakespeare bis in den grauenden Morgen regierte, jeden Versto� gegen die Etikette und seinen �u�erst komplizierten Komment mit einer Bierrunde bestrafend. Wir Frontleute kamen als Neulinge nat�rlich sehr schlecht dabei weg. Am n�chsten Tage sah man ihn dann nach dem Mittagessen meist leicht verschleiert im Dogcart durch seine L�ndereien fahren, um den Nachbark�nigen bei kr�ftigem Bacchusopfer seine Visite abzustatten und sich so w�rdig f�r den Abend vorzubereiten. Einmal geriet er in einen Zwist mit dem K�nige von I. und lie� durch einen berittenen Feldgendarmen Fehde ansagen. Nach mehreren Kampfhandlungen, w�hrend deren sich sogar zwei Abteilungen von Pferdeknechten aus kleinen, drahtbefestigten Gr�ben mit Erdklumpen bewarfen, war der K�nig von I. so unvorsichtig, sich in der Kantine von Q. an bayrischem Biere g�tlich zu tun und wurde beim Besuche eines einsamen Ortes �berrascht und gefangengenommen. Er mu�te sich mit einer gewaltigen Tonne Bieres loskaufen. So endete der Orlog der beiden Gewaltigen.

Die Einwohner standen unter strenger Disziplin, �bertretungen und Vergehen wurden vom Ortskommandanten in schneller Justiz mit empfindlichen Geld- und Freiheitsstrafen geahndet. So sehr ich Anh�nger der logischen Durchf�hrung des Machtgedankens bin, so zuwider und peinlich waren mir schon damals seine Ausw�chse, wie die Gru�pflicht jedes Einwohners, auch der Frauen, den Offizieren gegen�ber. Derartige Anordnungen sind zwecklos, entw�rdigend und sch�dlich. So wirtschafteten wir aber im ganzen Kriege: schneidig in Kleinigkeiten, unentschlossen gegen�ber schweren inneren Sch�den.

Am 11. 12. begab ich mich �ber Deckung in die vordere Linie, um mich beim Leutnant d. R. Wetje, dem F�hrer der zweiten Kompagnie, die auch den Abschnitt C besetzte, zu melden. Als ich in den Graben springen wollte, erschrak ich �ber die Ver�nderung, die die Stellung w�hrend unserer vierzehnt�gigen Abwesenheit erlitten hatte. Sie war zu einer riesigen, mit meterhohem Schlamm gef�llten Mulde zusammengesackt, in der die Besatzung ein traurig pl�tscherndes Amphibiendasein f�hrte. Mit Wehmut dachte ich, schon bis zur H�fte versunken, an den runden Tisch des K�nigs von Q. zur�ck. Wir armen Frontschweine! Fast alle Unterst�nde waren eingest�rzt und die Stollen versoffen. Wir mu�ten in den n�chsten Wochen unausgesetzt arbeiten, um uns nur etwas festen Boden unter die F��e zu bringen. Vorl�ufig hauste ich mit den Leutnants Wetje und Boje zusammen in einem Stollen, dessen Decke trotz der darunter geh�ngten Zeltbahn wie eine Gie�kanne tropfte, und aus dem die Burschen alle halbe Stunden das Wasser mit Eimern nach oben schaffen mu�ten.

Als ich am anderen Morgen v�llig durchn��t den Stollen verlie�, glaubte ich meinen Augen nicht trauen zu d�rfen. Das Gel�nde, dem bisher die Einsamkeit des Todes ihren Stempel aufgedr�ckt, hatte das Aussehen eines Jahrmarktes angenommen. Die Besatzung beider Gr�ben war von dem furchtbaren Schlamm auf die Brustwehren getrieben, und schon hatte sich vor den Drahtverhauen ein lebhafter Verkehr und Austausch von Schnaps, Zigaretten, Uniformkn�pfen usw. entwickelt. Die Menge khakifarbener Gestalten, die den bisher so �den englischen Gr�ben entquoll, wirkte direkt verbl�ffend.

Pl�tzlich fiel dr�ben ein Schu�, der einen unserer Leute tot im Schlamm versinken lie�, worauf beide Parteien maulwurfartig in den Gr�ben verschwanden. Ich begab mich zu dem Teil unserer Stellung, der der englischen Sappe gegen�berlag und rief hin�ber, da� ich einen Offizier sprechen m�chte. Wirklich begaben sich einige Engl�nder zur�ck und brachten nach kurzer Zeit einen jungen Mann mit, der sich, wie ich durchs Glas beobachten konnte, von ihnen durch eine zierlichere M�tze unterschied. Wir verhandelten zun�chst in englischer, dann etwas flie�ender in franz�sischer Sprache, w�hrend die Leute ringsumher zuh�rten. Ich hielt ihm vor, da� einer unserer Leute durch einen hinterlistigen Schu� get�tet w�re, worauf er antwortete, da� das nicht seine, sondern die Nachbarkompagnie getan h�tte. „Il y a des cochons aussi chez vous!“ meinte er, als einige aus unseren Nebenabschnitt abgefeuerte Geschosse in der N�he seines Kopfes einschlugen, worauf ich mich vorbereitete, sofort volle Deckung zu nehmen. Wir erz�hlten uns indes noch viel in einer Weise, die, ich m�chte fast sagen, eine sportsm�nnische Achtung ausdr�ckte, und h�tten am Schlu� zum Andenken gern ein Geschenk ausgetauscht.

Es ist im Kriege immer mein Ideal gewesen, den Gegner unter Ausschaltung jedes Ha�gef�hls nur im Kampfe als solchen zu betrachten und ihn als Mann seinem Mute entsprechend zu werten. Ich habe gerade in diesem Punkte unter den englischen Offizieren viele verwandte Naturen kennengelernt.

Um wieder klare Verh�ltnisse zu bekommen, erkl�rten wir uns feierlich den Krieg binnen drei Minuten nach Abbruch der Verhandlungen, und nach einem „Guten Abend“ seinerseits und einem „Au revoir!“ meinerseits gab ich trotz des Bedauerns meiner Leute einen Schu� gegen sein Schutzschild ab, von dem dr�ben sofort einer folgte, der mir fast das Gewehr aus der Hand geschlagen h�tte.

Zum ersten Mal konnte ich bei dieser Gelegenheit das Zwischenfeld vor der Sappe �bersehen, da man sonst an dieser gef�hrlichen Stelle nicht einmal seinen M�tzenrand zeigen durfte. Ich machte dabei die Beobachtung, da� dicht vor unserem Draht ein franz�sischen Skelett lag, dessen wei�e Knochen aus blauen Uniformfetzen schimmerten.

Kurz nach dieser Unterredung gab unsere Artillerie einige Sch�sse auf die feindliche Stellung ab, worauf vor unseren Augen vier Bahren �ber das freie Feld getragen wurden, ohne da� von unserer Seite ein Schu� darauf abgegeben wurde. An den englischen M�tzenschildern stellten wir an diesem Tage fest, da� uns das Regiment Hindostan-Leicestershire gegen�berlag.

Die Witterung wurde gegen Weihnachten immer trostloser; wir mu�ten Pumpen im Graben aufstellen, um des Wassers einigerma�en Herr zu werden. Den Christabend verbrachten wir in Stellung. Die Leute stimmten, im Schlamm stehend, Weihnachtslieder an, die jedoch von den Engl�ndern mit M. G.’s �bert�nt wurden. Am Weihnachtstage verloren wir einen Mann des dritten Zuges durch Querschl�ger in den Kopf. Gleich darauf versuchten die Engl�nder eine freundschaftliche Ann�herung, indem sie einen Christbaum auf ihre Brustwehr stellten, der jedoch von unseren erbitterten Leuten mit einigen Sch�ssen heruntergefegt wurde, was sie wiederum mit Gewehrgranaten beantworteten. So verlief unser Weihnachtsfest recht ungem�tlich.

Am 28. 12. war ich Kommandant der „Feste Altenburg“. Es wurde an diesem Tage einem meiner besten Leute durch Granatsplitter ein Arm abgerissen. Ein anderer wurde von einer der vielen verirrten Kugeln, die unser in einer Senke liegendes Erdwerk umschwirrten, am Oberschenkel schwer verwundet. Auch mein getreuer August Kettler fiel auf dem Wege nach Monchy, von wo er mein Essen holen wollte, als erster meiner vielen Burschen, einem Schrapnellschu� zum Opfer, der ihn mit durchschlagener Luftr�hre zu Boden streckte.

Auch der Januar war ein Monat anstrengendster Arbeit. Jede Gruppe entfernte mit Schaufeln, Eimern und Pumpen zun�chst den Schlamm in der unmittelbaren N�he ihres Unterstandes und suchte dann, nachdem sie sich festen Boden unter den F��en geschaffen hatte, Verbindung mit den Nachbargruppen herzustellen. Im Walde von Adinfer, dem Standorte unserer Artillerie, waren Holzf�ller-Kommandos besch�ftigt, junge B�ume der �ste zu entkleiden und in lange Scheite zu spalten. Die Grabenw�nde wurden abgeschr�gt und vollkommen mit diesem Material verkleidet. Auch wurden zahlreiche Wasserl�cher, Sickersch�chte und Abfl�sse gebaut, so da� wir allm�hlich wieder ertr�gliche Lebensverh�ltnisse bekamen.

Am 28. 1. 1916 wurde ein Mann meines Zuges durch Splitter eines an seinem Schutzschild zerschellenden Geschosses in den Leib getroffen. Am 30. bekam ein anderer eine Kugel in den Oberschenkel. Als wir am 1. 2. abgel�st wurden, lag gerade ein lebhaftes Feuer auf den Ann�herungswegen. Ein Schrapnell fuhr direkt vor die F��e meines ehemaligen Putzers von der 6. Kompagnie, des F�siliers Junge, explodierte aber nicht, sondern brannte aus, so da� er mit schweren Verbrennungen fortgetragen werden mu�te.

In diesen Tagen wurde auch ein Unteroffizier der 6. Kompagnie, den ich gut kannte, und dessen Bruder vor einigen Tagen gefallen war, durch eine Kugelmine, die er gefunden hatte, t�dlich verletzt. Er hatte den Z�nder abgeschraubt und steckte, da er bemerkt hatte, da� das Pulver glatt abbrannte, eine glimmende Zigarette in die �ffnung. Die Mine explodierte nat�rlich und brachte ihm �ber 50 Wunden bei. Auf diese und �hnliche Weise hatten wir alle Augenblicke Verluste durch den Leichtsinn, den der st�ndige Umgang mit Sprengstoffen mit sich brachte. Ein unbehaglicher Nachbar in dieser Beziehung war der Leutnant Pook, der einen einsamen Unterstand im verwickelten Grabengewirre hinter dem linken Fl�gel bewohnte. Er hatte dort eine Anzahl riesiger Blindg�nger zusammengeschleppt und besch�ftigte sich damit, die Z�nder abzuschrauben und zu untersuchen. Ich schlug jedesmal einen gro�en Kreis um diese unheimliche Behausung, wenn mich mein Weg daran vor�berf�hrte.

In der Nacht vom 3. 2. waren wir nach einer anstrengenden Stellungsperiode wieder in Douchy angekommen. Ich sa� am n�chsten Morgen so recht in der Stimmung des ersten Ruhetages in meinem Quartier am Emmichs-Platz und trank behaglich Kaffee, als pl�tzlich ein Unget�m von Granate, der Auftakt zu einer schweren Ortsbeschie�ung, dicht vor meiner T�r krepierte und mir die Fenster ins Zimmer warf. In drei S�tzen war ich im Keller, den auch die anderen Hausbewohner schon mit erstaunlicher Geschwindigkeit aufgesucht hatten, um dort das Bild einer kl�glichen Gruppe zu bieten. Da der Keller halb �ber dem Boden gebaut und nur durch eine d�nne Mauer vom Garten getrennt war, dr�ngte sich alles in einem kurzen, engen Stollenhals zusammen. Zwischen den zusammengepre�ten K�rpern zw�ngte sich winselnd mein Sch�ferhund mit dem Instinkt des Tieres in die finsterste Ecke. Weit in der Ferne h�rte man in regelm��igen Abst�nden eine Reihe matter Absch�sse, denen nach einigen Sekunden das pfeifende Heranheulen der schweren Eisenkl�tze folgte, das rings um unser H�uschen in krachenden Explosionen endete. Jedesmal fuhr ein unangenehmer Luftdruck durch die Kellerfenster, Erdklumpen und Splitter prasselten auf das Ziegeldach, w�hrend in den St�llen die aufgeregten Pferde schnaubten und b�umten. Dazu winselte der Hund, und ein dicker Musiker schrie bei jedem Heranpfeifen laut auf, als ob ihm ein Zahn gezogen werden sollte.

Endlich war das Unwetter vor�ber, und wir konnten uns wieder in die frische Luft begeben. Die verw�stete Dorfstra�e war belebt wie ein beunruhigter Ameisenhaufen. Mein Quartier sah b�se aus. Dicht neben der Mauer des Kellers war die Erde an verschiedenen Stellen aufgerissen, Obstb�ume waren umgeknickt, und mitten im Torweg lag h�hnisch ein langer Blindg�nger. Das Dach war arg durchl�chert. Ein gro�er Splitter hatte den halben Schornstein mitgenommen. In der nebenan liegenden Kompagnie-Schreibstube hatten einige handliche Splitter die W�nde und den gro�en Kleiderschrank durchbohrt und fast s�mtliche dort verwahrten Offiziersuniformen zerfetzt, zum gro�en �rger der Betroffenen, zu denen ich �brigens nicht geh�rte.

Am 8. 2. bekam der Abschnitt C starkes Feuer. Schon am fr�hen Morgen scho� die eigene Artillerie einen Blindg�nger in den Unterstand meiner rechten Fl�gelgruppe, der zur unangenehmen �berraschung der Insassen die T�r eindr�ckte und den Ofen umwarf. Ein Witzbold zeichnete sp�ter eine Karikatur, auf der sich acht Mann zugleich �ber den qualmenden Ofen durch die zerschmetterte T�r pressen, w�hrend der Blindg�nger aus einer Ecke b�sartig blinzelt. Ferner wurden uns am Nachmittag noch drei Unterst�nde zusammengeschossen, gl�cklicherweise dabei aber nur ein Mann leicht am Knie verwundet, da sich alles bis auf die Posten in die Stollen zur�ckgezogen hatte. Am folgenden Tage wurde ein Mann meines Zuges durch die Flankierungsbatterie t�dlich in die Seite getroffen. Am 25. 2. wurden wir durch einen Todesfall, der uns einen vortrefflichen Menschen und beliebten Kameraden entri�, besonders ergriffen. Kurz vor der Abl�sung bekam ich in meinem Unterstand die Meldung, da� soeben der Kriegsfreiwillige K. im Stollen nebenan gefallen w�re. Ich begab mich dorthin und fand, wie schon so oft, eine ernste Gruppe um die regungslose Gestalt stehend, die mit verkrampften H�nden auf blutgetr�nktem Schnee lag, mit gl�sernen Augen gen Himmel starrend. Wieder ein Opfer der Flankierungsbatterie! K. war bei den ersten Sch�ssen im Graben gewesen und sogleich in den Stollen gesprungen. Ein gro�er Splitter einer auf die dem Eingang gegen�berliegende Grabenwand schlagenden Granate sauste in den Stollenhals und traf ihn am Hinterkopf, als er sich bereits in Sicherheit w�hnte. Er starb einen schnellen, unvermuteten Tod.

Die Flankierungsbatterie war in diesen Tagen �berhaupt sehr rege. Ungef�hr st�ndlich gab sie eine einzige, �berraschende Salve ab, deren Sprengst�cke genau den Graben abfegten. In den sechs Tagen vom 3. 2. bis 8. 2. kostete sie uns 3 Tote, 3 Schwer- und 4 Leichtverwundete. Trotzdem sie h�chstens 1500 Meter von uns entfernt an einem Bergabhang in unserer linken Flanke stehen mu�te, war es unserer Artillerie unm�glich, sie zum Schweigen zu bringen. Unser einziges Mittel, ihre Wirksamkeit zu vermindern, bestand in der Vermehrung und Erh�hung unserer Schulterwehren, um ihre Reichweite auf kleine Grabenst�cke zu beschr�nken.

Anfang M�rz hatten wir den gr�bsten Dreck hinter uns. Das Wetter wurde trocken, und der Graben war sauber verschalt, so da� wir h�ufiger ein paar gem�tliche Freistunden hatten. Jeden Abend sa� ich im Unterstande vor meinem kleinen Schreibtisch und las oder plauderte, wenn ich Besuch bekommen hatte. Wir waren mit dem Kompagnief�hrer 4 Offiziere und f�hrten ein sehr kameradschaftliches Zusammensein. Jeden Tag tranken wir im Unterstande des einen oder des anderen Kaffee oder sa�en zu Abend, oft bei einer oder mehreren Flaschen, rauchten, spielten Karten und f�hrten eine landsknechtsm��ige Unterhaltung. Diese gem�tlichen Unterstandsstunden wiegen in der Erinnerung manchen Tag voll Blut, Schmutz und Arbeit auf. Sie waren auch nur in dieser langen und verh�ltnism��ig ruhigen Stellungsperiode m�glich, wo wir uns fest ineinander eingelebt und beinahe friedensm��ige Gewohnheiten angenommen hatten. Unser Hauptstolz war unsere Baut�tigkeit, in die uns von hinten sehr wenig hineinregiert wurde. In rastloser Arbeit wurde ein 30stufiger Stollen neben dem andern in den lehmigen Kreideboden getrieben und durch Quergalerien verbunden, so da� wir bequem sechs Meter unter der Erde vom rechten zum linken Fl�gel unserer Z�ge gelangen konnten. Mein Lieblingswerk war ein 60 Meter langer Stollengang von mir zum Kompagnief�hrer-Unterstand, der rechts und links mit Munitionskammern und Wohnr�umen versehen war. Diese Anlage war w�hrend der sp�teren K�mpfe von hohem Wert.

Wenn wir uns nach dem Morgenkaffee (man bekam sogar fast regelm��ig die Zeitung nach oben), frisch gewaschen, mit dem Zollstock in der Hand im Graben begegneten, verglichen wir die Fortschritte unserer Abschnitte, w�hrend sich das Gespr�ch um Stollenrahmen, Musterunterst�nde, Arbeitszeiten und �hnliche Sachen drehte. Ich empfand abends, wenn ich mich auf meine Pritsche legte, immer ein angenehmes Gef�hl in dem Bewu�tsein, den Erwartungen der Heimat an meinem Platze entsprochen zu haben, indem ich mit aller Energie f�r die Verteidigung meiner 200 Meter Sch�tzengraben und f�r das Wohl meiner 60 Mann gesorgt hatte.

Am 14. 3. schlug der Volltreffer einer 15-Zentimeter-Granate in unseren rechten Nachbarabschnitt, t�tete drei Mann und verwundete drei andere schwer. — Am 18. erhielt der Posten vor meinem Unterstande einen Granatsplitter, der ihm die Backe aufri� und einen Ohrzipfel abschlug. — Am 19. wurde ein Mann am linken Fl�gel durch Kopfschu� schwer verwundet. — Am 23. fiel rechts neben meinem Unterstande der F�silier L. durch Kopfschu�. Am selben Abend meldete mir ein Posten, da� eine feindliche Patrouille im Drahtverhau steckte. Ich verlie� mit einigen Leuten den Graben, konnte jedoch nichts feststellen.

Am 7. 4. Wurde am rechten Fl�gel ein Mann durch Gewehrgescho�splitter am Kopfe verwundet. Diese Art von Verwundungen war bei uns infolge der beim geringsten Aufprall zerschellenden englischen Munition sehr h�ufig. Am Nachmittag wurde die Umgebung meines Unterstandes stundenlang mit schweren Granaten beworfen. Mein Lichtschachtfenster wurde zum x-ten Male zersplittert, und bei jeder Detonation flog ein Hagel von hartem Lehm durch die �ffnung, ohne uns indes beim Kaffeetrinken st�ren zu k�nnen.

Nachher hatten wir ein f�rmliches Duell mit einem tollk�hnen Engl�nder, dessen Kopf �ber den Rand eines h�chstens 100 Meter entfernten Grabens schaute, und der eine Reihe haarscharf gezielter Sch�sse auf unsere Schie�scharten abgab. Ich erwiderte das Feuer mit einigen Leuten, doch schlug sofort eine famos gezielte Kugel auf den Rand unserer Scharte, die uns die Augen voll Sand spritzte und mich durch einen kleinen Splitter unbedeutend am Hals verwundete. Wir lie�en jedoch nicht locker, indem wir auftauchten, kurz zielten und wieder verschwanden. Gleich darauf platzte ein Gescho� am Gewehre des F�siliers Storch, dessen Gesicht durch mindestens zehn Splitter getroffen, an allen Stellen blutete. Der n�chste Schu� ri� ein St�ck aus dem Rand unserer Schie�scharte; ein weiterer zerschmetterte den Spiegel, mit dem wir beobachteten, doch hatten wir die Genugtuung, da� unser Gegner nach einigen genau auf der Lehmbank vor seinem Gesicht aufgeschlagenen Geschossen spurlos verschwand. Gleich darauf scho� ich mit drei Schu� K-Munition das Schutzschild, hinter dem dieser rabiate Bursche immer wieder aufgetaucht war, �ber den Haufen.

Am 9. 4. flogen zwei englische Flieger wiederholt dicht �ber unsere Stellung. Die ganze Grabenbesatzung st�rzte aus den Unterst�nden und er�ffnete ein rasendes Feuer. Ich sagte gerade zu dem neben mir stehenden Leutnant Sievers: „Wenn nur die Flankierungsbatterie nicht aufmerksam wird!“ als uns auch schon die eisernen Fetzen um die Ohren flogen, und wir in den n�chsten Stollen sprangen. Sievers stand vorm Eingange, ich riet ihm, weiter hineinzukommen und klatsch! sa� ein handbreiter, noch dampfender Splitter vor seinen F��en. Gleich darauf bekamen wir noch etliche Schrapnellminen, die �ber unseren K�pfen krepierten. Ein Mann wurde durch einen nadelkopfgro�en Splitter auf die Achsel getroffen, der trotz seiner Kleinheit ziemlich schmerzhaft war. Ich antwortete mit einigen Wurfminen, denn es war stillschweigende �bereinkunft der Infanterie, sich auf das Gewehr zu beschr�nken. Die Anwendung von Sprengstoffen wurde unter allen Umst�nden im Verh�ltnis von mindestens 2 : 1 erwidert. Leider hatte der Gegner meist so reichliche Munition, da� uns zuerst der Atem ausging.

Auf diesen Schrecken tranken wir in Sievers’ Unterstande einige Flaschen Rotwein, die mich unversehens so in Stimmung brachten, da� ich trotz hellen Mondscheins �ber Deckung zu meinem Domizil zur�ckspazierte. Bald verlor ich die Richtung, geriet in einen riesigen Minentrichter und h�rte im nahen feindlichen Graben die Engl�nder arbeiten. Nachdem ich durch zwei Handgranaten sehr ruhest�rend gewirkt hatte, zog ich mich eiligst in unseren Graben zur�ck, wobei ich noch in den aufgerichteten Stachel einer unserer sch�nen, aus vier gesch�rften Eisenspitzen bestehenden Fu�angeln st�rzte. Es herrschte in diesen Tagen �berhaupt lebhafte T�tigkeit vorm Draht, die zuweilen eines gewissen blutigen Humors nicht entbehrte. So wurde einer unserer Patrouilleng�nger von eigenen Leuten angeschossen, weil er stotterte und den Paroleruf nicht schnell genug herausbringen konnte. Ein anderes Mal stieg einer, der in Monchy bei der K�che die Mitternacht gefeiert hatte, �ber das Hindernis und er�ffnete ein selbst�ndiges Sch�tzenfeuer gegen den eigenen Graben. Er wurde, nachdem er sich verschossen hatte, hereingezogen und geh�rig verpr�gelt.

Der Auftakt zur Somme-Offensive.

Mitte April 1916 wurde ich nach Croisilles, einem St�dtchen hinter der Divisionsfront, zu einem Offizier-Ausbildungskursus kommandiert, der unter pers�nlicher Leitung des Divisions-Kommandeurs, Generalmajor Sontag, stand. Es wurde theoretischer und praktischer Unterricht in einer ganzen Reihe von milit�rischen F�chern erteilt. Besonders fesselnd waren die taktischen Ausritte unter dem Major von Jarotzky. H�ufige Ausfl�ge und Besichtigungen der meist aus dem Boden gestampften Einrichtungen des Hinterlandes gaben uns, die wir gewohnt waren, alles �ber die Achsel anzusehen, was sich hinter dem ersten Graben befand, einen Begriff von der unerme�lichen Arbeit, die im R�cken der k�mpfenden Truppe geleistet wurde. So besuchten wir die Schlachterei, das Proviantdepot und die Gesch�tzreparaturstelle in Boyelles, die S�gem�hle und den Pionierpark im Walde von Bourlon, die Molkerei, die Schweinez�chterei und die Kadaververwertungsstelle in Inchy, den Flugpark und die B�ckerei in Qu�ant. Sonntags fuhren wir in die naheliegenden St�dte Cambrai, Douai und Valenciennes, „um wieder mal Frauen mit H�ten zu sehen“. — Am 16. 6. wurden wir vom General wieder zur Truppe entlassen mit einer kleinen Ansprache, aus der wir entnahmen, da� sich eine gro�e feindliche Offensive an der Westfront vorbereitete, deren linker Fl�gel ungef�hr unserer Stellung gegen�berliegen sollte.

Da� etwas in der Luft liegen mu�te, wurde uns auch nach der R�ckkehr zum Regiment klar, denn die Kameraden erz�hlten von der zunehmenden Unruhe des Gegners. Die Engl�nder hatten zweimal, allerdings ohne Erfolg, eine Gewaltpatrouille gegen den Abschnitt C unternommen. Wir hatten uns durch einen schwer vorbereiteten Angriff von drei Offizierspatrouillen auf das sogen. Grabendreieck ger�cht und dabei eine ganze Anzahl von Gefangenen gemacht. W�hrend meiner Abwesenheit war Leutnant Wetje durch eine Schrapnellkugel am Arme verwundet, �bernahm jedoch bald nach meiner Ankunft wieder die F�hrung der Kompagnie. Mein Unterstand hatte sich inzwischen auch ver�ndert, er war durch einen Treffer um die H�lfte kleiner geworden.

Am 20. 6. bekam ich den Auftrag, vorm feindlichen Graben zu lauschen, ob der Gegner mit Minierarbeiten besch�ftigt w�re und kletterte mit dem F�hnrich Wohlgemut, dem Gefreiten Schmidt und dem F�silier Parthenfelder um 11.30 �ber unser eigenes, ziemlich hohes Drahtverhau. Wir gingen die erste Strecke geb�ckt vor und krochen dann nebeneinander �ber das dicht bewucherte Vorfeld weiter. Tertianer-Erinnerungen aus Karl May kamen mir ins Ged�chtnis, als ich so auf dem Bauche durch betautes Gras und Distelgestr�pp rutschte, �ngstlich bem�ht, jedes Rascheln zu vermeiden, da sich 50 Meter vor uns der englische Graben als schwarzer Strich aus dem Halbdunkel hob. Die Garbe eines entfernten Maschinengewehres klatschte fast senkrecht um uns nieder; ab und zu fuhr eine Leuchtkugel hoch und warf ihr kaltes Licht auf den unwirtlichen Flecken Erde.

Einmal ert�nte hinter uns lebhaftes Rascheln, zwei Schatten huschten zwischen den Gr�ben dahin. W�hrend wir uns bereitmachten, auf sie loszust�rzen, waren sie schon spurlos verschwunden. Gleich darauf verriet der Donner von zwei Handgranaten im englischen Graben, da� eigene Leute unseren Weg gekreuzt hatten. Langsam krochen wir weiter vor.

Pl�tzlich krampfte sich die Hand des F�hnrichs um meinen Arm: „Achtung rechts, ganz nahe, leise, leise!“ Gleich darauf h�rte ich zehn Meter rechts von uns vielfaches Rauschen im Grase. Mit der blitzschnellen, logischen Sch�rfe, die man in solchen Situationen entwickelt, �bersah ich die Lage. Wir waren die ganze Zeit am englischen Draht entlang gekrochen, der Feind hatte uns geh�rt und kam nun aus seinem Graben, um das Vorgel�nde zu untersuchen.

Unverge�lich sind solche Augenblicke auf n�chtlicher Schleiche. Auge und Ohr sind bis zum �u�ersten gespannt, das n�her kommende Rauschen der fremden F��e im hohen Grase nimmt eine merkw�rdige, unheildrohende St�rke an, — es f�llt einen fast ganz aus. Der Atem geht sto�weise; man mu� sich zwingen, sein keuchendes Wehen zu d�mpfen. Mit kleinem, metallischem Knacks springt die Sicherung der Pistole zur�ck; ein Ton, der wie ein Messer durch die Nerven geht. Die Z�hne knirschen auf der Z�ndschnur der Handgranate. Der Zusammenprall mu� kurz und m�rderisch werden. Man zittert unter zwei gewaltigen Sensationen: der gesteigerten Aufregung des J�gers und der Angst des Wildes. Man ist eine Welt f�r sich, vollgesogen von der dunklen, entsetzlichen Stimmung, die �ber dem w�sten Gel�nde lastet.

Eine Reihe verschwommener Gestalten tauchte dicht neben uns auf, Fl�stern wehte her�ber. Wir wandten ihnen den Kopf zu; ich h�rte, wie der Bayer Parthenfelder auf die Klinge seines Dolches bi�.

Sie kamen noch einige Schritte auf uns zu, fingen dann aber an, am Draht zu arbeiten, ohne uns bemerkt zu haben. Wir krochen ganz langsam, sie immer im Auge behaltend, zur�ck. Der Tod, der schon in ragender Erwartung zwischen den Parteien gestanden hatte, entglitt mi�mutig. Nach einiger Zeit erhoben wir uns und gingen aufrecht weiter, bis wir wohlbehalten in unserem Abschnitt angekommen waren.

Der gute Ausgang dieses Ausfluges begeisterte uns zu dem Gedanken, einen Gefangenen zu machen, und wir beschlossen, am n�chsten Abend wieder loszugehen. Am Nachmittage hatte ich mich deshalb gerade zur Ruhe gelegt, als ich durch einen donnerartigen Krach in der N�he meines Unterstandes hochgeschreckt wurde. Die Engl�nder schickten Kugelminen her�ber, die trotz dem geringen Abschu�ger�usch von solcher Schwere waren, da� ihre Splitter die baumdicken Verschalungspf�hle glatt abschlugen. Fluchend kletterte ich von meinem „coucher“ und begab mich in den Graben, um, wenn ich dr�ben wieder einen der schwarzen Stielb�lle seine bogenf�rmige Laufbahn antreten sah, mit dem Geschrei: „Mine links“ zum n�chsten Stollen zu sausen. Mit Minen aller Gr��en und Arten wurden wir in den n�chsten Wochen so ausgiebig versorgt, da� es uns Gewohnheit wurde, bei unseren G�ngen durch den Graben immer ein Auge in die Luft, das andere nach dem n�chsten Stolleneingang zu richten.

In der Nacht schlich ich also wieder mit drei Begleitern zwischen den Gr�ben herum. Wir robbten uns auf den Fu�spitzen und Ellenbogen bis dicht vor das englische Hindernis und verbargen uns dort hinter einzelstehenden Grasb�scheln. Nach einiger Zeit erschienen mehrere Engl�nder, die eine Rolle Draht schleppten. Sie blieben dicht vor uns stehen, setzten die Rolle ab, knipsten mit einer Drahtschere daran herum und unterhielten sich fl�sternd. Wir schl�ngelten uns aneinander heran und f�hrten im Hauchton eine hastige Unterhaltung: „Jetzt ’ne Handgranate dazwischen und dann auf ihn!“ „Mensch, das sind vier Mann!“ „Hei hett de B�x all wedder gestrichen vull!“ „Quatsch doch nich!“ „Leise, leise!“ Meine Warnung kam zu sp�t; als ich hochsah, krochen die Engl�nder gerade wie die Eidechsen unter ihren Draht und verschwanden im Graben. Nun wurde die Stimmung doch etwas schw�l. Der Gedanke: „Gleich bringen sie ein M. G. in Stellung“ verursachte mir einen faden Geschmack im Munde. Auch die anderen hegten �hnliche Bef�rchtungen. Wir rutschten unter gro�em Waffengerassel auf dem Bauche nach r�ckw�rts. Im englischen Graben wurde es lebhaft. Getrappel, Gefl�ster, Hin- und Herlaufen. Pschschscht . . . eine Leuchtkugel. Ringsumher wurde es taghell, w�hrend wir uns bem�hten, unsere K�pfe in Grasb�scheln zu verstecken. Noch eine Leuchtkugel. Peinliche Momente. Man m�chte in die Erde verschwinden und lieber an jedem anderen Orte sein, als zehn Meter vorm feindlichen Graben. Noch eine. Peng! Peng! Der unverkennbare scharfe, bet�ubende Knall einiger aus n�chster Entfernung abgefeuerter Gewehrsch�sse. Oha! Wir sind entdeckt!

Wir schrien uns ohne weitere R�cksicht unsere Absicht, wegzulaufen, zu, sprangen auf und rasten in dem nun losprasselnden Feuer auf unsere Stellung zu. Nach einigen S�tzen stolperte ich und schlug in einen kleinen, ganz flachen Granattrichter, w�hrend die drei anderen, mich f�r erledigt haltend, an mir vorbeihetzten. Ich pre�te mich fest an den Boden, zog Kopf und Beine ein und lie� die Geschosse durch das hohe Gras �ber mich hinwegfegen. Ebenso unangenehm waren mir die gl�henden Magnesiumklumpen der herabfallenden Leuchtkugeln, die zum Teil dicht neben mir abbrannten. Allm�hlich wurde das Schie�en schw�cher, und nach einer weiteren Viertelstunde verlie� ich zun�chst langsam, dann so schnell mich F��e und H�nde tragen wollten, meinen Zufluchtsort. Da inzwischen der Mond untergegangen war, verlor ich bald jede Orientierung und wu�te weder wo die englische, noch wo die deutsche Seite sich befand. Nicht einmal die charakteristische Ruine der Monchy-M�hle hob sich mehr vom Horizonte ab. Ab und zu kam ein Gescho� von der einen oder anderen Seite mit geradezu be�ngstigender Rasanz durch die Gegend geflogen. Ich legte mich resigniert ins Gras und beschlo�, die Morgend�mmerung abzuwarten. Pl�tzlich ert�nte dicht neben mir Gewisper. Ich nahm wieder Gefechtsbereitschaft ein und gab als vorsichtiger Mann zun�chst eine Reihe von Naturlauten ab, nach denen ich ebenso gut ein Engl�nder als ein Deutscher sein konnte. Den ersten englischen Zuruf beschlo� ich mit einer Handgranate zu quittieren. Zu meiner Freude stellte sich jedoch heraus, da� ich meine Leute vor mir hatte, die gerade beim Abschnallen der Koppel waren, um meine Leiche darauf zur�ckzutragen. Wir sa�en noch eine Weile in dem Trichter zusammen und freuten uns �ber unser gl�ckliches Wiedersehen. Dann begaben wir uns in unseren Graben zur�ck, den wir nach dreist�ndiger Abwesenheit erreichten.

Am Morgen hatte ich schon wieder um 5 Uhr Grabendienst. Im Abschnitt des ersten Zuges fand ich den Feldwebel H. vor seinem Unterstande. Alle ich mich wunderte, ihn zu so fr�her Stunde zu sehen, erz�hlte er mir, da� er beim Anstande auf eine gro�e Ratte w�re, die ihm den Nachtschlaf raubte. Dabei betrachtete er angelegentlich seinen l�cherlich kleinen Unterstand, den er „Villa Leberecht H�hnchen“ getauft hatte.

Als wir so nebeneinander standen, h�rten wir einen dumpfen Abschu�, der indes nichts Besonderes zu bedeuten hatte. H., der am Tage vorher beinahe von einer gro�en Kugelmine erschlagen w�re und daher sehr nerv�s war, fuhr wie ein Blitz nach dem n�chsten Stolleneingang, rutschte in seiner Hast die ersten 15 Stufen sitzend hinunter und benutzte die letzten 15 dazu, sich dreimal zu �berschlagen. Ich stand oben am Eingang und verga� vor Lachen Mine und Stollen, als ich diese schmerzhafte Unterbrechung einer Rattenjagd von dem armen Opfer unter empfindlichem Reiben verschiedener K�rperstellen beklagen h�rte. Der Ungl�cksmensch gestand mir auch noch, da� er gestern gerade beim Abendbrot gesessen h�tte, als die Mine ankam. Erstlich w�re sein ganzes Essen versandet gewesen und er au�erdem schon gestern recht empfindlich die Treppe hinuntergefallen.

Nach dieser erheiternden Episode begab ich mich in meinen Unterstand, sollte indes auch heute nicht zum erquickenden Schlummer kommen. Vom fr�hen Morgen an wurde unser Graben in immer k�rzeren Zwischenr�umen mit Minen beworfen. Gegen Mittag wurde mir die Sache zu bunt. Ich machte mit einigen Leuten unseren Lanzschen Minenwerfer fertig und nahm die feindlichen Gr�ben unter Feuer, eine allerdings etwas schw�chliche Erwiderung der schweren Geschosse, mit denen wir reichlich bedacht wurden. Schwitzend hockten wir auf dem von der Junisonne hei�gebrannten Lehm einer kleinen Grabenmulde und schickten Mine auf Mine nach dr�ben. Da sich die Engl�nder durchaus nicht st�ren lie�en, begab ich mich mit Leutnant Wetje ans Telephon, wo wir nach reiflicher �berlegung folgenden Notruf erschallen lie�en: „Helene spuckt in unseren Graben, lauter dicke Brocken, wir brauchen Kartoffeln, gro�e und kleine!“ Dies Kauderwelsch wurde angewandt, um dem etwa mith�renden Gegner nichts zu verraten; es kam dann auch bald vom Oberleutnant Deichmann die tr�stliche Antwort, da� sogleich der dicke Wachtmeister mit dem strammen Schnurrbart nebst einigen kleinen Jungen nach vorn kommen w�rde, und gleich darauf sauste unsere erste Zwei-Zentner-Mine mit unerh�rtem Krachen in den feindlichen Graben, gefolgt von einigen Gruppen der Feldartillerie, so da� wir f�r den Rest des Tages Ruhe hatten.

Am n�chsten Mittag begann indes der Tanz in bedeutend sch�rferer Weise. Beim ersten Schu� begab ich mich durch meinen unterirdischen Gang in den zweiten Graben und von dort in den Laufgraben, in dem wir unseren Minenwerfer aufgebaut hatten. Wir er�ffneten das Feuer in der Weise, da� wir bei jeder ankommenden Kugelmine eine Lanz-Mine abschossen. Nachdem wir ungef�hr 40 Minen gewechselt hatten, schien sich der feindliche Richtsch�tze auf uns pers�nlich einzuschie�en. Bald schlugen einige Geschosse rechts, andere links neben uns ein, ohne unsere T�tigkeit unterbrechen zu k�nnen, bis eine gerade auf uns zukam. Wir rissen im letzten Moment noch unsere Abzugsleine durch und liefen dann so schnell wie m�glich fort. Gerade war ich in einen schlammigen, drahtdurchzogenen Graben gelangt, als das Unding dicht hinter mir krepierte. Der gewaltige Luftdruck warf mich �ber ein B�ndel Stacheldraht in ein mit gr�nlichem Schlamm gef�lltes Granatloch, w�hrend gleichzeitig ein Schauer harter Lehmklumpen auf mich herabrasselte. Halb bet�ubt und �bel zugerichtet erhob ich mich. Hose und Stiefel waren durch den Stacheldraht zerrissen, Gesicht, H�nde und Uniform mit z�hem Lehm �berkleistert, und das Knie blutete aus einer langen Schramme. Ziemlich abgek�mpft schlich ich durch den Graben in meinen Unterstand, um mich auszuruhen.

Sonst hatten die feindlichen Minen keinen gro�en Schaden angerichtet. Der Graben war an einigen Stellen zerst�rt, ein Priester-Minenwerfer zerschmettert, und „Villa Leberecht H�hnchen“ hatte durch einen Volltreffer den Rest bekommen. Der ungl�ckliche Besitzer hatte schon unten im Stollen gesessen, sonst h�tte er wohl bei dieser Gelegenheit seinen dritten Treppensturz vollf�hrt.

Den ganzen Nachmittag ging die Schie�erei ununterbrochen weiter und wurde in den Abendstunden durch eine Unzahl zylindrischer Minen zum Trommelfeuer gesteigert. Unsere Leute nannten diese walzenf�rmigen Geschosse die „Waschkorb-Minen“, da es manchmal den Eindruck machte, als w�rden sie mit K�rben vom Himmel gesch�ttet.

Wir sa�en mit gespannter Erwartung in den Stolleneing�ngen, bereit, jeden Ank�mmling mit Gewehr und Handgranate zu begr��en, jedoch flaute das Feuer nach einer halben Stunde wieder ab. In der Nacht hatten wir noch zwei Feuer�berf�lle, w�hrend deren unsere Posten unersch�tterlich auf ihren St�nden Ausschau hielten, zu bestehen. Sowie das Feuer nachlie�, bestrahlten zahlreiche emporsteigende Leuchtkugeln die aus den Stollen hervorst�rzenden Verteidiger, und ein rasendes Feuer �berzeugte den Feind von der unbeugsamen Entschlossenheit hann�verscher F�siliere.

Trotz dem wahnsinnigen Feuer verloren wir nur einen Mann, dem durch eine auf ein Schutzschild schlagende Mine der Sch�del zerschmettert wurde. Ein anderer wurde am R�cken verwundet.

Auch am Tage, der diese unruhige Nacht abl�ste, bereiteten uns zahlreiche Feuerwirbel auf einen baldigen Angriff vor. Unser Graben wurde w�hrend dieser Zeit kurz und klein geschossen und durch die zerschlagenen H�lzer der Verschalung fast ungangbar gemacht, auch wurde eine Reihe von Unterst�nden eingedr�ckt.

Wir beschlossen, w�hrend der kommenden Nacht s�mtlich wach zu bleiben, und verabredeten, da� derjenige, der auf den Zuruf „Hallo“ nicht seinen Namen riefe, sofort niedergeschossen werden sollte. Jeder Offizier hatte seine Leuchtpistole mit einer roten Kugel geladen, um die Artillerie unverz�glich verst�ndigen zu k�nnen.

Die Nacht wurde noch toller als die vorige. Besonders ein Feuer�berfall um 2.15 Uhr �bertraf alles Vorhergegangene. Rings um meinen Unterstand schlug ein Hagel schwerer Geschosse ein. Wir standen in voller Bewaffnung auf der Stollentreppe; das Licht der kleinen Kerzenst�mpfe schimmerte vielfach an den nassen, schimmligen W�nden. Durch die Eing�nge str�mte blauer Qualm, Erde br�ckelte von der Decke. Wumm! „Donnerwetter!“ „Streichholz, Streichholz!“ „Alles fertigmachen!“ Das Herz schlug bis zum Halse. Fliegende H�nde l�sten die Kapseln der Handgranaten. „Das war die letzte!“ „Rrraus!“ Als wir zum Ausgang st�rzten, ging noch eine Mine mit verz�gerter Z�ndung los und schleuderte uns durch ihren Luftdruck wieder zur�ck. Trotzdem waren, w�hrend noch die letzten Eisenv�gel herunterrauschten, schon alle Postenst�nde von der wackeren Mannschaft besetzt. Knatterndes Schnellfeuer sprang auf, und Leuchtkugeln strahlten Mittagshelle auf das mit dichten Rauchschwaden beh�ngte Vorgel�nde.

Als das Feuer schon verstummt war, erlitten wir noch einen Verlust. Der F�silier N. fiel pl�tzlich von seinem Postenstande und rollte polternd die Stollentreppe herunter, mitten in den Kreis seiner unten versammelten Kameraden. Als wir den unheimlichen Ank�mmling untersuchten, fanden wir eine kleine Wunde an der Stirn und eine blutende �ffnung �ber der rechten Brustwarze. Es blieb uns unklar, ob die Verwundung oder der j�he Sturz seinen Tod herbeigef�hrt hatte.

Am Ende dieser Schreckenssnacht wurden wir von der 6. Kompagnie abgel�st. Mit jener eigent�mlichen Mi�stimmung, die eine in der Morgensonne strahlende Landschaft auf die ersch�pften, �bern�chtigten Nerven aus�bt, zogen wir durch die Laufgr�ben nach Monchy und von dort zu der sich vor dem Waldrande von Adinfer hinziehenden zweiten Stellung, von wo wir einen grandiosen Ausblick auf den ersten Auftakt zur Sommeschlacht hatten. Die Frontabschnitte links von uns waren in wei�e und schwarze Rauchwolken geh�llt, turmhoch spritzte ein schwerer Einschlag neben dem anderen; dar�ber zuckten zu Hunderten die kurzen Blitze platzender Schrapnells.

Als wir am Abend endlich einmal ausschlafen wollten, bekamen wir Befehl, in Monchy schwere Minen zu verladen und mu�ten die ganze Nacht vergeblich auf irgendeinen steckengebliebenen Wagen warten, w�hrend der Engl�nder mit M. G.-Steilfeuer und die Stra�e hinunterfegenden Schrapnells verschiedene, zum Gl�ck erfolglose Attentate auf unser Leben aus�bte.

In dieser Nacht gab mir der Gegner ein Beispiel seiner h�chst sorgf�ltigen Beobachtung. In der zweiten Stellung, ungef�hr 2000 Meter vom Feinde, war vor einem im Bau befindlichen Munitionsstollen ein Haufen Kreide aufgeschichtet. Der Engl�nder zog daraus den leider richtigen Schlu�, da� dieser H�gel in der Nacht verzogen w�rde und scho� eine Gruppe Schrapnells darauf ab, durch die er wirklich drei Mann schwer verwundete.

Am Morgen wurde ich schon wieder durch den Befehl, meinen Zug zum Schanzen in den Abschnitt C zu f�hren, aus dem Schlaf gerissen. Meine Gruppen wurden innerhalb der 6. Kompagnie verteilt. Ich ging mit einigen Leuten zum Walde von Adinfer zur�ck, um sie beim Holzhauen anzustellen. Auf dem R�ckwege zur Stellung trat ich in meinen Unterstand, um dort ein halben St�ndchen auszuruhen. Doch umsonst, ich sollte in diesen Tagen keine ungest�rte Ruhe finden. Kaum hatte ich die Stiefel ausgezogen, als ich unsere Artillerie vom Waldrande her merkw�rdig lebhaft feuern h�rte. Gleichzeitig erschien mein Bursche Paulicke am Stolleneingang und schrie herunter: „Gasangriff!“

Ich ri� die Gasmaske heraus, fuhr in die Stiefel, schnallte um, rannte nach drau�en und sah dort, wie eine riesige Gaswolke in dichten wei�lichen Schwaden �ber Monchy hing und sich auf den im Grunde liegenden Punkt 124 zuw�lzte.

Da mein Zug zum gr��ten Teil vorn in Stellung und ein Angriff sehr wahrscheinlich war, gab es f�r mich kein langes �berlegen. Ich sprang �ber das Hindernis der zweiten Stellung, rannte vor und war bald mitten in der Gaswolke. Ich setzte die Maske auf, ri� sie aber gleich wieder herunter, da ich so stark gelaufen war, da� ich durch den Einsatz nicht gen�gend Luft bekommen konnte; auch waren die Augengl�ser im Nu beschlagen und vollkommen undurchsichtig. Da ich Bruststiche versp�rte, versuchte ich, die Wolke wenigstens so schnell wie m�glich zu durchqueren. Vor dem Dorfrande mu�te ich noch einen Sperrfeuerriegel passieren, dessen Einschl�ge, von zahlreichen Schrapnellwolken unterbrochen, eine lange, regelm��ige Kette �ber die ver�deten, sonst nie betretenen Felder zog.

Artilleriefeuer in derartig offenem Gel�nde, in dem man sich frei bewegen kann, hat weder dieselbe tats�chliche, noch moralische Wirkung wie in Ortschaften oder Stellungen. So hatte ich im Nu die Feuerlinie hinter mich gelegt und befand mich in Monchy, das unter einem tollen Schrapnellhagel lag. Ein Schauer von Kugeln, Ausbl�sern und Z�ndern fegte durch das Ge�st der Obstb�ume in den verwilderten G�rten und klatschte gegen die Reste der zerst�rten Mauern.

In einem Unterstande der G�rten sah ich meine Kompagnie-Kameraden Sievers und Vogel sitzen; sie hatten ein loderndes Holzfeuer entz�ndet und beugten sich �ber die reinigende Flamme, um den Wirkungen des Chlors zu entgehen. Ich leistete ihnen bei dieser Besch�ftigung Gesellschaft, bis das Feuer abgeflaut war, und ging dann durch den Laufgraben 6 nach vorn. Da ich in meinem unverbesserlichen Phlegma ganz langsam durch den Graben schlenderte, begegnete es mir, da� ich, nur 50 Meter vom Kompagnief�hrer-Unterstande entfernt, noch einmal in einen wahnsinnigen Feuer�berfall geriet und, in eine kleine Nische gedr�ckt, das Unwetter �ber mich ergehen lassen mu�te.

Vorn waren alle Leute besch�ftigt, ihre Gewehre einzufetten, die durch das Gas vollkommen geschw�rzt waren. Ein F�hnrich zeigte mir wehm�tig sein neues Portepee, das seinen strahlenden Glanz eingeb��t und daf�r ein gr�nlich-schwarzes Aussehen angenommen hatte.

Da beim Gegner alles ruhig geblieben war, r�ckte ich mit meinen Gruppen wieder ab. In Monchy sahen wir vor dem Revier eine Menge von Gaskranken sitzen, die sich die H�nde in die Seiten pre�ten, st�hnten und w�rgten, w�hrend ihnen das Wasser aus den Augen lief. Die Sache war keineswegs harmlos, denn einige von ihnen starben etliche Tage darauf nach furchtbaren Schmerzen. Wir hatten einen Blasangriff von reinem Chlor auszuhalten gehabt, einem Kampfgas, das durch �tzen und Verbrennen der Lungen wirkt. Auf dem R�ckwege ging ich, um etwas zu kaufen, in die Kantine des II. Bataillons und fand dort den betr�bten Kantinenj�ngling inmitten eines Haufens zerschlagener Waren vor. Eine Granate war durch die Decke gefahren, im Laden krepiert und hatte seine Sch�tze in ein merkw�rdiges Gemisch von Marmelade, ausgelaufenen Konserven und Seife verwandelt. Er hatte gerade mit echt preu�ischer Genauigkeit eine Unkostenaufstellung von 82 Mark und 58 Pfennig entworfen.

Am Abend wurde mein Zug, der bisher detachiert in der zweiten Stellung gelegen hatte, der unsicheren Gefechtslage wegen bis in das Dorf vorgezogen und bekam das Bergwerk als Aufenthaltsort angewiesen. Wir richteten uns die zahlreichen Nischen als Lagerpl�tze ein und z�ndeten ein riesiges Feuer an, dessen Rauch wir durch den Brunnenschacht abziehen lie�en, sehr zum �rger einiger Kompagniek�che, die beim Wasserholen fast erstickten. Da wir einen kr�ftigen Grog empfangen hatten, setzten wir uns rings um das Feuer auf die Kreidebl�cke, sangen, tranken und rauchten.

Um Mitternacht ging im Gefechtsbogen von Monchy ein H�llenspektakel los. Dutzende von Alarmglocken bimmelten, Hunderte von Gewehren knallten und ununterbrochen stiegen gr�ne und wei�e Leuchtkugeln hoch. Gleich darauf setzte unser Sperrfeuer ein, schwere Minen krachten und zogen Schweife von feurigen Funken hinter sich her. �berall, wo im Tr�mmergewirr eine Menschenseele hauste, erscholl der langgezogene Schrei: „Gasangriff!“ „Gasangriff!“

Im Scheine der Leuchtkugeln w�lzte sich eine wei�liche Gaswand durch das Dorf. Da sich auch im Bergwerke ein starker Chlorgeruch bemerkbar machte, z�ndeten wir vor den Eing�ngen gro�e Strohfeuer an, deren beizender Qualm uns fast aus unserem Zufluchtsort vertrieb und uns zwang, die Luft durch Schwenken von M�nteln und Zeltbahnen zu reinigen.

Am n�chsten Morgen konnten wir im Dorfe die Spuren, die der Gasangriff hinterlassen hatte, bestaunen. Ein gro�er Teil aller Pflanzen war verwelkt, Schnecken und Maulw�rfe lagen tot umher, und den in Monchy untergebrachten Pferden der Meldereiter lief das Wasser aus Maul und Augen. Die �berall verstreuten Geschosse und Granatsplitter waren von einer sch�nen, gr�nen Patina �berzogen. Auch in dem weit zur�ckliegenden Douchy machte sich die Gaswolke noch bemerkbar. Die Zivilisten, denen die Sache unheimlich wurde, versammelten sich vor dem Quartier des Oberstleutnants von Oppen und verlangten Gasmasken. Sie wurden auf Lastautos gesetzt und in weiter zur�ckliegende Ortschaften transportiert.

Die n�chste Nacht verbrachten wir wieder im Bergwerk; am Abend bekam ich Nachricht, da� um 4.15 Uhr Kaffee empfangen werden sollte, da ein englischer �berl�ufer ausgesagt h�tte, da� um 5 Uhr angegriffen w�rde. Wirklich, kaum hatten mich am Morgen die zur�ckkehrenden Kaffeeholer aus dem Schlaf gest�rt, als der uns nicht mehr fremde Ruf „Gasangriff!“ erscholl. Drau�en lag s��licher Phosgengeruch in der Luft, und im Monchy-Bogen tobte starkes Trommelfeuer, das jedoch bald abflaute.

Ein erquickender Morgen folgte dieser unruhigen Stunde. Aus dem Laufgraben 6 trat der Leutnant Brecht auf die Dorfstra�e, einen blutigen Verband um die Hand gewunden, von einem Mann mit aufgepflanztem Seitengewehr und einem gefangenen Engl�nder begleitet. Er wurde im Stabsquartier West im Triumph empfangen und erz�hlte folgendes:

Die Engl�nder hatten um 5 Uhr Gas- und Rauchwolken abgeblasen und anschlie�end den Graben stark mit Minen betrommelt. Unsere Leute waren wie gew�hnlich noch im Feuer aus Deckung gesprungen und hatten dabei �ber 30 Verluste gehabt. Dann waren, in Rauchwolken verborgen, zwei starke englische Patrouillen erschienen, von denen eine in den Graben eingedrungen war und einen verwundeten Unteroffizier mitgenommen hatte. Die andere war schon vor dem Drahtverhau zusammengeknallt worden. Ein einziger, der bereits das Hindernis �berwunden hatte, wurde von dem Leutnant Brecht, der vorm Kriege ein Pflanzerleben in Amerika gef�hrt hatte, an der Gurgel gepackt und mit einem „Come here, you son of a bitch!“ in Empfang genommen. Dieser einzige wurde nun mit einem Glase Wein bewirtet und schaute mit halb erschreckten, halb verwunderten Augen auf die eben noch menschenleere Dorfstra�e, die jetzt von Essenholern, Krankentr�gern, Meldeg�ngern und Neugierigen wimmelte. Bald traf ein langer Zug von Bahren am Verbandsplatze ein. Auch vom Abschnitt S�d kamen viele Verwundete, denn im Kompagnieabschnitt E war ebenfalls eine starke Patrouille in den Graben gedrungen. Ungef�hr 50 Tragen, auf denen st�hnende Menschen mit wei�en, blutdurchtr�nkten Verb�nden lagen, waren vor einigen Wellblechb�gen aufgestellt, unter denen der Arzt seines Amtes waltete.

Ein junges Kerlchen, dessen blaue Lippen als schlimmes Vorzeichen aus einem schneewei�en Gesicht leuchteten, stammelte: „Ich bin zu schwer . . . ich werde nicht wieder . . . ich — mu� — sterben.“ Ein dicker Sanit�ts-Unteroffizier sah ihn mitleidig an und murmelte verschiedene Male ein tr�stendes: „Nun, nun, Kamerad!“

Trotzdem der Engl�nder diesen kleinen Angriff, der haupts�chlich Kr�fte von uns zum Vorteil der Somme-Offensive binden sollte, durch zahlreiche Minen�berf�lle und Gaswolken vorbereitet hatte, fiel ihm dabei nur ein, dazu verwundeter Gefangener in die H�nde, w�hrend er zahlreiche Tote vor unserem Draht liegen lie�. Unsere Verluste waren allerdings auch betr�chtlich, das Regiment verlor an diesem Vormittage �ber 40 Tote, darunter drei Offiziere.

Am n�chsten Nachmittag r�ckten wir endlich wieder f�r einige Tage nach unserem lieben Douchy ab. Noch am selben Abend feierten wir den gl�cklichen Verlauf dieser kleinen Aktion durch einige wohlverdiente Flaschen.

Am 1. Juli wurde uns die traurige Aufgabe, einen Teil unserer Toten auf unserem Kirchhofe zu bestatten. 39 rohe Holzs�rge wurden nach einer ergreifenden Ansprache des Pfarrers Philippi, w�hrend der die Leute weinten wie Kinder, in die Grube gesenkt. Der Pfarrer sprach �ber den Text: „Sie haben einen guten Kampf gek�mpft,“ und begann mit den Worten: „Gibraltar, das ist Euer Zeichen und f�rwahr, Ihr habt gestanden wie der Fels im brandenden Meer!“[2]

In dieser ergreifenden Stunde wurde mir der hohe ethische Wert unserer feierlichen Handlungen klar. Oft haben wir auf irgendeinem Schlachtfelde die zehnfache Zahl von Kameraden liegen lassen m�ssen und waren von dem Verlust doch nicht so tief gepackt, wie hier vor den offenen Gr�bern.

W�hrend dieser Tage lernte ich die Leute erst recht sch�tzen, mit denen zusammen ich noch drei Kampfjahre verbringen sollte.

In der ganzen Armee wird man keinen Mann finden, der so verl��lich, einfach und ohne Phrase seine Pflicht tut wie der Niedersachse. Wenn es galt zu zeigen: hier steht ein Mann und wenn es sein mu�, f�llt er hier, war jeder bis zum letzten zur Stelle. —

Am Abend des 3. Juli r�ckten wir wieder nach vorn. Es war verh�ltnism��ig ruhig, doch verrieten kleine Anzeichen, da� noch etwas in der Luft liegen mu�te. Bei der M�hle klopfte und h�mmerte es leise und unaufh�rlich. Oft fingen wir verd�chtige Ferngespr�che �ber Gasflaschen und Sprengungen, an einen englischen Pionieroffizier in vorderer Linie gerichtet, auf. Vom Morgengrauen bis zum letzten Tagesschimmer flogen feindliche Flugzeuge eine dichte Luftsperre. Der Durchschnitt der t�glichen Grabenbeschie�ung war bedeutend st�rker als gew�hnlich. Trotzdem wurden wir am 12. Juli abgel�st, ohne unangenehme Erlebnisse gehabt zu haben und blieben als Reserve in Monchy.

Am 13. abends wurden unsere Unterst�nde in den G�rten durch ein 24-Zentimeter-Schiffsgesch�tz beschossen, dessen gewaltige Granaten in scharfer Flachbahn herangurgelten und mit wahrhaft furchtbaren: Knall zerbarsten. In der Nacht wurden wir durch lebhaftes Feuer und einen Gasangriff geweckt. Wir sa�en im Unterstande mit aufgesetzter Gasmaske um den Ofen herum, bis auf Vogel, der seine Maske nicht finden konnte und jammernd hin- und herlief, w�hrend einige schadenfrohe Gesellen vorgaben, einen immer st�rkeren Gasgeruch zu versp�ren. Schlie�lich gab ich ihm meine zweite Atempatrone, und er hockte eine Stunde lang wie ein H�ufchen Ungl�ck hinter dem gewaltig qualmenden Ofen, hielt sich mit Jammermiene die Nase zu und sog an seinem Einsatz.

Ein Angriff erfolgte in dieser Nacht nicht; trotzdem kostete die dumme Geschichte dem Regiment 25 Tote und viele Verwundete. — Am 15. und 17. hatten wir zwei weitere Gasangriffe auszuhalten. Am 17. wurden wir abgel�st und hatten in Douchy zwei schwere Beschie�ungen zu bestehen. Eine �berraschte uns gerade w�hrend einer Offiziersbesprechung durch den Major von Jarotzky in einem Obstgarten. Trotz der Gefahr bot es einen Anblick von �berw�ltigender Komik, zu sehen, wie die Gesellschaft auseinanderspritzte, auf die Nase fiel, sich mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Hecken zw�ngte und blitzschnell in allen m�glichen Deckungen verschwunden war. Eine Granate t�tete im Garten meines Quartiers ein achtj�hriges kleines M�dchen, das dort in einer Grube nach Abf�llen suchte.

Am 20. Juli r�ckten wir in Stellung. Am 28. verabredete ich mich mit dem F�hnrich Wohlgemut, den Gefreiten Bartels und Birkner zu einer Patrouille. Wir hatten kein anderes Ziel im Auge, als etwas zwischen den Dr�hten herumzustreichen und zu sehen, was uns das Niemandsland Neues br�chte. Am Nachmittag kam der mich abl�sende Offizier der 6. Kompagnie, Leutnant Brauns, zu Besuch in meinen Unterstand und brachte mehrere gute Flaschen mit. Um � 12 Uhr brachen wir die Sitzung ab; ich ging in den Graben, wo meine drei Gef�hrten schon im dunklen Winkel einer Schulterwehr zusammenstanden. Nachdem ich mir einige trockene Handgranaten ausgesucht hatte, kletterte ich in der fr�hlichsten Stimmung �ber den Draht, w�hrend Brauns mir ein „Hals- und Bauchschu�!“ nachrief.

Wir hatten uns in kurzer Zeit an das feindliche Hindernis herangepirscht. Dicht davor entdeckten wir im hohen Grase einen ziemlich starken, gut isolierten Draht. Ich hielt die Beobachtung f�r wichtig und beauftragte Wohlgemut, ein St�ck davon abzuschneiden und mitzunehmen. W�hrend er sich in Ermangelung eines anderen Instruments mit seiner Zigarrenschere daran abplagte, klirrte es direkt vor uns im Draht; einige Engl�nder tauchten auf und begannen zu arbeiten, ohne unsere ins Gras gedr�ckten Gestalten wahrzunehmen.

Der b�sen Erfahrungen der vorigen Patrouille eingedenk, hauchte ich fast unh�rbar: „Wohlgemut, Handgranate dazwischen!“ „Herr Leutnant, ich glaube, wir lassen sie noch etwas arbeiten!“ „Direkter Befehl, F�hnrich!“

Der Geist des preu�ischen Kasernenhofes verfehlte auch in dieser Ein�de nicht seine m�chtige Wirkung. Mit dem fatalen Gef�hl eines Mannes, der sich in ein sehr ungewisses Abenteuer eingelassen hat, h�rte ich neben mir das trockene Knistern der herausgerissenen Z�ndschnur und sah, wie Wohlgemut, um sich m�glichst wenig zu zeigen, die Handgranate ganz flach �ber den Boden rollen lie�. Sie blieb im Gestr�pp, beinahe zwischen den Engl�ndern, liegen, die nichts bemerkt zu haben schienen. Es vergingen einige Momente h�chster Spannung. „Krrrach!“ Ein Blitz beleuchtete taumelnde Gestalten. Mit dem Angriffsgebr�ll: „You are prisoners!“ st�rzten wir uns wie Tiger in die wei�e Wolke. Eine w�ste Szene wickelte sich in Bruchteilen von Sekunden ab. Ich hielt meine Pistole mitten in ein Gesicht, das mir wie eine blasse Maske aus der Dunkelheit entgegenleuchtete. Ein Schatten schlug mit qu�kendem Aufschrei r�cklings ins Drahtverhau. Links neben mir feuerte Wohlgemut seine Pistole ab, w�hrend der Gefreite Bartels in seiner Erregung blindlings eine Handgranate zwischen uns schleuderte.

Beim ersten Schu� war mir das Magazin aus dem Pistolenkolben gesprungen. Ich stand schreiend vor einem Engl�nder, der sich entsetzt mit dem R�cken in den Stacheldraht pre�te und dr�ckte immer wieder den Abzugsb�gel zur�ck, ohne da� ein Schu� ert�nte. Es war wie ein Alpdruck. Im Graben vor uns wurde es laut. Zurufe erschollen, ratternd setzte ein Maschinengewehr ein. Wir sprangen zur�ck. Noch einmal blieb ich in einem Trichter stehen und richtete die Pistole auf einen mir folgenden Schatten. Diesmal erwies sich das Versagen als ein Gl�ck, denn es war Birkner, den ich schon l�ngst zur�ck glaubte.

Nun ging es in sausendem Laufe dem eigenen Graben zu. Vor unserem Draht pfiffen die Geschosse schon so, da� ich in einen wassergef�llten, drahtversponnenen Minentrichter springen mu�te. Auf schwingendem Stacheldraht �ber dem Wasserspiegel pendelnd, h�rte ich mit gemischten Gef�hlen die Geschosse wie einen gewaltigen Immenschwarm �ber mich hinwegbrausen, w�hrend Drahtfetzen und Gescho�splitter in die B�schung des Trichters fegten. Nach einer halben Stunde, als sich das Feuer beruhigt hatte, arbeitete ich mich �ber unser Hindernis und sprang, von den Leuten freudig begr��t, in den Graben. Wohlgemut und Bartels waren schon da; nach einer weiteren halben Stunde erschien auch Birkner. Alles freute sich �ber den gl�cklichen Ausgang und bedauerte nur, da� uns der ersehnte Gefangene auch diesmal entschl�pft war. Da� das Erlebnis an die Nerven gegangen war, merkte ich erst, als ich im Unterstande z�hneklappernd auf einer Pritsche lag und trotz der Ersch�pfung keinen Schlaf finden konnte. Am n�chsten Morgen konnte ich kaum gehen, da sich �ber mein eines Knie ein langer Drahtri� zog und in dem anderen ein Splitterchen der von Bartels geschleuderten Handgranate steckte.

Diese kurzen, sportsm��igen Sensationen waren indes ein gutes Mittel, den Mut zu st�hlen und die Eint�nigkeit des Grabendaseins zu unterbrechen.

Am 11. 8. trieb sich im englischen Hintergel�nde vor dem Dorfe Berles-au-bois ein schwarzes Reitpferd herum, das von einem Landwehrmann mit drei Schu� zur Strecke gebracht wurde. Der englische Offizier, dem es entlaufen war, wird bei diesem Anblick wohl kein sehr vergn�gtes Gesicht gemacht haben. In der Nacht flog dem F�silier S. der Mantel eines Infanteriegeschosses ins Auge. Auch im Dorfe wurden die Verluste immer h�ufiger, da die durch Artilleriefeuer rasierten Mauern immer weniger Schutz vor den ins Blinde gesandten Garben der Maschinengewehre boten. Wir begannen, das Dorf mit Gr�ben zu durchziehen und an den gef�hrlichsten Stellen neue Mauern zu errichten.

Der 12. August war der lang ersehnte Tag, an dem ich zum zweiten Male w�hrend des Krieges auf Urlaub fahren konnte. Kaum war ich jedoch zu Hause wieder etwas warm geworden, als mir ein Telegramm nachgeflogen kam: „Sofort zur�ckkommen, N�heres erfragen bei Ortskommandantur Cambrai.“ Drei Stunden sp�ter sa� ich im Zuge. Auf dem Wege zum Bahnhof schritten drei M�dchen an mir vor�ber in hellen Kleidern, lachend, Tennisschl�ger unter dem Arm. Ein strahlender Abschiedsgru� des Lebens, an den ich drau�en noch lange denken mu�te.

Am 21. war ich wieder in der bekannten Gegend, deren Stra�en infolge des Abmarsches der 111. und des Zuzuges einer neuen Division von Truppen wimmelten. Das I. Bataillon lag in dem zwei Jahre sp�ter von uns wieder erst�rmten Dorfe Ecoust-Saint-Main, wo ich mit acht anderen Offizieren die Nacht auf dem Dachboden eines leer stehenden Hauses verbrachte.

Am Abend sa�en wir noch lange wach und tranken in Ermangelung von etwas St�rkerem den Kaffee, den uns zwei Franz�sinnen im Nebenhause brauten. Wir wu�ten, da� es diesmal in eine Schlacht ging, wie sie die Weltgeschichte noch nie gesehen hatte. Bald schwoll die erregte Unterhaltung zu einem Gel�rm, an dem alte Landsknechte oder friderizianische Grenadiere ihre Freude gehabt h�tten. Nach einigen Tagen waren nur noch wenige Teilnehmer dieser fr�hlichen Tafelrunde am Leben.

[2]  Vgl. Anmerkung auf Seite V.

Guillemont.

Am 23. August 1916 wurden wir in Lastautomobile verladen und fuhren bis Le Mesnil. Obgleich wir schon erfahren hatten, da� wir im damaligen Brennpunkt der Sommeschlacht, dem Dorfe Guillemont, eingesetzt werden sollten, war die Stimmung vorz�glich. Scherzworte flogen unter allgemeinem Gel�chter von einem Auto zum andern. Von Le Mesnil marschierten wir nach Einbruch der Dunkelheit bis Sailly-Saillisel, wo das Bataillon auf einer gro�en Wiese die Tornister ablegte und Sturmgep�ck fertigmachte. Vor uns rollte und donnerte ein Artilleriefeuer von nie geahnter St�rke, tausend zuckende Blitze h�llten den westlichen Horizont in ein gl�hendes Flammenmeer. Fortw�hrend schleppten sich Verwundete mit bleichen, eingefallenen Gesichtern zur�ck, oft j�h von vor�berrasselnden Gesch�tzen oder Munitionskolonnen in den Stra�engraben gedr�ckt.

Ein Mann im Stahlhelm meldete sich bei mir, um meinen Zug in das ber�hmte St�dtchen Combles zu f�hren, wo wir vorl�ufig in Reserve bleiben sollten. Neben ihm im Stra�engraben sitzend, fragte ich nat�rlich begierig nach den Verh�ltnissen in Stellung und vernahm eine eint�nige Erz�hlung von tagelangem Hocken in Granattrichtern ohne Verbindung und Ann�herungswege, von unaufh�rlichen Angriffen, von Leichenfeldern und wahnsinnigem Durst, vom Verschmachten Verwundeter und anderem mehr. Das halb vom Stahlhelm umrahmte, unbewegliche Gesicht und die monotone, vom L�rm der Front begleitete Stimme machten den Eindruck unheimlichen Ernstes. Man merkte dem Manne an, da� er jeden Schrecken bis zur Verzweiflung durchgekostet und dann verachten gelernt hatte. Nichts schien zur�ckgeblieben als eine gro�e und m�nnliche Gleichg�ltigkeit.

„Wer f�llt, bleibt liegen. Da kann keiner helfen. Niemand wei�, ob er lebend zur�ckkommt. Jeden Tag wird angegriffen, doch durch kommen sie nicht. Jeder wei�, da� es auf Leben und Tod geht.“

Mit solchen Leuten kann man k�mpfen.

Wir schritten auf einer breiten Chaussee, die sich im Mondschein wie ein wei�es Band �ber das dunkle Gel�nde spannte, dem Kanonendonner entgegen, dessen verschlingendes Gebr�ll immer unerme�licher wurde. Lasciate ogni speranza! Bald schlugen die ersten Granaten rechts und links von unserem Wege ein. Die Unterhaltung wurde leiser und verstummte zuletzt ganz. Jeder lauschte mit jener seltsamen Spannung, die das ganze F�hlen und Denken auf das Ohr konzentriert, dem gezogenen Heranheulen der Geschosse. Besonders das Passieren von Fr�gicourt-Ferme, einer kleinen H�usergruppe vor dem Friedhof von Combles, die unter st�ndigem Feuer lag, war eine Nervenprobe.

Combles war, soweit wir in der Dunkelheit beobachten konnten, v�llig zerschossen. Gro�e Mengen von Holz zwischen den Tr�mmern und auf den Weg geschleudertes Hausger�t verrieten, da� die Zerst�rung ganz jungen Datums sein mu�te. Nach dem �bersteigen zahlreicher Schutthaufen, das durch eine Reihe von Schrapnells beschleunigt wurde, erreichten wir unser Quartier, ein gro�es, von L�chern durchsiebtes Haus, das ich mit drei Gruppen zum Wohnsitze erw�hlte, w�hrend meine beiden anderen Gruppen den Keller einer gegen�berliegenden Ruine bezogen.

Schon um 4 Uhr wurden wir von unserem aus Bettst�cken zusammengesuchten Lager geweckt, um Stahlhelme zu empfangen. Bei dieser Gelegenheit fanden wir in einer Kellernische einen Sack voll Kaffeebohnen, eine Entdeckung, die eine eifrige Kaffeesiederei zur Folge hatte.

Nachdem ich gefr�hst�ckt hatte, sah ich mich etwas im Orte um. In wenigen Tagen hatte die Wirkung der schweren Artillerie ein friedliches Etappenst�dtchen in ein Bild des Grauens verwandelt. Ganze H�user waren durch einen Treffer niedergestampft oder mitten auseinandergerissen, so da� die Zimmer und ihre Einrichtung wie Theaterkulissen �ber dem Chaos schwebten. Aus vielen Ruinen drang s��licher Leichengeruch, denn der erste Feuer�berfall hatte eine Menge von Zivilisten unter den Tr�mmern ihrer Wohnungen begraben. Vor der Schwelle einer Haust�r lag ein totes kleines M�dchen in einer roten Lache.

Ein stark beschossener Ort war der Platz vor der zerst�rten Kirche gegen�ber dem Eingang der Katakomben, eines uralten H�hlenganges mit eingesprengten Nischen, in denen zusammengedr�ngt fast s�mtliche St�be der k�mpfenden Truppen hausten. Es wurde erz�hlt, da� die Zivilisten bei Beginn der Beschie�ung mit Hacken den vermauerten Zugang freigelegt h�tten, den sie w�hrend der ganzen Besatzungszeit den Deutschen verheimlicht hatten.

Die Stra�en bestanden nur noch aus schmalen Trampelpfaden, die sich in Schlangenlinien durch und �ber gewaltige H�gel von Balken und Mauerwerk wanden. In zerw�hlten G�rten verkam eine Unmenge von Fr�chten und Gem�sen.

Nach dem Mittagessen, das wir uns in der K�che aus den im �berflu� vorhandenen eisernen Portionen gekocht hatten und das nat�rlich durch einen kr�ftigen Kaffee beschlossen wurde, legte ich mich oben in einen Lehnstuhl. Aus umherliegenden Briefen ersah ich, da� das Haus dem Brauereibesitzer Lesage geh�rte. In dem Zimmer standen aufgerissene Schr�nke und Kommoden, ein umgest�rzter Waschtisch, eine N�hmaschine und ein Kinderwagen. An den W�nden hingen zerschlagene Bilder und Spiegel. Auf dem Boden waren in meterhoher Unordnung herausgerissene Schubladen, W�sche, Korsetts, B�cher, Zeitungen, Nachttische, Scherben, Flaschen, Notenb�cher, Stuhlbeine, R�cke, M�ntel, Lampen, Gardinen, Fensterl�den, aus den Angeln gerissene T�ren, Spitzen, Photographien, �lgem�lde, Albums, zerschmetterte Kisten, Damenh�te, Blument�pfe und zerfetzte Tapeten wirr ineinander verkn�ult.

Durch die demolierten Fensterl�den blickte man auf das von Granaten zerpfl�gte Viereck eines ver�deten Platzes, den das Ge�st zerfetzter Linden bedeckte. Dieser Komplex von Eindr�cken wurde noch verfinstert durch das unaufh�rliche Artilleriefeuer, das rings um den Ort tobte. Ab und zu �berbr�llte der gigantische Einschlag einer 38-Zentimeter-Granate den L�rm. Wolken von Splittern fegten dann durch Combles, klatschten gegen die Zweige der B�ume oder schlugen auf die wenigen noch stehenden H�user, da� die Schiefertafeln herabrollten.

Im Laufe des Nachmittags schwoll das Feuer zu solcher St�rke, da� nur noch das Gef�hl eines ungeheuren Get�ses verblieb, in dem jedes Einzelger�usch verschluckt wurde. Von 7 Uhr an wurden der Platz und die umliegenden H�user in Abst�nden von halben Minuten mit 15-Zentimeter-Granaten beworfen. Es waren viele Blindg�nger darunter, die trotzdem noch die H�user ins Schwanken brachten. Wir sa�en w�hrend der ganzen Zeit in unserem Keller auf seidenbezogenen Sesseln rund um den Tisch, den Kopf in die H�nde gest�tzt und z�hlten die Zeit zwischen den Einschl�gen. Die Witzworte wurden immer seltener, und endlich lie� die Nervenanstrengung auch den Verwegensten verstummen. Um 8 Uhr brach das Nebenhaus nach zwei Volltreffern zusammen.

Von 9 bis 10 Uhr nahm das Feuer eine wahnwitzige Wucht an. Die Erde wankte, der Himmel schien ein brodelnder Riesenkessel.

Hunderte von schweren Batterien krachten um und in Combles, unz�hlige Granaten kreuzten sich heulend und fauchend �ber uns. Alles war in dichten Rauch geh�llt, der von bunten Leuchtkugeln unheildrohend bestrahlt wurde. Bei heftigsten Kopf- und Ohrenschmerzen konnten wir uns nur noch durch abgerissene, gebr�llte Worte verst�ndigen. Die F�higkeit des logischen Denkens und das Gef�hl der Schwerkraft schienen aufgehoben. Man hatte das Empfinden des Unentrinnbaren und unbedingt Notwendigen wie einem Ausbruch der Elemente gegen�ber. Ein Unteroffizier des dritten Zuges wurde tobs�chtig.

Um 10 Uhr beruhigte sich diese Fastnacht der H�lle allm�hlich und ging in ein ruhiges Trommelfeuer �ber, in dem man allerdings den einzelnen Abschu� auch noch nicht wahrnehmen konnte.

Um 11 Uhr kam eine Ordonnanz und brachte Befehl, die Z�ge auf den Kirchplatz zu f�hren. Wir vereinigten uns daraufhin mit den beiden anderen Z�gen zum Abmarsch in Stellung. Um Verpflegung nach vorn zu bringen, war noch ein vierter Zug unter F�hrung des Leutnants Sievers ausgeschieden. Diese Leute umdr�ngten uns, w�hrend wir uns unter hastigen Zurufen an dem gef�hrlichen Ort sammelten und beluden uns mit den damals noch reichlich vorhandenen Lebensmitteln. Sievers dr�ngte mir ein Kochgeschirr voll Butter auf, dr�ckte mir zum Abschied die Hand und w�nschte uns viel Gl�ck.

Dann marschierten wir ab in Reihe zu einem hintereinander. Jeder hatte Befehl, sich unbedingt hinter seinem Vordermann zu halten. Gleich am Ortsausgang merkte unser F�hrer, da� er sich verirrt hatte. Wir waren gezwungen, bei starkem Schrapnellfeuer kehrtzumachen. Dann ging es, meist im Laufschritt, an einem zur Orientierung ausgelegten, in kleine Teile zerschossenen, wei�en Band entlang �ber freies Feld. Oft mu�ten wir gerade an den �belsten Stellen stehen bleiben, wenn der F�hrer die Richtung verloren hatte. Dabei war es zur Aufrechterhaltung der Verbindung verboten, sich hinzulegen.

Trotzdem waren pl�tzlich der erste und dritte Zug verschwunden. Weiter! In einem heftig beschossenen Hohlweg stauten sich die Gruppen. Hinlegen! Ein ekelhaft aufdringlicher Geruch belehrte uns, da� diese Passage schon viele Opfer gefordert hatte. Nach todbedrohtem Lauf gelangten wir in einen zweiten Hohlweg, der den Unterstand des Kampftruppenkommandanten (K. T. K.) barg, verrannten uns und machten im qualvollen Gedr�nge nerv�ser und aufgeregter Menschen kehrt. H�chstens f�nf Meter neben dem Leutnant Vogel und mir schlug eine mittlere Granate mit dumpfem Krach auf die hintere B�schung und bewarf uns mit gewaltigen Erdklumpen, w�hrend Todesschauer �ber unseren R�cken glitten. Endlich fand der F�hrer durch den Merkpunkt einer auff�lligen Leichengruppe den Weg wieder.

Weiter! Weiter! Leute brachen im Laufe zusammen, von uns hart bedroht, um die letzte Kraftanspannung aus ihren ersch�pften K�rpern zu pumpen. Verwundete schlugen mit unbeachtetem Hilfeschrei rechts und links in die Trichter. Weiter ging es, die Augen starr auf den Vordermann gerichtet, durch einen knietiefen, von einer Kette riesiger Trichter gebildeten Graben, in dem ein Toter neben dem anderen lag. Widerstrebend trat der Fu� auf die weichen, nachgebenden K�rper. Auch der in den Weg st�rzende Verwundete verfiel dem Schicksal, unter die Stiefel der weiter Hastenden getreten zu werden.

Und immer dieser s��liche Geruch! Auch meine Gefechtsordonnanz, der kleine Schmidt, Begleiter auf mancher gef�hrlichen Patrouille, begann zu taumeln. Ich ri� ihm das Gewehr aus der Hand, wobei der gute Junge sich selbst in diesem Moment noch aus H�flichkeit str�uben wollte.

Endlich gelangten wir in die vordere Linie, die von eng in die L�cher gekauerten Leuten besetzt war, deren tonlose Stimmen vor Freude zitterten, als sie erfuhren, da� die Abl�sung da w�re. Ein bayrischer Feldwebel �bergab mir mit einigen Worten Abschnitt und Leuchtpistole.

Mein Zugabschnitt bildete den rechten Fl�gel der Regimentsstellung und bestand aus einem flachen, muldenartig zertrommelten Hohlweg, der ein paar hundert Meter links von Guillemont und etwas n�her rechts am Bois de Tr�nes lag. Von der rechten Nachbartruppe, dem Infanterie-Regiment 76, trennte uns ein 500 Meter breiter, unbesetzter Raum, in dem sich wegen des �beraus heftigen Feuers niemand aufhalten konnte.

Der bayerische Feldwebel war pl�tzlich spurlos verschwunden, und ich stand ganz allein, meine Leuchtpistole in der Hand, mitten in dem unheimlichen Trichtergel�nde, das am Boden lagernde wei�e Nebelschwaden in ein noch drohenderes und r�tselhafteres Aussehen h�llten. Hinter mir ert�nte ein andauerndes, unangenehmes Ger�usch; ich stellte mit merkw�rdiger Objektivit�t fest, da� es von einem riesenhaften, in Zersetzung �bergehenden Leichnam herr�hrte.

Da mir nicht einmal klar war, wo der Feind ungef�hr sein k�nnte, begab ich mich zu meinen Leuten und riet ihnen, sich auf das Schlimmste gefa�t zu machen. Wir blieben alle wach; ich verbrachte die Nacht mit meinem Burschen und meinen beiden Gefechtsordonnanzen in einem Fuchsloch von vielleicht einem Kubikmeter Rauminhalt.

Als der Morgen graute, entschleierte sich die fremde Umgebung allm�hlich den staunenden Augen.

Der Hohlweg erschien nur noch als eine Reihe riesiger, mit Uniformst�cken, Waffen und Toten gef�llter Trichter; das umliegende Gel�nde war, soweit der Blick reichte, v�llig von schweren Granaten umgew�lzt. Nicht ein einziger armseliger Grashalm zeigte sich dem suchenden Auge. Der zerw�hlte Kampfplatz war grauenhaft. Zwischen den lebenden Verteidigern lagen die toten. Beim Graben von Deckungsl�chern bemerkten wir, da� sie in Lagen �bereinander geschichtet waren. Eine Kompagnie nach der anderen war dicht gedr�ngt im Trommelfeuer ausharrend vernichtet. Dann waren die Leichen durch die von den Geschossen hochgeschleuderten Erdmassen versch�ttet, und die n�chste Kompagnie war an den Platz der Gefallenen getreten.

Der Hohlweg und das Gel�nde dahinter lag voll Deutscher, das Gel�nde davor voll Engl�nder. Aus den B�schungen starrten Arme, Beine und K�pfe; vor unseren Erdl�chern lagen abgerissene Gliedma�en und Tote, �ber die man zum Teil, um dem steten Anblick der entstellten Gesichter zu entgehen, M�ntel oder Zeltbahnen geworfen hatte. Trotz der Hitze dachte niemand daran, die K�rper mit Erde zu bedecken.

Das Dorf Guillemont unterschied sich vom �brigen Terrain nur dadurch, da� die Trichter infolge der zu Staub zermalmten Steine der H�user von wei�licherer Farbe waren. Vor uns lag der wie ein Kinderspielzeug zerkn�llte Bahnhof von Guillemont und weiter hinten der in Sp�ne zerrissene Wald von Delville.

Kaum war der Tag hereingebrochen, als sich ein tieffliegender Engl�nder heranschraubte und uns gleich einem Aasvogel ununterbrochen �berkreiste, w�hrend wir in unsere L�cher flohen und uns dort zusammenkauerten. Das scharfe Auge des Beobachters mu�te uns trotzdem ersp�ht haben, denn bald ert�nten von oben in kurzen Abst�nden langgezogene, dumpfe Sirenent�ne. Nach kurzer Zeit schien eine Batterie die Zeichen aufgenommen zu haben. Ein schweres Flachbahngescho� nach dem anderen sauste mit unglaublicher Wucht heran. Wir hockten unt�tig in unseren Zufluchtsorten, ab und zu eine Zigarre anz�ndend und wieder fortwerfend, gew�rtig, jeden Augenblick versch�ttet zu werden. Schmidts Rock�rmel wurde durch einen gro�en Splitter zerrissen.

Gleich beim dritten Schu� wurde der Bewohner des Erdloches neben uns durch einen ungeheuren Einschlag versch�ttet. Wir gruben ihn sofort wieder aus; trotzdem war er durch den Druck der Erdmassen zu Tode ersch�pft, sein Gesicht eingefallen und einem Totenkopf �hnlich. Es war der Gefreite Simon. Er war durch den Schaden klug geworden, denn wenn im Laufe des Tages Leute bei Fliegersicht sich au�er Deckung bewegten, vernahm man seine scheltende Stimme und sah seine Faust aus einer �ffnung seines zeltbahnverhangenen Fuchsloches drohen.

Um 3 Uhr nachmittags kamen meine Posten von links und gaben an, sich nicht mehr halten zu k�nnen, da ihre L�cher zusammengeschossen w�ren. Ich mu�te meine ganze R�cksichtslosigkeit anwenden, um sie wieder auf ihre Pl�tze zu bringen.

Kurz vor 10 Uhr abends setzte am linken Fl�gel des Regiments ein Feuersturm ein, der nach 20 Minuten auch auf uns �bergriff. Nach kurzer Zeit waren wir v�llig in Rauch und Staub geh�llt, doch lagen die meisten Einschl�ge dicht vor oder hinter dem Graben. W�hrend des uns umbrausenden Orkans ging ich den Abschnitt meines Zuges ab. Die Leute standen in steinerner Unbeweglichkeit, das Gewehr in der Hand, am vorderen Hange des Hohlweges und starrten in das Vorgel�nde. Ab und zu beim Scheine einer Leuchtkugel sah ich Stahlhelm an Stahlhelm, Seitengewehr an Seitengewehr blinken und wurde von dem stolzen Gef�hl erf�llt, einer Handvoll M�nnern zu gebieten, die vielleicht zermalmt, nicht aber besiegt werden konnten. In solchen Augenblicken triumphiert der menschliche Geist �ber die gewaltigsten �u�erungen der Materie, der gebrechliche K�rper stellt sich, vom Willen gest�hlt, dem furchtbarsten Gewitter entgegen.

Im linken Nachbarzuge wollte der Feldwebel H., der ungl�ckliche Rattenf�nger von Monchy, eine wei�e Leuchtkugel abschie�en, vergriff sich indes und ein rotes Sperrfeuersignal zischte, von allen Seiten weitergegeben, gen Himmel. Im Nu setzte unsere Artillerie ein, da� es eine Freude war. Eine M�rsergranate neben der anderen kam hoch aus den L�ften herabgeheult und zerschellte im Vorgel�nde zu Splittern und Funken. Ein Gemisch von Staub, stickigen Gasen und dem Dunsthauch aufgeschleuderter Leichen braute aus den Trichtern.

Nach dieser Orgie der Vernichtung flutete das Feuer wieder auf sein gew�hnliches Niveau zur�ck, das es w�hrend der Nacht und des n�chsten Tages beibehielt. Der aufgeregte Griff eines einzelnen Mannes hatte die ganze gewaltige Kriegsmaschinerie ausgel�st.

H. war und blieb ein Ungl�cksmensch; er scho� sich noch in derselben Nacht beim Laden seiner Pistole eine Leuchtkugel in den Stiefelschaft und mu�te mit schweren Brandwunden zur�ckgetragen werden. Am n�chsten Tage regnete es stark, was uns nicht unlieb war, da das ausgetrocknete Gef�hl im Gaumen nach dem Verschwinden des Staubes nicht mehr so qu�lend war und die gro�en, blauschwarzen Fliegen, die sich in riesigen Klumpen an den sonnigen Stellen gesammelt hatten, vertrieben wurden. Ich sa� fast den ganzen Tag vor meinem Fuchsloch auf dem Boden, rauchte und a� trotz der Umgebung mit gutem Appetit.

Am n�chsten Vormittag erhielt der F�silier Knicke meines Zuges von irgendwoher einen Gewehrschu� durch die Brust, der auch das R�ckenmark streifte, so da� er die Beine nicht mehr bewegen konnte. Als ich nach ihm sah, lag er sehr gefa�t in einem Erdloche. Er wurde am Abend durch das Artilleriefeuer geschleppt, wobei er durch das h�ufige Deckungnehmen seiner Tr�ger noch ein Bein brach. Er starb auf dem Verbandplatze.

Am Nachmittag rief mich ein Mann meines Zuges und lie� mich �ber das abgerissene Bein eines Engl�nders zum Bahnhof Guillemont visieren. Ich sah durch einen flachen Laufgraben Hunderte von Engl�ndern nach vorn eilen. Durch das Gewehrfeuer von uns paar Leuten lie�en sie sich nicht sonderlich st�ren. Dieser Anblick war bezeichnend f�r die Ungleichheit der Mittel, mit denen wir k�mpften. H�tten wir dasselbe gewagt, so w�ren unsere Abteilungen innerhalb weniger Minuten zusammengeschossen worden. W�hrend nicht ein Fesselballon von uns zu sehen war, standen auf englischer Seite gleich �ber 30 auf einem Klumpen und beobachteten mit Argusaugen jede Bewegung, die sich in dem zerstampften Gel�nde zeigte, um sofort einen Eisenhagel dorthin zu dirigieren.

Am Abend schnurrte mir noch ein gro�er Granatsplitter gegen den Magen, der zum Gl�ck ziemlich am Ende seiner Flugbahn war und nach einem kr�ftigen Schlage vor mein Koppelschlo� zu Boden fiel.

Vor dem Abschnitt des ersten Zuges erschienen bei Einbruch der Dunkelheit zwei englische Essenholer, die sich verlaufen hatten. Beide wurden auf k�rzeste Entfernung niedergeschossen, der eine schlug mit dem Oberk�rper in den Hohlweg, w�hrend seine Beine auf der B�schung liegen blieben. Gefangene zu machen war allen Leuten unerw�nscht, denn wie sollte man sie durch die Sperrfeuerzone bringen, in der man mit sich selbst schon so viel zu tun hatte?

Gegen 1 Uhr nachts wurde ich von Schmidt aus wirrem Schlaf ger�ttelt. Nerv�s fuhr ich hoch und griff nach dem Gewehr. Unsere Abl�sung war gekommen. Wir �bergaben, was zu �bergeben war, und verlie�en so schnell wie m�glich diesen Ort des Teufels.

Kaum hatten wir den flachen Laufgraben erreicht, als die erste Gruppe Schrapnells zwischen uns krepierte. Mein Vordermann taumelte infolge einer Wunde am Handgelenk, aus der das Blut spritzte und wollte sich auf die Seite legen. Ich packte ihn am Arm, ri� ihn trotz seines St�hnens hoch und gab ihn erst beim Sanit�tsunterstand neben dem K. T. K. ab.

In beiden Hohlwegen ging es scharf her. Wir kamen stark au�er Atem. Die schlimmste Ecke war ein Tal, in das wir gerieten, und in dem ununterbrochen Schrapnells und leichte Granaten aufflammten. Brrruch! Brrruch! umkrachte uns der eiserne Wirbel, einen Funkenregen in die Dunkelheit spr�hend. Huiiiii! Wieder eine Gruppe! Mir blieb der Atem aus, denn ich wu�te Bruchteile von Sekunden vorher aus dem immer sch�rfer werdenden Heulen, da� der absteigende Ast der Gescho�kurve unmittelbar bei mir enden mu�te. Gleich darauf wuchtete neben meiner Fu�sohle ein schwerer Aufschlag, weiche Lehmfetzen hochschleudernd. Gerade diese Granate ging blind!

Hier war eine Mustergelegenheit, den Einflu� des Offiziers geltend zu machen. �berall eilten abl�sende und abgel�ste Trupps durch Nacht und Feuer, zum Teil v�llig verirrt, vor Aufregung und Ersch�pfung st�hnend; dazwischen erschollen Zurufe, Befehle und in eint�niger Wiederholung die langgezogenen Hilfeschreie im Trichtergel�nde verlorener Verwundeter. Ich gab Verirrten im Vorbeirasen Auskunft, zog Leute aus Granatl�chern, bedrohte die, die sich hinlegen wollten, schrie dauernd meinen Namen, um alle zusammenzuhalten und brachte so meinen Zug wie durch ein Wunder nach Combles.

Wir mu�ten von Combles noch �ber Sailly und die Gouvernements-Ferme zum Walde von Hennois marschieren, in dem wir biwakieren sollten. Jetzt zeigte sich unsere Ersch�pfung erst in vollem Ma�e. Den Kopf stumpfsinnig zu Boden gerichtet, schlichen wir, oft von Automobilen oder Munitionskolonnen an die Seite gedr�ckt, unsere Stra�e entlang. In einer Art von krankhafter Nervosit�t war ich fest �berzeugt, da� die vorbeirasselnden Fahrzeuge nur uns zum �rger so scharf am Wegrande fuhren und �berraschte meine Hand mehr als einmal am Kolben des Revolvers.

Nach dem Marsche mu�ten wir noch Zelte aufschlagen und konnten uns dann erst auf den harten Boden werfen. W�hrend unseres Aufenthaltes in diesem Waldlager gingen gewaltige Regeng�sse nieder. Das Stroh in den Zelten begann zu faulen, und viele Leute erkrankten. Wir f�nf Kompagnieoffiziere lie�en uns durch die N�sse wenig st�ren, sondern sa�en jeden Abend auf unseren Koffern im Zelte hinter einer Batterie von Flaschen zusammen.

Nach drei Tagen r�ckten wir wieder nach Combles ab, wo ich mit meinem Zug vier kleinere Keller bezog.

Am ersten Morgen war es verh�ltnism��ig ruhig; ich machte daher einen kleinen Spaziergang durch die verw�steten G�rten und pl�nderte mit k�stlichen Pfirsichen behangene Spaliere. Bei meinen Irrg�ngen geriet ich in ein von hohen Hecken umschlossenes Haus, das ein Liebhaber sch�ner, alter Sachen bewohnt haben mu�te. An den W�nden der Zimmer hing eine Sammlung bemalter Teller, wie sie der Nordfranzose liebt, Weihwasserbecken, Kupferstiche und holzgeschnitzte Heiligenbilder. In gro�en Schr�nken stapelte altes Porzellan, zierliche Lederb�nde waren auf den Boden geschleudert, darunter eine k�stliche alte Ausgabe des Don Quijote. Es war ein Jammer, all diese Sch�tze dem Verderben preisgegeben zu sehen.

Als ich in mein Domizil zur�ckkehrte, hatten die Leute, die auch ihrerseits die G�rten untersucht hatten, aus Gem�se und Fleischkonserven, Kartoffeln, Erbsen, M�hren, Artischocken und vielerlei Gr�nkram eine Suppe gebraut, in der der L�ffel stehen blieb. W�hrend des Essens schlug eine Granate ins Haus und drei in die N�he, ohne uns weiter zu st�ren. Wir waren durch die �berf�lle der Eindr�cke schon zu sehr abgestumpft. In dem Hause mu�te sich schon Blutiges zugetragen haben, denn auf einem Schuttberg im Mittelzimmer erhob sich ein rohgeschnitztes Kreuz mit einer Reihe ins Holz gegrabener Namen. Am n�chsten Mittag holte ich mir aus dem Hause des Porzellansammlers einen Band der illustrierten Beilagen des „Petit Journal“, die in fast jedem franz�sischen Hause zu finden sind und von w�ster Geschmacklosigkeit strotzen; dann setzte ich mich in ein erhaltenes Zimmer, entz�ndete im Kamin aus M�belst�cken ein Feuerchen und begann zu lesen. Ich mu�te h�ufig den Kopf sch�tteln, denn mir waren die zur Zeit der Faschoda-Aff�re gedruckten Nummern in die H�nde geraten. Ungef�hr um 7 Uhr hatte ich die letzte Seite umgewandt und ging in den Vorraum vor dem Eingang des Kellers, wo meine Leute an einem kleinen Herd kochten.

Kaum stand ich zwischen ihnen, gab es vor der Haust�r einen scharfen Knall, und im selben Moment sp�rte ich einen starken Schlag gegen meinen linken Unterschenkel. Mit dem uralten Kriegerruf: „Ich habe einen weg!“ sprang ich, meine Shagpfeife im Munde, die Kellertreppe hinunter.

Es wurde rasch Licht angez�ndet und der Fall untersucht. In der Wickelgamasche klaffte ein gezacktes Loch, aus dem ein Blutstrahl auf den Boden sprang. Auf der anderen Seite erhob sich der rundliche Wulst einer unter der Haut liegenden Schrapnellkugel. Meine Leute verbanden mich und trugen mich �ber die beschossene Stra�e in die Katakomben, wo mich unser Oberstabsarzt in Empfang nahm. W�hrend mir der herbeigeeilte Leutnant Wetje den Kopf hielt, schnitt er mir mit Messer und Schere die Schrapnellkugel heraus, wobei er mich begl�ckw�nschte, denn das Blei war scharf zwischen Schien- und Wadenbein hindurchgegangen, ohne einen Knochen zu verletzen. Habent sua fata libelli et balli, meinte der alte Korpsstudent schmunzelnd, indem er mich einem Sanit�ter zum Verbinden �berlie�.

W�hrend ich bis zum Einbruch der Dunkelheit auf einer Bahre in einer Nische der Katakomben lag, kamen zu meiner Freude viele meiner Leute, um Abschied von mir zu nehmen. Auch mein verehrter Oberstleutnant von Oppen besuchte mich f�r kurze Zeit.

Am Abend wurde ich mit anderen Verwundeten an den Ortsausgang getragen und dort in einen Sanit�tswagen geladen. Ohne auf das Geschrei der Insassen zu achten, raste der Fahrer auf der unter starkem Feuer liegenden Chaussee �ber Trichter und andere Hindernisse hinweg und gab uns endlich an ein Auto weiter, das uns bis zur Kirche des Dorfes Fins fuhr, die mit Hunderten von Verwundeten belegt war. Eine Krankenschwester erz�hlte mir, da� in der letzten Zeit mehr als 30 000 Verwundete �ber Fins abtransportiert w�ren. Von dort kam ich nach St. Quentin, dessen Fensterscheiben vom unaufh�rlichen Donner der Schlacht zitterten, und dann im Lazarettzuge weiter nach Gera, wo ich im Garnisonlazarett eine vorz�gliche Pflege fand.

Von Kameraden der anderen Bataillone, die nach mir verwundet waren, erfuhr ich das weitere Schicksal meiner Kompagnie, die am Tage nach meiner Verwundung wieder in Stellung ger�ckt war. Nach verlustreichem Anmarsch und zehnst�ndigem Trommelfeuer war sie infolge der gro�en Frontl�cken von allen Seiten angegriffen worden. Der kleine Schmidt, F�hnrich Wohlgemut, Leutnants Vogel und Sievers, kurz, fast alle Kameraden hatten, bis zur letzten Sekunde fechtend, den Tod gefunden. Nur wenige �berlebende, darunter Leutnant Wetje, waren dem Feinde in die H�nde gefallen; kein einziger war nach Combles zur�ckgekehrt, um dort von dem Heldenkampfe, der mit so unerh�rter Erbitterung ausgefochten war, zu erz�hlen. Selbst der englische Heeresbericht erw�hnte ehrend die Handvoll M�nner, die in eherner Treue bei Guillemont gestanden hatten bis zuletzt.

Wenn ich mich auch des Zufallstreffers freute, der mich am Vorabend der Schlacht wie durch ein Wunder dem sicheren Tode entrissen hatte, so h�tte ich anderseits doch, so seltsam es manchem klingen mag, gern das Los der Kameraden geteilt und mit ihnen vereint auch �ber mich den eisernen W�rfel des Krieges dahinrollen lassen. Stets hat mich, auf den H�hepunkten der blutigen Schlachten, die ich noch erleben sollte, der strahlende, unausl�schliche Ruhm dieser K�mpfer gemahnt, mich der ehemaligen Kameradschaft w�rdig zu erweisen.

*                    *
*

Die Tage von Guillemont machten mich zum ersten Male mit den verheerenden Wirkungen der Materialschlacht bekannt. Wir mu�ten uns ganz neuen Formen des Krieges anpassen. Jede Verbindung der Truppe mit der F�hrung, der Artillerie und den Anschlu�regimentern war durch das furchtbare Feuer lahmgelegt. Die Meldel�ufer fielen dem Eisenhagel zum Opfer, der Telephondraht war, kaum gezogen, bereits in kleine St�cke zerhackt. Selbst die Blinkzeichen der Signallampen versagten in dem dampf- und staub�berw�lkten Gel�nde. Hinter der vorderen Linie erstreckte sich eine kilometerbreite Zone, in der nur der Sprengstoff herrschte.

Selbst der Regimentsstab erfuhr erst, als wir nach drei Tagen zur�ckkamen, wo wir eigentlich gelegen hatten und wie die Front verlief. Bei diesen Verh�ltnissen war ein genaues Schie�en der Artillerie ausgeschlossen.

Auch die Stellung der Engl�nder war uns v�llig unklar, obwohl wir oft, ohne es zu wissen, nur wenige Meter auseinander lagen. Manchmal lief ein Tommy, der sich durch die Trichter tastete, wie eine Ameise durch einen Sandweg, direkt in ein von uns besetztes Granatloch und umgekehrt, da unsere vordere Linie nur aus einzelnen, verbindungslosen St�cken bestand, die man leicht verfehlen konnte.

Das Landschaftsbild ist dem, der es geschaut, unverge�lich. Vor kurzem hatte diese Gegend doch noch aus D�rfern, Wiesen, W�ldern und Feldern bestanden, und nun war buchst�blich kein Strauch, kein winziges H�lmchen mehr zu sehen. Jede Handbreit Bodens war umgew�hlt und immer wieder umgew�hlt, die B�ume entwurzelt, zerfetzt und zu Mulm zermahlen, die H�user weggeblasen und zu Pulver zerst�ubt, Berge abgetragen und das Ackerland zur W�ste verwandelt.

In dieser W�stenei, umgeben von Toten und halbverdurstet, k�mpften M�nner tage- und wochenlang mit dem Bewu�tsein, im Falle einer Verwundung rettungslos dem Tode des Verschmachtens preisgegeben zu sein.

An den im Verh�ltnis zur Breite der Angriffsfront ungeheuren Verlusten trug die mit altpreu�ischer Z�higkeit durchgef�hrte starre Lineartaktik die Hauptschuld. Ein Bataillon nach dem andern wurde in die �berf�llte vordere Linie geworfen und in wenigen Stunden zusammengetrommelt.

Erst recht sp�t sah man ein, da� es so nicht weiter gehen konnte und h�rte auf, um wertlose Gel�ndestreifen zu k�mpfen, um sich einer beweglicheren Verteidigung, deren H�hepunkt die elastische Zonentaktik wurde, zuzuwenden.

Daher wurde nie wieder mit solch verbissener Erbitterung gek�mpft wie damals, wo man wochenlang um zerschossene Waldst�cke oder unkenntliche Ruinen rang. Der Name auch des kleinsten pikardischen Nestes erinnert an unerh�rte Heldenk�mpfe, die wahrhaft einzig in der Weltgeschichte dastehen. Erst dort sank die Bl�te unserer disziplinierten Jugend in den Staub. Erhabene Werte, die das deutsche Volk gro� gemacht hatten, leuchteten dort noch einmal in blendendem Glanze auf, um langsam in einem Meere von Schlamm und Blut zu erl�schen.

Am St. Pierre-Vaast.

Nachdem ich 14 Tage im Lazarett und ebensoviele auf Urlaub verbracht hatte, begab ich mich wieder zum Regiment, das in Stellung bei Deuxnouds, ganz nahe der wohlbekannten Grande Tranch�e, lag. Es blieb nach meiner Ankunft nur zwei Tage dort und die gleiche Zeit in dem idyllischen, altert�mlichen Bergneste Hattonch�tel. Dann dampften wir vom Bahnhof Mars-la-Tour wieder in der Richtung auf das Sommegebiet ab.

Wir wurden in Bohain ausgeladen und in dem naheliegenden Dorf Brancourt untergebracht. Diese Gegend, die wir sp�ter noch oft ber�hrten, ist von Ackerbauern bewohnt, doch steht in fast jedem Hause ein Webstuhl. Die Bev�lkerung schien mir unsympathisch, schmutzig und auf geringer Kultur- und Moralstufe stehend. Ich war in einem H�uschen einquartiert, das durch ein Ehepaar und seine Tochter bewohnt wurde. Man mu� den Leuten lassen, da� sie mir f�r mein gutes Geld vorz�gliche Eierspeisen zubereiteten. Die Tochter erz�hlte mir gleich beim Antrittskaffee, da� sie mit Poincar� nach seiner R�ckkehr einen guten Kaffee trinken, das hei�t ihm ordentlich die Meinung sagen w�rde. Niemals habe ich jemand mit so gro�er Zungengel�ufigkeit schimpfen h�ren wie diese filia hospitalis auf die Anschuldigung einer Nachbarin hin, in einer gewissen Stra�e von St. Quentin gewohnt zu haben. „Ah, cette plure, cette pomme de terre pourrie, jet�e sur un fumier, c’est la cr�me de la cr�me“, sprudelte sie hervor, w�hrend sie mit krallenartig vorgestreckten H�nden durch das Zimmer raste, ohne ein Objekt f�r ihre Wut finden zu k�nnen.

Am Morgen, wenn diese Rose von Brancourt mit der Zubereitung der Butter und anderen h�uslichen Arbeiten besch�ftigt war, sah sie unglaublich wenig einladend aus, doch nachmittags, wenn es galt, die Dorfstra�e auf und ab zu stolzieren oder Freundinnen zu besuchen, hatte sich die garstige Puppe in einen pr�chtigen Schmetterling verwandelt. Mit einem gewissen Mi�trauen betrachtete ich immer eine gro�e Schachtel voll Reispuder, die dauernd auf dem Tische stand und Wasser und Seife v�llig zu ersetzen schien.

Ihr Vater bat mich eines Tages, ihm eine Anklageschrift an den Ortskommandanten aufzusetzen, da ihn ein Nachbar an der Kehle gepackt, gepr�gelt und unter dem Rufe: „Demande pardon!“ mit dem Tode bedroht h�tte.

Derartige kleine Beobachtungen gaben mir die tr�stliche Versicherung, da� Nationalstolz auch in Frankreich keine Eigenschaft der Allgemeinheit ist. Diese Erkenntnis half mir zwei Jahre sp�ter �ber den merkw�rdigen Empfang hinweg, den uns manche Volksgenossen nach vier Jahren ehrenvoller h�rtester K�mpfe in der Heimat zuteil werden lie�en. Il y a des cochons partout.

Die zweite Kompagnie wurde nun durch den Leutnant Boje gef�hrt. Wir verlebten hier eine Reihe durch gute Kameradschaft versch�nter Tage. Ich mu� gestehen, da� wir oft bei schwerem Umtrunk zusammensa�en, bis wir die ganze Welt nur noch als ein l�cherliches Phantom, das um unseren Tisch kreiste, betrachteten. Auch aus dem Zimmer der Burschen drang meist ein gewaltiger L�rm. Wer sich noch nie in der kurzen Zeitspanne zwischen zwei m�rderischen Schlachten befunden hat, mag dar�ber absprechend urteilen, wir g�nnten jedenfalls uns und unseren Leuten aus vollem Herzen jede Stunde des Rausches, die wir dem Leben abringen konnten, solange es uns noch in seinem Kreise hielt.

F�r den kommenden Einsatz war ich als Sp�hoffizier bestimmt und stand mit einem Sp�htrupp und zwei Unteroffizieren und vier Mann der Division zur Verf�gung.

Am 8. November fuhr das Bataillon bei str�mendem Regen nach dem von der Zivilbev�lkerung verlassenen Dorfe Gonnelieu. Von dort wurde der Sp�htrupp nach Li�ramont abkommandiert und dem Leiter des Divisionsnachrichtendienstes, Rittmeister B�ckelmann, unterstellt. Der Rittmeister bewohnte mit uns vier Sp�hoffizieren, zwei Beobachtungsoffizieren und seinem Adjutanten das ger�umige Pfarrhaus, in dessen gem�tlich eingerichteten Zimmern ein kameradschaftliches Zusammenleben gef�hrt wurde.

Unsere Vorg�nger machten uns mit der Stellung der Division vertraut. Wir mu�ten uns jede zweite Nacht nach vorn begeben. Unsere Aufgabe war, die Stellung genau festzulegen, die Anschl�sse zu pr�fen und uns �berall zu orientieren, um im Notfalle Truppen einweisen und eventuelle Auftr�ge ausf�hren zu k�nnen. Der mir als Arbeitsgebiet zugewiesene Abschnitt lag links vom St. Pierre-Vaast-Walde, unmittelbar vor dem sogenannten „Namenlosen Walde“. In der ersten Nacht geriet ich, nachdem ich beim Durchstreifen eines vom Tortille-Bach durchflossenen Sumpfes fast ertrunken w�re, in eine dichte Gescho�wolke von Phosgengas, die mich tr�nenden Auges zum Vaux-Walde zur�ckscheuchte, wobei ich, durch die beschlagene Gasmaske geblendet, von einem Trichter in den anderen st�rzte.

Am 12. November trat ich, auf besseres Gl�ck hoffend, mit dem Auftrage, die Anschl�sse in der Trichterstellung festzustellen, meinen zweiten Gang nach vorn an. An einer in Erdl�chern verborgenen Kette von Relaisposten strebte ich meinem Ziele zu.

Die Trichterstellung trug ihren Namen zu Recht. Auf einem vor dem Dorfe Rancourt liegenden Plateau waren zahllose Miniaturkrater verstreut, hier und dort von einigen Leuten besetzt. Das Gel�nde machte in seiner Einsamkeit, in der nur das Pfeifen und Krachen der Geschosse ert�nte, einen Eindruck be�ngstigender �de.

Nach einiger Zeit verlor ich den Anschlu� an die Trichterlinie und ging zur�ck, um nicht den Franzosen in die H�nde zu laufen. Ich stie� dabei auf einen bekannten Offizier vom Regiment 164, der mich warnte, in der anbrechenden D�mmerung noch l�nger zu verweilen. Ich durchschritt daher eilig den „Namenlosen Wald“ und stolperte durch tiefe Trichter, �ber entwurzelte B�ume und ein fast undurchdringliches Gewirr herabgeschlagener �ste.

Als ich aus dem Waldrande trat, war es hell geworden. Das Trichterfeld lag ohne eine Spur von Leben vor mir. Ich stutzte, denn in der modernen Schlacht sind menschenleere Fl�chen stets verd�chtig.

Pl�tzlich fiel ein von einem unsichtbaren Sch�tzen abgegebener Schu�, der mich an beiden Unterschenkeln traf. Ich warf mich in den n�chsten Trichter und verband die Wunden mit meinem Taschentuch, da ich meine Verbandp�ckchen nat�rlich wieder vergessen hatte. Ein Gescho� hatte mir die rechte Wade durchbohrt und die linke gestreift.

Mit �u�erster Vorsicht kroch ich in den Wald zur�ck und humpelte von dort durch das schwerbeschossene Gel�nde zum Verbandplatz.

Kurz davor erlebte ich wieder ein Beispiel daf�r, von wie kleinen Umst�nden das Gl�ck im Kriege abh�ngt. Ungef�hr 100 Meter vor einer Stra�enkreuzung, auf die ich zustrebte, rief mich der F�hrer einer schanzenden Abteilung an, mit dem ich in der 9. Kompagnie zusammen gefochten hatte. Kaum hatten wir eine Minute gesprochen, als mitten auf der Kreuzung eine Granate krepierte, die ohne diese zuf�llige Begegnung wahrscheinlich mich getroffen haben w�rde.

Nach Einbruch der Dunkelheit wurde ich bis Nurlu auf einer Bahre getragen. Der Rittmeister B�ckelmann erwartete mich freundlicherweise mit einem Auto. Auf der von feindlichen Scheinwerfern bestrahlten Chaussee zog der F�hrer pl�tzlich den Bremshebel an. Ein dunkles Hindernis sperrte die Stra�e. Es war eine Infanteriegruppe mit ihrem F�hrer, die soeben einem Volltreffer zum Opfer gefallen war. Die im Tode vereint liegenden Kameraden hatten das friedliche Aussehen stiller Schl�fer.

Im Pfarrhause mu�te ich in den Keller getragen werden, da Li�ramont gerade seinen Abendsegen bekam. Ich wurde am selben Abend in das Feldlazarett Villeret und von dort zum Kriegslazarett Valenciennes transportiert.

Das Kriegslazarett war nahe dem Bahnhof im Gymnasium eingerichtet und beherbergte �ber 400 Schwerverwundete. Tag f�r Tag verlie� unter dumpfem Trommelschlag ein Leichenzug das gro�e Portal. In dem weiten Operationssaal konzentrierte sich der ganze Jammer des Krieges. An einer Reihe von Operationstischen walteten die �rzte ihres blutigen Handwerkes. Hier wurde ein Glied amputiert, dort ein Sch�del aufgemei�elt oder ein festgewachsener Verband gel�st. Wimmern und Schmerzensschreie hallten durch den von mitleidlosem Licht durchfluteten Raum, w�hrend wei�gekleidete Schwestern gesch�ftig mit Instrumenten oder Verbandzeug von einem Tisch zum andern eilten.

Der Soldat, der nach solchem Anblicke wieder in alter Frische ins Feuer geht, hat seine Nervenprobe bestanden, denn jeder neue, schreckliche Eindruck krallt sich im Hirn fest und reiht sich an den l�hmenden Vorstellungskomplex, der die Zeitspanne zwischen Heranbrausen und Einschlag der Eisenklumpen immer furchtbarer gestaltet.

Neben meinem Bette lag ein Feldwebel, der ein Bein verloren hatte, im Sterben. In seiner letzten Stunde erwachte er aus wirren Fieberschauern und lie� sich von der Schwester sein Lieblingskapitel aus der Bibel vorlesen. Dann bat er mit kaum h�rbarer Stimme s�mtliche Stubengenossen um Entschuldigung, da� er sie durch seine Fieberdelirien so oft aus der Ruhe gest�rt h�tte und war in wenigen Minuten tot, nachdem er, um uns aufzuheitern, noch versucht hatte, den komischen Dialekt unserer Ordonnanz nachzuahmen.

Ich war froh, als ich halbgeheilt nach 14 Tagen diese St�tte geh�uften Elends verlassen konnte. Mit Stolz hatte ich von dem inzwischen so gl�nzend durchgef�hrten Sturm des F�silier-Regiments gegen den St. Pierre-Vaast-Wald gelesen.

Die 111. Division hatte noch dieselbe Stellung inne. Als mein Zug in Ep�hy einrollte, ert�nte eine Reihe von Explosionen. Verstreute verbeulte Tr�mmer vom G�terwagen verrieten, da� hier nicht gespa�t wurde.

„Was ist denn hier los?“ fragte ein mir gegen�bersitzender Hauptmann, der anscheinend frisch aus der Heimat exportiert war. Ohne mich mit einer Antwort aufzuhalten, ri� ich die T�r des Abteils auf und nahm hinter dem Bahndamm Deckung. Zum Gl�ck waren diese Einschl�ge die letzten. Es waren nur einige Pferde verwundet.

Da ich noch nicht gut marschieren konnte, wurde mir der Posten eines Beobachtungsoffiziers �bertragen. Die Beobachtung lag an dem abfallenden Hang zwischen Nurlu und Moislains. Sie bestand aus einem in einen Unterstand eingebauten Scherenfernrohr, durch das ich die mir wohlbekannte vordere Linie beobachten konnte. Bei st�rkerem Feuer, bunten Leuchtkugeln oder sonstigen besonderen Ereignissen war die Division telephonisch zu benachrichtigen. Tagelang hockte ich frierend auf einem St�hlchen hinter dem Doppelglase im Novembernebel ohne eine andere Abwechslung als ab und zu eine Leitungsprobe. War der Draht zerschossen, so mu�te ich ihn durch meinen St�rungstrupp flicken lassen.

Das moderne Schlachtfeld gleicht einer ungeheuren, ruhenden Maschinerie, in der ungez�hlte verborgene Augen, Ohren und Arme unt�tig auf die eine Minute lauern, auf die es allein ankommt. Dann f�hrt als feurige Ouverture eine einzelne rote Leuchtkugel aus irgendeinem Erdloche in die H�he, tausend Gesch�tze br�llen zugleich auf, und mit einem Schlage beginnt das Werk der Vernichtung, von unz�hligen Hebeln getrieben, seinen zermalmenden Gang.

Befehle stiegen als Funken und Blitze durch ein engmaschiges Netz, um vorn zu gesteigerter Vernichtung anzuspornen und von hinten in gleichm��igem Strome neue Menschen und neues Material in Bewegung zu setzen und in die Brandung zu schleudern. Jeder f�hlt sich wie durch einen Strudel von weither durch einen r�tselhaften Willen gepackt und mit unerbittlicher Pr�zision zu den Brennpunkten t�dlichen Geschehens getrieben.

Nach je 24 Stunden l�ste mich ein anderer Offizier ab, und ich erholte mich im nahen Nurlu, wo in einem gro�en Weinkeller ein verh�ltnism��ig bequemes Quartier eingerichtet war. Ich erinnere mich noch manchmal der langen, nachdenklichen Novemberabende, die ich, meine Pfeife rauchend, einsam vor dem Kamin des kleinen, tonnenf�rmigen Kellergew�lbes verbrachte, w�hrend drau�en im verw�steten Park der Nebel von kahlen B�umen tropfte und in langen Pausen ein widerhallender Einschlag die Stille unterbrach.

Am 18. November wurde die Division abgel�st und ich stie� wieder zum Regiment, das im Dorfe Fresnoy-le-Grand in Ruhe lag. Ich �bernahm dort f�r den beurlaubten Leutnant Boje die F�hrung der zweiten Kompagnie. In Fresnoy hatte das Regiment vier Wochen ungest�rter Ruhe, und jeder bem�hte sich, davon so viel als m�glich zu profitieren. Weihnachten und Neujahr wurden durch gro�e Kompagniefeste gefeiert, bei denen Bier und Grog in Str�men flo�. Es waren gerade noch f�nf Mann in der zweiten Kompagnie, die das vorige Weihnachtsfest mit mir zusammen in den Sch�tzengr�ben von Monchy gefeiert hatten.

Ich bewohnte mit dem F�hnrich Gornick und meinem Bruder Fritz, der als Fahnenjunker f�r sechs Wochen zum Regiment gekommen war, den sogenannten Salon und zwei Schlafzimmer eines franz�sischen Kleinrentners. Wir machten uns redlich lustig �ber das spie�ige Ehepaar, das seine Pl�schm�bel und Markartbuketts sowie den im Hofe aufgestapelten Holzvorrat mit wahren Argusaugen bewachte und mit den Burschen auf st�ndigem Kriegsfu�e lebte.

Der Becher wurde in dem kleinen Neste schlimmer denn je geschwungen. Wenn man sp�t durch die engen Gassen schritt, h�rte man �berall aus Mannschafts-, Unteroffiziers- und Offiziersquartieren das Gewirr fr�hlicher Gelage. Im Kriege ist alles auf r�cksichtslose Wirkung berechnet, daher kam wohl auch die Vorliebe des Feldsoldaten f�r den Alkohol in seinen konzentrierten Formen. Der Verkehr mit der Zivilbev�lkerung war teilweise von unerw�nschter Vertraulichkeit; Venus entzog dem Mars manchen Diener.

Der Dienst wurde selbstverst�ndlich sofort in altpreu�ischer Strammheit aufgenommen, und es war ein vorz�gliches Zeichen f�r F�hrer und Truppe, da� nach 14 Tagen die Mannszucht wieder auf der alten H�he stand.

In der ersten Woche fand eine Besichtigung durch den Divisionskommandeur, Generalmajor Sontag, statt, bei der das Regiment f�r seine hervorragende Haltung beim Sturm auf den St. Pierre-Vaast-Wald ger�hmt und mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht wurde. Als ich dem Divisionskommandeur die zweite Kompagnie im Parademarsch vorf�hrte, bemerkte ich, da� der Oberstleutnant v. Oppen dem General �ber mich zu berichten schien. Einige Stunden sp�ter wurde ich zum Divisionsstabsquartier befohlen, wo mir der General das Eiserne Kreuz I. Klasse �berreichte.

Am 17. Januar 1917 wurde ich von Fresnoy f�r vier Wochen nach dem franz�sischen Truppen�bungsplatz Sisonne bei Laon zu einem Kompagnief�hrerkursus abkommandiert. Der Dienst wurde uns durch den Leiter unserer Abteilung, den Hauptmann Funk, sehr angenehm gemacht, der es in gl�nzender Weise verstand, das Wesen �ber die starre Form zu stellen und uns mit Interesse f�r die Sache zu erf�llen.

Die Verpflegung w�hrend dieser Zeit war wohl die k�mmerlichste, die ich im Kriege erlebt habe. Auf den Tischen unseres riesengro�en Kasinos stand w�hrend der ganzen vier Wochen selten etwas anderes als ein d�nnes Steckr�bengem�se. Dabei war der Dienst keineswegs leicht.

Der Somme-R�ckzug.

Zum Regiment zur�ckgekehrt, das seit einigen Tagen bei den Ruinen von Villers-Carbonnel in Stellung lag, bekam ich vertretungsweise die F�hrung der 8. Kompagnie. Ruheort war Devise.

Wenn man von dort nach der Front marschierte, mu�te man die Somme-Niederung bei den D�rfern Brie und St. Christ �berschreiten, deren trostlose Verw�stung inmitten der melancholischen Sumpflandschaft mich besonders nachts in eine traurige Stimmung versetzte, wenn dunkle Wolkenfetzen �ber den Mondhimmel jagten und durch unheimliche Beleuchtungsdifferenzen den Eindruck des Chaotischen verst�rkten.

Die Stellung war w�hrend der letzten Zeit unseres Aufenthaltes zahlreichen englischen Vorst��en ausgesetzt, die mit unserer eifrig vorbereiteten gro�en R�umung des Sommegebietes zusammenhingen. Der Gegner entsandte fast jeden Morgen eine Kampfpatrouille gegen unsere Linie, um sich von unserer Anwesenheit zu �berzeugen. Ich bringe hier einige Erlebnisse der damaligen Periode:

4. 3. 1917. Am Nachmittag herrschte des klaren Wetters wegen lebhafte Feuert�tigkeit. Besonders eine schwere Batterie ebnete unter Ballonbeobachtung den Abschnitt meines 3. Zuges fast vollkommen ein. Um meine Stellungskarte zu vervollst�ndigen, patschte ich am Nachmittag durch den vollst�ndig versoffenen „namenlosen Graben“ zum 3. Zuge. W�hrend dieses Weges sah ich vor uns eine riesige, gelbe Sonne zur Erde sinken, eine lange, schwarze Rauchfahne nach sich ziehend. Ein schneidiger Flieger hatte sich an den unangenehmen Fesselballon herangemacht und ihn in Brand geschossen. Er entkam trotz rasendem Verfolgungsfeuer.

Am Abend kam der Gefreite Schnau zu mir und meldete, unter seinem Gruppenunterstande schon seit vier Tagen ein pickendes Ger�usch vernommen zu haben. Ich gab diese Beobachtung weiter und bekam ein Pionierkommando mit Horchapparaten gestellt, das allerdings nichts Verd�chtiges wahrnahm. Sp�ter erfuhren wir, da� damals die ganze Stellung unterminiert gewesen sein soll.

Am 5. 3. n�herte sich in den fr�hen Morgenstunden eine Patrouille unserem Graben und begann, das Drahtverhau zu durchschneiden. Der Leutnant Eisen eilte mit einigen Leuten auf die Meldung eines Postens herbei und warf Handgranaten, worauf die Angreifer sich zur Flucht wandten und zwei Mann liegen lie�en. Der eine, ein junger Leutnant, starb gleich darauf; der andere, ein Sergeant, war schwer an Arm und Bein verwundet. Aus den Papieren des Offiziers ging hervor, da� er den Namen Stokes trug und dem Royal Munster 2. F�silier-Regiment angeh�rte. Er war sehr gut angezogen, und sein vom Tode verkrampftes Gesicht war intelligent und energisch geschnitten. Wir begruben ihn hinter unserem Graben und setzten ihm ein einfaches Kreuz. Ich ersah aus diesem Erlebnis, da� nicht jeder Patrouillengang so gl�cklich zu enden brauchte wie meine bisherigen.

Am n�chsten Morgen griff der Engl�nder nach kurzer Artillerievorbereitung den Abschnitt der Nachbarkompagnie, in dem der Leutnant Reinhardt befehligte, mit 50 Mann an. Der Gegner hatte sich vor den Draht geschlichen, und nachdem einer von ihnen mit einer am �rmelaufschlag befestigten Reibfl�che ein Lichtzeichen gegeben hatte, um die englischen Maschinengewehre zum Schweigen zu bringen, war er gleichzeitig mit seinen letzten Granaten gegen unseren Graben angelaufen. Alle hatten beru�te Gesichter, um sich m�glichst wenig von der Dunkelheit abzuheben.

Unsere Leute empfingen sie indessen so meisterhaft, da� nur ein einziger in den Graben gelangte. Dieser rannte gleich bis zur zweiten Linie durch, wo er, nachdem er die Aufforderung, sich zu ergeben, nicht beachtet hatte, niedergeschossen wurde. Den Draht zu �berspringen, gelang nur einem Leutnant und einem Sergeanten. Der Leutnant wurde, trotzdem er unter der Uniform einen Panzer trug, erledigt, da ihm eine von Reinhardt � coup portant entgegengesandte Pistolenkugel eine ganze Panzerplatte in den Leib jagte. Dem Sergeanten wurden durch Handgranatensplitter beide Beine fast abgerissen, trotzdem behielt er mit stoischer Ruhe seine kurze Pfeife bis zum Tode zwischen den zusammengebissenen Z�hnen.

Am Vormittag dieses erfolgreichen Morgens schlenderte ich durch meinen Graben und sah auf einem Postenstande den Leutnant Pfaffendorf, der von dort mit einem Scherenfernrohr das Feuer seiner Minenwerfer leitete. Ich trat neben ihn und bemerkte sofort einen Engl�nder, der hinter der dritten feindlichen Linie �ber Deckung ging und sich in seiner khakibraunen Uniform scharf vom Horizont abhob. Ich ri� dem n�chsten Posten das Gewehr aus der Hand, stellte Visier 600, nahm den Mann scharf aufs Korn, hielt etwas vor den Kopf und zog ab. Er tat noch drei Schritte, fiel dann auf den R�cken, als ob ihm die Beine unter dem Leib fortgezogen w�ren, schlug ein paarmal mit den Armen und rollte in ein Granatloch, aus dem wir durch das Glas noch lange seinen braunen �rmel leuchten sahen.

Am 9. 3. wurde unser Abschnitt mit schweren Granaten zugedeckt. Ich hatte einen Toten und mehrere Verwundete. Der Eingang meines Stollens wurde wie eine Streichholzschachtel zermalmt. Am Abend wurden wir abgel�st und marschierten nach Devise.

Am 13. bekam ich vom Oberst v. Oppen den ehrenvollen Auftrag, den Kompagnieabschnitt mit einer Patrouille von zwei Gruppen bis zum v�lligen �bergang des Regiments �ber die Somme zu halten. Jeder der vier Abschnitte in vorderer Linie sollte durch eine derartige Patrouille, deren F�hrung energischen Offizieren �bertragen war, besetzt werden. Die Abschnitte waren vom rechten Fl�gel den Leutnants Reinhardt, Fischer, Lorek und mir unterstellt. Die D�rfer, die wir auf unserem Marsch nach vorn passierten, hatten das Aussehen gro�er Tollh�user angenommen. Ganze Kompagnien stie�en und rissen Mauern um oder sa�en oben auf den D�chern und zertr�mmerten die Ziegel. B�ume wurden gef�llt, Scheiben zerschlagen, rings stiegen von gewaltigen Schutthaufen Rauch und Staubwolken auf, kurz, es wurde eine Orgie der Vernichtung gefeiert.

Man sah Leute in den von den Einwohnern zur�ckgelassenen Anz�gen und Frauenkleidern, Zylinderh�te auf den K�pfen, voll unglaublichem Eifer umherrasen. Sie fanden mit geradezu genialem Scharfsinn den Hauptbalken der H�user heraus, befestigten Seile daran und zogen mit dem taktm��igen Geschrei gr��ter Anstrengung so lange, bis alles zusammenprasselte. Andere schwangen gewaltige H�mmer und zerschmetterten damit, was ihnen in den Weg kam, vom Blumentopfe vorm Fensterbrett bis zur kunstvollen Glaskonstruktion eines Wintergartens.

Bis zur Siegfriedstellung war jedes Dorf ein Tr�mmerhaufen, jeder Baum gef�llt, jede Stra�e unterminiert, jeder Brunnen verpestet, jeder Flu�lauf abged�mmt, jeder Keller gesprengt oder durch versteckte Bomben gef�hrdet, alle Vorr�te oder Metalle zur�ckgeschafft, jede Schiene abmontiert, jeder Telephondraht abgerollt, alles Brennbare verbrannt; kurz, das Land, das den vordringenden Gegner erwartete, war in �deste W�ste verwandelt.

Die moralische Berechtigung dieser Zerst�rungen ist viel umstritten, doch scheint mir das chauvinistische Wutgeheul diesmal verst�ndlicher als der befriedigte Beifall der Heimkrieger und Zeitungsschreiber. Wo tausende friedlicher Menschen ihrer Heimat beraubt werden, mu� das selbstgef�llige Machtgef�hl schweigen.

�ber die Notwendigkeit der Tat bin ich als preu�ischer Offizier nat�rlich keinen Augenblick im Zweifel. Kriegf�hren hei�t, den Gegner durch r�cksichtslose Kraftentfaltung zu vernichten suchen. Der Krieg ist der Handwerke h�rtestes, seine Meister d�rfen der Menschlichkeit nur so lange das Herz �ffnen, als sie nicht schaden kann.

Da� diese Handlung, die die Stunde forderte, nicht sch�n war, tut nichts zur Sache. Der aufmerksame Beobachter ersah es schon aus der Weise, in der sich der objektive F�hrerwille bei der Mannschaft in eine Reihe von niederen Instinkten umsetzte.

Am 13. verlie� die zweite Kompagnie die Stellung, die ich mit meinen beiden Gruppen �bernahm. In dieser Nacht fiel ein Mann mit dem omin�sen Namen Kirchhof durch Kopfschu�. Merkw�rdigerweise war dieses Ungl�cksgescho� das einzige, das vom Gegner innerhalb mehrerer Stunden abgeschossen wurde.

Ich ordnete alles M�gliche an, um den Gegner �ber unsere St�rke zu t�uschen. Bald wurden hier, bald dort einige Schaufeln voll Erde �ber Deckung geworfen, und unser einziges Maschinengewehr mu�te bald vom rechten, bald vom linken Fl�gel eine Reihe von Sch�ssen abgeben. Trotzdem klang unser Feuer recht d�nn, wenn niedrigfliegende Beobachter die Stellung �berkreuzten oder eine Abteilung von Schanzern das feindliche Hinterland durchquerte. Daher tauchten jede Nacht an verschiedenen Punkten vor unserem Graben Patrouillen auf, die sich am Draht zu schaffen machten.

Am vorletzten Tage h�tte ich beinahe ein �rgerliches Ende gefunden. Der Blindg�nger einer Ballonabwehrkanone sauste aus gewaltiger H�he herunter und explodierte auf der Schulterwehr, an die ich mich ahnungslos gelehnt hatte. Ich wurde durch den Luftdruck genau in die gegen�berliegende �ffnung eines Stollens geschleudert, wo ich mich �u�erst verdutzt wiederfand.

Am 17. morgens merkten wir, da� ein Angriff nahe bevorstehen mu�te. Im vorderen, sonst unbesetzten, stark verschlammten englischen Graben erklang das Patschen vieler Stiefel. Das Lachen und Rufen einer starken Abteilung verriet, da� diese Leute sich auch innerlich gut angefeuchtet haben mu�ten. Dunkle Gestalten n�herten sich unserem Draht und wurden durch Sch�sse vertrieben, eine brach jammernd zusammen und blieb liegen. Ich zog meine Leute igelf�rmig um die Einm�ndung eines Laufgrabens zusammen und bem�hte mich, das Vorgel�nde in dem pl�tzlich einsetzenden Artillerie- und Minenfeuer durch Leuchtkugeln zu erhellen. Da uns die wei�en bald ausgingen, jagten wir ein wahres Feuerwerk von bunten in die Luft. Als um 5 Uhr die Stunde der befehlsm��igen R�umung anbrach, sprengten wir noch rasch die Unterst�nde mit Handgranaten auseinander, soweit wir sie nicht vorher mit teilweise genial konstruierten H�llenmaschinen versehen hatten.

Zur festgesetzten Zeit zogen sich s�mtliche Patrouillen, teilweise schon in Handgranatenk�mpfe verwickelt, gegen die Somme zur�ck. Nachdem wir als die Letzten die Niederung �berschritten hatten, wurden die Br�cken durch Pionierkommandos in die Luft gesprengt. Auf unserer Stellung tobte noch immer das Trommelfeuer. Erst nach einigen Stunden erschienen die ersten feindlichen Patrouillen an der Somme. Wir zogen uns hinter die noch im Bau befindliche Siegfriedstellung zur�ck; das Bataillon bezog Quartier in dem am „Canal de St. Quentin“ gelegenen Dorfe Lehaucourt. Ich bewohnte mit meinem Burschen ein kleines, gem�tliches H�uschen, in dem der Hausrat der verbannten Bewohner noch in Truhen und Schr�nken aufgespeichert war. Als bezeichnenden Zug f�r das Wesen unserer Leute m�chte ich anf�hren, da� mein Bursche, der treue Knigge, trotz allem Zureden nicht zu bewegen war, sein Nachtlager im warmen Wohnzimmer aufzuschlagen, sondern durchaus in der kalten K�che schlafen wollte. Diese dem Niedersachsen eigene Zur�ckhaltung machte dem F�hrer den Verkehr mit der Mannschaft leicht. Die Disziplin im Regiment wurde erst von dem Tage an lockerer, an dem wir Angeh�rige anderer St�mme als Ersatz einstellen mu�ten.

Am ersten Ruheabend lud ich meine Freunde zu einem mit s�mtlichen vom Hausbesitzer hinterlassenen Gew�rzen gefeuerten Gl�hwein ein, denn unsere R�ckzugspatrouille hatte nicht nur das Lob aller Vorgesetzten, sondern auch einen vierzehnt�gigen Urlaub zur Folge gehabt.

Im Dorfe Fresnoy.

Mein Urlaub, den ich einige Tage sp�ter antrat, wurde diesmal nicht unterbrochen. Am 9. April 1917 kam ich wieder bei der zweiten Kompagnie an, die im Dorfe Merignies unweit Douai in Quartier lag. Die Wiedersehensfreude wurde durch einen unerwarteten Alarm gest�rt, der mir besonders durch den Auftrag, den Gefechtstro� nach Beaumont zu f�hren, unangenehm wurde. Durch Regenschauer und Schneegest�ber ritt ich an der Spitze der �ber die Chaussee schleichenden Wagenkolonne, bis wir um 1 Uhr nachts unser Ziel erreicht hatten.

Nachdem ich Pferde und Leute aufs notd�rftigste untergebracht hatte, ging ich auf Suche nach einem Quartier f�r mich, doch fand ich auch den kleinsten Platz schon besetzt. Endlich kam ein Feldintendanturbeamter auf den guten Gedanken, mir sein Bett anzubieten, da er am Telephon wachen mu�te. W�hrend ich mich mit Stiefeln und Sporen darauf warf, erz�hlte er mir, da� die Engl�nder den Bayern die Vimy-H�he und ein gro�es St�ck Gel�nde abgenommen h�tten. Trotz seiner Gastfreundlichkeit mu�te ich feststellen, da� ihm die Verwandlung seines stillen Etappend�rfchens in einen Rendez-vous-Platz der Kampftruppen �u�erst unangenehm schien.

Am folgenden Morgen marschierte das Bataillon dem Kanonendonner entgegen bis zum Dorfe Fresnoy. Dort bekam ich Befehl, eine Beobachtungsstelle zu errichten. Ich suchte mir mit einigen Leuten am Westrande des Dorfes ein H�uschen aus, durch dessen Dach ich einen zur Front gerichteten Ausguck schlagen lie�. Unsere Wohngem�cher verlegten wir in den Keller, bei dessen Ausr�umung uns als angenehmer Zuschu� zu unserer �u�erst knappen Verpflegung ein Sack Kartoffeln in die H�nde fiel. Auch schickte mir der Leutnant Gornick, der das bereits ger�umte Dorf Villerwal mit einem Zuge als Feldwache besetzt hielt, als kameradschaftliches Geschenk aus den in der Eile zur�ckgelassenen Best�nden eine gro�e Dose Leberwurst und einige Flaschen Rotwein. Eine von mir sofort mit Kinderwagen und �hnlichen Transportmitteln ausger�stete Expedition zur Bergung dieser Sch�tze mu�te leider unverrichteter Dinge wieder umkehren, da der Engl�nder den Dorfrand bereits mit dichten Sch�tzenlinien erreicht hatte.

Am 14. April bekam ich den Auftrag, im Dorfe eine Nachrichtensammelstelle zu errichten. Es waren mir zu diesem Zwecke Meldel�ufer, Radfahrer, Telephone, Lichtsignalstation, Erdtelegraph, Brieftauben und eine Leuchtpostenkette zur Verf�gung gestellt. Ich suchte mir am Abend einen passenden Keller mit eingebautem Stollen aus und begab mich dann zum letztenmal in meine alte Wohnung am Westrande.

In der Nacht glaubte ich einige Male Krachen und Geschrei meines Burschen zu h�ren, war aber so schlaftrunken, da� ich nur murmelte: „La� man schie�en!“ und mich auf die andere Seite w�lzte, trotzdem der ganze Raum dicht voll Staub war. Am n�chsten Morgen wurde ich durch den Neffen des Obersts von Oppen, den kleinen Schultz, mit dem Rufe geweckt: „Mensch, wissen Sie noch gar nicht, da� Ihr ganzes Haus zusammengeschossen ist?“ Als ich aufstand und mir den Schaden besah, merkte ich, da� eine schwere Granate oben am Dache geplatzt war und s�mtliche R�ume mit dem Beobachtungsstande eingerissen hatte. Der Z�nder h�tte nur ein wenig gr�ber zu sein brauchen, und das Gescho� h�tte uns im Keller an die W�nde geklebt. Schultz erz�hlte mir, da� seine Ordonnanz beim Anblick des zerst�rten Hauses gesagt h�tte: „Da hat doch gestern ein Leutnant drin gewohnt, wir wollen doch mal sehen, ob der noch is.“ Mein Bursche war ganz au�er sich �ber meinen unglaublich festen Schlaf.

Am Vormittag siedelten wir in unseren neuen Keller �ber. Auf dem Wege dorthin h�tten uns beinahe die Tr�mmer des einst�rzenden Kirchturms erschlagen, der von einem Pionierkommando sans fa�on in die Luft gesprengt wurde, um der feindlichen Artillerie das Einschie�en zu erschweren. In einem Nachbardorfe hatte man sogar vergessen, einen Doppelposten zu benachrichtigen, der aus der Turmluke beobachtete. Wunderbarerweise konnte man die Leute unverletzt aus dem Geb�lk hervorziehen.

Wir richteten uns in unserem ger�umigen Keller ganz leidlich ein, indem wir M�belst�cke aus Schlo� und H�tte, die uns gerade praktisch erschienen, zusammenschleppten.

W�hrend der ganzen Tage spielte sich �ber uns eine Reihe erbitterter Fliegerk�mpfe ab, die fast immer mit der Niederlage der Engl�nder endeten, da die Kampfstaffel Richthofen �ber der Gegend kreiste. Oft wurden f�nf, sechs Flugzeuge nacheinander auf den Boden gedr�ckt oder brennend abgeschossen. Einmal sahen wir den Insassen in weitem Bogen herausfliegen und als schwarzen Punkt von seiner Maschine getrennt zur Erde st�rzen. Das Hinaufstarren barg allerdings auch seine Gefahren, so wurde zum Beispiel ein Mann der 4. Kompagnie durch einen herabfallenden Splitter t�dlich am Halse getroffen.

Am 18. April besuchte ich die 2. Kompagnie in Stellung, die in einem um das Dorf Arleux geschlungenen Frontbogen lag. Leutnant Boje erz�hlte mir, da� er bislang nur einen einzigen Verwundeten gehabt h�tte, da das planm��ige Einschie�en der Engl�nder jedesmal eine R�umung der beschossenen Abschnitte gestattete.

Nachdem ich ihm alles Gute gew�nscht hatte, mu�te ich der st�ndig einschlagenden schweren Granaten wegen das Dorf im Galopp verlassen. 300 Meter hinter Arleux blieb ich stehen und betrachtete die Wolken der hochspritzenden Einschl�ge, die, je nachdem Ziegelmauern zermalmt oder Gartenerde aufgeschleudert wurde, rot oder schwarz gef�rbt waren, vermischt mit dem zarten Wei� platzender Schrapnells. Als jedoch einige Gruppen leichter Granaten auf die schmalen Trampelpfade fielen, die Arleux mit Fresnoy verspannen, verzichtete ich auf weitere Impressionen und r�umte eiligst das Feld, um mich nicht „ant�ten“ zu lassen, wie der damals gerade �bliche Fachausdruck der zweiten Kompagnie lautete.

Derartige Spazierg�nge, die ich zum Teil bis zum St�dtchen Henin-Li�tard ausdehnte, machte ich ziemlich oft, da in den ersten 14 Tagen trotz meines gro�en Personals nicht eine einzige Meldung zu bef�rdern war.

Vom 20. April ab wurde Fresnoy durch ein 30,5-cm-Gesch�tz beschossen, dessen Granaten mit geradezu infernalischem Fauchen heranheulten. Nach jedem Einschlag war das Dorf in eine gewaltige, rotbraune Pikrinwolke geh�llt. Ein Mann der 9. Kompagnie, auf dem Schlo�hofe von einem derartigen Gescho� �berrascht, wurde hoch �ber die B�ume des Parkes geschleudert und brach beim Aufsturze s�mtliche Knochen.

An den Nachmittagen lag das Dorf unter dem Feuer verschiedenster Kaliber. Trotz der Gefahr konnte ich mich nicht vom Dachfenster meines Quartiers trennen, denn es war ein spannender Anblick, einzelne Abteilungen und Meldeg�nger hastig und sich oft niederwerfend �ber das beschossene Gel�nde eilen zu sehen, w�hrend rechts und links von ihnen der Boden aufwirbelte.

Von Tag zu Tag wurde die Artilleriet�tigkeit lebhafter und schlo� jeden Zweifel an einem baldigen Angriffe aus. Am 27. bekam ich um Mitternacht den Fernspruch: „67 von 5 a. m.“, was nach unserem Zifferncode „von 5 Uhr vormittags an erh�hte Alarmbereitschaft“ bedeutete.

Ich legte mich also, um den voraussichtlichen Anstrengungen gewachsen zu sein, gleich nieder, doch als ich gerade beim Einschlafen war, schlug eine Granate ins Haus, dr�ckte die Wand der Kellertreppe ein und warf uns das ganze Mauerwerk in den Raum. Wir sprangen hoch und eilten in den Stollen.

Als wir verdrossen und m�de beim Scheine einer Kerze auf der Treppe hockten, kam der F�hrer meiner Lichtsignalisten, deren Station nebst zwei wertvollen Signallampen am Nachmittage zerschmettert war, angest�rmt und meldete: „Herr Leutnant, der Keller von Haus Nr. 11 hat einen Volltreffer bekommen, es liegen noch welche unter den Tr�mmern!“ Da ich im Haus Nr. 11 zwei Radfahrer und drei Telephonisten liegen hatte, eilte ich mit einigen Leuten zu Hilfe.

Ich fand dort im Stollen einen Gefreiten und einen Verwundeten und erhielt folgenden Bericht: Als die ersten Sch�sse verd�chtig nahe einschlugen, beschlossen vier von den f�nf Bewohnern, sich in den Stollen zu begeben. Der eine sprang gleich hinunter, einer blieb ruhig auf seinem Bette liegen, w�hrend die �brigen erst ihre Stiefel anzogen. Der Vorsichtigste und der Gleichg�ltigste kamen, wie so oft im Kriege, gut davon, der eine ganz ohne Verwundung, der Schlafende mit einem Splitter am Oberschenkel. Die drei anderen wurden von der durch die Kellerwand fliegenden und in der gegen�berliegenden Ecke zerschellenden Granate zerrissen.

Nach dieser Erz�hlung z�ndete ich mir f�r alle F�lle eine Zigarre an und trat in den raucherf�llten Raum, in dessen Mitte sich ein w�ster Tr�mmerhaufen von zerschlagenen Bettstellen, Strohs�cken und anderen M�belst�cken fast bis zur Decke emporw�lbte. Nachdem wir einige Lichter zwischen die Mauerfugen gesteckt hatten, machten wir uns an die traurige Arbeit. Wir packten die aus den Tr�mmern ragenden Gliedma�en und zogen die Leichen heraus. Dem einen war der Kopf abgeschlagen und der Hals sa� am Rumpf wie ein gro�er, blutiger Schwamm. Aus dem Armstumpf des zweiten ragte der zersplitterte Knochen, und die Uniform war vom Blute einer gro�en Brustwunde durchtr�nkt. Dem dritten quollen die Eingeweide aus dem aufgerissenen Leib. Als wir diesen herauszogen, stemmte sich ein zersplittertes Brett mit h��lichem Ger�usch in die schauerliche Wunde. Die eine Ordonnanz machte eine Bemerkung dar�ber und wurde von meinem Burschen mit den Worten: „Swieg man stille, bi solchen Sachen hat Quasseln kein Zweck!“ zur Ruhe verwiesen.

Ich nahm ein Verzeichnis der Wertsachen auf, die wir bei ihnen fanden. Es war ein unheimliches Gesch�ft. Die Kerzen flackerten r�tlich durch den dichten Dunst, w�hrend die beiden Leute mir Brieftaschen und silberne Gegenst�nde zureichten wie bei einer geheimen, dunklen Tat. Auf den Gesichtern der Toten hatte sich das feine gelbe Ziegelmehl niedergeschlagen und gab ihnen das starre Aussehen von Wachsmasken. Wir warfen Decken �ber sie und eilten aus dem Keller, nachdem wir unseren Verwundeten in eine Zeltbahn gepackt hatten. Mit dem stoischen Rate: „Bei� die Z�hne zusammen, Kamerad!“ schleppten wir ihn durch ein wildes Schrapnellfeuer zum Sanit�tsunterstand.

In meine Behausung zur�ckgekehrt, st�rkte ich mich zun�chst durch eine Reihe Sherry-Brandies, denn die Ereignisse waren mir doch auf die Nerven gefallen. Bald bekamen wir wieder lebhaftes Feuer und versammelten uns eiligst im Stollen, da uns allen das eben geschaute Beispiel von Artilleriewirkung in Kellern noch deutlich vor Augen stand.

Um 5.14 Uhr schwoll das Feuer in wenigen Sekunden zu unerh�rter St�rke. Unser Stollen wankte und zitterte wie ein Schiff auf st�rmischer See; ringsum erdr�hnte das Bersten von Mauerwerk und das Krachen der zusammenst�rzenden benachbarten H�user.

Um 7 Uhr fing ich einen Lichtspruch der Brigade an das zweite Bataillon auf: „Brigade will sofort Klarheit �ber die Lage.“ Nach einer Stunde brachte mir ein Meldel�ufer die Nachricht zur�ck: „Feind besetzte Arleux, Park von Arleux. Setzte achte Kompagnie zum Gegensto� an, bislang keine Nachricht. Rocholl, Hauptmann.“

Dies war die einzige, allerdings sehr wichtige Nachricht, die ich mit meinem riesigen Apparat von Verbindungsmitteln w�hrend der drei Wochen meines Aufenthaltes in Fresnoy weitergab. Jetzt, wo meine T�tigkeit von gr��tem Wert war, hatte mir die Artillerie fast alle Anlagen au�er Gefecht gesetzt. Das waren die Folgen der �ber-Zentralisation.

Mir wurde durch diese �berraschende Aufkl�rung verst�ndlich, warum schon seit einiger Zeit aus ziemlicher N�he abgefeuerte Infanteriegeschosse gegen die Mauern klappten.

Kaum waren wir uns �ber die gro�en Verluste des Regiments klar, als die Beschie�ung mit erneuter Wucht einsetzte. Mein Bursche stand als letzter noch auf der obersten Stollenstufe, als ein Donnerkrach ank�ndete, da� es dem Engl�nder endlich gelungen war, unseren Keller einzuschie�en. Der biedere Knigge bekam einen derben Kantstein auf den Buckel, nahm aber sonst keinen Schaden. Oben war alles kurz und klein geschlagen. Das Tageslicht blickte nur noch durch zwei in den Stolleneingang gepre�te Fahrr�der zu uns herab. Wir zogen uns ziemlich kleinlaut auf die unterste Stufe zur�ck, w�hrend fortw�hrend dumpfe Ersch�tterungen und Steingepolter uns von der Unsicherheit unseres Asyles �berzeugten.

Wie durch ein Wunder war das Telephon noch unbesch�digt; ich stellte dem Chef des Divisionsmeldewesens unsere unzweckm��ige Lage vor und bekam Befehl, mich mit den Leuten in den naheliegenden Sanit�tsstollen zur�ckzuziehen.

Wir packten also unsere notwendigsten Sachen zusammen und schickten uns an, den Stollen durch den zweiten noch erhaltenen Ausgang zu verlassen. Trotz meiner energischen, durch unzweideutige Drohungen unterst�tzten Befehle z�gerten die wenig kriegsgewandten Leute der Fernsprechkompagnie so lange, sich aus dem Schutze des Stollens ins Feuer zu begeben, bis auch dieser Eingang, von einer schweren Granate zermalmt, krachend zusammenbrach. Zum Gl�ck wurde niemand getroffen, nur unser kleiner Hund heulte j�mmerlich auf und war von diesem Augenblick an verschwunden.

Wir rissen nun die den Ausgang zum Keller versperrenden Fahrr�der zur Seite, krochen auf allen Vieren �ber den Tr�mmerhaufen hinweg und gewannen durch eine enge Mauerspalte das Freie. Ohne uns mit der Betrachtung der unglaublichen Verwandlung des Ortes innerhalb dieser wenigen Stunden aufzuhalten, rannten wir dem Dorfausgang zu. Kaum hatte der Letzte das Hoftor verlassen, als das Haus schon wieder durch einen m�chtigen Einschlag getroffen wurde.

Auf dem Gel�nde zwischen dem Dorfrand und dem Sanit�tsstollen lag ein kompakter Feuerriegel. Leichte und schwere Granaten mit Aufschlag-, Brenn- und Verz�gerungsz�ndern, Blindg�nger, Hohlbl�ser und Schrapnells vereinten sich zu einer Raserei akustischer und optischer Effekte. Dazwischen strebten, rechts und links dem Hexenkessel des Dorfes ausweichend, Unterst�tzungstrupps nach vorn.

In Fresnoy l�ste eine kirchturmhohe Erds�ule die andere ab, jede Sekunde schien die vorhergehende noch �bertrumpfen zu wollen. Wie durch Zaubermacht wurde ein Haus nach dem andern vom Erdboden eingesogen; Mauern brachen, Giebel st�rzten, und kahle Sparrenger�ste wurden durch die Luft geschleudert, die benachbarten D�cher abm�hend. �ber wei�lichen Dampfschwaden tanzten Wolken von Splittern. Auge und Ohr hingen wie gebannt an dieser wirbelnden Vernichtung.

Im Sanit�tsstollen verbrachten wir noch zwei Tage in qualvoller Enge, denn au�er von meinen Leuten wurde er noch von zwei Bataillonsst�ben, Abl�sungskommandos und den unvermeidlichen „Versprengten“ bev�lkert. Der starke Verkehr vor den Eing�ngen blieb nat�rlich nicht unbemerkt. Bald sa�en in Abst�nden von einer Minute scharf gezielte Granaten auf dem vor�berf�hrenden Feldwege und verwundeten alle Augenblicke ein paar Leute. Ich b��te durch diese unangenehme Schie�erei vier Fahrr�der ein, die wir neben den Stolleneingang gelegt hatten. Sie wurden, zu seltsamen Gebilden verbogen, in alle Winde geschleudert.

Vor dem Eingang lag steif und stumm in eine Zeltbahn gerollt, die gro�e Hornbrille noch im Gesicht, der F�hrer der 8. Kompagnie, Leutnant Lemi�re, den seine Leute hierher geschafft hatten. Er hatte einen Schu� in den Mund bekommen. Sein j�ngerer Bruder fiel einige Monate sp�ter durch genau dieselbe Verletzung.

Am 30. April �bernahm mein Nachfolger von dem abl�senden Regiment Nr. 25 meine Gesch�fte, und wir r�ckten nach Flers, dem Sammelort des ersten Bataillons, ab. Das Kalkwerk „Chez-bon-temps“ mit seinen schweren Einschl�gen links liegenlassend, schlenderten wir seelenvergn�gt durch den wundersch�nen Nachmittag �ber den Feldweg nach Beaumont. Die Augen genossen wieder die Sch�nheit der Erde und die Lunge berauschte sich an der milden Fr�hlingsluft, froh, der unertr�glichen Enge des Stollenloches entronnen zu sein. Den Kanonendonner im R�cken, empfand ich das Dichterwort nach:

F�rwahr ein Tag, von Gott gemacht,

Zu besserm Ding als sich zu schlagen.

In Flers fand ich das mir zugewiesene Quartier von einigen Feldwebeln der Etappe besetzt, die sich unter dem Vorwande, das Zimmer f�r einen Freiherrn von X. bewachen zu m�ssen, weigerten, Platz zu machen, jedoch nicht mit den aufs �u�erste gespannten Nerven eines erm�deten Frontsoldaten rechneten. Ich lie� von meinen Begleitern kurzerhand die T�r einschlagen und nach einem kleinen Handgemenge vor den Augen der erschreckt im Neglig� herbeigeeilten Hausbewohner flogen die Herren die Treppe hinunter. Mein Bursche trieb die H�flichkeit sogar so weit, ihnen ihre langen Stiefel nachzuschleudern. Nach diesem Angriffsgefecht bestieg ich das angew�rmte Bett, dessen H�lfte ich noch meinem ohne Quartier herumirrenden Freunde Kius anbot. Der Schlaf in diesem langentbehrten M�bel tat uns so wohl, da� wir am n�chsten Morgen „in alter Frische“ erwachten.

Da das erste Bataillon w�hrend der verflossenen Kampftage die wenigsten Verluste gehabt hatte, war die Stimmung vorz�glich, als wir zum Bahnhof Douai marschierten. Von dort fuhren wir bis zum Bahnknotenpunkt Busigny, in dessen N�he das Dorf S�rain lag, wo wir uns einige Tage erholen sollten. Wir fanden bei der freundlichen Bev�lkerung gute Quartiere, und schon am ersten Abend drang aus vielen H�usern der fr�hliche L�rm kameradschaftlicher Wiedersehensfeiern.

Dieses Trankopfer nach gl�cklich bestandener Schlacht z�hlt zu den sch�nsten Erinnerungen alter Krieger.

Und wenn zehn vom Dutzend gefallen waren, die letzten zwei fanden sich mit t�dlicher Sicherheit am ersten Ruheabend beim Becher, brachten den toten Kameraden ein stilles Glas und besprachen scherzend die gemeinsamen Erlebnisse. Den �berstandenen Gefahren ein Landsknechtslachen, den k�nftigen ein Schluck aus voller Flasche, ob Tod und Teufel dazu grinsten, wenn nur der Wein gut war. So war von je rechter Kriegsbrauch.

Das hat mir vor allem den Offizierstisch wert gemacht. Hier, wo die geistigen Tr�ger und Vork�mpfer der Front zusammenkamen, konzentrierte sich der Wille zum Siege und wurde Form in den Z�gen wetterharter Gesichter. Hier war ein Element lebendig, das die W�stheit des Krieges unterstrich und doch vergeistigte, das man bei den Leuten, mit denen man zusammen in den Trichtern lag, so selten fand, die sportsm��ige Freude an der Gefahr, der ritterliche Drang zum Bestehen eines Kampfes. Zum mindesten habe ich in diesem viel verl�sterten Kreise niemals ein Wort des Zagens vernommen.

Am n�chsten Morgen erschien mein Bursche und las mir Befehle vor, aus denen mir gegen Mittag klar wurde, da� ich die F�hrung der vierten Kompagnie �bernehmen sollte. In dieser Kompagnie war im Herbst 1914 der nieders�chsische Dichter Hermann L�ns gefallen.

Gegen Inder.

Am 6. Mai 1917 waren wir schon wieder auf dem Marsche nach dem wohlbekannten Brancourt, und am folgenden Tage r�ckten wir �ber Montbr�hain, Ramicourt, Joncourt in die Siegfriedstellung, die wir erst vor einem Monat verlassen hatten.

Der erste Abend war st�rmisch; starke Regenschauer prasselten unaufh�rlich auf das �berschwemmte Gel�nde nieder. Bald vers�hnte uns jedoch eine Reihe von sch�nen, warmen Tagen mit unserem neuen Aufenthaltsort.

Unsere Stellung bildete einen halbmondf�rmigen Vorsprung vor dem Kanal von St. Quentin, dahinter lag die ber�hmte Siegfriedstellung. Es war mir r�tselhaft, warum wir uns in die engen, unvollkommenen Kreidegr�ben legen mu�ten, w�hrend wir das m�chtige, riesenstarke Bollwerk hinter uns hatten.

Die vordere Linie schl�ngelte sich durch ein idyllisches, von kleinen Baumgruppen beschattetes Wiesengel�nde in den zarten Farben des ersten Fr�hjahrs. Man konnte sich ungestraft hinter und vor den Gr�ben bewegen, da zahlreiche, kilometerweit vorgeschobene Feldwachen die Stellung sicherten. Diese Postierungen waren dem Gegner ein Dorn im Auge, und es verging in mancher Woche keine Nacht, wo er nicht hier oder dort mit List oder Gewalt die kleinen Besatzungen zu vertreiben suchte.

Unsere erste Stellungsperiode verging jedoch in angenehmer Ruhe; die Witterung war so sch�n, da� die Leute die milden N�chte im Grase liegend verbrachten. Am 14. Mai wurden wir von der achten Kompagnie abgel�st und r�ckten, das brennende St. Quentin zur Rechten, nach unserem Ruheort Montbr�hain, einem gro�en Dorfe, das noch wenig durch den Krieg gelitten hatte und infolgedessen sehr gem�tliche Quartiere aufwies. Am 20. besetzten wir als Reservekompagnie die Siegfriedstellung. Wir hatten die reinste Sommerfrische, tags�ber sa�en wir in den zahlreichen in die B�schung eingebauten Lauben oder badeten und ruderten im Kanal.

Der Nachteil solcher Idealstellungen ist der h�ufige Besuch von Vorgesetzten, der gerade in den Sch�tzengr�ben am wenigsten gesch�tzt wird. Allerdings hatte sich mein linker, an das Dorf Bellenglise grenzender Fl�gel keineswegs �ber Mangel an Feuer zu beklagen. Gleich am ersten Tage bekam einer meiner Leute einen Schrapnellsteckschu� in die rechte Ges��seite. Als ich auf diese Nachricht hin zur Ungl�cksstelle eilte, sa� er schon wieder ganz vergn�gt, die Sanit�ter erwartend, auf der linken Seite, trank Kaffee und a� eine riesige Marmeladenstulle dazu.

Am 25. Mai l�sten wir die zw�lfte Kompagnie in der Riqueval-Ferme ab. Diese Ferme, ein ehemaliger gro�er Gutshof, diente jeweilig einer der vier Stellungskompagnien zum Aufenthalt. Es waren mit je einer Gruppe drei im Hintergel�nde verstreute Maschinengewehrst�tzpunkte zu besetzen. Diese schachbrettartig hinter der Kampfstellung gruppierten Kampfnester waren die ersten Versuche einer elastischen Verteidigung.

Die �brigen Leute wurden des Nachts zum Schanzen nach vorn entsandt.

Die Ferme lag h�chstens 1500 Meter hinter der vorderen Linie, trotzdem waren ihre von einem verwachsenen Park umschlossenen Geb�ude noch v�llig unzerst�rt. Sie war, da Stollen erst im Bau waren, auch dicht bewohnt. Die bl�henden Rotdorng�nge des Parks und die anmutige Umgebung verliehen unserem Dasein trotz der N�he der Front eine Spur jenes heiteren Lebensgenusses, den der Franzose unter seinem „vie de campagne“ versteht. In meinem Schlafzimmer hatte sich ein Schwalbenp�rchen eingenistet, das schon in den fr�hesten Morgenstunden mit der ger�uschvollen F�tterung seiner uners�ttlichen Nachkommenschaft begann.

Am 30. Mai hatte dieses Idyll f�r mich ein Ende, denn der aus dem Lazarett entlassene Leutnant Vogeley �bernahm wieder die F�hrung der vierten Kompagnie. Ich begab mich zu meiner alten zweiten Kompagnie, die jetzt unter F�hrung eines Kavallerieleutnants stand, in den Sch�tzengraben.

Unser Abschnitt war von der R�merstra�e bis zum sogenannten Artilleriegraben von zwei Z�gen besetzt; der Kompagnief�hrer lag mit dem dritten hinter einem kleinen Hange ungef�hr 200 Meter zur�ck. Dort erhob sich auch eine winzige Bretterbude, die ich mit Leutnant Kius zusammen in r�hrendem Vertrauen auf die St�mperhaftigkeit der englischen Artilleristen bewohnte. Die eine Seite war an einen kleinen, in der Schu�richtung verlaufenden Hang geklebt, die drei anderen boten dem Feinde trutzig die Flanken. Jeden Tag, wenn der Morgengru� angefegt kam, konnte man ungef�hr folgendes Zwiegespr�ch, das sich zwischen dem Besitzer der oberen und dem der unteren Pritsche entspann, vernehmen:

„Du, Ernst!“

„Hm?“

„Ich glaube, sie schie�en!“

„Na, la� uns man noch ein bi�chen liegen; ich glaube, das waren die letzten.“

Nach einer Viertelstunde:

„Du, Oskar!“

„Ja?“

„Das h�rt ja heute gar nicht mehr auf; ich glaube, eben ist eine Schrapnellkugel durch die Wand geflogen. Wir wollen doch lieber aufstehen. Der Artilleriebeobachter nebenan ist schon lange ausgerissen!“

Die Stiefel hatten wir leichtsinnigerweise immer ausgezogen. Wenn wir fertig waren, war es der Engl�nder meist auch, und wir konnten uns vergn�gt an den l�cherlich kleinen Tisch setzen, den von der Hitze sauer gewordenen Kaffee trinken und die Morgenzigarre anz�nden. Nachmittags wurde vor der T�r der englischen Artillerie zum Hohn ein Sonnenbad auf der Zeltbahn genommen.

Auch sonst war unsere Bude �u�erst kurzweilig. Wenn man im dolce far niente auf der Drahtpritsche lag, pendelten riesige Regenw�rmer an der Erdwand, die bei St�rungen mit unbegreiflicher Geschwindigkeit in ihre L�cher schossen. Ein gr�mlicher Maulwurf schn�ffelte ab und zu aus seinem Bau heraus und trug viel zur Belebung unserer ausgedehnten Siesta bei.

Am 12. Juni mu�te ich mit 20 Mann die zum Kompagnieabschnitt geh�rige Feldwache besetzen. Zu sp�ter Stunde verlie�en wir die Stellung und schritten auf einem Trampelpfade, der sich durch das wellige Gel�nde schl�ngelte, in den lauen Abend. Die D�mmerung war so weit vorgeschritten, da� der rote Mohn auf den verwilderten Feldern mit dem hellgr�nen Grase in einem merkw�rdig satten Farbenton zusammenschmolz. Wir schlenderten, jeder mit seinen Gedanken besch�ftigt, mit umgeh�ngtem Gewehr lautlos �ber den blumigen Teppich und hatten nach 20 Minuten unser Ziel erreicht. Fl�sternd wurde die Wache �bergeben, leise die Posten aufgestellt, dann entschwand die abgel�ste Mannschaft im Dunkel.

Die Feldwache lehnte sich an einen kleinen Steilhang. Im R�cken flo� ein wirr verwachsenes Waldst�ck in die Nacht, vom Hange durch einen 100 Meter breiten Wiesenstreifen getrennt. Davor und in der rechten Flanke erhoben sich zwei H�gel, auf denen die englische Linie verlief. Zwischen diesen H�geln f�hrte ein Hohlweg zum Gegner.

Dort traf ich beim Abgeben meiner Posten den Vizefeldwebel Hackmann mit einigen Leuten der siebenten Kompagnie im Begriff, eine Patrouille zu machen. Ich schlo� mich ihnen als Schlachtenbummler an, trotzdem ich eigentlich meine Feldwache nicht verlassen durfte.

Wir �berschritten, indem wir eine von mir erfundene Methode des Vorgehens anwandten, zwei den Weg sperrende Drahtverhaue und gelangten, seltsamerweise ohne auf einen Posten zu sto�en, �ber den H�gelkamm, auf dem wir rechts und links vor uns Engl�nder schanzen h�rten. Sp�ter wurde mir klar, da� der Gegner seine Postierungen zur�ckgezogen hatte, um sie nicht bei dem Feuer�berfall auf unsere Feldwache, von dem ich gleich berichten werde, in Mitleidenschaft zu ziehen.

Meine eben erw�hnte Art des Vorgehens bestand darin, da� ich in einem Gel�nde, in dem wir jeden Augenblick auf den Feind sto�en mu�ten, die Patrouillenteilnehmer abwechselnd vorkriechen lie�. So befand sich zur Zeit immer nur einer, den sich das Fatum ausw�hlen mochte, in der Gefahr, von einem lauernden Sch�tzen erschossen zu werden, w�hrend die anderen geschlossen weiter hinten zum Eingreifen bereit waren. Ich pflegte mich nat�rlich f�r meine Person von diesem Amte niemals auszuschlie�en, trotzdem ich meine Anwesenheit bei der Patrouille selbst f�r wichtiger hielt. Indes mu� der Frontoffizier im Kriege manchmal aus R�cksichten subjektiver Art taktische Fehler begehen.

Wir umschlichen mehrere schanzende Abteilungen, die leider durch dichte Hindernisse von uns getrennt waren. Nachdem der Vorschlag des etwas exzentrischen Feldwebels, sich als �berl�ufer auszugeben und so lange zu verhandeln, bis wir den ersten feindlichen Posten umgangen h�tten, in einer kurzen Beratung verworfen war, pirschten wir uns mi�mutig zur Feldwache zur�ck.

Dort setzte ich mich am Steilhange auf meinen Mantel, z�ndete mir so versteckt wie m�glich eine Pfeife an, und �berlie� mich meiner Phantasie. Inmitten des sch�nsten Luftschlosses wurde ich durch ein merkw�rdiges Rascheln im Waldst�ck und auf der Wiese hochgeschreckt. Vorm Feinde liegen die Sinne immer auf der Lauer und es ist sonderbar, da� man in solchen Augenblicken bei gar nicht ungew�hnlichen Ger�uschen sofort bestimmt wei�: Jetzt ist etwas los!

Gleich darauf kam der n�chste Posten angest�rzt: „Herr Leutnant, es gehen 70 Engl�nder gegen den Waldrand vor!“

Ich wunderte mich etwas �ber die pr�zise Zahlenangabe, versteckte mich aber vorsichtshalber mit den vier in meiner N�he liegenden Leuten oben auf dem Steilhange im hohen Grase, um die weitere Entwicklung der Dinge zu beobachten. Nach einigen Sekunden sah ich einen Trupp �ber die Wiese huschen. W�hrend meine Leute die Gewehre darauf richteten, rief ich ein leises: „Wer da?“ Es war der Unteroffizier Teilengerdes, ein bew�hrter alter Krieger der zweiten Kompagnie, der seine aufgeregte Gruppe zu sammeln versuchte.

Ich raffte rasch alles zusammen und lie� eine Sch�tzenlinie formieren, deren Fl�gel sich an Steilhang und Waldst�ck lehnten. In einer Minute standen die Leute mit aufgepflanztem Seitengewehr. Als ich die Richtung nachsah und einen etwas zur�ckstehenden Mann zurechtweisen wollte, bekam ich zur Antwort: „Ich bin Krankentr�ger.“ Der Mann hatte sein Exerzierreglement gut im Kopfe. Beruhigt durch diesen Triumph preu�ischer Disziplin, lie� ich antreten.

W�hrend wir den Wiesenstreifen �berschritten, setzte von englischer Seite ein Schrapnellhagel und wildes Maschinengewehrgeknatter ein. Wir gingen unwillk�rlich in Laufschritt �ber, um den toten Winkel des vor uns liegenden H�gels zu gewinnen.

Pl�tzlich erhob sich vor mir ein dunkler, Schatten. Ich ri� eine Handgranate ab und schleuderte sie ihm entgegen. Zu meinem Schrecken erkannte ich beim Aufblitzen der Explosion den Unteroffizier Teilengerdes, der unbemerkt vorgelaufen und �ber einen Draht gestolpert war. Gl�cklicherweise blieb er unverletzt. Gleichzeitig ert�nte neben uns das sch�rfere Krachen englischer Handgranaten, und das Schrapnellfeuer verst�rkte sich zu unangenehmer Dichte.

Meine Sch�tzenlinie zerflatterte und verschwand in der Richtung auf den Steilhang, der unter schwerem Feuer lag, w�hrend ich mit Teilengerdes und drei Getreuen meinen Platz behielt. Pl�tzlich stie� mich einer an: „Die Engl�nder!“

Wie eine Vision bohrte sich sekundenlang auf der nur durch stiebende Funken erhellten Wiese eine Doppelschnur knieender Gestalten in mein Auge, sich gerade erhebend und avancierend. Ich erkannte deutlich die Figur des Offiziers am rechten Fl�gel.

Wir sprangen auf und rannten dem Steilhang zu. Trotzdem ich �ber einen t�ckisch durchs hohe Gras gespannten Draht stolperte und mich �berschlug, kam ich doch gl�cklich an und brachte meine erregten Leute allerdings nur durch Anwendung h�chster Energie in eine auf Tuchf�hlung gedr�ngte Sch�tzenlinie.

Ich habe immer erfahren, da� in solchen Augenblicken der gew�hnliche Mann, der vollauf mit seiner pers�nlichen Gefahr besch�ftigt ist, die scheinbar unbeteiligte Sachlichkeit des F�hrers bewundert, der inmitten der tausend entnervenden Eindr�cke des Gefechts die Ausf�hrung seines Auftrages klar im Auge hat. Diese Bewunderung hebt jeden ritterlich Gesinnten �ber sich selbst hinaus und spornt ihn zu immer gr��eren Leistungen an, so da� F�hrer und Mannschaft sich aneinander zu gewaltiger Energieentfaltung entz�nden. Der moralische Faktor ist eben alles.

Schlagartig verstummte das Feuer, w�hrend ein vielfaches Knacken und Rauschen durch das Unterholz des W�ldchens glitt.

„Halt! Wer da! Parole?!“

Wir br�llten wohl f�nf Minuten lang und schrieen auch das alte Losungswort des 1. Bataillons „L�ttje Lage“, ein Ausdruck f�r Schnaps und Bier, jedem Hannoveraner gel�ufig; doch antwortete uns nur ein seltsames, unverst�ndliches Geschrei. Endlich nahm ich die Verantwortung auf mich und lie� feuern, trotzdem einige Leute behaupteten, deutsche Worte geh�rt zu haben. Meine zwanzig Gewehre fegten ihre Geschosse in das W�ldchen, die Kammern rasselten, und bald hatte sich das Geschrei dr�ben in Wimmern verwandelt. Ich hatte dabei ein flaues Gef�hl der Ungewi�heit.

Doch blitzten uns ab und zu gelbe Fl�mmchen entgegen. Einer von uns bekam einen Schulterschu� und wurde durch den Sanit�ter verbunden.

„Stopfen!“

Langsam drang das Kommando durch, und das Feuer ruhte. Die Spannung der Nerven war durch die Tat ged�mpft.

Erneutes Parolerufen und meinerseits die �berredende Aufforderung: „Come here, you are prisoners, hands up!“

Darauf dr�ben vielstimmiges Geschrei. Ein einzelner l�ste sich vom Waldsaum und kam auf uns zu. Einer beging die Dummheit, ihm „Parole!“ entgegenzurufen, worauf er stehen blieb und sich umdrehte.

„Schie�t ihn kaputt!“

Ein Dutzend Sch�sse; die Gestalt sank zusammen und glitt ins hohe Gras.

Dieser kleine Zwischenakt erf�llte uns mit einem Gef�hl der Genugtuung. Vom Waldrande erscholl wieder wirres Rufen; es klang, als ob die Angreifer sich gegenseitig ermutigten, gegen die geheimnisvollen Verteidiger vorzugehen.

In h�chster Spannung starrten wir auf den dunklen Streifen. Es begann zu d�mmern, und ein leichter Nebel stieg vom Wiesengrunde auf.

Da hob sich eine Reihe von Schatten aus dem Dunkel. F�nf, zehn, f�nfzehn, eine ganze Kette. Zitternde H�nde l�sten die Sicherungsfl�gel. Auf 50 Meter waren sie heran, 30, 15 . . . . . Feuerrr! Minutenlang knatterten die Gewehre. Funken spr�hten auf, wenn spritzende Bleikerne gegen Waffen und Stahlhelme wuchteten.

Pl�tzlich ein Schrei: „Aaaachtung, links!“ Eine Schar von Angreifern schnellte von ganz links auf uns zu, voran eine Riesengestalt mit vorgestrecktem Revolver, eine wei�e Keule schwingend.

„Linke Gruppe links schwenken!“

Die Leute flogen herum und empfingen die Ank�mmlinge stehend. Einige der Gegner, darunter der F�hrer, brachen unter den hastig abgefeuerten Sch�ssen zusammen, die anderen verschwanden spurlos, ebenso schnell wie sie gekommen waren.

Das war der Moment zum Draufgehen. Mit aufgepflanztem Seitengewehr und w�tendem Hurra st�rmten wir das W�ldchen. Handgranaten flogen in das verschlungene Gestr�pp, und im Nu waren wir wieder im Alleinbesitz unserer Feldwache, allerdings ohne den geschmeidigen Gegner gepackt zu haben.

Wir sammelten uns in einem angrenzenden Kornfeld und starrten in die blassen, �bern�chtigen Gesichter der Kameraden. Die Sonne war strahlend aufgegangen. Eine Lerche stieg hoch und �rgerte uns durch ihr Trillern. Wir waren ungef�hr in derselben Stimmung, in der man nach einer durchspielten Nacht die Karten auf den Tisch wirft, wenn die k�hle Morgenluft sich durch die aufgerissenen Fenster mit abgestandenem Zigarrenqualm vermengt.

W�hrend wir uns die Feldflaschen boten und eine Zigarette ansteckten, h�rten wir, wie sich der Gegner mit einigen laut jammernden Verwundeten durch den Hohlweg entfernte.

Ich beschlo� den Kampfplatz abzugehen. Aus der Wiese, auf der wir die Sch�tzenlinie zusammengeschossen hatten, stiegen fremdartige Rufe und Schmerzensschreie. Wir entdeckten im hohen Grase eine Reihe von Toten und drei Verwundete, die uns um Gnade anflehten. Sie schienen fest �berzeugt, von uns umgebracht zu werden.

Auf meine Frage: „Quelle nation?“ antwortete einer: „Pauvre Radschput!“

Wir hatten Inder vor uns, weit �bers Meer gekommen, um sich bei diesem gottverlassenen St�ck Erde an Hannoverschen F�silieren die Sch�del einzurennen.

Die zierlichen Gestalten waren �bel zugerichtet. Auf diese kurzen Entfernungen besitzt das Infanteriegescho� Sprengwirkung. Keiner hatte weniger als zwei Sch�sse bekommen. Wir nahmen sie auf und schleppten sie zu unserem Graben. Da sie schrieen, als ob sie am Spie� st�ken, verstopften ihnen meine Leute den Mund und drohten mit der Faust, wodurch sie in ihrer Angst noch best�rkt wurden. Einer starb schon w�hrend des Transportes. Er wurde doch noch mitgenommen, da auf jeden Gefangenen, ob tot oder lebendig, eine Pr�mie gesetzt war. Die beiden anderen suchten unser Wohlgefallen zu gewinnen, indem sie fortw�hrend riefen: „Anglais pas bon!“ Weshalb diese Leute franz�sisch sprachen, ist mir nicht recht klar geworden.

Im Graben wurden wir von der Kompagnie, die den L�rm des Kampfes geh�rt und schweres Absperrungsfeuer bekommen hatte, mit Jubel empfangen und unsere Beute geb�hrend bestaunt. Ich zog mich mit Kius, der gleich ein halbes Dutzend Aufnahmen machte, in unsere H�tte zur�ck und lie� mich von ihm zur Feier des Tages mit Spiegeleiern bewirten.

Unsere Leistung erregte berechtigtes Aufsehen und wurde im Divisionstagesbefehl lobend besprochen. Wir hatten mit 20 Mann einer um das Mehrfache �berlegenen Abteilung, die uns schon in den R�cken gekommen war, siegreich widerstanden. Ein solcher Erfolg ist nat�rlich nur durch eine gl�nzend disziplinierte Truppe von hoher moralischer Qualit�t zu erzielen.

Ich selbst konnte mir mit Befriedigung sagen, da� ich durch �berlegenheit �ber die Situation und pers�nliche Einwirkung auf meine Leute dem feindlichen F�hrer eine arge Entt�uschung und ein fr�hzeitiges Grab bereitet hatte. Wir beiden hatten unsere F�higkeiten in derselben Weise gemessen, wie es bei kleinen Offiziers�bungen in der Garnison �blich ist; nur hatten wir nicht mit Platzpatronen geschossen.

Sollte ein Angeh�riger der 1st Hariana Lancers diese Zeilen lesen, so sei ihm hier meine Achtung ausgesprochen f�r eine Truppe, die solche F�hrer ihr eigen nennt wie diesen Oberleutnant, gegen den ich die Ehre hatte zu k�mpfen.

Was sagt Nietzsche vom Kriegsvolke? „Ihr d�rft nur Feinde haben, die zu hassen sind, aber nicht Feinde zum Verachten. Ihr m��t stolz auf Euren Feind sein, dann sind die Erfolge des Feindes auch Eure Erfolge.“

Am n�chsten Abend bekam ich Befehl, die Feldwache, bei der sich tags�ber der Sichtverh�ltnisse wegen niemand aufhalten konnte, wieder zu besetzen. Kius und ich fa�ten mit 50 Mann zangenf�rmig um das Geh�lz und trafen am Steilhange zusammen. Vom Feinde war nichts zu bemerken, nur aus dem Hohlwege, den ich mit dem Feldwebel Hackmann erkundet hatte, rief uns ein Posten an, scho� eine Leuchtkugel ab und feuerte. Wir merkten uns den unvorsichtigen jungen Mann f�r unseren n�chsten Ausflug vor.

An der Stelle, wo wir in der vorigen Nacht den Flankenangriff abgeschlagen hatten, lagen drei Leichen. Es waren zwei Inder und ein wei�er Offizier mit zwei goldenen Sternen auf den Achselst�cken, also ein Oberleutnant. Er hatte einen Schu� ins Auge bekommen. Das Gescho� hatte die entgegengesetzte Schl�fe durchbohrt und den Rand seines Stahlhelmes zerschmettert, der sich heute in meiner Sammlung derartiger Dinge befindet. Seine Rechte hielt noch die von eigenem Blut bespritzte Keule, die Linke einen gro�en, sechssch�ssigen Coldrevolver umspannt, dessen Trommel nur noch zwei scharfe Patronen enthielt.

Meine Leute pl�nderten die Gefallenen. Dieser Anblick hat mich immer unangenehm ber�hrt, doch mischte ich mich nicht ein, da die Sachen doch nur dem Verderben ausgesetzt waren, und �sthetische oder moralische Bedenken mir in dem dunklen Wiesengrund �ber dem noch die ganze rohe Unerbittlichkeit des Kampfes schwebte, nicht recht am Platze schienen.

In den n�chsten Tagen machte sich noch eine Anzahl im Unterholz des W�ldchens verborgener Leichen bemerkbar, ein Zeichen der schweren Verluste der Gegner, das den Aufenthalt auf Feldwache noch weniger einladend machte. Als ich mich einmal allein durch das Gestr�pp arbeitete, fiel mir ein merkw�rdiges, zischendes und sprudelndes Ger�usch auf. Ich trat n�her und stie� auf zwei Leichname, die infolge der Hitze zu einem gespenstischen Leben erwacht schienen.

Am Abend des 19. Juni ging ich mit dem kleinen Schultz, zehn Mann und einem leichten Maschinengewehr von dem allm�hlich etwas beklemmenden Orte auf Patrouille aus, um dem Posten, der sich neulich so forsch im Hohlweg bemerkbar gemacht hatte, einen Besuch abzustatten. Schultz ging mit seinen Leuten rechts, ich links vom Hohlweg vor mit der Verabredung, uns gegenseitig beizuspringen, wenn ein Trupp Feuer bek�me. Wir arbeiteten uns kriechend, ab und zu lauschend, durch Gras und Ginstergestr�pp vor.

Pl�tzlich ert�nte das klappernde Ger�usch einer Gewehrkammer. Wir lagen wie angegossen am Boden. Jeder alte Patrouilleng�nger wird die Reihe unangenehmer Gef�hle der n�chsten Sekunden zu w�rdigen wissen.

Ein Schu� zerri� die dr�ckende Stille. Ich lag hinter einer Ginsterstaude und wartete ab. Rechts von mir warf ein Mann Handgranaten in den Hohlweg.

Schlagartig spr�hte eine Feuerlinie vor uns auf. Der ekelhaft scharfe Knall der Absch�sse verriet, da� die Sch�tzen nur wenige Meter von uns lagen. Ich sah, da� wir in eine �ble Falle geraten waren und rief zum R�ckzug. Alles sprang hoch und rannte in wahnsinniger Hast zur�ck, w�hrend auch zu unserer Linken Gewehrfeuer einsetzte. Inmitten dieses entnervenden Geknatters gab ich jede Hoffnung an heiles Zur�ckkommen auf. Das Unterbewu�tsein war in st�ndiger Erwartung eines Treffers. Der Tod hielt eine Hetzjagd ab.

Irgendwo neben uns ging eine Abteilung mit schrillem Hurr�h auf uns los. Der kleine Schultz gestand mir sp�ter, die Vorstellung gehabt zu haben, da� ein hagerer Inder messerschwingend hinter ihm her w�re und ihn schon fast am Kragen gepackt h�tte.

Einmal st�rzte ich und �ber mich hinweg der Unteroffizier Teilengerdes. Ich verlor Stahlhelm, Pistole und Handgranaten. Nur weiter! Endlich erreichten wir den schirmenden Steilhang und preschten hinunter. Zu gleicher Zeit kam der Leutnant Schultz mit seinen Leuten an. Er berichtete mir ganz au�er Atem, da� er wenigstens den frechen Posten durch Handgranaten gez�chtigt h�tte. Gleich darauf brachten zwei Leute den F�silier F. angeschleppt, der Sch�sse durch beide Beine bekommen hatte. Alle anderen waren unverwundet.

Das gr��te Ungl�ck war, da� der Mann, der das Maschinengewehr getragen hatte, ein Rekrut, �ber den Verwundeten gefallen war, und das Ding liegen gelassen hatte.

W�hrend wir noch lebhaft debattierten und eine zweite Expedition planten, setzte ein Artilleriefeuer ein, das mich genau an die Nacht vom 12. erinnerte, auch in bezug auf die heillose Verwirrung, die sofort ausbrach. Ich fand mich ohne Waffe am Steilhang allein mit dem Verwundeten, der sich mit beiden H�nden vorw�rtszog, an mich herankroch und jammerte: „Herr Leutnant, nicht allein lassen!“

Ich mu�te, so leid es mir tat, ihn liegen lassen und mich an der Aufstellung der Feldwache beteiligen. Ich sammelte die Leute in einer Reihe von Postenl�chern am Waldrande, war jedoch herzlich froh, als der Morgen d�mmerte, ohne da� sich etwas Besonderes ereignet h�tte.

In derartigen Augenblicken war ich immer wieder erstaunt und ger�hrt von dem gl�ubigen Vertrauen des Mannes auf die �berlegenheit den Offiziers �ber die Lage.

„Herr Leutnant, wo sollen wir hin? Herr Leutnant, zu Hilfe, ich bin verwundet! Wo ist der Leutnant?“

Dann F�hrer zu sein mit klarem Kopfe, birgt den sch�nsten Lohn in sich, wie die Feigheit ihre Strafe. Ich habe stets den Feigling bemitleidet, dem die Schlacht zu einer Reihe h�llischer Qualen wurde, die der Mutige in gesteigerter Lebenskraft nur als eine Kette aufregender Ereignisse betrachtete.

Die n�chste Nacht fand uns an demselben Orte mit der Absicht, unser Maschinengewehr wiederzuholen, doch verriet uns eine Reihe verd�chtiger Ger�usche beim Anschleichen, da� wieder eine starke Besatzung lauern mu�te.

Es wurde daher beschlossen (ein Ehrenstandpunkt, der wie so mancher andere im Kriege uns innerlich fluchen machte), die verlorene Waffe mit Gewalt wiederzuerobern. Wir sollten um 12 Uhr nachts nach einer Feuervorbereitung von drei Minuten die feindlichen Postierungen angreifen und das Gewehr suchen.

Ich machte gute Miene zum b�sen Spiel und scho� am Nachmittage selbst einige Batterien ein.

Um 11 Uhr fand ich mich mit meinem Ungl�ckskameraden Schultz wieder auf dem unheimlichen St�ck Erde, auf dem mir schon so manche wilde Stunde gebl�ht hatte. Der Verwesungsgeruch in der schw�len Luft war kaum mehr auszuhalten. Wir �berstreuten die Leichen mit Chlorkalk, den wir in S�cken mitgebracht hatten. Wie Leichent�cher leuchteten die wei�en Flecke aus dem Dunkel.

Das Unternehmen fing damit an, da� uns die eigenen Maschinengewehrgeschosse fortw�hrend um die Beine flogen und in den Steilhang klatschten. Deswegen entstand ein heftiger Zank zwischen mir und dem kleinen Schultz, der die Gewehre selbst eingerichtet hatte. Wir vers�hnten uns jedoch wieder, als Schultz mich hinter einem Busche im Zwiegespr�ch mit einer Flasche Burgunder entdeckte, die ich zur St�rkung f�r das bedenkliche Abenteuer mitgenommen hatte.

Zur verabredeten Zeit brauste die erste Granate heran. Sie schlug 50 Meter hinter uns ein. Ehe wir uns noch �ber diese seltsame Schie�erei verwundern konnten, sa� eine zweite neben uns auf dem Steilhange und �berschauerte uns mit einem Erdregen. Hierbei durfte ich noch nicht einmal fluchen, denn ich hatte die Gesch�tze ja selbst eingeschossen.

Nach dieser wenig ermunternden Einleitung gingen wir vor, mehr der Ehre wegen als in der Hoffnung auf Erfolg. Wir hatten das Gl�ck, da� die Posten anscheinend ihre Pl�tze verlassen hatten, sonst w�re uns wohl ein sehr unsanfter Willkomm zuteil geworden. Leider fanden wir das Maschinengewehr auch nicht.

Da wir am folgenden Tage durch Truppen einer anderen Division abgel�st wurden, hatte das Gepl�nkel ein Ende.

Wir kamen vorl�ufig nach Montbr�hain zur�ck und marschierten von dort nach Cambrai, wo wir fast den ganzen Monat Juli verlebten.

Die Feldwache ging in der auf unsere Abl�sung folgenden Nacht endg�ltig verloren.

Langemarck.

Cambrai ist ein ruhiges, vertr�umtes St�dtchen des Artois, an dessen Namen sich manche historische Erinnerung kn�pft. Enge, altert�mliche Gassen schlingen sich um das m�chtige Rathaus, verwitterte Stadttore und viele Kirchen. Wuchtige T�rme ragen aus einem Gewirr winkliger Giebel. Breite Alleen f�hren zu dem gepflegten Stadtpark, den ein Denkmal des Fliegers Bl�riot ziert.

Die Einwohner sind stille, freundliche Leute, die in den gro�en, einfach aussehenden und reich ausgestatteten H�usern ein behagliches Spie�b�rgerdasein f�hren. Viele Rentiers verbringen hier ihren Lebensabend. Das St�dtchen f�hrt mit Recht den Beinamen la ville des millionaires, denn kurz vor dem Kriege z�hlte man darin �ber 40 Million�re.

Der gro�e Krieg ri� das stille Nest brutal aus seinem Dornr�schenschlummer und verwandelte es in einen Brennpunkt riesiger Schlachten. Ein hastiges, neues Leben rasselte �ber das holperige Pflaster und klirrte gegen die kleinen Fenster, hinter denen �ngstliche Gesichter lauerten. Fremde Gesellen tranken die liebevoll gef�llten Keller leer, warfen sich in die m�chtigen Mahagonibetten und st�rten in st�ndigem Wechsel die beschauliche Ruhe der Privatiers, die nun inmitten des verwandelten Milieus an den Ecken und Haust�ren zusammenstanden, sich mit vorsichtiger Stimme Schauerm�ren und sicherste Nachrichten �ber den baldigen Endsieg der Landsleute zuraunend.

Die Leute wohnten in einer Kaserne, die Offiziere waren in der Rue-des-Liniers untergebracht. Diese Stra�e nahm w�hrend unserer Anwesenheit das Aussehen eines Studentenviertels an; allgemeine Unterhaltungen aus den Fenstern, n�chtliche Ges�nge und kleine romantische Abenteuer waren an der Tagesordnung.

Jeden Morgen r�ckten wir zum Exerzieren auf den gro�en Platz bei dem sp�ter ber�hmt gewordenen Dorfe Fontaine. Ich hatte einen sehr interessanten Dienst, denn der Oberst von Oppen hatte mir die Ausbildung des Sturmtrupps �bertragen.

Mein Quartier war �u�erst behaglich; selten lie�en meine Wirte, das freundliche Juwelierehepaar Plancot-Bourlon, mich mittags essen, ohne mir irgend etwas Gutes heraufzuschicken. Abends sa�en wir bei einer Tasse Tee zusammen, spielten und plauderten. Besonders oft wurde nat�rlich die schwer zu beantwortende Frage er�rtert, warum die Menschen Krieg f�hren m��ten.

W�hrend dieser Stunden gab der gute Monsieur Plancot mancherlei Schw�nke der allzeit m��igen und witzigen B�rger Cambrais zum besten, die in Friedenszeiten Stra�en, Weinsch�nken und Wochenmarkt in schallendes Gel�chter versetzt hatten, und die mich lebhaft an Claude Tilliers k�stlichen Onkel Benjamin erinnerten.

Am 25. Juli nahmen wir Abschied von dem lieben St�dtchen und fuhren nordw�rts nach Flandern. In den Zeitungen hatten wir gelesen, da� dort schon wochenlang ein Artilleriekampf tobte, wie ihn die Weltgeschichte noch nicht gesehen.

In Staden wurden wir unter fernem Kanonendonner ausgeladen und marschierten durch die ungewohnte Landschaft nach dem Ohndanklager. Rechts und links von der schnurgeraden Chaussee gr�nten fruchtbare, beetartig erh�hte Felder und saftige, wasserreiche, von Hecken bes�umte Wiesen. Weit verstreut lagen saubere Bauernh�fe mit niederen Stroh- oder Ziegeld�chern, an deren Mauern B�ndel von Tabakspflanzen zum Trocknen aufgeh�ngt waren. Die des Wegs kommenden Landleute waren von germanischem Typ und unterhielten sich in derber, heimatlich anmutender Sprache. Wir verbrachten den Nachmittag in den G�rten von Einzelgeh�ften, der Sicht der feindlichen Flieger entzogen. Ab und zu sausten mit weit herkommendem Gurgeln gewaltige Granaten von Schiffsgesch�tzen �ber unsere K�pfe hinweg und explodierten in der N�he. Eine schlug in einen der zahlreichen kleinen B�che und t�tete einige badende Leute vom Regiment 91.

Gegen Abend mu�te ich mit einem Vorkommando zur Stellung des Bereitschaftsbataillons abr�cken, um die Abl�sung vorzubereiten und meine Leute einzuweisen. Wir gingen durch den Houthulster Wald und das Dorf Kokuit zum Reservebataillon und wurden auf diesem Wege durch schwere Granaten einige Male „aus dem Schritt gebracht“. In der Dunkelheit h�rte ich die Stimme eines Rekruten: „Der Leutnant legt sich ja nie hin.“

„Der wei� ganz genau Bescheid,“ wurde er durch einen �lteren belehrt. „Wenn eine richtig kommt, ist er der erste, der liegt!“

Der Mann hatte meinen stets befolgten Grundsatz durchschaut. „Nimm nur Deckung, wenn es n�tig ist, dann aber pl�tzlich.“ Den Grad der Notwendigkeit kann allerdings nur der Kriegserfahrene beurteilen, der den Endpunkt der Gescho�kurve schon im Gef�hl hat, ehe der Neuling noch das leichte, ank�ndigende Flattern wahrnimmt.

Unsere F�hrer, die ihrer Sache nicht ganz sicher schienen, wanden sich durch einen endlos langen Schachtelgraben vor. So nennt man Gr�ben, die des Grundwassers wegen nicht tief gebaut, sondern mit Sands�cken und Faschinen auf den gewachsenen Boden gesetzt sind. Dann streiften wir einen unheimlich zerflederten Wald, aus dem der Erz�hlung der F�hrer zufolge vor einigen Tagen ein Regimentsgefechtsstand durch die Kleinigkeit von 1000 24-cm-Granaten vertrieben war. „Hier scheint es ja gro�z�gig zuzugehen,“ dachte ich mir dabei im stillen.

Nachdem wir kreuz und quer durch dichtes Unterholz geirrt waren, standen wir ratlos, von unseren F�hrern verlassen, auf einem schilfbewachsenen St�ck Erde, von moorigen S�mpfen eingefa�t, auf deren schwarzen Spiegeln sich das Mondlicht brach. Fortw�hrend krachte es irgendwo auf, und hochgeschleuderter Schlamm klatschte pl�tschernd ins Wasser. Endlich kam der ungl�ckliche F�hrer, auf den sich unsere ganze Wut verdichtete, zur�ck und gab an, den Weg gefunden zu haben. Er f�hrte uns jedoch wieder irre, bis zu einem Sanit�tsunterstand, �ber dem in regelm��igen, ganz kurzen Abst�nden zwei Schrapnells explodierten, die ihre Kugeln und Hohlbl�ser durch das Ge�st prasseln lie�en. Der diensthabende Arzt gab uns einen vern�nftigen Mann mit, der uns zur M�useburg, dem Sitze des Bereitschaftskommandeurs, geleitete.

Ich begab mich gleich weiter zu der Kompagnie des Regiments 225, die von der zweiten Kompagnie abgel�st werden sollte und fand nach langem Suchen im Trichtergel�nde einige zerfallene H�user, die innen unauff�llig durch Eisenbeton verst�rkt waren. Das eine war am Tage vorher durch einen schweren Treffer eingedr�ckt und die Besatzung durch die niederkrachende Dachplatte wie in einer Mausefalle zerquetscht worden.

Den Rest der Nacht brachte ich in dem �berf�llten Betonklotz des Kompagnief�hrers, eines biederen Frontschweins, zu, der sich mit seinen Ordonnanzen die Zeit mittels einer Schnapsflasche und einer gro�en Dose Schweinefleisch vertrieb und �fters diese Besch�ftigung unterbrach, um kopfsch�ttelnd dem st�ndig wachsenden Artilleriefeuer zu lauschen. Dann pflegte er die sch�nen Zeiten in Ru�land zu beseufzen und fluchte �ber die Auspumpung seines Regiments. Endlich fielen mir die Augen zu.

Der Schlaf war schwer und beklommen; die in der undurchdringlichen Dunkelheit rings um das Haus niederfallenden Brisanzgranaten riefen inmitten der toten Landschaft ein unbeschreibliches Gef�hl der Einsamkeit und Verlassenheit hervor. Ich schmiegte mich unwillk�rlich an einen Mann, der neben mir auf der Pritsche lag. Einmal wurde ich durch einen starken Sto� hochgeschreckt. Meine Leute leuchteten die W�nde ab, um nach einem Loch zu suchen. Es stellte sich heraus, da� eine leichte Granate an der Au�enwand geplatzt war.

Den n�chsten Nachmittag verbrachte ich beim Bataillonskommandeur auf der M�useburg, da ich mich noch �ber einige wichtige Fragen informieren mu�te. Andauernd schlugen neben der Befehlsstelle 15-cm-Granaten ein, w�hrend der Rittmeister mit seinem Adjutanten und dem Ordonnanzoffizier einen endlosen Skat spielte und eine Seltersflasche voll schlechten Fusels kreisen lie�. Manchmal legte er die Karten hin, um einen Melder abzufertigen oder stellte mit sorgenvoller Miene die Bombensicherheit unseres Betonklotzes zur Diskussion. Trotz seiner eifrigen Gegenreden (der Wunsch war deutlich der Vater des Gedankens) �berzeugten wir ihn, da� wir einem Treffer von oben nicht gewachsen w�ren.

Am Abend entbrannte das allgemeine Feuer zu rasender Heftigkeit, vorn stiegen in unaufh�rlicher Folge bunte Leuchtkugeln hoch. Staubbedeckte L�ufer brachten die Meldung, da� der Feind angriffe. Nach wochenlangem Trommeln wurde der Infanteriekampf eingeleitet.

Zum Stande des Kompagnief�hrers zur�ckgekehrt, wartete ich auf das Eintreffen der zweiten Kompagnie, die um 4 Uhr morgens w�hrend eines lebhaften Feuer�berfalls erschien. Ich �bernahm gleich meinen Zug und f�hrte ihn an seinen Platz, einen von den Tr�mmern eines vernichteten Hauses bedeckten Betonbau, der uns�glich verlassen inmitten eines riesigen Trichterfeldes von grauenhafter W�stheit lag.

Um 6 Uhr morgens lichtete sich der dichte flandrische Nebel und gab uns einen Ausblick auf unsere schaurige Umgebung. Gleich darauf erschien, dicht �ber dem Erdboden h�ngend, ein Schwarm feindlicher Flieger und durchforschte, Sirenensignale abgebend, das zerstampfte Gel�nde, w�hrend versprengt umherirrende Infanteristen sich in Granatl�chern zu verbergen suchten.

Eine halbe Stunde sp�ter setzte ein furchtbarer Feuer�berfall ein, der unsere Zufluchtsinsel einem taifungepeitschten Meere gleich umbrandete. Der Wald von Einschl�gen um uns verdichtete sich zu einer wirbelnden Wand. Wir hockten zusammen und erwarteten jeden Augenblick den schmetternden Treffer, der uns samt den Betonbl�cken spurlos hinwegfegen und unseren Aufenthalt der Trichterw�ste gleichmachen mu�te.

Unter derartigen gewaltigen Feuerst��en, auf die wir uns in l�ngeren Pausen vorbereiten konnten, verging der ganze Tag.

Am Abend erschien eine ersch�pfte Ordonnanz und �bergab mir einen Befehl, aus dem ich entnahm, da� die erste, dritte und vierte Kompagnie um 10.50 Uhr zum Gegensto� antreten, die zweite ihre Abl�sung erwarten und in die vordere Linie einschw�rmen sollte. Um den n�chsten Stunden gekr�ftigt entgegensehen zu k�nnen, legte ich mich nieder, nicht ahnend, da� mein Bruder Fritz, den ich noch in Hannover w�hnte, mit einer Gruppe der dritten Kompagnie durch den Feuerorkan dicht an meiner H�tte vorbei zum Sturm vorging.

Mein Schlaf wurde lange durch das Jammern eines Verwundeten gest�rt, den zwei im Trichterfelde verirrte Sachsen, die v�llig ersch�pft eingeschlafen waren, bei uns niedergelegt hatten. Als sie am n�chsten Morgen erwachten, war ihr Kamerad tot. Sie trugen ihn in das n�chste Granatloch, �berdeckten ihn mit ein paar Schaufeln Erde und entfernten sich, eines der unz�hligen einsamen und unbekannten Gr�ber des Krieges zur�cklassend.

Ich erwachte erst um 11 Uhr aus tiefem Schlummer, wusch mich in meinem Stahlhelm und schickte nach Befehlen zum Kompagnief�hrer, der zu meinem Erstaunen schon abger�ckt war, ohne mich und den Zug Kius �berhaupt benachrichtigt zu haben.

Es zeigten sich eben die Folgen davon, da� Offiziere fremder Waffengattungen, die nicht einmal „Gewehr �ber!“ kommandieren konnten, nur ihres Dienstalters wegen gleich an der Spitze von Kompagnien in die Infanterieschlacht geschickt wurden. Derartige Anciennit�tsr�cksichten mag man, wenn man nicht ohne sie auszukommen glaubt, da anwenden, wo keine Menschenleben in Frage kommen.

O, r�hret, r�hret nicht daran! Wir haben so manches Mal im Unterstand und hinterm Becher dar�ber geflucht, aber nur unter uns. Es war angenehmer, gegen das Fort Douaumont Sturm zu laufen, als gegen dieses uralte Erb�bel. Den friderizianischen Geist in hohen Ehren, aber Per�cken, Z�pfe und Rangordnung auf Kammer zu den Donnerb�chsen von 1806, wenn es noch einmal losgehen sollte.

W�hrend ich noch fluchend auf meiner Pritsche sa� und �berlegte, was ich tun sollte, erschien eine Ordonnanz vom Bataillon und �bergab mir den Befehl, sofort die achte Kompagnie zu �bernehmen.

Ich erfuhr, da� der Gegenangriff des I. Bataillons in der vorigen Nacht unter starken Verlusten zusammengebrochen war, und da� die Reste in einem vor uns liegenden W�ldchen, dem sogenannten Dobsch�tzwald, und rechts und links davon eine Verteidigungsstellung bezogen h�tten. Die achte Kompagnie hatte den Auftrag gehabt, zur Verst�rkung in das W�ldchen einzuschw�rmen, war jedoch im Zwischengel�nde unter starken Verlusten im Sperrfeuer zerstoben. Da auch der Kompagnief�hrer, Oberleutnant B�dingen, gefallen war, sollte ich die Kompagnie erneut vorf�hren.

Nachdem ich mich von meinem verwaisten Zuge verabschiedet hatte, machte ich mich mit der Ordonnanz auf den Weg quer durch die schrapnellbestreute Ein�de. Eine verzweifelnde Stimme hielt unseren geb�ckten Lauf f�r einen Augenblick an. In der Ferne winkte eine halb aus einem Trichter ragende Gestalt mit blutendem Armstumpfe. Wir wiesen auf unsere eben verlassene H�tte und hasteten weiter.

Ich fand die achte Kompagnie als ein entmutigtes, hinter einer Reihe von Betonkl�tzen hockendes H�uflein vor, das ein nochmaliges Vorgehen gegen die uns vom Dobsch�tzwald trennende Wand schwerer Einschl�ge f�r unm�glich erkl�rte. Sieben Mann meldeten sich krank.

Dagegen blieb mir nur der Beweis ad oculos �brig. Ich befahl, mir zu folgen, und sprang mitten ins Feuer hinein. Schon nach ein paar S�tzen �bersch�ttete mich eine Granate, die ihren Kegel zum Gl�ck ganz steil hochwarf, mit Erde und schleuderte mich in den n�chsten Trichter. Ich merkte jedoch bald, da� die Wut des Feuers weiter vorn geringer wurde. Nachdem ich mich 200 Meter weit vorgearbeitet hatte, sah ich mich um. Das Gel�nde war menschenleer.

Endlich tauchten zwei Mann aus Rauch- und Staubwolken auf, dann noch einer, dann wieder zwei. Mit diesen f�nf Leuten erreichte ich gl�cklich mein Ziel.

In einem halb zerschmetterten Betonklotz sa�en Leutnant Sandvo�, F�hrer der dritten Kompagnie, und der kleine Schultz mit drei schweren Maschinengewehren. Ich wurde mit lautem Hallo und einem Schluck Kognak empfangen, dann erkl�rten sie mir die Lage, die sehr wenig angenehm war. Dicht vor uns sa� der Engl�nder, rechts und links war kein Anschlu�.

Ganz unvermittelt fragte mich Sandvo�, ob ich etwas von meinem Bruder geh�rt h�tte. Man wird sich meine Gef�hle vorstellen k�nnen, als ich erfuhr, da� er den gestrigen Sturm mitgemacht habe und vermi�t sei.

Gleich darauf kam ein Mann und teilte mir mit, da� mein Bruder verwundet in einem nahen Unterstand l�ge und zeigte dabei auf ein w�stes, von entwurzelten B�umen bedecktes Blockhaus. Ich eilte �ber eine Lichtung, die unter gezieltem Gewehrfeuer lag und trat ein. Welch ein Wiedersehen! Mein Bruder lag in einem von Leichengeruch erf�llten Raum inmitten einer Menge �chzender Schwerverwundeter. Er war in einer traurigen Verfassung. Beim Sturm hatten ihn zwei Schrapnellkugeln getroffen, die eine hatte die Lunge durchschlagen, die andere das rechte Oberarmgelenk zerschmettert. Das Fieber gl�nzte ihm aus den Augen; er konnte nur mit M�he sich bewegen, sprechen und atmen. Wir dr�ckten uns die Hand und erz�hlten.

Es war mir klar, da� er nicht an diesem Orte bleiben durfte, denn jeden Augenblick konnte der Engl�nder st�rmen, oder eine Granate dem schwerbesch�digten Betonklotz den Rest geben. Der beste Bruderdienst war, ihn sofort zur�ckzuschaffen. Trotzdem Sandvo� sich gegen jede Schw�chung unserer Kampfkraft str�ubte, gab ich den f�nf mit mir gekommenen Leuten den Auftrag, meinen Bruder zum Sanit�tsunterstand „Kolumbusei“ zu schaffen und von dort Leute zur Bergung der anderen Verwundeten mitzubringen. Wir kn�pften ihn in eine Zeltbahn und steckten eine lange Stange hindurch, dann nahmen ihn zwei Mann auf die Schultern. Noch ein H�ndedruck, dann setzte sich der traurige Zug in Bewegung.

Ich sah vom Waldrande aus der schwankenden Last nach, die sich durch einen Wald kirchturmhoher Granatfontainen wand.

Nachdem ich aus den Trichtern am vorderen Waldrande noch etwas mit den langsam vordringenden Engl�ndern gepl�nkelt hatte, verbrachte ich die Nacht mit meinen Leuten und einer Maschinengewehrbedienung zwischen den Tr�mmern des Betonklotzes. Andauernd schlugen in der N�he Brisanzgranaten von ganz au�ergew�hnlicher Wucht ein, von denen mich am Abend eine um ein Haar get�tet h�tte. Gegen Morgen ratterte pl�tzlich der Maschinengewehrsch�tze los, da sich dunkle Gestalten n�herten. Es war eine Verbindungspatrouille des Infanterieregiments 76, von der er einen Mann niederstreckte. Derartige Irrt�mer kamen in diesen Tagen h�ufig vor, ohne da� man sich lange dar�ber aufhielt.

Um 6 Uhr morgens wurden wir durch Teile der neunten Kompagnie abgel�st, die mir den Befehl �berbrachten, mit meinen Leuten die Rattenburg zu besetzen. Auf dem Wege dorthin wurde mir noch ein Fahnenjunker durch Schrapnellschu� kampfunf�hig gemacht.

Die Rattenburg pr�sentierte sich uns als ein zerschossenes, mit Betonquadern ausgemauertes Haus hart an dem sumpfigen Bette des Steenbachs, das seinen Namen wahrscheinlich wohl verdiente.

Ziemlich zerm�rbt hielten wir unseren Einzug und warfen uns auf die strohbedeckten Pritschen, bis uns ein reichliches Mittagessen und die ermunternde Pfeife Tabak hinterher wieder etwas auf die Beine brachten.

In den fr�hen Nachmittagsstunden setzte eine andauernde Beschie�ung mit schweren und schwersten Kalibern ein. Von 6 bis 8 Uhr jagte eine Explosion die andere; oft wurde der Bau durch die ekelhaften St��e in der N�he einschlagender Blindg�nger ersch�ttert und drohte einzust�rzen. Als das Feuer gegen Abend verebbte, pirschte ich mich zum Sanit�tsunterstand „Kolumbusei“ und erkundigte mich bei dem Arzt, der gerade das grauenhaft zugerichtete Bein eines Sterbenden untersuchte, nach meinem Bruder. Mit Freude h�rte ich, da� er in verh�ltnism��ig guter Verfassung zur�ckgeschafft sei.

Zu sp�ter Stunde erschien mein Essentr�gertrupp und brachte der kleinen, auf 20 Mann zusammengeschmolzenen Kompagnie warmes Essen, B�chsenfleisch, Kaffee, Brot, Tabak und Schnaps. Wir a�en kr�ftig und lie�en ohne l�stigen Standesunterschied die Flasche mit „98prozentigem“ rundgehen. Dann gaben wir uns dem Schlafe hin, der durch aus dem Bachgrund aufsteigende M�ckenschw�rme, Granaten und zeitweilige Gasbeschie�ungen reichlich gest�rt wurde.

Infolgedessen schlief ich am n�chsten Morgen so fest, da� mich meine Leute nach stundenlangem, schwerstem Feuer wecken mu�ten. Sie berichteten, da� von vorn dauernd Leute zur�ckk�men mit der Angabe, die vordere Linie sei ger�umt und der Gegner im Vordringen.

Nach dem alten Soldatengrundsatz: „Gut gefr�hst�ckt, h�lt Leib und Seele zusammen“, st�rkte ich mich zun�chst, steckte mir eine Pfeife an und sah dann zu, was drau�en los war.

Ich hatte nur einen bescheidenen �berblick, da die ganze Umgebung in dichten Qualm geh�llt war. Das Artilleriefeuer wurde von Minute zu Minute gewaltiger und erreichte bald jenen H�hepunkt, auf dem die Nervenerregung, keiner weiteren Steigerung f�hig, in eine beinahe lustige Gleichg�ltigkeit umschl�gt. Andauernd prasselten Schauer von Erdklumpen auf unser Dach, zweimal wurde das Haus selbst getroffen. Brandgranaten warfen schwere, milchwei�e Wolken hoch, aus denen feurige Tropfen zur Erde rieselten. Ein St�ck dieser brennenden Masse klatschte auf einen Stein vor meinen F��en und brannte noch minutenlang weiter. Verz�gerungsgeschosse w�hlten sich dr�hnend in den Boden, flache Erdglocken hochsto�end. Gas- und Nebelschwaden krochen schwerf�llig �ber das Schlachtfeld. Kurz vor uns ert�nte Gewehr- und Maschinengewehrfeuer, ein Zeichen, da� der Feind schon nahe herangekommen sein mu�te.

Unten im Steenbachgrunde schritt eine Gruppe von Leuten durch den wechselnden Wald hochspritzender Schlammgeiser. Ich erkannte den Bataillonskommandeur, Hauptmann von Brixen, der sich mit verbundenem Arm auf zwei Sanit�ter st�tzte, und eilte nach ihm hin. Er rief mir hastig zu, da� der Feind im Vordringen sei und warnte mich vor l�ngerem Verweilen ohne Deckung.

Bald klatschten die ersten Infanteriegeschosse in die umliegenden Trichter oder zerschellten an den Mauerresten. Immer mehr fl�chtige Gestalten verschwanden hinter uns im Dunst, w�hrend rasendes Gewehrfeuer f�r die erbitterte Verteidigung der vorn Festhaltenden zeugte.

Es galt zu handeln. Ich beschlo�, die Rattenburg zu verteidigen und machte den Leuten, von denen einige bedenkliche Gesichter zogen, klar, da� ich an R�ckzug nicht im entferntesten d�chte. Die Mannschaft wurde hinter Schie�scharten verteilt, und unser einziges Maschinengewehr in eine Fenster�ffnung gestellt. Ein Trichter wurde zum Verbandplatz bestimmt, und ein Sanit�ter, der gleich reichliche Arbeit fand, hineingesetzt. Auch ich nahm ein herumliegendes Gewehr auf und hing einen Gurt Patronen um den Hals.

Da mein H�uflein sehr klein war, versuchte ich, es durch die zahlreichen f�hrungslos umherirrenden Leute zu verst�rken. Die meisten folgten willig unseren Zurufen, froh, sich anschlie�en zu k�nnen, w�hrend andere, von ihren Nerven verlassen, weiter eilten, nachdem sie einen Augenblick gestutzt hatten. In solchen F�llen h�rt jede zarte R�cksicht auf.

„Anschlagen!“ rief ich meinen Leuten zu, die vor mir im Schutze des Hauses standen, und schon fielen ein paar Sch�sse. Von den M�ndungen der Gewehre magnetisch angezogen, kamen diese in jeder Schlacht unvermeidlichen Dr�ckeberger langsam n�her, obgleich man ihren Mienen ansah, wie ungern sie uns Gesellschaft leisteten. Eine mir wohlbekannte Kasinoordonnanz versuchte, sich durch allerlei Ausfl�chte loszuwinden, ich lie� jedoch nicht locker. „Aber ich habe ja gar kein Gewehr!“ „Dann warten Sie, bis einer totgeschossen wird!“

W�hrend einer letzten gigantischen Feuersteigerung, bei der die Tr�mmer des Hauses mehrere Male getroffen wurden und die Ziegelbrocken hoch aus der Luft auf unsere Stahlhelme klirrten, wurde ich im Blitze eines furchtbaren Schlages zu Boden geworfen. Zum Erstaunen der Leute raffte ich mich unverletzt wieder hoch.

Nach diesem m�chtigen Schlu�wirbel wurde es ruhiger. Das Feuer sprang �ber uns hinweg und blieb an der Stra�e Langemarck—Bixschoote stehen. Uns war nicht wohl dabei zumute. Bislang hatten wir den Wald vor B�umen nicht gesehen, die Gefahr war so gewaltig und vielgestalt auf uns eingedrungen, da� wir uns nicht mit ihr besch�ftigen konnten. Nachdem der Sturm �ber uns hinweggebraust war, fand jeder Zeit, sich f�r das zu r�sten, was unvermeidlich kommen mu�te.

Und es kam. Die Gewehre vor uns verstummten. Die Verteidiger waren erledigt. Aus dem Qualm tauchte eine dichte Sch�tzenlinie. Meine Leute schossen, hinter den Tr�mmern kauernd, das Maschinengewehr tackte. Wie weggewischt verschwanden die Angreifer in den Trichtern und fesselten uns durch ihr Feuer. Rechts und links gingen starke Abteilungen vor. Bald waren wir von einem Kranze von Sch�tzen umgeben.

Die Lage war aussichtslos; es hatte keinen Zweck, die Mannschaft hinzuopfern. Ich gab Befehl zum R�ckzuge. Es war schwierig, die im Kampfe verbissenen Leute hochzubekommen.

Eine im Grunde lagernde Rauchwolke ausnutzend, entkamen wir, ohne bemerkt zu werden. Ich verlie� die kleine Feste als Letzter, den Leutnant H�hlemann unterst�tzend, der aus einer schweren Kopfwunde blutete und sich mit einigen Witzen �ber seine Unbeholfenheit hinwegsetzte.

Beim �berschreiten der Stra�e stie�en wir auf die zweite Kompagnie, die zur Verst�rkung vorgeschickt war. Nach kurzer Beratung beschlossen wir, stehen zu bleiben und den Gegner zu erwarten. Auch hier mu�ten wir Leute anderer Truppenteile, die den R�ckzug eigenm�chtig fortsetzen wollten, zwingen, zu bleiben. Besonders Artilleristen, Lichtsignalisten, Fernsprecher usw. waren nur durch Gewalt zu der Einsicht zu bringen, da� unter diesen Umst�nden auch sie sich mit einem Gewehr in die Sch�tzenlinie zu legen h�tten. Mit Bitten, Befehlen und Kolbenst��en schaffte ich mit Hilfe von Kius und einigen ruhigen Leuten bald Ordnung.

Dann setzten wir uns in einen angedeuteten Graben und fr�hst�ckten. Kius zog seinen unvermeidlichen Apparat hervor und photographierte. Links vor uns am Ausgang von Langemarck entstand Bewegung. Unsere Leute schossen auf umherlaufende Gestalten. Bald darauf erschien ein Unteroffizier und meldete, da� sich eine Kompagnie der Gardef�siliere an der Stra�e eingenistet und durch unser Feuer Verluste erlitten h�tte.

Ich lie� daraufhin unter starkem Gewehrfeuer bis in ihre H�he vorgehen. Einige Leute fielen, der Leutnant Bartmer von der zweiten Kompagnie wurde schwer verwundet. Kius blieb an meiner Seite, im Vorgehen sein Butterbrot zu Ende essend. Als wir die Stra�e besetzt hatten, von der das Gel�nde zum Steenbach abfiel, bemerkten wir, da� die Engl�nder im Begriff gewesen waren, dasselbe zu tun. Bis auf 20 Meter waren die ersten khakifarbenen Gestalten schon heran. Soweit das Auge blicken konnte, war das Vorgel�nde von Sch�tzenlinien und Reihenkolonnen erf�llt. Auch um die Rattenburg wimmelten sie schon herum.

Wir nutzten unser �berraschendes Erscheinen energisch aus und knallten gleich ordentlich dazwischen. Am Steenbach brach eine ganze Reihe zusammen. Einer von ihnen hatte eine Rolle Draht auf dem R�cken, von der er eine Leitung abwickelte. Andere sprangen wie die Hasen hin und her, w�hrend neben ihnen die Staubw�lkchen unserer Geschosse aufwirbelten. Ein strammer Gefreiter der achten Kompagnie legte mit der gr��ten Ruhe sein Gewehr auf einen zersplitterten Baumstumpf und scho� nacheinander vier Gegner ab. Der Rest verkroch sich in Granattrichter, um sich dort bis zur Dunkelheit verborgen zu halten. Wir hatten gut aufger�umt.

Gegen 11 Uhr schraubten sich kokardengeschm�ckte Flugzeuge auf uns herunter und wurden durch lebhaftes, von oben erwidertes Feuer vertrieben.

Gleich nach der Besetzung der Stra�e hatte ich dem Regiment gemeldet und um Unterst�tzung gebeten. Am Nachmittag kamen Infanteriez�ge, Pioniere und Maschinengewehre zur Verst�rkung. Nach der Taktik des Alten Fritzen wurde alles in die �berf�llte vordere Linie gesteckt. Ab und zu streckte der Engl�nder einige unvorsichtig �ber die Stra�e gehende Leute nieder.

Gegen 4 Uhr begann eine sehr unangenehme Schrapnellschie�erei. Die Ladungen wurden haarscharf auf die Chaussee geschleudert. Mir war klar, da� die Flieger unsere neue Widerstandslinie festgestellt hatten und uns noch schwere Stunden bevorstehen mu�ten.

Wirklich setzte bald eine gewaltige Beschie�ung mit leichten und schweren Granaten ein. Wir lagen dicht nebeneinander in dem �berf�llten, schnurgeraden Stra�engraben. Das Feuer tanzte uns vor den Augen, Zweige und Lehmklumpen pfiffen auf uns herab. Links neben mir flammte ein Feuerblitz auf, wei�en, stickigen Dampf zur�cklassend. Ich kroch auf allen Vieren zu meinem Nebenmann. Er regte sich nicht mehr. Das Blut sickerte ihm aus vielen, von schmalen, zackigen Splittern geschlagenen Wunden. Auch weiter rechts traten schwere Verluste ein.

Nach einer halben Stunde wurde es still. Wir gruben emsig tiefe L�cher in die flache Mulde des Grabens, um bei einem zweiten �berfall wenigstens Schutz gegen Splitter zu haben. Unsere Spaten stie�en dabei auf Gewehre, Koppelzeug und Patronenh�lsen aus dem Jahre 1914, ein Zeichen, da� dieser Boden nicht zum ersten Male Blut trank. W�hrend der D�mmerung wurden wir noch einmal gr�ndlich bedacht. Ich hockte neben dem Leutnant Kius in einem Sitzloch, das uns manche Schwiele gekostet hatte. Der Boden rollte wie eine Schiffsplanke unter fortw�hrenden n�chsten Einschl�gen. Wir waren auf das Ende gefa�t.

Den Stahlhelm in die Stirn gedr�ckt, zerkaute ich meine Pfeife und starrte auf die Chaussee, deren Steine unter aufspringenden Eisenbrocken Funken spr�hten. Die merkw�rdigsten Gedanken schossen mir durch den Kopf. So besch�ftigte ich mich lebhaft mit einem franz�sischen Schundroman „le vautour de la Sierra“, der mir in Cambrai in die H�nde gefallen war. Mehrere Male murmelte ich ein Wort Ariost’s: „Ein gro�es Herz f�hlt vor dem Tod kein Grauen, wann er auch kommt, wenn er nur r�hmlich, ist.“ Heute schmeckt es mir etwas nach Theater, damals half es mir, Haltung vor mir selbst zu bewahren. Wenn die Granaten dem Ohr etwas Ruhe lie�en, h�rte ich Bruchst�cke des sch�nen Liedes vom schwarzen Walfisch zu Askalon neben mir ert�nen und hielt meinen Freund Kius f�r �bergeschnappt. Jeder hat eben sein eigenes Nervenberuhigungsmittel.

Am Ende der Beschie�ung flog mir ein gro�er Splitter gegen die Hand. Kius leuchtete mit seiner Taschenlaterne. Wir stellten einen oberfl�chlichen Ri� fest.

Stunden wie die eben erlebte waren ohne Zweifel die schrecklichsten des ganzen Krieges.

Du kauerst zusammengezogen einsam in deinem Erdloch und f�hlst dich einem unbarmherzigen, blinden Vernichtungswillen preisgegeben. Mit Entsetzen ahnst du, da� deine ganze Intelligenz, deine F�higkeiten, deine geistigen und k�rperlichen Vorz�ge zur unbedeutenden, l�cherlichen Sache geworden sind. Schon kann, w�hrend du dies denkst, der Eisenklotz seine sausende Fahrt angetreten haben, der dich zu einem formlosen Nichts zerschmettern wird. Dein Unbehagen konzentriert sich auf das Geh�r, das das Heranflattern des Todbringers aus der Menge der Ger�usche zu unterscheiden sucht.

Dabei ist es dunkel. Du mu�t alle Kraft zum Aushalten aus dir allein sch�pfen. Du kannst nicht einmal aufstehen und dir mit blasiertem L�cheln eine Zigarette anz�nden, dich an den bewundernden Blicken deiner Kameraden aufrichtend. Du wirst nicht ermutigt durch deinen Freund, der sich das Monokel einklemmt, um einen Einschlag auf der Schulterwehr neben dir zu betrachten. Du wei�t, wenn es dich trifft, wird kein Hahn danach kr�hen.

Ja, warum springst du nicht auf und st�rzt in die Nacht hinein, bis du in einem sicheren Geb�sch wie ein ersch�pftes Tier zusammenbrichst? Warum h�ltst du noch immer aus, du und deine Braven? Kein Vorgesetzter sieht dich.

Und doch beobachtet dich jemand. Dir selbst vielleicht unbewu�t, wirkt der moralische Mensch in dir und bannt dich durch zwei m�chtige Faktoren am Platze: die Pflicht und die Ehre. Du wei�t, du bist zum Kampfe an diesen Ort gestellt und ein ganzes Volk vertraut darauf, da� du deine Sache machst. Du f�hlst, wenn ich jetzt meinen Platz verlasse, bin ich ein Feigling vor mir selbst, ein Lump, der sp�ter bei jedem Worte des Lobes err�ten mu�. Du bei�t die Z�hne zusammen und bleibst.

An diesem Abend hielten alle aus, die dort an der dunklen flandrischen Chaussee lagen. Man sah, da� F�hrer und Mannschaft in einem heroischen Geiste erzogen waren.

Pflicht und Ehre m�ssen die Grundpfeiler jeder Armee sein. Und dem Offizier als Vork�mpfer mu� das Gef�hl gesteigerter Pflicht und gesteigerter Ehre anerzogen werden. Dazu braucht man geeignetes Material und gewisse Formen. Das wird einem erst im Kriege ganz klar. —

Nach Mitternacht begann es zu rieseln; Patrouillen eines inzwischen eingeschw�rmten Regiments, die bis zum Steenbach vorgingen, fanden nur schlammgef�llte Trichter vor. Der Feind hatte sich hinter den Bach zur�ckgezogen.

Von den Anstrengungen dieses gewaltigen Tages ersch�pft, setzten wir uns bis auf die in Wachen eingeteilten Leute in unsere L�cher. Ich zog mir den zerfetzten Mantel meines toten Nebenmannes �ber den Kopf und verfiel in einen unruhigen Schlaf. Zur Zeit der D�mmerung erwachte ich durch ein merkw�rdig kaltes Gef�hl und entdeckte, da� ich mich in einer betr�blichen Lage befand. Es regnete in Str�men, und die Rinnsale der Stra�e ergossen sich in die Tiefe meines Sitzloches. Ich errichtete einen kleinen Damm und sch�pfte meinen Ruheort mit dem Kochgeschirrdeckel aus. Infolge des st�ndigen Steigens der Wassermenge mu�te ich meinem Erdwerke eine Krone nach der anderen aufsetzen, bis endlich der schwache Bau dem wachsenden Druck wich, und ein schmutziger Strom mein Sitzloch gurgelnd bis obenhin f�llte. W�hrend ich mich bem�hte, aus dem Schlamm Pistole und Stahlhelm zu angeln, trieben Tabak und Lebensmittel den Chausseegraben entlang, dessen �brigen Bewohnern es �hnlich ergangen war. Zitternd und frierend, ohne einen trockenen Faden am Leibe standen wir in dem Bewu�tsein, der n�chsten Beschie�ung v�llig deckungslos ausgesetzt zu sein, im Schlamm der Stra�e. Es war eine erb�rmliche Situation. Ich machte hier die Beobachtung, da� kein Artilleriefeuer die Widerstandskraft des Menschen so gr�ndlich zu brechen vermag wie N�sse und K�lte.

F�r den weiteren Verlauf der Schlacht war dieser Landregen ein wahres Gottessgeschenk, denn die englische Offensive mu�te ja dadurch gerade in den ersten, wichtigsten Tagen ins Stocken kommen. Der Gegner mu�te mit seiner Artillerie die versumpfte Trichterzone �berwinden, w�hrend wir unsere Munition auf intakten Stra�en heranrollen konnten.

Um 11 Uhr erschien, als uns schon die Verzweiflung gepackt hatte, ein rettender Engel, in Gestalt eines Meldel�ufers, der den Befehl brachte, da� sich das Regiment in Kokuit sammeln sollte.

Auf dem Wege sahen wir, wie schwierig die Verbindung nach vorn am Angriffstage gewesen sein mu�te. Die Stra�en waren bes�t von Menschen und Pferden. Neben einigen bis zur Unkenntlichkeit zerschmetterten Protzen lagen zw�lf grauenhaft verst�mmelte Pferde auf einem Haufen.

Auf einer regenfeuchten Wiese, �ber der sich die milchwei�en B�lle vereinzelter Schrapnells w�lkten, sammelten sich die Reste des Regiments. Wir wurden ersch�ttert durch den Anblick dieser kleinen Schar von der St�rke einer Kompagnie, in deren Mitte ein Gr�pplein von Offizieren stand. Welche Verluste! Von zwei Bataillonen fast alle Offiziere und Mannschaften. D�steren Blicks standen die �berlebenden im str�menden Regen, bis die Quartiere angewiesen waren. In einer Holzbaracke trockneten wir uns, um einen gl�henden Ofen geschart, und fa�ten bei einem kr�ftigen Fr�hst�ck wieder frischen Lebensmut. Die menschliche Natur ist eben unverw�stlich.

Gegen Abend schlugen Granaten ins Dorf. Eine der Baracken wurde getroffen und eine Reihe von Leuten der dritten Kompagnie get�tet. Trotz der Beschie�ung legten wir uns bald nieder mit der einzigen Hoffnung, nicht zum Gegenangriff oder pl�tzlicher Verteidigung wieder in den Regen hinausgeworfen zu werden.

Um 3 Uhr morgens kam der Befehl zum endg�ltigen Abr�cken. Wir marschierten �ber die mit Leichen und zerschossenen Wagen bestreute Chaussee nach Staden. Um den Krater eines riesigen Einschlages herum lagen allein zw�lf Tote. Staden, das bei unserer Ankunft noch so belebt gewesen war, wies schon viele zerschossene H�user auf. Der ver�dete Marktplatz war mit fortgeworfenem Hausger�t bes�t. Eine Familie verlie� mit uns das St�dtchen, als einzigen Besitz eine Kuh hinter sich herziehend. Der Mann hatte ein Stelzbein, die Frau hielt die weinenden Kinder an der Hand. Der wirre L�rm im R�cken erh�hte das Traurige des Bildes.

Die �berreste des II. Bataillons wurden in einem einsamen Hof untergebracht, der sich inmitten saftiger, hochaufgeschossener Felder hinter dichten Hecken verbarg. Dort wurde mir die F�hrung der siebenten Kompagnie �bertragen, mit der ich bis zum Schlu� des Krieges Freud und Leid teilen sollte.

Am Abend sa�en wir vor dem mit alten Kacheln ausgelegten Kamin, st�rkten uns durch einen steifen Grog und lauschten dem wieder auflebenden Donner der Schlacht. Aus dem Heeresbericht einer neuen Zeitung sprang mir der Satz in die Augen: „Es gelang uns, den Feind an der Steenbachlinie aufzuhalten.“

Es war seltsam, zu empfinden, da� unser scheinbar wirres Tun in finsterer Nacht weltgeschichtliche Bedeutung erlangt hatte. Wir hatten ein gut Teil dazu beigetragen, die mit so gewaltigen Kr�ften begonnene feindliche Offensive zum Stillstand zu bringen.

Bald begaben wir uns zur Ruhe auf den Heuboden. Trotz des ausgiebigen Schlaftrunkes phantasierten die meisten Schl�fer und w�lzten sich hin und her, als ob sie die Flandernschlacht noch einmal durchk�mpfen m��ten.

Am 3. Juli setzten wir uns, reichbeladen mit Vieh und Feldfr�chten der verlassenen Gegend nach dem Bahnhof des nahen St�dtchens Gits in Marsch. In der Bahnhofskneipe trank das ganze zusammengeschrumpfte Bataillon schon wieder in gl�nzender Stimmung Kaffee, den zwei derbe fl�mische Kellnerinnen zum allgemeinen Vergn�gen mit sehr gewagten Redewendungen w�rzten. Besonderen Spa� machte es den Leuten, da� sie nach Landesbrauch jeden, auch die Offiziere, mit „du“ traktierten.

*                    *
*

Nach einigen Tagen erhielt ich aus einem Gelsenkirchener Lazarett einen Brief meines Bruders. Er schrieb, da� er wohl einen steifen Arm und eine klapprige Lunge behalten w�rde.

Ich entnehme seinem Tagebuch folgende Zeilen, die meinen Bericht erg�nzen und die Eindr�cke eines in das Tosen der Materialschlacht geworfenen Neulings anschaulich wiedergeben:

„— — Antreten zum Sturm!“ Das Gesicht meines Zugf�hrers und Vizefeldwebels Schnell beugte sich �ber den Eingang der kleinen laub- und bretter�berdachten H�hle, in der wir seit Stunden rauchend und essend lagen. Die drei Leute neben mir beendeten ihr Gespr�ch und rafften sich fluchend auf. Ich erhob mich, schnallte um, r�ckte den Stahlhelm fest und trat in die D�mmerung hinaus.

Es war neblig und k�hl. Das Bild hatte sich inzwischen ver�ndert. Das Granatfeuer hatte sich verzogen und lagerte dumpfdonnernd auf anderen Teilen des riesigen Schlachtfeldes. Flugzeuge durchknatterten die Luft und beruhigten das �ngstlich sp�hende Auge durch ihre gro�en eisernen Kreuze.

Ich lief noch einmal zu einem Brunnen, der zwischen Tr�mmern und Schutt sich merkw�rdig klar erhalten hatte, zog den Eimer hoch, trank und f�llte meine Feldflasche.

Die Leute der Kompagnie traten in Z�gen an. Ich hakte mir eilig vier Handgranaten in das Koppel und begab mich zu meiner Gruppe, von der zwei Mann nicht zur Stelle waren. Kaum hatte ich noch Zeit, die Namen aufzuschreiben, als alles sich in Bewegung setzte. In Reihen zu einem bewegten sich die Z�ge durch das Trichtergel�nde, umbogen Balken, pre�ten sich an Hecken, tauchten in Tiefen unter und wanden sich klirrend und polternd auf den Feind zu.

Ich war mir meines Auftrages klar bewu�t. Das zweite Bataillon unseres Regiments und ein Bataillon des Nachbarregiments hatten den Befehl, englische Abteilungen, die �ber den Kanal gesto�en waren, zur�ckzuwerfen. Mir war zugedacht, mit meiner Gruppe vorn liegen zu bleiben und den Gegensto� aufzufangen.

W�hrend ich all dieses noch einmal �berlegte, traf mein Blick auf das blasse, entschlossene Gesicht eines jungen Unteroffiziers. „Bachmann“, dachte ich, obgleich ich ihn nicht kannte. Es war mein Kamerad, Fahnenjunker-Unteroffizier, ebenfalls bei der Kompagnie Sandvo�. Ich verlor ihn aus dem Gesicht und betrachtete staunend die Landschaft, die sich pl�tzlich vor unseren Augen entwickelt hatte.

Wir waren vor den Tr�mmern eines Dorfes angekommen. Aus der schrecklich zernarbten Ebene Flanderns ragten schwarz und zersplittert die astlosen St�mpfe einzelner B�ume, �berreste eines gro�en Waldes. Ungeheure Rauchschwaden zogen durch die Luft und verh�ngten den Himmel mit d�sterem, schwerem Gew�lk. �ber der kahlen Erde, so unbarmherzig zerrissen und wieder zerrissen, schwelten stinkende Gase, die gelb und braun tr�ge umherwanderten.

Es wurde Gasbereitschaft befohlen. In diesem Augenblick setzte schlagartig ein ungeheures Feuer ein. Erde sprang auf in fauchenden Font�nen, und ein Hagel von Splittern fegte wie ein Regenschauer das Land. Einen Augenblick stand jeder erstarrt. Dann st�rzte alles wie rasend auseinander. Einmal noch h�rte ich unverst�ndlich die br�llende Stimme unseres Bataillonskommandeurs, Rittmeister B�ckelmann.

Meine Leute waren verschwunden, ich befand mich in einem anderen Zuge und dr�ngte mich mit den anderen nach den Tr�mmern eines Dorfes, das die unerbittlichen Granaten bis auf die Grundmauern rasiert hatten. Wir rissen die Gasmasken heraus.

Mit einem Schlage setzte ein tolles Maschinengewehrfeuer ein. Alles warf sich nieder. Links neben mir kniete der Leutnant Ehlers, neben ihm lag sp�hend ein Unteroffizier. Vor uns flackerte gelb eine Feuerwand, Detonation folgte auf Detonation; H�userreste, ein Schauer von Erdklumpen, Ziegelst�cken und Eisensplittern hagelte auf uns herab und schlug helle Funken aus den Stahlhelmen. Ich starrte in diesen gl�henden Hexenkessel hinein.

Was war dagegen das halbst�ndige Trommelfeuer, das diesen verfehlten Angriff vorbereitet hatte. Denn da� er verfehlt war, war mir klar wie eine Vision. Zweimal verschlang ein ungeheuerlicher Krach in kurzen Zwischenr�umen das Toben. Ganze Schuttfelder flogen in die Luft, wirbelten durcheinander und st�rzten mit h�llischem Prasseln nieder.

Auf eine schreiende Aufforderung Ehlers’ schaute ich nach rechts. Er erhob die linke Hand, winkte nach hinten, rief und sprang vor. Ich stand schwerf�llig auf und folgte laufend. Meine F��e brannten von der vorhergehenden Nacht noch immer wie Feuer, das Blut war jedoch von den Str�mpfen aufgesogen und der stechende Schmerz hatte nachgelassen.

Ich hatte keine zwanzig Schritt gemacht, da blendete mich, als ich aus einem Trichter wieder auftauchte, das brennende Licht eines Schrapnells, das keine zehn Schritt vor mir in drei Meter H�he auseinandersprang. Ich f�hlte zwei dumpfe Schl�ge gegen Brust und Schulter. Automatisch fiel mir das Gewehr aus der Hand, ich brach, den Kopf nach hinten, zusammen und kollerte in den Trichter zur�ck. Verschwommen h�rte ich noch die Stimme Ehlers, der im Vorbeilaufen rief: „Den hat’s erwischt.“

Er sollte den n�chsten Tag nicht beenden. Der Vorsto� mi�lang, und er wurde beim Zur�ckspringen mit all seinen Begleitern get�tet. Ein Schu� durch den Hinterkopf setzte dem Leben dieses tapferen Offiziers ein Ende.

Als ich nach einer langen Ohnmacht erwachte, war es ruhig geworden. Ich versuchte mich aufzurichten, empfand jedoch heftigen Schmerz in der rechten Schulter, den jede Bewegung des Armes verst�rkte. Der Atem ging kurz und sto�weise, die Lunge konnte nicht genug Luft schaffen. „Prellschu� an Lunge und Schulter“, dachte ich, warf Sturmgep�ck, Koppel und in einem Zustande v�lliger Apathie auch die Gasmaske fort. Den Stahlhelm behielt ich auf und h�ngte die Feldflasche an den Taillenhaken.

Nach f�nf Schritten blieb ich in einem Nebentrichter regungslos liegen. Nach vielleicht einer Stunde versuchte ich das zweite Mal fortzukriechen, da das Feld schon wieder von leichten Trommelfeuern �berschauert wurde. Auch dieser Versuch mi�lang; ich verlor meine Feldflasche und versank in eine unendliche Ersch�pfung, aus der mich nach langer Zeit das Gef�hl brennenden Durstes erweckte.

Es begann leise zu regnen. Mit dem Stahlhelm gelang es mir, ein wenig schmutziges Wasser zu sammeln. Ich hatte jede Orientierung verloren. Ein Gewitter zog auf, seine Donnerschl�ge wurden �bert�nt von dem einsetzenden L�rm eines neuen Trommelfeuers. Ich dr�ckte mich an die Trichterwand. Ein Lehmklumpen traf meine Schulter, schwere Splitter fegten �ber meinen Kopf dahin. Allm�hlich verlor ich auch den Sinn f�r die Zeit.

Einmal tauchten zwei Leute auf, die in langen Spr�ngen �ber das Feld setzten. Ich rief sie an; sie verschwanden, ohne auf mich zu h�ren wie Schatten in den Nebeln. Endlich kamen drei Leute gerade auf mich zu. Ich erkannte in dem mittleren den Unteroffizier vom Tage vorher. Sie nahmen mich mit zu einer kleinen H�tte, die in der N�he stand, vollgestopft von Verwundeten, die von zwei Sanit�tern gepflegt wurden. Ich hatte 13 Stunden im Trichter gelegen.

In einer Ecke erkannte ich Bachmann, der, seinen Schmerz verbei�end, krampfhaft sein zerschossenes Knie hielt. Wir unterhielten uns abgebrochen; manchmal, wenn jemand ihn anstie�, st�hnte er leise.

Fortw�hrend arbeitete das gewaltige Feuer fort. Granate auf Granate schlug neben uns ein, h�ufig das Dach mit Sand und Erde �bersch�ttend. Man verband mich, gab mir eine neue Gasmaske, ein Brot mit grober, roter Marmelade und ein wenig Wasser. Der Sanit�ter sorgte f�r uns wie ein Vater.

Die Engl�nder begannen vorzudringen. Sprungweise n�herten sie sich und verschwanden in den Trichtern, wie ich aus drau�en erschallenden �ngstlichen Ausrufen schlo�.

Dann trat mein Kompagnief�hrer, der Leutnant Sandvo� ein, fragte mich, ob ich gehen k�nnte und verschwand, von einer Ordonnanz abberufen. Gleich darauf h�rte ich seine befehlende Stimme, Maschinengewehre wurden umpostiert und begannen zu tacken.

Pl�tzlich st�rzte von den Schuhen bis zum Stahlhelm mit Lehm beschmiert ein junger Offizier, mit dem E. K. I auf der Brust, herein. Es war mein Bruder, der unten schon am vorigen Tage totgesagt war. Wir begr��ten uns, ein wenig seltsam und ger�hrt l�chelnd. Nach wenigen Minuten verlie� er mich und brachte die letzten f�nf Leute seiner Kompagnie herbei. Ich wurde auf eine Zeltbahn gelegt und unter dem Donner der Gesch�tze vom Schlachtfelde getragen. —

Regni�ville.

Am 4. Juli 1917 stiegen wir in dem ber�hmten Mars-la-tour aus. Die siebente und achte Kompagnie kam in Doncourt unter, wo wir einige Tage lang ein ganz beschauliches Leben f�hrten. Nur brachten mich die knappen Verpflegungss�tze in manchen Konflikt. Es war streng verboten, in den Feldern zu furagieren, trotzdem meldeten mir fast jeden Morgen die Feldgendarmen einige Leute, die sie beim n�chtlichen Kartoffelroden angetroffen hatten und deren Bestrafung ich nicht umgehen konnte.

Am 9. wurde die Kompagnie durch den Divisionskommandeur, Generalmajor von Busse, besichtigt, der uns sein Lob f�r gutes Verhalten im Gefecht aussprach. Am n�chsten Nachmittag wurden wir verladen und fuhren bis in die N�he von Thiaucourt. Von dort marschierten wir gleich in unsere neue Stellung, die sich auf den waldreichen H�hen der C�te Lorraine gegen�ber dem zerschossenen, aus manchem Tagesbefehl bekannten Dorfe Regni�ville hinzog. Am ersten Morgen besah ich meinen Abschnitt, der mir reichlich lang f�r eine Kompagnie vorkam und aus einem un�bersichtlichen Gewirre zum Teil halbverfallener Gr�ben bestand. Auch die vordere Linie war an vielen Stellen durch die in dieser Stellung �blichen schweren, dreibeinigen Fl�gelminen eingeebnet. Mein Stollen lag um 100 Meter zur�ck in dem sogen. Verkehrsgraben, nahe der aus Regni�ville herausf�hrenden Stra�e. Zum ersten Male seit langer Zeit lagen wir wieder Franzosen gegen�ber.

Die Grabenw�nde bestanden aus Kalkstein, einem Material, das der Witterung bedeutend mehr widerstand als der gewohnte Lehmboden. Stellenweise war der Graben sogar sorgf�ltig ausgemauert und die Sohle auf lange Strecken betoniert, so da� selbst die st�rksten Regenmassen leicht ablaufen konnten. Der r�tlich-wei�e Fels wimmelte von Fossilien. Jedesmal, wenn ich den Graben durchschritt, kam ich mit Taschen voll Muscheln, Seesternen und Ammonsh�rnern in den Unterstand zur�ck.

Mein Stollen war tief und tropfig. Er hatte eine Eigenschaft, die mir wenig Freude machte, trotzdem ich sonst leidenschaftlicher Entomologe bin. Es kamen n�mlich in dieser Gegend statt der �blichen L�use die viel beweglicheren Verwandten vor. Diese beiden Arten stehen anscheinend in demselben feindschaftlichen Verh�ltnis zueinander wie Wander- und Hausratte. Hier half nicht einmal der gewohnte W�schewechsel, denn die sprunggewandten Schmarotzer lauerten t�ckisch im Stroh der Lagerst�tte. Der zur Verzweiflung getriebene Schl�fer ri� endlich seine Decken heraus und konnte mit Mephisto sprechen:

Ich sch�ttle einmal noch den alten Flaus,

Noch einer flattert hier und dort hinaus,

Hinauf, umher in hunderttausend Ecken,

Eilt Euch, ihr Liebchen zu verstecken.

Auch die Verpflegung lie� viel zu w�nschen �brig. Au�er der d�nnen Mittagssuppe gab es nur ein Drittel Brot mit einer l�cherlich kleinen Beilage, die meist aus halbverdorbener Marmelade bestand. Die H�lfte davon fra� mir jedesmal eine fette Ratte auf, der ich oft vergeblich nachstellte.

Die Reserve- und Ruhekompagnie hielten sich in tief im Walde versteckten, romantisch gelegenen Blockhaus-Siedlungen auf. Besonders gefiel mir mein Quartier in der Reservestellung, dem Stumpflager, das im toten Winkel an den Hang einer engen Waldschlucht geklebt war. Ich hauste dort in einer winzig kleinen, halb in den Hang eingebauten H�tte, die dicht von Haselnu�str�uchern und Kornelkirschen umfa�t war. Das Fenster bot einen Ausblick auf den gegen�berliegenden bewaldeten Bergr�cken und einen schmalen bachdurchflossenen Wiesenstreifen im Grunde. Eine an der R�ckwand aufgestapelte Kollektion von Flaschen aller Sorten verriet, da� hier schon mancher Einsiedler beschauliche Stunden verbracht haben mu�te, und auch ich bem�hte mich, des Ortes ehrw�rdigen Brauch nicht zu vernachl�ssigen. Wenn abends die Nebel aus dem Grunde stiegen, sich mit dem schweren, wei�en Qualm meines Holzfeuers mischten, und ich bei offener T�re im ersten D�mmer zwischen der frischen Herbstluft und der W�rme des Feuers hockte, schien mir nur ein Getr�nk dazu passend: Rotwein mit Eierkognak zur H�lfte in einem bauchigen Glase. Diese intimen Feiern tr�steten mich auch �ber die Tatsache, da� ein vom Ersatz-Bataillon gekommener, dienst�lterer Herr meine Kompagnie �bernommen hatte, und ich als Zugf�hrer wieder den langweiligen Grabendienst verrichtete. Ich suchte die endlosen Wachen nach alter Gewohnheit durch h�ufige Patrouillen zu umgehen.

Am 24. August wurde der tapfere Rittmeister B�ckelmann durch einen Granatsplitter verwundet, der dritte Bataillons-Kommandeur, den das Regiment innerhalb kurzer Zeit verlor. — Am 29. stattete ich mit dem Unteroffizier Kloppmann, dem t�chtigsten Angeh�rigen der siebenten Kompagnie, der feindlichen Linie einen Besuch ab.

Wir krochen auf eine L�cke des feindlichen Hindernisses zu, die Kloppmann in der Nacht vorher geschnitten hatte. Zu unserer unangenehmen �berraschung war der Draht geflickt; trotzdem durchschnitten wir ihn wieder mit ziemlichem Ger�usch und stiegen in den Graben. Wir kauerten uns hinter der n�chsten Schulterwehr nieder und lauschten. Nach einer viertelst�ndigen Lauerpause schlichen wir weiter, einen Telephondraht verfolgend, der bei einem in die Erde gesteckten Seitengewehr endigte. Wir fanden die Stellung mehrfach durch Draht und einmal durch eine gitterf�rmige T�r versperrt, doch unbesetzt. Nachdem wir alles genau angesehen hatten, gingen wir denselben Weg zur�ck und verspannen die L�cke wieder sorgf�ltig, um unseren Besuch nicht zu verraten.

Am n�chsten Abend spionierte Kloppmann wieder um die Stelle herum, wurde jedoch mit Gewehrsch�ssen und zitronenf�rmigen Handgranaten, den sogen. „Enteneiern“, empfangen, deren eine dicht neben seinem in den Boden gepre�ten Kopf niederfiel ohne zu krepieren. Er mu�te schleunigst Fersengeld geben.

Am 10. September begab ich mich vom Stumpflager zum Regiments-Gefechtsstand, um Urlaub einzureichen. „Ich habe schon an Sie gedacht,“ erwiderte mir der Oberst von Oppen, „das Regiment mu� jedoch eine gewaltsame Patrouille machen, deren F�hrung Sie �bernehmen sollen. Suchen Sie sich die geeigneten Leute aus und �ben Sie mit ihnen unten im Souloeuvre-Lager.“

Wir sollten an zwei Stellen in den feindlichen Graben eindringen und versuchen, Gefangene zu machen. Die Patrouille zweigte sich in drei Teile, zwei Sto�trupps und eine Sicherheitsbesatzung, die die erste Linie besetzen und uns den R�cken decken sollte. Ich �bernahm die F�hrung des linken Trupps, den rechten bekam der Leutnant v. Kienitz. Die Leute setzten sich nur aus Freiwilligen zusammen; einige �berz�hlige weinten fast, als ich sie zur�ckwies. Mein Trupp bestand, mich eingerechnet, aus 14 Mann, darunter der F�hnrich v. Zglinitzky, Unteroffizier Kloppmann, Unteroffizier Mevius, Unteroffizier Dujesiefken und zwei Pioniere. Die tollsten Draufg�nger des zweiten Bataillons hatten sich zusammengefunden.

Zehn Tage lang trainierten wir uns im Werfen von Handgranaten und f�hrten unser Unternehmen an einem der Wirklichkeit nachgebildeten Sturmwerk aus. Es war ein Wunder, da� ich bei dem �bereifer meiner Leute nur drei schon vorher durch Splitter Verletzte hatte. Im �brigen taten wir keinen Dienst, so da� ich am Nachmittag des 22. Septembers als Meister einer verwilderten, aber brauchbaren Bande zur zweiten Stellung zog, in der wir f�r die Nacht untergebracht werden sollten.

Abends pilgerten v. Kienitz und ich durch den dunklen Wald zum Bataillons-Gefechtsstand, da wir vom Bataillons-Kommandeur, Rittmeister Schumacher, zu einer Henkersmahlzeit geladen waren. Dann legten wir uns in unserem Stollen schlafen. Es ist ein merkw�rdiges Gef�hl, wenn man wei�, da� man am n�chsten Morgen einen Kampf auf Leben und Tod zu bestehen hat und vorm Einschlafen noch eine Zeit lang in sich hineinhorcht.

Um 3 Uhr wurden wir geweckt, standen auf, wuschen uns und lie�en das Fr�hst�ck zurechtmachen. Ich hatte gleich einen t�chtigen �rger, da mir mein Bursche die Spiegeleier, die ich mir zur St�rkung und Feier des Tages leisten wollte, vollkommen versalzen hatte.

Wir schoben die Teller zur�ck und sprachen zum hundertsten Male alle Einzelheiten durch, die uns begegnen konnten. Zwischendurch boten wir uns gegenseitig Cherry Brandies an, w�hrend v. Kienitz einige uralte Witze zum Besten gab. Zwanzig Minuten vor f�nf nahmen wir die Leute zusammen und f�hrten sie in die Bereitschaftsbunker der vorderen Linie. Es waren schon L�cken in den Draht geschnitten und lange, mit Kalkmehl gestreute Pfeile wiesen auf unsere Angriffspunkte. Wir trennten uns mit einem H�ndedruck und harrten der Dinge, die da kommen sollten.

Ich war vollkommen in Dre�: Vor der Brust zwei Sands�cke mit je vier Stielhandgranaten, links mit Aufschlag-, rechts mit Brennz�nder, in der rechten Rocktasche eine Pistole 08 am langen Bande, in der rechten Hosentasche eine kleine Mauserpistole, in der linken Rocktasche f�nf Eier-Handgranaten, in der linken Hosentasche Leuchtkompa� und Trillerpfeife. Am Koppel Karabinerhaken zum Abrei�en der Handgranaten, Dolch und Drahtschere. In der inneren Brusttasche steckte eine gef�llte Brieftasche und meine Heimatadresse, in der hinteren Rocktasche eine platte Flasche voll Cherry Brandy. Achselklappen und Gibraltarband hatten wir abgelegt, um dem Gegner keinen Aufschlu� �ber unsere Herkunft zu geben. Als Erkennungszeichen trugen wir an jedem Arm eine wei�e Binde.

Vier Minuten vor f�nf setzte bei der linken Nachbardivision Ablenkungsfeuer ein. Punkt 5 Uhr brach schlagartig unser Artillerie- und Minenfeuer los. Ich stand mit dem Unteroffizier Kloppmann vorm Stolleneingang und rauchte eine letzte Zigarre; wir mu�ten jedoch wegen zahlreicher Kurzsch�sse Deckung nehmen. Mit der Uhr in der Hand z�hlten wir die Minuten.

Punkt 5.05 Uhr ging es aus dem Stollen heraus und auf den vorbereiteten Wegen durchs Hindernis. Ich rannte, eine Handgranate hochhebend, voran und sah auch die rechte Patrouille in der ersten D�mmerung vorst�rmen. Das feindliche Verhau war schwach; ich �bersprang es in zwei S�tzen, stolperte aber �ber eine dahintergezogene Drahtwalze und st�rzte in einen Trichter, aus dem mich die Unteroffiziere Kloppmann und Mevius hervorzogen. „Rin!“ Wir sprangen in die erste Linie, ohne auf Widerstand zu sto�en, w�hrend rechts ein krachender Handgranatenkampf begann. Ohne uns darum zu k�mmern, setzten wir �ber die den n�chsten Graben absperrende Sandsackbarrikade und sprangen von Trichter zu Trichter vor, bis wir zwei Reihen Spanischer Reiter erreichten, die uns von der zweiten Linie trennten. Da diese vollkommen zerst�rt war und keine Hoffnung auf Gefangene gab, eilten wir, ohne uns aufzuhalten, durch einen verbarrikadierten Laufgraben weiter vor.

Bei der Einm�ndung in die dritte Linie fiel vor mir ein glimmendes Zigarettenende zu Boden. Ich gab meinen Leuten ein Zeichen, fa�te die Handgranate fester und schlich vorsichtig durch den gut ausgebauten Graben vor, an dessen W�nden zahlreiche verlassene Gewehre lehnten. In solchen Situationen registriert das Ged�chtnis unbewu�t auch das Nebens�chlichste. So pr�gte sich mir an dem Grabenkreuz das Bild eines Kochgeschirres ein, in dem ein L�ffel stand. Diese Beobachtung rettete mir 20 Minuten sp�ter das Leben.

Pl�tzlich verschwanden vor uns schattenhafte Gestalten. Wir rannten hinter ihnen her und gerieten in eine Sackgasse, in deren Wand ein Stolleneingang gebohrt war. Ich stellte mich davor und schrie: „Montez!“ Eine herausgeschleuderte Handgranate war die Antwort. Sie explodierte in H�he meines Kopfes an der gegen�berliegenden Wand, zerfetzte meine seidene M�tze, verwundete meine linke Hand mehrfach und schlug mir die Kuppe des kleinen Fingers weg. Dem neben mir stehenden Pionier-Unteroffizier wurde die Nase durchbohrt. Wir zogen uns einige Schritte zur�ck und bombardierten den gef�hrlichen Platz mit Handgranaten. Ein �bereifriger schleuderte eine Brandr�hre in den Eingang und machte dadurch jeden weiteren Angriff unm�glich. Wir machten kehrt und verfolgten die dritte Linie in entgegengesetzter Richtung, um endlich einen Gegner zu fassen. �berall lagen fortgeworfene Waffen und Ausr�stungsst�cke. Die Frage: „Wo m�gen nur die Leute zu diesen vielen Gewehren sein?“ stieg immer unheimlicher in uns empor, doch hasteten wir entschlossen mit fertiger Handgranate und vorgehaltener Pistole weiter durch die �den, pulverdampfverhangenen Gr�ben.

Unser Weg von da an ist mir erst bei sp�terem Nachdenken klar geworden. Ohne es zu bemerken, bogen wir in einen dritten Laufgraben ein und n�herten uns, bereits mitten im eigenen Absperrungsfeuer, der vierten Linie. Ab und zu rissen wir einen der in die W�nde eingebauten K�sten auf und steckten uns zum Andenken eine Handgranate in die Tasche.

Nachdem wir einige Male durch Kreuz- und Quergr�ben gelaufen waren, wu�te niemand mehr, wo wir uns befanden und in welcher Richtung die deutschen Stellungen lagen. Allm�hlich wurden alle aufgeregt. Die Nadeln der Leuchtkompasse tanzten in den fliegenden H�nden, und beim Suchen des Polarsternes lie� uns in der Erregung unsere ganze Schulweisheit im Stich. Stimmengewirr in nahen Gr�ben verriet, da� der Gegner sich von der ersten �berraschung erholt hatte. Er mu�te unsere Lage bald erraten.

Nachdem wir wieder einmal kehrt gemacht hatten, ging ich als Letzter und sah pl�tzlich vor mir �ber einer Sandsackschulterwehr die M�ndung eines Maschinengewehres hin- und herpendeln. Ich sprang, �ber eine franz�sische Leiche stolpernd, darauf zu und erblickte den Unteroffizier Kloppmann und den F�hnrich v. Zglinitzky, die sich mit dem Gewehre besch�ftigten, w�hrend der F�silier Haller mit blutbeschmutzten H�nden einen zerfetzten K�rper nach Papieren durchw�hlte. Wir hantierten, ohne uns um die Umgebung zu k�mmern, in fieberhafter Eile an der Waffe herum, um wenigstens eine Beute mitzubringen. Ich versuchte, die Halteschrauben zu l�sen; ein anderer kniff mit der Drahtschere den Ladestreifen ab; endlich packten wir das auf einem Dreifu� stehende Ding, um es unzerlegt mitzunehmen. In diesem Augenblick ert�nte aus einem Parallelgraben in der Richtung, in der wir unseren Graben vermuteten, eine Stimme: „Qu’est ce qu’il y a“ und ein schwarzer Ball flog, sich undeutlich vom d�mmernden Himmel abhebend, auf uns zu. „Achtung!“ Zwischen Mevius und mir blitzte es auf; ein Splitter fuhr Mevius in die Hand. Wir stoben nach allen Seiten auseinander, uns immer tiefer in das Grabengewirre verstrickend. Bei mir befand sich nur noch der Pionier-Unteroffizier und Mevius. Unser Gl�ck war nur die Angst der Franzosen, die sich immer noch nicht aus ihren L�chern herauswagten. Es konnte sich indes nur noch um Minuten handeln, bis wir auf eine st�rkere Abteilung sto�en mu�ten, die uns mit Vergn�gen den Garaus gemacht h�tte. Pardonstimmung lag nicht in der Luft.

Als ich schon jede Hoffnung aufgegeben hatte, wieder heil aus diesem Kessel herauszukommen, entfuhr mir pl�tzlich ein Freudenschrei. Mein Blick war auf das Kochgeschirr mit dem L�ffel gefallen; nun war ich orientiert. Da es schon ganz hell geworden war, hatten wir keine Sekunde zu verlieren. Wir sprangen �ber freies Gel�nde, von den ersten Gewehrkugeln umpfiffen, den eigenen Linien zu. Im vorderen franz�sischen Graben stie�en wir auf die Patrouille des Leutnants v. Kienitz. Als uns der Ruf „L�ttje Lage!“ entgegent�nte, wu�ten wir, da� wir das Gr�bste hinter uns hatten. Ich fiel von oben leider gerade auf einen schwer Blessierten, den sie zwischen sich liegen hatten. Kienitz erz�hlte mir hastig, da� er franz�sische Schanzer im ersten Graben durch Handgranaten vertrieben und beim weiteren Vorgehen gleich zu Anfang durch eigene Artillerie Tote und Verwundete gehabt h�tte.

Nach l�ngerem Warten erschienen noch zwei meiner Leute, der Unteroffizier Dujesiefken und der F�silier Haller, der mir wenigstens einen kleinen Trost mitbrachte. Er war beim Umherirren allein in einen kleinen Stichgraben geraten und hatte dort drei verlassene MG. entdeckt, von denen er eins vom Gestell geschraubt und mitgenommen hatte. Da es immer heller wurde, hasteten wir �ber das Niemandsland in unsere vordere Linie.

Von den vierzehn Mann, die mit mir ausgezogen waren, kamen nur vier zur�ck, und auch die Patrouille Kienitz hatte schwere Verluste. Meine Niedergeschlagenheit wurde etwas erhellt durch die Worte des biederen Oldenburgers Dujesiefken, der, als ich mir im Stollen die Hand verbinden lie�, vorm Eingang seinen Kameraden die Ereignisse berichtete und mit dem Satze schlo�: „Vor Leutnant J�nger habe ich jetzt aber Respekt; Junge, Junge, der flitzte dich man so �ber die Barrikaden!“

Anschlie�end marschierten wir durch den Wald zum Regiments-Gefechtsstand. Der Oberst von Oppen begr��te uns und lie� uns Kaffee einschenken. Er war zwar sehr betr�bt �ber unseren Mi�erfolg, sprach uns jedoch seine ganze Anerkennung �ber das Geleistete aus. Dann wurde ich in ein Auto gepackt und fuhr zur Division, die genauen Bericht haben wollte. Vor wenigen Stunden noch im w�sten Handgranatenkampf durch zerschossene Gr�ben st�rmend, geno� ich in vollen Z�gen die Wohltat, zur�ckgelehnt in schnellem Fluge �ber die Landstra�e zu brausen.

Der Generalstabsoffizier empfing mich in seinem Arbeitszimmer und versuchte vergeblich, mir zu beweisen, da� ich durch �bereiltes Vorgehen den Verlust meiner Leute verschuldet h�tte. Ich dachte: „Du kannst mir hier, zwanzig Kilometer hinter dem vorderen Graben, viel erz�hlen,“ und gab zu verstehen, da� ich in der feindlichen Linie weder einen gr�nen Tisch, noch die St��e von Karten darauf gehabt h�tte. Au�erdem hatte ich nur die Ehre des Kampfes gehabt, der Plan, an dem ich manches auszusetzen gefunden, war mir fertig in die Hand gedr�ckt worden. Ich hatte vorher gebeten, den Angriffspunkt an die markante Linie der Chaussee zu verlegen oder wenigstens farbige Leuchtkugeln aus dem eigenen Graben hochzuschie�en, um den Verirrten den Weg zu weisen. Man hatte mir bedeutet, da� dadurch das feindliche Feuer angezogen w�rde. Zum Teufel, was schiert mich das feindliche Feuer? Das bin ich gewohnt. Aber ich bin keine Eule, die ihren Weg im Dunkeln findet!

Der Divisions-Kommandeur begr��te mich sehr liebensw�rdig und verscheuchte bald meine Mi�stimmung. Beim Mittagessen sa� ich im verschlissenen Feldrocke mit verbundener Hand neben ihm und bem�hte mich, nach dem Worte: „Nur die Lumpe sind bescheiden!“ unsere Taten vom Morgen in das richtige Licht zu stellen.

Am n�chsten Tage besichtigte der Oberst von Oppen die Patrouille noch einmal, verteilte Eiserne Kreuze und gab jedem Teilnehmer vierzehn Tage Urlaub. Am Nachmittag wurden die Gefallenen, deren Zur�ckschaffung gelungen war, auf dem Soldatenfriedhof Thiaucourt begraben. Zwischen den Gr�bern dieses Krieges ruhten dort auch K�mpfer von 1870/71. Eins dieser alten Gr�ber schm�ckte ein bemooster Stein mit der schlichten Inschrift: „Dem Auge fern, dem Herzen ewig nah!“ In eine gro�e Steintafel war gemei�elt:

„Heldentaten, Heldengr�ber reihen neu sich an die alten,

K�nden wie das Reich erstanden, k�nden wie das Reich erhalten.“

Abends las ich im franz�sischen Heeresbericht: „Ein deutsches Unternehmen bei Regni�ville mi�gl�ckte; wir machten Gefangene.“ Da� die Gefangenen nur gemacht waren, weil unsere Leute sich bei der Suche nach dem ausgerissenen Gegner verirrt hatten, war nicht hinzugesetzt. H�tten die Franzosen ihre Gr�ben verteidigt, wie mutige Soldaten zu tun pflegen, so w�re es wohl anders gekommen.

Einige Monate sp�ter erhielt ich einen Brief von einem der Vermi�ten, dem F�silier Meyer, der dort im Handgranatenkampfe ein Bein verloren hatte; er war mit drei Kameraden nach langem Umherirren in einen Kampf verwickelt und schwer verwundet gefangen genommen worden, nachdem die anderen, darunter auch der brave Unteroffizier Kloppmann, gefallen waren.

Ich habe im Kriege manches Abenteuer bestanden, doch keins war unheimlicher. Noch immer gerate ich in eine beklommene Stimmung, wenn ich an unseren Irrweg durch die unbekannten, vom kalten Fr�hlicht erhellten Gr�ben denke.

Einige Tage darauf sprangen die Leutnants Domeyer und Z�rn mit mehreren Begleitern nach einigen Schrapnellsch�ssen in die erste franz�sische Linie. Domeyer stie� auf einen franz�sischen Landwehrmann mit m�chtigem Vollbart, der seine Aufforderung: „Rendez-vous!“ mit grimmigem „Ah non!“ erwiderte und sich auf ihn st�rzte. Im Verlauf eines erbitterten Ringkampfes scho� Domeyer ihn mit der Pistole durch den Hals und mu�te wie ich ohne Gefangenen zur�ckkehren. Nur war bei meinem Unternehmen eine Artilleriemunition verpulvert, die 1870 f�r eine ganze Schlacht ausgereicht h�tte.

Noch einmal Flandern.

Am gleichen Tage, als ich von meinem vierzehnt�gigen Urlaub zur�ckkehrte, wurden wir vom bayerischen Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 5 abgel�st und zun�chst in dem nahegelegenen Dorfe Labry, einem der typischen Drecknester jener Gegend, untergebracht. Am meisten frappierte mich in diesen lothringischen D�rfern die vergebliche Suche nach einer verschwiegenen �rtlichkeit. Eine Badewanne schien zu den unbekannten Dingen zu geh�ren. In dieser Beziehung habe ich in Frankreich �berhaupt eigent�mliche Erfahrungen gemacht. Selbst in den prunkvollen Schl�ssern mu�te man gewisse Schattenseiten mit diskretem L�cheln ignorieren. So sehr ich den Franzosen sch�tze, halte ich doch diese Seite seines Wesens f�r eine bezeichnende.

„Was schadet’s, wenn die Senkgrube hinten rinnt und stinkt,

Wenn nur der T�rknopf vorn blitzt und blinkt.“

Am 17. Oktober 1917 wurden wir verladen und betraten nach anderthalb Tagen wieder den Boden Flanderns, den wir erst vor zwei Monaten verlassen hatten. Wir �bernachteten in dem St�dtchen Iseghem und marschierten am n�chsten Morgen nach Roulers oder, wie es fl�misch hei�t: Roselaire. Die Stadt befand sich im ersten Stadium der Zerst�rung. Noch wurden in den L�den Waren feilgehalten, doch hauste die Bev�lkerung schon in den Kellern, und die Bande des b�rgerlichen Lebens waren durch h�ufige Beschie�ungen zerrissen. Ein Schaufenster mit Damenh�ten gegen�ber meinem Quartier machte auf mich in dem Kriegsgew�hl einen merkw�rdig deplacierten Eindruck. Nachts versuchten Pl�nderer, in die verlassenen Wohnungen einzubrechen.

In meinem in der Oststraat gelegenen Quartier war ich der einzige Bewohner der �berirdischen R�ume. Das Haus geh�rte einem Tuchh�ndler, der zu Beginn des Krieges geflohen war und eine alte Wirtschafterin mit ihrer Tochter zur Bewachung zur�ckgelassen hatte. Die beiden sorgten f�r ein kleines, verwaistes M�dchen, das sie w�hrend unseres Vormarsches, von seinen Eltern verlassen, in den Stra�en umherirrend aufgefunden hatten. Sie kannten nicht einmal Alter und Namen des Kindes. Sie hatten eine fabelhafte Angst vor Bomben und beschworen mich fast auf den Knien, oben kein Licht zu machen, um die b�sen Flieger nicht anzulocken. Mir verging das Lachen allerdings auch, als, w�hrend ich neben Leutnant Reinhardt am Fenster stand und einen im Lichte der Scheinwerfer dicht �ber die D�cher fliegenden Engl�nder betrachtete, eine Riesenbombe in der N�he des Hauses aufschlug und der Luftdruck uns die Splitter der Fensterscheiben um die Ohren warf.

Ich war f�r die bevorstehende Aktion zum Sp�hoffizier bestimmt und dem Regimentsstabe zugeteilt. Um mich zu orientieren, begab ich mich schon vor unserem Einsatz zum Gefechtsstand des bayerischen Reserve-Regiments 10, das wir abl�sen sollten. Ich fand in dem Kommandeur einen sehr freundlichen Herrn vor, obgleich er zuerst beim Empfang etwas �ber mein „rotes M�tzenbandl“ brummte. Ich legte damals schon l�ngst keinen Wert mehr auf einen sortiert feldm��igen Anzug. Am Fexentum erkennt man �berall den Neuling.

Zwei Ordonnanzen f�hrten mich zu dem sogenannten Meldekopf, der einen sehr guten �berblick bieten sollte. Wir hatten kaum den Gefechtsstand verlassen, als eine Granate bei uns einschlug. „Da bin ich schon, des Chaos vielgeliebter Sohn!“ Meine F�hrer wu�ten indes dem Feuer, das gegen Mittag in unaufh�rliches Rollen �berging, in dem durch zahlreiche kleine Pappelgeh�lze maskierten Gel�nde sehr geschickt auszuweichen.

Auf der Schwelle eines einsamen Geh�ftes, das die Spuren frischer Einschl�ge aufwies, erblickten wir einen auf dem Bauch liegenden Toten. „Den hat’s a derwischt!“ �u�erte der biedere Bayer. „Dicke Luft“, meinte der andere mit witterndem Umblick und schritt rasch weiter. Der Meldekopf lag jenseits der stark beschossenen Stra�e Paschendale—Westroosebeke und erwies sich als eine Meldesammelstelle, �hnlich der, die ich in Fresnoy gef�hrt hatte. Er lag neben einem zum Schutthaufen zusammengeschossenen Hause und hatte so wenig Deckung, da� ihn der erste derbere Treffer vernichten mu�te. Ich lie� mich von drei Offizieren, die dort ein geselliges H�hlendasein f�hrten und �ber die baldige Abl�sung sehr erfreut waren, �ber Feind, Stellung und Ann�herung orientieren und ging dann �ber Roodkruis—Oostnieukerke nach Roulers zur�ck, wo ich dem Oberst Bericht erstattete.

Auf dem Wege durch die Stra�en der Stadt las ich mit Vergn�gen die gem�tlichen Namen der zahlreichen kleinen Schenken, die so recht die fl�mische Beh�bigkeit ausdr�ckten. Wer f�hlt sich nicht angezogen durch ein Wirtschaftsschild, das den Titel „De Zalm“ (Salm), „De Reeper“ (Reiher), „De Nieuwe Trompette“, „De drie Koningen“ oder „Den Olifant“ f�hrt? Klingt das nicht nach Teniers und De Coster? Schon der Empfang in der kr�ftigen unverwelschten Sprache mit dem traulichen Du versetzt in behagliche Stimmung. Gott gebe, da� dieses pr�chtige Land in seinem alten Wesen von den furchtbaren Wunden des Krieges wieder auferstehe.

Am Abend wurde die Stadt wieder mit Bomben beworfen. Ich stieg in den Keller, in dem sich die Frauen zitternd in eine Ecke gedr�ckt hatten und knipste meine Taschenlampe an, um das kleine M�dchen zu beruhigen, das im Dunkeln vor Angst schrie, da eine Explosion das Licht verl�scht hatte. Hier zeigte sich wieder, wie fest der Mensch mit seiner Heimat verwachsen ist. Trotz der gewaltigen Furcht, die diese Frauen vor der Gefahr hatten, klammerten sie sich fest an die Scholle, die jeden Augenblick zum Grabe werden konnte.

Am Morgen des 22. Oktober brach ich mit meinem Sp�htrupp von vier Mann nach Kalve auf, wo der Regimentsstab im Laufe des Vormittags abl�sen sollte. An der Front tobte ein gewaltiges Feuer, dessen Blitze dem Fr�hmorgennebel das Aussehen eines brodelnden, blutigroten Dampfes gaben. Am Eingange von Oostnieukerke st�rzte neben uns ein Haus, von einer schweren Granate getroffen, krachend zusammen. Steintr�mmer rollten �ber die Stra�e. Wir versuchten, den Ort zu umgehen, mu�ten aber doch hindurch, da wir die Richtung Roodkruis—Kalve nicht kannten. Im Vorbeieilen fragte ich einen bayerischen Unteroffizier, der im Eingange eines Kellers stand, nach dem Wege. Statt zu antworten, vergrub er seine H�nde in die Taschen und zuckte die Achseln. Da ich infolge der dauernd einschlagenden Geschosse keine Zeit zu verlieren hatte, sprang ich auf dieses Produkt einer verfehlten milit�rischen Ausbildung zu und erzwang mir durch die ihm unter die Nase gehaltene Pistole Auskunft. Wenn der Mann inzwischen nicht gefallen oder desertiert ist, wird er sicher die Spartakusgruppe um ein w�rdiges Mitglied bereichert haben.

Bei Roodkruis, einem kleinen Geh�ft an einer Stra�engabel, wurde die Sache bedenklich. Protzen rasten �ber die beschossene Stra�e, Infanterietrupps schl�ngelten sich zu beiden Seiten durchs Gel�nde, und zahllose Verwundete schleppten sich von vorne zur�ck. Einem jungen Artilleristen, der uns begegnete, ragte ein langer, zackiger Splitter aus der Schulter. Wir bogen rechts von der Stra�e ab zum Regimentsgefechtsstand, der von einem starken Feuerkranze umgeben war. In der N�he legten zwei Telephonisten Leitung �ber ein Kohlfeld. Unmittelbar neben dem einen schlug eine Granate ein; wir sahen ihn st�rzen und hielten ihn f�r erledigt. Er erhob sich jedoch gleich wieder und zog seinen Draht mit anerkennenswerter Kaltbl�tigkeit weiter. Da der Gefechtsstand nur aus einem winzigen Betonblock bestand, der kaum f�r den Kommandeur mit Adjutanten und Ordonnanzoffizier Platz bot, mu�te ich in der N�he Unterkunft suchen. Ich zog mit dem Nachrichten-, Gasschutz- und Minenwerferoffizier in eine leichte Holzbaracke, die nicht gerade das Ideal einer bombensicheren Unterkunft darstellte.

Am Nachmittag ging ich in Stellung, da die Meldung eingelaufen war, da� der Feind am Morgen unsere f�nfte Kompagnie angegriffen h�tte. Mein Weg f�hrte �ber den Meldekopf zum Nordhof, einem zur Unkenntlichkeit zerschossenen Geh�ft, unter dessen Tr�mmern der Kommandeur des Bereitschaftsbataillons hauste. Von dort lief ein allerdings nur noch angedeuteter Pfad zum Kampftruppen-Kommandeur. Durch die starken Regenf�lle der letzten Tage war das un�bersehbare Trichterfeld in ein Meer von Schlamm verwandelt, das besonders im Paddebachgrunde eine lebensgef�hrliche Tiefe aufwies. Auf meinen Irrfahrten kam ich an manchem einsam oder vergessen liegenden Toten vorbei; oft ragte nur noch der Kopf oder eine Hand �ber den schmutzigen Spiegel der Trichter. Tausende schlummern so, ohne da� ein von Freundeshand errichtetes Kreuz die unbekannte Grabst�tte schm�ckt.

Nach dem �u�erst anstrengenden �berschreiten des Paddebaches, das nur durch einige von Granaten dar�bergeschleuderte Pappeln erm�glicht wurde, entdeckte ich in einem Riesentrichter den F�hrer der f�nften Kompagnie, Leutnant Heins, inmitten eines H�ufleins von Getreuen. Die Trichterstellung lag an einem Hange und konnte, da sie nicht v�llig versoffen war, von anspruchslosen Frontsoldaten als bewohnbar bezeichnet werden. Heins erz�hlte mir, da� am Morgen eine englische Sch�tzenlinie erschienen und auf Beschie�ung verschwunden w�re. Diese hatte wiederum einige verirrte 164er, die bei ihrer Ann�herung fortgelaufen waren, erschossen. Sonst war alles in Ordnung; ich begab mich daher zum Gefechtsstand zur�ck, wo ich dem Oberst Bericht erstattete.

Am Tage darauf wurde unser Mittagessen in gr�bster Weise durch einige uns vor die T�r gesetzte Granaten unterbrochen, deren Dreckfont�nen in langsamem Wirbel auf unser Teerpappdach trommelten. Alles st�rzte aus der T�r; ich fl�chtete in ein nahes Geh�ft, in das ich des Regens wegen hineinging. Am Abend wiederholte sich der Vorgang, nur blieb ich diesmal vor dem Hause stehen, da es trockenes Wetter war. Die n�chste Granate schlug mitten in das zusammenbrechende Geb�ude. So spielt der Zufall im Kriege. Mehr als anderswo gilt hier: „Kleine Ursachen, gro�e Wirkungen.“ Sekunden und Millimeter entscheiden.

Am 25. wurden wir schon um 8 Uhr aus den Baracken getrieben, von denen die uns gegen�berliegende beim zweiten Schu� einen Volltreffer erhielt. Durch die Erfahrungen des vorigen Tages gewitzigt, suchte ich mir in dem gro�en Kohlfelde hinter dem Regimentsgefechtsstand einen einsamen, vertrauenerweckenden Granattrichter aus, von dem ich mich jedesmal erst nach einer angemessenen Sicherheitspause wieder trennte. W�hrend dieses Tages bekam ich die mir sehr nahegehende Nachricht vom Tode des Leutnants Brecht, der als Sp�hoffizier der Division in dem Trichterfeld rechts vom Nordhof den Heldentod gefunden hatte. Ich hatte Brecht stets als Vorbild und lebenden Beweis des Spruches: „Fortes fortuna adjuvat“ bewundert. Er war einer der wenigen, die infolge ihres unerm�dlichen Draufg�ngertums sogar in diesem prosaischsten aller Kriege von einem romantischen Nimbus umgeben waren.

Die Morgenstunden des 26. wurden durch ein Trommelfeuer von au�ergew�hnlicher Heftigkeit ausgef�llt. Auch unsere Artillerie verdoppelte auf die von vorn hochsteigenden Sperrfeuersignale hin ihre Wut. Jedes kleine Waldst�ck und jede Hecke war mit Gesch�tzen gespickt, hinter denen halbtaube Kanoniere ihres Amtes walteten.

Da zur�ckkommende Verwundete unklare und �bertriebene Angaben �ber einen englischen Angriff machten, wurde ich mit meinen vier Mann um 11 Uhr nach vorn geschickt, um dort Genaueres zu erkunden. Unser Weg f�hrte durch scharfes Feuer. Zahlreiche Verwundete begegneten uns, darunter Leutnant Spitz, F�hrer der zw�lften Kompagnie, mit einem Kinnschu�. Schon vor K. T. K. kamen wir in gezieltes Maschinengewehrfeuer, ein Beweis, da� der Feind unsere Linien eingedr�ckt haben mu�te. Dieser Verdacht wurde mir durch den Major Dietlein, F�hrer des III. Bataillons best�tigt. Ich fand den alten Herrn gerade besch�ftigt, aus dem Eingange seines dreiviertel unter Wasser stehenden Betonklotzes zu kriechen, eifrig nach seiner in den Schlamm gefallenen Meerschaumspitze fischend. Wenn doch jeder Deutsche sich ohne R�cksicht auf Alter und Gesundheit so eingesetzt h�tte.

Der Feind war in die vordere Linie eingedrungen und hatte einen H�henr�cken genommen, von dem er den wichtigen Paddebachgrund, in dem der K. T. K. lag, unter Feuer nehmen konnte. Nachdem ich diese Ver�nderung der Lage mit einigen Blaustiftstrichen in meine Karte eingetragen hatte, setzte ich mit meinen Leuten zu neuem Dauerlauf durch den Schlamm an. Wir sprangen im schnellsten Tempo �ber die eingesehene Fl�che bis hinter die n�chste Bodenwelle, von dort langsamer zum Nordhof. Rechts und links schlugen Granaten in den Sumpf und schleuderten riesige, von unz�hligen kleineren umgebene Schlammberge in die H�he. Der Nordhof lag unter nervenersch�tterndem Brisanzfeuer und mu�te sprungweise �berwunden werden. Ein Schrapnell warf seine Kugelladung mit vielfachem Klatschen zwischen uns. Einer meiner Begleiter wurde am hinteren Stahlhelmrand getroffen und zu Boden geschleudert. Nachdem er eine Zeitlang bet�ubt gelegen hatte, raffte er sich hoch und lief weiter. Das Gel�nde um den Nordhof war von einer Menge furchtbar zugerichteter Leichen bedeckt. Nachdem wir noch gl�cklich den stark beschossenen Grund hinter der Stra�e Paschendale—Westroosebeke durchschritten hatten, konnte ich dem Regiments-Kommandeur Meldung erstatten.

Am n�chsten Morgen wurde ich schon um 6 Uhr mit dem Auftrage, festzustellen, ob und wo das Regiment Anschlu� h�tte, nach vorn geschickt. Unterwegs traf ich den Feldwebel-Leutnant Ferchland, der der achten Kompagnie den Befehl �berbringen mu�te, auf Goudberg vorzugehen und, falls eine bestehen sollte, die L�cke zwischen uns und dem linken Nachbar-Regiment auszuf�llen. Um meinen Auftrag so schnell wie m�glich auszuf�hren, konnte ich nichts besseres tun, als mich anzuschlie�en. Wir fanden nach l�ngerem Suchen den mir befreundeten F�hrer der achten Kompagnie, Leutnant Tebbe, in einem unwirtlichen Teile der Trichterlandschaft nahe dem Meldekopf. Er zeigte sich �ber den Auftrag, eine derartig auff�llige Bewegung bei hellem Tage auszuf�hren, wenig erfreut. Wir steckten uns w�hrend unserer kargen, durch die uns�gliche N�chternheit des morgenbeschienenen Trichterfeldes bedr�ckten Konversation eine Zigarre an und warteten, bis sich die Kompagnie gesammelt hatte. Schon nach wenigen Schritten erhielten wir von den gegen�berliegenden H�hen gezieltes Infanteriefeuer und mu�ten einzeln von Trichter zu Trichter vorspringen. Beim �berschreiten des n�chsten Hanges konzentrierte sich das Feuer so, da� Tebbe eine Trichterstellung beziehen lie�, um den Schutz der Nacht abzuwarten. Er ging, eine Zigarre rauchend, mit gro�er Kaltbl�tigkeit den ganzen Abschnitt ab, um seine Gruppen einzuteilen.

Ich beschlo�, weiter vorzugehen, um die Gr��e der L�cke festzustellen und ruhte mich noch einen Augenblick in Tebbes Trichter aus. Schon begann die feindliche Artillerie zur Strafe f�r das k�hne Vorgehen der Kompagnie sich auf den Gel�ndestreifen einzuschie�en. Ein auf den Rand unseres Zufluchtsortes wuchtendes Sprengst�ck, das Karte und Augen voll Lehm spritzte, mahnte mich zum Aufbruch. Ich verabschiedete mich von Tebbe und w�nschte ihm viel Gl�ck f�r die n�chsten Stunden. Er rief hinter mir her: „Lieber Gott, la� Abend werden, Morgen wird’s von selber!“

Wir schritten vorsichtig durch den eingesehenen Paddebachgrund, uns hinter den Laubmassen umgeschossener Pappeln verbergend und ihre St�mme als Br�cke benutzend. Ab und zu verschwand einer bis �ber die H�ften im Schlamm und w�re ohne die helfend hingestreckten Gewehrkolben der Kameraden unfehlbar ertrunken. Ich w�hlte als Marschrichtungspunkt eine Gruppe von Leuten, die einen Betonblock umstanden. Vor uns bewegte sich eine von vier Sanit�tern geschleppte Bahre in derselben Richtung. Durch die Beobachtung, da� ein Verwundeter nach vorn geschleppt wurde, stutzig gemacht, sah ich durchs Glas und erblickte eine Reihe von khakifarbenen Gestalten mit flachen Stahlhelmen. In diesem Augenblick knallten auch schon die ersten Sch�sse. Da Deckungnehmen unm�glich war, rannten wir zur�ck, w�hrend die Geschosse rings um uns in den Schlamm spritzten. Die Hetze durch den Morast war wahnsinnig anstrengend; doch als wir, v�llig ausgepumpt, uns eine Weile den Engl�ndern als Zielscheibe hinstellten, verlieh uns eine Gruppe Brisanz-Granaten wieder die alte Frische. Sie hatte immerhin das Gute, uns durch ihren Qualm der feindlichen Sicht zu entziehen. Das unangenehmste bei diesem Lauf war das Bewu�tsein, durch eine Verwundung unfehlbar zur Moorleiche verwandelt zu werden. Blutige Rinnsale aus einzelnen Trichtern verrieten, da� hier schon mancher verschwunden war.

Zu Tode ersch�pft, erreichten wir den Regiments-Gefechtsstand, wo ich meine Skizzen abgab und Bericht �ber die Lage erstattete.

Am 28. Oktober wurden wir wieder durch das bayerische Reserve-Regiment 10 abgel�st und, zu stetem Eingreifen bereit, in den D�rfern hinter der Front untergebracht. Der Stab zog nach Most.

Am Abend sa�en wir schon wieder �u�erst vergn�gt im Zimmer einer verlassenen Schenke beim Wein und feierten die Bef�rderung und Verlobung des Leutnants Z�rn, der gerade vom Urlaub zur�ckgekommen war. Zur Strafe f�r diesen Leichtsinn wurden wir am folgenden Morgen durch ein Riesentrommelfeuer geweckt, das trotz der Entfernung noch meine Fensterscheiben sprengte. Gleich darauf wurde alarmiert. Es ging das Ger�cht, da� der Gegner bei der immer noch bestehenden L�cke links der Regimentsstellung eingedrungen w�re. Ich verbrachte den Tag, auf Befehle wartend, beim Beobachtungsstande des A. O. K., dessen Umgebung unter schwachem Streufeuer lag. Eine leichte Granate fuhr durch das Fenster eines H�uschens, aus dem drei ziegelmehlbest�ubte verwundete Artilleristen hervorst�rzten. Drei andere lagen als Leichen unter den Tr�mmern.

Am Morgen darauf bekam ich von dem bayerischen Kommandeur folgenden Gefechtsauftrag: „Durch abermaligen Vorsto� des Gegners ist die Stellung des linken Nachbarregiments noch mehr zur�ckgedr�ngt und die L�cke zwischen beiden Regimentern sehr vergr��ert. Da Gefahr bestand, da� die Stellung des Regiments von links umgangen wurde, trat gestern abend das I. Bataillon des F�silier-Regiments Nr. 73 zum Gegensto� an, wurde aber anscheinend vom Sperrfeuer zerfledert und kam nicht an den Feind. Heute morgen wurde das II. Bataillon gegen die L�cke vorgeschickt. Nachricht ist bislang nicht eingetroffen. Es ist die Stellung des I. und II. Bataillons zu erkunden.“

Ich machte mich auf den Weg und begegnete schon beim Nordhof dem Hauptmann von Brixen, Kommandeur des II. Bataillons, der die Aufstellungsskizze bereits in der Tasche hatte. Ich zeichnete sie ab und hatte meinen Auftrag damit eigentlich erledigt, begab mich jedoch noch zum Betonblock des K. T. K. um einen pers�nlichen �berblick zu gewinnen. Auf dem Wege lag eine Menge frischer Leichen, deren blasse Gesichter aus wassergef�llten Trichtern starrten oder bereits so von Schlamm �berzogen waren, da� man die menschliche Gestalt kaum erkennen konnte. Leider leuchtete von den �rmeln der meisten das blaue Gibraltarband. Kampftruppen-Kommandeur war der bayerische Hauptmann Rademeyer. Dieser �u�erst energische Offizier teilte mir ausf�hrlich mit, was mir der Hauptmann von Brixen bereits hastig erz�hlt hatte. Unser II. Bataillon hatte gro�e Verluste erlitten, u. a. waren der Bataillons-Adjutant und der F�hrer der braven siebenten Kompagnie gefallen. Das Schicksal des Adjutanten, Leutnants Lemi�re, war besonders tragisch, da sein Bruder erst im April dieses Jahres bei Fresnoy als F�hrer der achten Kompagnie den Tod gefunden hatte. Die beiden Br�der waren Liechtensteinsche Staatsangeh�rige, trotzdem aus Begeisterung f�r die deutsche Sache in die Armee eingetreten. Es ist nicht gut, zwei S�hne im selben Regiment in den Krieg zu schicken. Wir hatten im Offizierkorps vier Br�derpaare. Von diesen acht jungen Leuten fielen f�nf, und zwei, darunter mein Bruder, brachten schwere Sch�den mit nach Hause. Ich bin der einzige, der einigerma�en heil herausgekommen ist. Dies kleine Beispiel illustriert die Verluste des F�silier-Regiments.

Der Hauptmann zeigte auf einen Betonblock 200 Meter vor dem unsrigen, der gestern besonders heldenhaft verteidigt war. Kurz nach dem Angriff sah der Kommandant der kleinen Feste, ein Feldwebel, einen Engl�nder, der drei Deutsche abtransportierte. Er scho� den Engl�nder heraus und verst�rkte mit den drei Leuten seine Besatzung. Helden schien er dem Vaterlande freilich nicht erhalten zu haben. Als sie ihre Munition verschossen hatten, setzten sie einen gut verbundenen Engl�nder als friedliches Aush�ngeschild vor die T�r, konnten sich jedoch nach Einbruch der Dunkelheit noch unbemerkt zur�ckziehen.

Ein anderer Betonklotz, den ein Leutnant kommandierte, wurde durch einen englischen Offizier zur Ergebung aufgefordert; statt einer Antwort sprang der Deutsche heraus, packte den Engl�nder und zog ihn vor den Augen seiner verdutzten Leute hinein.

An diesem Tage sah ich das einzige Mal im Kriege kleine Trupps von Krankentr�gern mit erhobenen Roten-Kreuzflaggen sich offen in der Zone des Infanteriefeuers bewegen, ohne da� ein Schu� gegen sie fiel. Solche Bilder zeigten sich dem Frontk�mpfer in diesem unterirdischen Kriege nur, wenn die Not bis zur Unertr�glichkeit gestiegen war. Trotzdem erfuhr ich sp�ter, da� verborgene englische Sch�tzen einige unserer Krankentr�ger niedergeschossen hatten.

Viele Leser werden diese Tat f�r den Gipfel der Vertierung halten, und doch kann ich mir erkl�ren, da� schwache Naturen dem atavistischen Triebe, zu vernichten, erliegen, der den ein�dgewohnten Grabenk�mpfer packt, wenn dr�ben Menschen erscheinen. Ich habe ihn selbst nur zu oft empfunden.

Mein R�ckweg wurde durch unangenehmes, nach faulen �pfeln riechendes Reizgas englischer Granaten, das sich im Boden festgesogen hatte und die Augen tr�nen machte, erschwert. Gleich darauf sollte ich einen schmerzlicheren Grund zum Vergie�en von Tr�nen bekommen. Nachdem ich im Gefechtsstande meine Meldung erstattet hatte, begegnete ich kurz vorm Verbandsplatze Kalve den Bahren zweier befreundeter, schwer verwundeter Offiziere. Der eine war Leutnant Z�rn, den wir zwei Abende zuvor in fr�hlichem Kreise gefeiert hatten. Jetzt lag er, halb entkleidet, mit jener wachsgelben Gesichtsfarbe, die ein sicheres Vorzeichen des Todes ist, auf einer losgerissenen T�r und sah mich mit stieren Augen an, als ich herantrat, um ihm die Hand zu dr�cken. Dem anderen, Leutnant Haverkamp, waren Arm- und Beinknochen durch Granatsplitter so zerschmettert, da� eine Amputation sehr wahrscheinlich war. Er lag totenbla� mit in Fatalismus versteinerten Z�gen auf seiner Bahre und rauchte eine Zigarette.

Wir hatten in diesen Tagen wieder erschreckende Verluste an jungen Offizieren aufzuweisen. Jedesmal, wenn ich heute das abf�llige Urteil der Masse �ber den Kriegsleutnant h�re, mu� ich an diese M�nner denken, die den alten Preu�engeist von Pflicht und Ehre, den Geist von Kolin, hinaustrugen in Blut und Schlamm, aufrecht bis zum bitteren Ende.

Am 3. November wurden wir in dem uns von den ersten Flanderntagen her wohlbekannten Bahnhof Gits verladen. Wir konstatierten, da� die beiden Fl�minnen nicht mehr die alte Frische zeigten. Auch sie schienen inzwischen manchen Gro�-Kampftag erlebt zu haben.

Wir kamen f�r einige Tage nach Tourcoing, einer ansehnlichen Schwesterstadt von Lille, in Ruhe. Das erste und letzte Mal im Kriege schlief hier jeder Mann der siebenten Kompagnie in einem Federbett. Ich bewohnte ein prachtvoll eingerichtetes Zimmer im Hause eines Industriebarons in der Rue de Lille. Mit uns�glichem Behagen geno� ich den ersten Abend in einem Klubsessel vorm Feuer des unvermeidlichen Marmorkamins.

Die wenigen Tage wurden von allen benutzt, sich des hart errungenen Daseins zu freuen. Noch konnte man es kaum fassen, da� man dem Tode entronnen war. Man f�hlte den Zwang, sich des Lebens zu vergewissern, es in all’ seinen Formen zu genie�en.

Die Cambraischlacht.

Die sch�nen Tage von Tourcoing waren bald vor�ber. Wir lagen noch kurze Zeit in Villers-au-tertre, wo wir durch neuen Ersatz aufgef�llt wurden, und fuhren am 15. November 1917 nach L�cluse, dem Aufenthaltsort des jeweiligen Ruhebataillons der uns zugewiesenen Stellung. L�cluse war ein gr��eres, von Seen umgebenes Dorf des Artois. Die ausgedehnten Schilffl�chen bargen Enten und Wasserh�hner, die Gew�sser wimmelten von Fischen. Obwohl das Fischen streng verboten war, h�rte man nachts auf dem Wasser oft r�tselhafte Ger�usche. Eines Tages bekam ich von der Ortskommandantur auch ein paar Soldb�cher von Leuten meiner Kompagnie, die beim Fischen mit Handgranaten erwischt waren, zugestellt. Ich verlor indes kein Wort dar�ber, da mir die gute Stimmung der Mannschaft bedeutend mehr am Herzen lag als die Schonung der franz�sischen Jagd oder die Mittagsmahlzeiten des Ortsgewaltigen. Seitdem wurde fast jeden Abend von unbekannter Hand ein Riesenhecht auf meinem Tische niedergelegt. Am n�chsten Mittag gab ich dann meinen beiden Kompagnie-Offizieren ein Essen mit dem Hauptgange „Hecht � la Lohengrin“ (Nie sollst du mich befragen).

Am 19. besichtigte ich mit meinen Zugf�hrern die Stellung, die wir in den n�chsten Tagen besetzen sollten. Sie lag vor dem Dorfe Vis-en-Artois. Wir kamen jedoch nicht so rasch in die Gr�ben, wie wir gedacht hatten, da fast jede Nacht alarmiert und wir wegen eines vermuteten englischen Angriffes abwechselnd in der Wotanstellung, dem Artillerieschutzriegel oder dem Dorfe Dury bereitgestellt wurden. Erfahrenen Kriegern war klar, da� das nicht lange gut gehen konnte.

Wirklich erfuhren wir am 29. November durch unseren Bataillons-Kommandeur, Hauptmann von Brixen, da� wir an einem gro� angelegten Gegenangriff auf den Stellungsbogen teilnehmen sollten, den die Tankschlacht von Cambrai in unsere Front gedr�ckt hatte. Obwohl wir froh waren, endlich einmal die Rolle des Ambosses mit der des Hammers vertauschen zu k�nnen, hegten wir unserer noch von Flandern her ausgepumpten Leute wegen Bedenken. Trotzdem setzte ich festes Vertrauen in den Geist meiner Kompagnie und deren eisernes R�ckgrat, die erfahrenen Zugf�hrer und vorz�glichen Unteroffiziere.

In der Nacht vom 30. November zum 1. Dezember wurden wir in Lastautomobile verladen. Dabei erlitt meine Kompagnie die ersten Verluste dadurch, da� ein Mann eine Handgranate fallen lie�, die auf r�tselhafte Weise explodierte und ihn nebst einem Kameraden schwer verwundete. Ein anderer versuchte sich wahnsinnig zu stellen, um der Schlacht zu entgehen. Ich wu�te nicht, ob ich lachen oder w�tend werden sollte. Endlich wurde er durch den kr�ftigen Rippensto� eines Unteroffiziers wieder vern�nftig und wir konnten endlich einsteigen. Wir fuhren, eng zusammengep�kelt, bis dicht vor Baralle, wo wir in einem Stra�engraben stundenlang auf Befehle warteten. Ich legte mich trotz der K�lte auf eine Wiese und schlief bis zum Morgengrauen. Wir erfuhren mit einer gewissen Entt�uschung, da� das Regiment 225, dem wir unterstellt waren, auf unsere Mitwirkung beim Sturm verzichtet hatte. Wir sollten w�hrenddessen im Schlo�park von Baralle in Reserve liegen.

Um 9 Uhr setzte unsere Artillerie in wuchtigen Feuerst��en ein, die sich von 11.45 Uhr bis 11.50 Uhr zum Trommelfeuer verdichteten. Der Bourlon-Wald, der wegen seiner starken Befestigungen nicht frontal angegriffen, sondern ausgespart wurde, verschwand unter gelbgr�nen Gaswolken. Um 11.50 sahen wir durch unsere Gl�ser Sch�tzenlinien aus dem leeren Trichterfelde tauchen, w�hrend im Hintergel�nde Batterien anspannten und zum Stellungswechsel vorjagten. Ein deutscher Flieger scho� einen englischen Fesselballon in Brand, dessen Beobachter mit Fallschirm absprang.

Nach dem Genu� dieses Schlachtenpanoramas, das wir von der H�he des Schlo�parkes betrachtet hatten, leerten wir ein Kochgeschirr Nudeln, legten uns trotz der K�lte zu einem Nachmittagsschlaf auf den Boden und bekamen um 3 Uhr den Befehl, bis zum Regiments-Gefechtsstand vorzur�cken, der in der Schleusenkammer eines ausgetrockneten Kanalbeckens versteckt war. Wir legten diesen Weg zugweise unter schwachem Streufeuer zur�ck. Von dort wurde die siebente und achte Kompagnie zum Bereitschaftskommandeur vorgeschickt, um zwei Kompagnien von 225 abzul�sen. Die 500 Meter, die im Kanalbett zu �berwinden waren, lagen unter dichtem Feuerriegel. Wir rannten ohne Verluste, in einem Klumpen zusammengeballt, zum Ziel. Zahlreiche Tote verrieten, da� hier schon manche Kompagnie blutigen Zoll gezahlt hatte. Reserven lagen dicht an die B�schungen gepre�t und waren besch�ftigt, in fieberhafter Hast Deckungsl�cher in die ausgemauerten W�nde zu schlagen. Da alle Pl�tze besetzt waren und der Ort als Gel�ndemarke das Feuer auf sich zog, f�hrte ich die Kompagnie in ein Trichterfeld rechts daneben und �berlie� jedem einzelnen, sich dort einzurichten. Ein Splitter flog klirrend gegen mein Seitengewehr. Ich suchte mir mit dem Leutnant Tebbe, der mit seiner achten Kompagnie unserem Beispiel gefolgt war, einen passenden Trichter aus, den wir mit einer Zeltbahn �berspannten. Wir steckten eine Kerze an, a�en zu Abend, rauchten unsere Pfeifen und unterhielten uns fr�stelnd. Um 11 Uhr bekam ich Befehl, in die ehemalige vordere Linie einzur�cken und mich bei dem K. T. K. zu melden, dem die siebente Kompagnie unterstellt war. Ich lie� sammeln und f�hrte die Leute vor. Es schlugen nur noch vereinzelte, m�chtige Granaten ein, von denen eine gleich einem Gru� der H�lle vor uns zerschellte, das ganze Kanalbett mit finsterem Qualm f�llend. Die Mannschaft verstummte wie von einer eisigen Faust in den Nacken gepackt und stolperte hastig �ber Stacheldraht und Steintr�mmer hinter mir her. Ein unbeschreiblich unangenehmes Gef�hl beschleicht die Nerven beim Durchschreiten einer unbekannten Stellung zur Nachtzeit, auch wenn das Feuer nicht sonderlich stark ist. Auge und Ohr des Kriegers werden durch die sonderbarsten T�uschungen gereizt; er f�hlt sich zwischen den drohenden W�nden des Grabens einsam wie ein Kind, das sich in dunkler Heide verirrt hat.

Endlich fanden wir die enge M�ndung der vorderen Linie in den Kanal und wanden uns durch menschen�berf�llte Gr�ben zum Bataillons-Gefechtsstand. Ich trat ein und fand einen Haufen von Offizieren und Ordonnanzen inmitten einer pantagruelschen Atmosph�re vor. Ich erfuhr, da� der Angriff an dieser Stelle nicht viel erreicht h�tte und am n�chsten Morgen weiter vorgetrieben werden sollte. Die Stimmung im Raum hatte wenig Zuversichtliches. Zwei Bataillonskommandeure begannen eine lange Verhandlung mit ihren Adjutanten. Ab und zu warfen Offiziere der Spezialwaffen einige Brocken von der H�he ihrer Pritschen, die wie H�hnerk�rbe bev�lkert waren, in die Debatte. Der Zigarrenqualm wurde erstickend. Burschen versuchten in dem Gedr�nge f�r ihre Herren Brote zu schneiden. Ein hereinst�rzender Verwundeter rief durch die Meldung eines feindlichen Handgranatenangriffes vor�bergehenden Alarm hervor.

Endlich konnte ich meinen Angriffsbefehl niederschreiben. Ich sollte mit der Kompagnie um 6 Uhr morgens den Drachenweg und von dort so weit als m�glich die Siegfried-Linie aufrollen. Die beiden Bataillone des Stellungs-Regiments sollten um 7 Uhr rechts von uns angreifen. Diese Zeitdifferenz erweckte in mir sofort einen ganz bestimmten Verdacht. Ich erhob entschiedenen Einspruch gegen den zersplitterten Angriff und erreichte, da� auch wir erst um 7 Uhr antreten sollten. Der n�chste Morgen zeigte, da� diese �nderung von gro�er Bedeutung war. Der kriegserfahrene F�hrer kann in solchen F�llen seiner Truppe viel unn�tzes Blut sparen.

Eine aus ihrem Verbande gerissene Kompagnie wird unter fremdem Befehle nicht verw�hnt. Da mir die Lage des Drachenweges �u�erst schleierhaft war, bat ich beim Abschied um eine Karte, die aber angeblich nicht entbehrt werden konnte. Ich dachte mir mein Teil und ging.

Nachdem ich mit den schwerbepackten Leuten lange Zeit in der Stellung umhergeirrt war, entdeckte ein Mann an einem kleinen, nach vorn abzweigenden Graben, der durch spanische Reiter gesperrt war, ein Schild mit der halbverwischten Aufschrift „Drachenweg“. Als ich hineinging, h�rte ich schon nach wenigen Schritten fremdartiges Stimmengewirr. Ich war �u�erst �berrascht, den Gegner so nahe, beinahe in der eigenen Stellung zu finden, ohne da� Sicherungsma�regeln getroffen waren, und sperrte den Graben sofort durch eine Gruppe ab.

Dicht neben dem Drachenweg lag ein riesiges Erdloch, anscheinend eine Tankfalle, in der ich die ganze Kompagnie zusammenzog, um den Gefechtsauftrag zu erkl�ren und die Z�ge zum Angriff einzuteilen. Meine Ansprache wurde mehrere Male durch leichte Granaten unterbrochen. Einmal sauste sogar ein Blindg�nger in die r�ckw�rtige Wand der Grube. Ich stand oben auf dem Rande und sah bei jedem Einschlag eine tiefe, gleichm��ige Verneigung der mondbegl�nzten Stahlhelme unter mir.

Aus Sorge vor einem gro�en Ungl�ckstreffer schickte ich den ersten und zweiten Zug in die Stellung zur�ck und blieb mit dem dritten in der Grube. Mannschaften einer Abteilung, die am vorigen Mittag im Drachenweg abgeschmiert war, machten meine Leute kopfscheu, indem sie erz�hlten, da� nach 50 Metern ein englisches Maschinengewehr den Graben als un�berwindliches Hindernis sperrte. Ich kam daraufhin mit den Zugf�hrern �berein, beim ersten Widerstand rechts und links auf Deckung zu springen und konzentrisch mit Handgranaten anzugreifen. Inmitten des fremden Verbandes galt es besonders, die Waffenehre des Regiments hochzuhalten. Die endlos langen Stunden verbrachte ich, eng an den Leutnant Hopf gekauert, in einem Erdloch. Um 6 Uhr erhob ich mich und traf in der eigent�mlichen Stimmung, die jedem Angriff vorausgeht, die letzten Anordnungen. Man hat ein seltsames, flaues Gef�hl im Magen, redet mit den Gruppenf�hrern, versucht Scherze zu machen, l�uft hin und her wie vor einer Parade vor dem kommandierenden General; kurz, man sucht sich m�glichst zu besch�ftigen, um den bohrenden Gedanken zu entgehen. Ein Mann bot mir eine auf Hartspiritus erw�rmte Tasse Kaffee an, die W�rme und Zuversicht ins Mark zauberte.

Punkt 7 Uhr traten wir in der bestimmten Reihenfolge in langer Schlange an. Wir fanden den Drachenweg unbesetzt; eine Reihe leerer Trommeln hinter einer Barrikade verriet, da� das MG. zur�ckgenommen sein mu�te. Unser Angriffsgeist wurde dadurch entfacht. Wir betraten einen kleinen Hohlweg, nachdem ich einen rechts abzweigenden, gut ausgebauten Graben durch ein paar Mann abgeriegelt hatte. Der Hohlweg wurde immer flacher, und zuletzt fanden wir uns im grauenden Morgen auf freiem Felde. Wir machten kehrt und betraten den rechten Graben, der gestopft voll Kriegsger�t und englischer Toter lag. Es war die Siegfried-Stellung. Pl�tzlich ri� der F�hrer der Sto�gruppen, Leutnant Hoppenrath, einem Manne das Gewehr aus der Hand und scho�. Er war auf einen englischen Posten gesto�en, der nach einigen Handgranatenw�rfen die Flucht ergriff. Es ging weiter, bis gleich darauf von neuem Widerstand geleistet wurde. Handgranaten flogen von beiden Seiten und barsten mit vielfachem Krachen. Die Sto�trupp-Technik trat in Funktion. Wurfgeschosse wanderten von Mann zu Mann durch die Kette der H�nde; Scharfsch�tzen nisteten sich hinter Schulterwehren ein, um die feindlichen Werfer aufs Korn zu nehmen, die Zugf�hrer sp�hten �ber Deckung, um einen Gegensto� rechtzeitig zu erkennen und die Bedienungen der leichten MG. bauten ihre Waffen an schu�feldbietenden Stellen auf.

Nach kurzem Kampfe erschollen dr�ben aufgeregte Stimmen, und ehe wir recht begriffen, was geschehen, kamen uns die ersten Engl�nder mit hochgereckten H�nden entgegen. Einer nach dem anderen bog um die Schulterwehr und schnallte ab, w�hrend unsere Gewehre und Pistolen drohend auf ihn gerichtet waren. Es waren lauter junge, stramme Kerle in neuen Uniformen. Ich lie� sie mit der Aufforderung: „Hands down!“ passieren und beauftragte eine Gruppe mit dem Abtransport. Die Meisten zeigten durch ihr zuversichtliches L�cheln, da� sie uns nichts Unmenschliches zutrauten. Andere suchten mit vorgehaltenen Zigarettenschachteln und Schokoladentafeln uns zur Milde zu stimmen. Mit der gesteigerten Freude eines Weidmannes sah ich, da� wir einen gewaltigen Fang gemacht hatten; der Zug wollte gar kein Ende nehmen. Schon hatten wir 150 Mann gez�hlt, und immer noch erschienen neue mit erhobenen Armen. Ich hielt einen Offizier an und fragte ihn nach dem weiteren Verlauf und der Besetzung der Stellung. Er antwortete sehr h�flich, beeintr�chtigte indes den guten Eindruck, den er auf mich machte, dadurch, da� er stramm stand. Er geleitete mich dann zu dem F�hrer der Kompagnie, einem verwundeten Captain, der sich in einem nahen Stollen aufhielt. Ich fand einen jungen Mann von ungef�hr 26 Jahren mit feingeschnittenem Gesicht, der mit durchschossener Wade an dem Stollenrahmen lehnte. Als ich mich vorstellte, hob er seine Hand, von der eine goldene Kette blitzte, an die M�tze, nannte seinen Namen und �bergab mir seine Pistole. Seine ersten Worte zeigten, da� ich einen Mann vor mir hatte. „We were surroundet about.“ Es dr�ngte ihn, seinem Gegner zu erkl�ren, warum sich seine Kompagnie so rasch ergeben h�tte. Wir unterhielten uns in franz�sischer Sprache �ber verschiedenes. Er erz�hlte mir, da� eine Reihe deutscher Verwundeter, die von seinen Leuten verbunden und verpflegt w�ren, in einem nahen Unterstande l�gen. Als ich mich erkundigte, wie stark die Siegfriedstellung weiter hinten besetzt w�re, verweigerte er die Auskunft. Nachdem ich versprochen hatte, ihn und die anderen Verwundeten zur�ckschaffen zu lassen, verabschiedeten wir uns durch einen H�ndedruck.

Vorm Stollen standen meine Leute und meldeten, da� wir an 200 Gefangene gemacht h�tten. F�r eine Kompagnie von 80 K�pfen eine sch�ne Leistung. Nachdem ich Postierungen ausgestellt hatte, sahen wir uns in dem eroberten Graben um, der von Waffen und Ausr�stungsst�cken starrte. Auf den Postenst�nden lagen MG., Minenwerfer, Hand- und Gewehrgranaten, Feldflaschen, Pelzwesten, Gummim�ntel, Zeltbahnen, Dosen voll Fleisch, Marmelade, Tee, Kaffee, Kakao und Tabak, Kognak-Flaschen, Handwerkszeug, Pistolen, Leuchtpistolen, W�sche, Handschuhe, kurz alles, was man sich nur denken konnte. Ich legte eine kleine Pause ein, um den Leuten Zeit zu geben, sich auszuruhen und die guten Sachen etwas n�her zu untersuchen. Auch ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mir von meinem Burschen in einem Stolleneingang ein kleines Fr�hst�ck zusammenstellen zu lassen und eine Pfeife des langentbehrten navy cut zu entz�nden, w�hrend ich meinen Bericht an den Kampftruppen-Kommandeur kritzelte. Als vorsichtiger Mann schickte ich ein Duplikat an unseren Bataillons-Kommandeur.

Nach einer halben Stunde traten wir in gehobener Stimmung (ich will nicht ableugnen, da� die englischen Kognakflaschen ein wenig dazu beigetragen haben mochten) wieder an und pirschten uns von Schulterwehr zu Schulterwehr die Siegfriedstellung entlang.

Aus einem in dem Graben eingebauten Blockhaus erhielten wir Feuer und stiegen, um uns zu orientieren, auf den n�chsten Postenstand. W�hrend wir mit den Insassen einige Kugeln wechselten, wurde ein Mann wie durch eine unsichtbare Faust zu Boden gesto�en. Ein Gescho� hatte den Scheitel seines Stahlhelms durchbohrt und eine lange Rille in die Sch�deldecke gerissen. Das Gehirn hob und senkte sich in der Wunde unter jedem Schlage des Blutes, trotzdem konnte er noch allein zur�ckgehen.

Ich rief Freiwillige auf, um den Widerstand durch einen Angriff �ber freies Feld zu brechen. Die Leute sahen sich z�gernd an; nur ein unbeholfener Pole, den ich immer f�r bl�dsinnig gehalten hatte, kletterte aus dem Graben und stapfte schwerf�llig auf das Blockhaus los. Nun sprang auch der F�hnrich Neupert mit seiner Gruppe auf Deckung, w�hrend wir gleichzeitig im Graben vorgingen. Die Engl�nder gaben einige Sch�sse ab und rissen aus, das Blockhaus uns �berlassend. Einer der Leute des F�hnrichs war mitten im Anlauf tot zusammengebrochen und lag wenige Schritte vorm Ziel mit dem Gesicht auf dem Boden.

Beim weiteren Vorgehen stie�en wir auf die erbitterte Gegenwehr unsichtbarer Handgranatenwerfer und wurden im Verlaufe eines l�ngeren Gemetzels wieder bis zum Blockhaus zur�ckgedr�ngt. Dort verbarrikadierten wir uns. Sowohl wir als die Engl�nder lie�en in dem umk�mpften Grabenst�ck eine Anzahl von Leichen zur�ck. Leider befand sich darunter auch der Unteroffizier Mevius, den ich in der Nacht von Regni�ville als tollk�hnen K�mpfer sch�tzen gelernt hatte. Er lag mit dem Gesicht in einer gro�en Blutlache. Als ich ihn umdrehte, sah ich an einem gro�en Loch in der Stirn, da� hier keine Hilfe mehr not tat.

Nachdem sich auch der Gegner etwas zur�ckgezogen hatte, begann ein hartn�ckiges Feuergefecht, w�hrenddessen ein 50 Meter von uns postiertes Lewis-Gewehr unsere K�pfe niederzwang. Ein leichtes Maschinengewehr von uns nahm das Duell auf. Eine halbe Minute lang knatterten die beiden Mordwaffen, von Geschossen umspritzt, gegen einander los. Dann brach unser Richtsch�tze, der Gefreite Motullo, mit einem Kopfschu� zusammen. Obwohl ihm das Gehirn bis zum Kinn �ber das Gesicht lief, war er noch bei klarem Verstande, als wir ihn in den n�chsten Stollen trugen. Allm�hlich wurde es etwas ruhiger, da auch die Engl�nder an einer Barrikade arbeiteten. Um 12 Uhr erschienen Hauptmann von Brixen, Leutnant Tebbe und Leutnant Vogt und begl�ckw�nschten mich zu den Erfolgen der Kompagnie. Wir setzten uns in das Blockhaus, fr�hst�ckten von den englischen Vorr�ten und besprachen die Lage. Zwischendurch unterhandelte ich schreiend mit ungef�hr 25 Engl�ndern, deren K�pfe 100 Meter vor uns aus dem Graben tauchten, und die sich anscheinend ergeben wollten. Sowie ich mich aber �ber Deckung erhob, wurde ich von weiter hinten beschossen.

Pl�tzlich entstand bei der Barrikade Bewegung. Handgranaten flogen. Gewehre knallten, MG. ratterten. „Sie kommen! Sie kommen!“ Wir sprangen hinter die Sands�cke und schossen. Einer meiner Leute, der Gefreite Kimpenhaus, sprang in der Hitze des Kampfes oben auf die Barrikade und scho� so lange in den Graben, bis ihn zwei schwere Armsch�sse herunterfegten. Ich merkte mir diesen Helden des Augenblicks und hatte die Freude, ihm 14 Tage sp�ter zum E. K. I gratulieren zu k�nnen.

Kaum waren wir von diesem kleinen Intermezzo zum Fr�hst�ck zur�ckgekehrt, als von neuem ein Heidenl�rm losbrach. Es trat einer jener merkw�rdigen Zwischenf�lle ein, an denen die Kriegsgeschichte im gro�en und kleinen so reich ist. Das Geschrei r�hrte von einem Offizier-Stellvertreter des linken Nachbar-Regiments, der mit uns Verbindung aufnehmen wollte und von gewaltiger Rauflust beseelt war. Alkoholgenu� schien seine angeborene Tapferkeit zur Raserei entfacht zu haben. „Wo ist der Tommy? Ran an die Hunde! Los, wer kommt mit?“ In seiner Wut ri� er unsere sch�ne Barrikade ein und st�rzte vor, sich den Weg mit krachenden Handgranaten bahnend. Vor ihm glitt seine Ordonnanz durch den Graben und erledigte mit Gewehrsch�ssen die dem Sprengstoff Entronnenen.

Mut, tollk�hner Einsatz der eigenen Person wirken immer begeisternd. Auch wir wurden vom Draufg�ngertum gepackt und beeilten uns, einige Handgranaten aufraffend, an dem improvisierten Sturm teilzunehmen. Bald befand ich mich neben dem Offizier-Stellvertreter, und auch die anderen Offiziere, gefolgt von Leuten meiner Kompagnie, lie�en sich nicht lange bitten. Selbst der Bataillons-Kommandeur, Hauptmann von Brixen, befand sich mit einem Gewehre in der Hand unter den Vordersten und streckte �ber unsere K�pfe hinweg mehrere feindliche Werfer nieder.

Die Engl�nder wehrten sich wacker. Es wurde um jede Schulterwehr gerungen. Die schwarzen B�lle der Mill-Handgranaten kreuzten sich in der Luft mit unseren Gestielten. Hinter jeder genommenen Schulterwehr fanden wir Leichen oder noch zuckende K�rper. Man t�tete sich, ohne sich zu sehen. Auch wir hatten Verluste. Neben der Ordonnanz fiel ein St�ck Eisen zu Boden, dem der Mann nicht mehr ausweichen konnte; er brach zusammen, w�hrend sein Blut aus vielen Wunden auf den Lehm sickerte.

�ber seinen K�rper hinweg sprangen wir weiter. Donnerkrachen zeichnete unseren Weg. Hunderte von Augen lauerten in dem toten Gel�nde hinter Gewehr und Maschinengewehr auf Ziel. Wir waren schon weit vor den eigenen Linien. Von allen Seiten pfiffen uns Geschosse um die Stahlhelme oder zerschellten mit hartem Knall am Grabenrand.

Ein rechts abzweigender Graben wurde von uns folgenden Leuten des Regiments 225 ausger�umt. In die Zwickm�hle geratene Engl�nder versuchten, �ber freies Feld zu entkommen und wurden niedergeschossen wie bei einer Treibjagd.

Dann kam der H�hepunkt; der atemlose Gegner, dem wir hart auf den Fersen geblieben waren, machte Anstalten, durch einen rechts abbiegenden Verbindungsgraben zu entweichen. Ich sprang auf einen Postenauftritt und sah, da� dieser Graben eine ganze Strecke lang dem unsrigen in einer Entfernung von 20 m parallel lief. Der Feind mu�te also noch einmal an uns vorbei. Wir konnten von unserem erh�hten Standpunkt den Engl�ndern, die vor Eile und Aufregung stolperten, direkt auf die Stahlhelme sehen. Ich schleuderte den Vordersten eine Handgranate vor die F��e, so da� sie stutzend stehen blieben, und die ihnen Folgenden eingekeilt wurden. Nun entstand eine unbeschreibliche Vernichtung; Handgranaten flogen wie Schneeb�lle durch die Luft, alles in wei�lichen Qualm h�llend. Zwei Leute reichten mir ununterbrochen fertige Wurfgeschosse zu. Zwischen den zusammengeballten Engl�ndern zuckten Blitze auf, Fetzen und Stahlhelme hochschleudernd. Wut- und Angstgebr�ll mischte sich. Feuer vor den Augen, sprangen wir schreiend auf den Grabenrand.

Mitten in diesem Taumel wurde ich durch einen furchtbaren Schlag zu Boden geworfen. Ern�chtert ri� ich meinen Stahlhelm herunter und erblickte zu meinem Schrecken zwei gro�e L�cher darin. Der Fahnenjunker-Unteroffizier Mohrmann, der mir beisprang, beruhigte mich durch die Versicherung, da� an meinem Hinterkopfe nur ein blutender Ri� zu sehen w�re. Das Gescho� eines weiter entfernten Sch�tzen hatte meinen Stahlhelm durchschlagen und den Kopf gestreift. Halb bet�ubt, wankte ich mit verbundenem Kopfe zur�ck, um mich aus diesem Brennpunkte des Kampfes zu entfernen. Kaum hatte ich die n�chste Schulterwehr passiert, als ein Mann hinter mir herst�rzte und hervorstie�, da� Leutnant Tebbe an derselben Stelle soeben durch Kopfschu� gefallen w�re.

Diese Nachricht gab mir den Rest. Ich str�ubte mich, die Tatsache zu fassen, da� ein Freund, mit dem ich jahrelang Freud, Leid und Gefahr geteilt, und der mir vor wenigen Minuten noch ein Scherzwort zugerufen hatte, durch ein sinnloses St�ck Blei sein Ende gefunden haben sollte. Es war leider nur zu wahr.

Gleichzeitig verbluteten in diesem m�rderischen Grabenst�ckchen s�mtliche hervorragenden Unteroffiziere und ein Drittel meiner Kompagnie. Auch der Leutnant Hopf fiel, ein bereits �lterer Mann, Lehrer von Beruf, deutscher Ideal-Schulmeister im besten Sinne des Wortes. Meine beiden F�hnriche und viele andere wurden verwundet. Trotzdem hielt die siebente Kompagnie die glorreich eroberte Stellung unter F�hrung des Leutnants Hoppenrath, des letzten Kompagnieoffizieres, bis zur Abl�sung.

Auch das moderne Gefecht hat seine gro�en Augenblicke. Man h�rt so oft die irrige Ansicht, da� der Infanteriekampf zu einer uninteressanten Massenschl�chterei herabgesunken ist. Im Gegenteil, heute mehr denn je entscheidet der einzelne. Das wei� jeder, der sie in ihrem Reich gesehen hat, die F�rsten des Grabens mit den harten, entschlossenen Gesichtern, tollk�hn, so sehnig, geschmeidig vor- und zur�ckspringend, mit scharfen, blutd�rstigen Augen, Helden, die kein Bericht nennt. Der Grabenkampf ist der blutigste, wildeste, brutalste von allen, doch auch er hat seine M�nner gehabt, M�nner, die ihrer Stunde gewachsen waren, unbekannte, verwegene K�mpfer. Unter allen nervenerregenden Momenten des Krieges ist keiner so stark, wie die Begegnung zweier Sto�truppf�hrer zwischen den engen Lehmw�nden des Grabens. Da gibt es kein Zur�ck und kein Erbarmen. Blut klingt aus dem schrillen Erkennungsschrei, der sich wie Alpdruck von der Brust ringt.

Auf dem R�ckweg blieb ich neben dem Hauptmann von Brixen stehen, der, mit einigen Leuten einen Feuerkampf gegen eine Reihe von K�pfen f�hrte, die aus einem nahen Parallelgraben ragten. Ich stellte mich zwischen ihn und einen anderen Sch�tzen und beobachtete die Gescho�einschl�ge.

Pl�tzlich warf mich wieder ein Prall vor die Stirne auf die Grabensohle, w�hrend meine Augen durch herabstr�mendes Blut geblendet wurden. Der Mann neben mir st�rzte zu gleicher Zeit und begann zu jammern. Kopfsteckschu� durch Stahlhelm und Schl�fe. Der Hauptmann f�rchtete, seinen zweiten Kompagnief�hrer an diesem Tage verloren zu haben, stellte indes bei n�herem Hinsehen nur zwei oberfl�chliche L�cher an der Haargrenze fest; wahrscheinlich durch das zerschellende Gescho� oder Stahlhelmsplitter des Verwundeten verursacht.

Durch den erneuten Blutverlust geschw�cht, schlo� ich mich dem Hauptmann an, der zu seiner Befehlsstelle zur�ckging. Den hart beschossenen Dorfrand von Moeuvres im Laufschritt �berwindend, gewannen wir den Unterstand im Kanalbett, wo ich Verband und Tetanusspritze erhielt. — Am Nachmittag setzte ich mich in ein Lastauto und fuhr nach L�cluse, wo ich dem begeisterten Oberst von Oppen beim Abendessen Bericht erstattete. Nachdem ich halb im Schlaf, aber in vorz�glicher Stimmung, eine Flasche Wein geleert hatte, verabschiedete ich mich und warf mich nach diesem gewaltigen Tage mit einem Feierabendgef�hl in das Bett, das mir mein treuer, freudestrahlender Vinke bereitet hatte. Am �bern�chsten Tage r�ckte das Bataillon in L�cluse ein. Am 4. Dezember hielt der Divisions-Kommandeur, Generalmajor von Busse, eine Ansprache an die beteiligten Bataillone, in der die Verdienste der siebenten Kompagnie besonders hervorgehoben wurden.

Ich konnte mit Recht stolz auf meine Leute sein. Kaum 80 Mann hatten ein langes Grabenst�ck erobert; eine Menge Maschinengewehre, Minenwerfer und Material erbeutet und 200 Gefangene gemacht. Leider hatten wir auch eine Verlustziffer von 50 Prozent, darunter besonders viele Chargen. Ich hatte die Freude, eine lange Reihe von Bef�rderungen und Auszeichnungen verk�nden zu k�nnen. Verdienterma�en erhielten der Leutnant Hoppenrath, F�hrer der Sto�truppen, F�hnrich Neupert, der Blockhausst�rmer und last not least, der k�hne Barrikadenverteidiger Kimpenhaus das E. K. I. Ich bekam als Pflaster auf meine f�nfte Verwundung einen vierzehnt�gigen Weihnachtssurlaub, w�hrenddessen mir das Ritterkreuz des Hausordens von Hohenzollern mit Schwertern ins Haus geschickt wurde. Ich habe mir im Verlaufe des Krieges �ber Orden eine eigent�mliche Anschauung erworben, indes gestehe ich, da� ich mir das goldgerandete Emaillekreuz mit Stolz an die Brust heftete. Dieses Kreuz, mein durchschossener Stahlhelm und ein silberner Pokal mit der Inschrift „Dem Sieger von Moeuvres“, den mir die drei anderen Kompagnief�hrer des Bataillons schenkten, sind meine Erinnerungszeichen an den Tag von Cambrai.

Am Cojeul-Bach.

Nach wenigen Tagen der Ruhe l�sten wir am 9. Dezember 1917 die zehnte Kompagnie in vorderer Linie ab. Die Stellung lag, wie ich schon berichtete, vor dem Dorfe Vis-en-Artois. Mein Kompagnieabschnitt wurde rechts durch die Stra�e Arras—Cambrai, links durch das versumpfte Bett des Cojeul-Baches begrenzt, �ber das wir die Verbindung mit der Nebenkompagnie durch n�chtliche Patrouillen aufrechterhielten. Die feindliche Stellung wurde durch eine zwischen den vorderen Gr�ben liegende Erhebung der Sicht entzogen. Au�er ein paar Patrouillen, die sich nachts an unserem Draht zu schaffen machten, und dem Surren eines in der nahen Hubertus-Ferme aufgestellten Lichtmotors nahmen wir nichts von der feindlichen Infanterie wahr.

Mein Unterstand war in die steile Wand einer hinter der Stellung g�hnenden Kiesgrube getrieben, die fast jeden Tag stark beschossen wurde. Dahinter ragte in grotesker W�stheit das Eisenger�st einer zerst�rten Zuckerfabrik.

Die Kiesgrube war ein unheimlicher Aufenthaltsort. Zwischen den mit verbrauchtem Kriegsmaterial gef�llten Trichtern steckten die windschiefen Kreuze verfallener Gr�ber. Nachts konnte man nicht die Hand vor Augen sehen und mu�te von dem Erl�schen der einen Leuchtkugel auf das Hochsteigen der anderen warten, um nicht vom sicheren Pfade der Laufrosten in den Schlamm des Cojeul-Grundes zu geraten.

Die Tage verbrachte ich, wenn ich nicht bei dem im Bau befindlichen Postengraben zu tun hatte, in dem eisigkalten Stollen, las ein Buch und trommelte mit den F��en zur Erw�rmung gegen die Stollenrahmen. Demselben Zweck diente auch die in einer Nische des Kalkfelsens verborgene Flasche, der von meinen Ordonnanzen und mir stark zugesprochen wurde.

H�tten wir indes aus der Kiesgrube den Dampf eines Feuerchens zum tr�ben Dezemberhimmel emporsteigen lassen, so w�re der Platz g�nzlich unbewohnbar geworden, da der Feind bislang die Zuckerfabrik f�r den Sitz der Befehlsstelle zu halten schien und demgem�� bedachte. So kam erst zur Stunde der D�mmerung Leben in unsere erstarrten Glieder. Der kleine Ofen wurde in Brand gesetzt und verbreitete neben dichtem Qualm auch eine behagliche W�rme. Bald klapperten auf der Stollentreppe die Kochgeschirre der aus Vis zur�ckkehrenden Essenholer, die bereits sehns�chtig erwartet wurden. Wenn dann die ewige Folge von Steckr�ben, Graupen und D�rrgem�se durch Bohnen oder Nudeln unterbrochen wurde, lie� die Stimmung nichts mehr zu w�nschen �brig. Ich freute mich manchmal, an meinem kleinen Tische sitzend, �ber die urw�chsige Unterhaltung der Leute, die, in Tabakswolken geh�llt, um den Ofen hockten, von dem ein Kochgeschirr voll Grog kr�ftige Ger�che ausstr�mte. Krieg und Frieden, Kampf und Heimat, Ruheort und Urlaub wurden in trockener nieders�chsischer Art besprochen, auch die Erotik spielte eine Hauptrolle.

Am 17. Dezember trat ich meinen Urlaub an, von dem ich am 2. Januar zur�ckkehrte.

Am 19. Januar wurden wir um 4 Uhr morgens abgel�st und marschierten durch dichtes Schneegest�ber nach Gouy, wo wir l�ngere Zeit bleiben sollten, um uns f�r die Aufgaben der gro�en Offensive zu schulen. Die wunderbar klaren Ausbildungsbefehle Ludendorffs, die bis zu den Kompagnief�hrern verteilt wurden, stellten den Angriff f�r die n�chste Zeit in Aussicht.

Wir �bten die fast vergessenen Formen des Sch�tzengefechts und Bewegungskrieges, auch wurde eifrig mit Gewehr und Maschinengewehr geschossen. Da alle D�rfer hinter der Front bis zur letzten Dachkammer belegt waren, wurde jede B�schung als Scheibenstand benutzt, so da� die Geschosse manchmal wie bei einem Gefecht �ber das Gel�nde flirrten. Ein Richtsch�tze meiner Kompagnie scho� mit seinem leichten Maschinengewehr den Kommandeur eines fremden Regiments mitten in einer Kritik aus dem Sattel. Zum Gl�ck war die Verwundung eine leichte und unsere T�terschaft nicht klar erweislich.

Einige Male unternahm ich mit der Kompagnie �bungsangriffe mit scharfen Handgranaten auf verwickelte Grabensysteme, um die Erfahrungen der Cambraischlacht auszuwerten. Auch dabei gab es Verwundete. Wo Holz gehauen wird, fallen Sp�ne.

Am 24. Januar verabschiedete sich unser von allen verehrter Oberst v. Oppen, um im fernen S�dosten eine Brigade zu �bernehmen. Das Scheiden dieses hervorragenden, w�hrend der langen Jahre des Krieges fest mit seiner Truppe verwachsenen F�hrers war dem ganzen Regiment ein schmerzlicher Verlust. Neben einer warmen Teilnahme am Geschick seiner Untergebenen besa� er die bei im eint�nigen Friedensdienst alt gewordenen Offizieren nicht h�ufige Eigenschaft, sich den gewaltigen Neuerungen des Krieges mit Leichtigkeit anpassen zu k�nnen. Ein solcher Mann kann im Kriege Unerme�liches leisten. Leider gingen seine Abschiedsworte: „Auf Wiedersehen in Hannover!“ nicht in Erf�llung. Unser lieber Oberst hat weder die Heimat noch sein stolzes Regiment wiedergesehen. Er ruht in fremder Erde, fern von der Heimat, von t�ckischer Seuche dahingerafft.

Am 6. Februar siedelten wir wieder nach L�cluse �ber und wurden am 22. f�r vier Tage im Trichterfelde links der Stra�e Dury—Hendecourt untergebracht, um nachts in vorderer Linie zu schanzen. Bei der Besichtigung der Stellung, die dem Tr�mmerhaufen des ehemaligen Dorfes Bullecourt gegen�berlag, wurde mir klar, da� ein Teil des gewaltigen Angriffs, von dem an der ganzen Westfront erwartungsvoll geraunt wurde, an dieser Stelle stattfinden mu�te.

�berall wurde mit fieberhafter Hast gebaut, Stollen getrieben und neue Wege angelegt. Das Trichterfeld wimmelte von mitten im Gel�nde stehenden Schildchen, auf denen unverst�ndliche Ziffern standen, die anscheinend die Pl�tze f�r Batterien und Befehlsstellen bezeichneten. Dauernd flogen unsere Flugzeuge Sperre, um den feindlichen den Einblick zu verwehren. Eine interessante Neuerscheinung an der Front war, da� jeden Mittag punkt 12 Uhr von den Fesselballons ein schwarzer Ball heruntergelassen wurde, der um 12.10 Uhr verschwand. Es geschah dies, um die Truppe mit genauer Uhrzeit zu versorgen.

Gegen Ende des Monats marschierten wir wieder nach Gouy in unsere alten Quartiere. Nach mehreren �bungen im Bataillons- und Regimentsverbande exerzierten wir zweimal an einer gro�en tracierten Stellung einen Durchbruch der ganzen Division. Anschlie�end hielt der Divisionskommandeur eine Ansprache an seine Offiziere, bei der jedem klar wurde, da� der Sturm in den n�chsten Tagen losbrechen sollte. Der eherne Geist des Angriffs, der Geist der preu�ischen Infanterie, schwebte �ber den Massen, die sich hier auf nordfranz�sischem Felde beim Fr�hlingserwachen zur Kampfprobe versammelt hatten.

Wenn das Ziel nicht erreicht wurde, das die F�hrung sich gesteckt hatte, so war es nicht die Schuld der Offiziere und der Leute, die nach 44 Monaten schwerster K�mpfe sich dem Feinde mit einer Begeisterung entgegenwarfen, wie je im August 1914. F�rwahr, es mu�te sich die ganze Welt in die Bresche stemmen, um solcher Sturmflut standzuhalten. Wenn sich im Laufe der Jahre einst die Wogen des Hasses gegl�ttet haben, wird die Geschichte anerkennen, da� wir gek�mpft haben wie nie ein Volk zuvor.

Mit Vergn�gen erinnere ich mich auch jener Abendstunden, wo wir am runden Tisch zusammensa�en und uns mit hei�en K�pfen �ber den bevorstehenden frisch-fr�hlichen Bewegungskrieg unterhielten. Ging auch in der Begeisterung der letzte Taler f�r Wein drauf, was brauchten wir noch Geld jenseits der feindlichen Linien oder gar im besseren Jenseits?

Wer wei�, ob nicht die Welt

Morgen in Schutt zerf�llt,

Wenn sie nur heut noch h�lt,

Heute ist heut!

Nur durch die Vorstellung, da� die Etappe doch auch leben wollte, konnte uns der Hauptmann v. Brixen am letzten Abend davon abhalten, Gl�ser, Flaschen und Porzellan gegen die W�nde zu feuern. Auch die Leute waren gut in Form. H�rte man sie in ihrer trockenen nieders�chsischen Weise von dem bevorstehenden „Hindenburg-Flachrennen“ reden, so wu�te man, da� sie anpacken w�rden wie immer, z�h, zuverl�ssig und ohne unn�tiges Geschrei. Wie h�tte man hinten sein k�nnen, wenn sie ins Gefecht gingen, diese stillen S�hne alter, eichenumrauschter H�fe? Viel schimmernde Ideale, die �ber unseren Zielen hingen, hat mir der Krieg zerschlagen, eins blieb f�r immer: diese unersch�tterliche Treue.

Am 17. M�rz marschierten wir nach Dunkelwerden von den uns bereits liebgewordenen Quartieren nach Brunemont. Alle Stra�en waren �berf�llt von rastlos sich vorw�lzenden Marschkolonnen, unz�hligen Gesch�tzen und endlosen Trains. Trotzdem herrschte genaue Ordnung nach einem von Generalstabsoffizieren ausgearbeiteten Mobilmachungsplan. Wehe der Truppe, die nicht peinlich Weg- und Marschzeit innehielt; sie wurde r�cksichtslos in den Stra�engraben gedr�ngt und mu�te stundenlang warten, ehe sie sich in eine L�cke zw�ngen konnte. Einmal gerieten wir doch ins Gedr�nge, wobei sich das Reitpferd des Hauptmanns v. Brixen auf eine beschlagene Wagendeichsel spie�te und verendete.

Die gro�e Schlacht.

Das Bataillon wurde im Schlo� von Brunemont untergebracht. Wir erfuhren, da� wir in der Nacht vom 19. zum 20. M�rz 1918 nach vorn marschieren sollten, um in der N�he von Cagnicourt in Stollen des Trichterfeldes bereitgestellt zu werden, und da� der gro�e Angriff am Morgen des 21. beginnen sollte. Das Regiment hatte den Auftrag, zwischen den uns von 1915/16 her wohlbekannten D�rfern Ecoust-St. Mein und Noreuil durchzusto�en und wom�glich am ersten Tage Mory zu erreichen.

Ich schickte den Leutnant Schmidt, den wir seines netten Wesen wegen gar nicht anders nennen konnten als „Schmidtchen“, voraus, um die Unterkunft der Kompagnie zu sichern.

Zur bestimmten Stunde marschierte das Bataillon aus Brunemont ab. Trotz str�menden Regens war die Stimmung gut. Einen Betrunkenen, der gr�hlend zwischen den Gliedern meiner Kompagnie taumelte, �bersah ich. Jetzt mu�te jedes scharfe Wort schaden. Die Ausbildung war vor�ber, nun kam die Sache selbst. Man mu�te jedes R�dchen laufen lassen.

Von einer Stra�enkreuzung, an der uns unsere F�hrerkommandos erwarteten, marschierten die Kompagnien selbst�ndig nach vorn. Als wir in der H�he der zweiten Linie waren, in der wir untergebracht werden sollten, stellte sich heraus, da� sich unsere F�hrer verlaufen hatten. Es begann ein Umherirren in dem schwach beleuchteten, aufgeweichten Trichtergel�nde und ein Fragen bei unz�hligen, ebensowenig orientierten Trupps. Um meine Leute nicht v�llig zu ersch�pfen, lie� ich halten und schickte die F�hrer in verschiedenen Richtungen aus.

Die Gruppen setzten die Gewehre zusammen und dr�ngten sich in einen gewaltigen Trichter, w�hrend ich mit dem Leutnant Sprenger auf dem Rande eines kleineren sa�. Schon seit einiger Zeit waren ungef�hr 100 Meter vor uns einzelne Einschl�ge aufgeflammt. Ein neues Projektil schlug in geringerer Entfernung ein; Splitter klatschten in die Lehmw�nde des Trichters. Ein Mann schrie auf und behauptete, am Fu�e getroffen zu sein. Ich rief den Leuten zu, sich in die umliegenden L�cher zu verteilen, w�hrend ich mit den H�nden den schlammigen Stiefel des Getroffenen nach einem Einschu� untersuchte.

Da pfiff es wieder hoch in der Luft; jeder hatte das zusammenschn�rende Gef�hl: die kommt hierher! Dann schmetterte ein bet�ubender, ungeheurer Krach; — die Granate war mitten zwischen uns geschlagen. . . .

Halb ohnm�chtig richtete ich mich auf. Aus dem gro�en Trichter strahlte unsere in Brand gesetzte Maschinengewehrmunition ein intensives rosa Licht. Es beleuchtete den schwelenden Qualm des Einschlages, in dem sich schwarze K�rper w�lzten und die Schatten der nach allen Seiten auseinanderstiebenden �berlebenden. Gleichzeitig ert�nte ein vielfaches, grauenhaftes Gebr�ll und Hilfegeschrei.

Ich will nicht verheimlichen, da� ich zun�chst, wie alle anderen, nach einem Augenblick starren Entsetzens aufsprang und planlos in die Nacht rannte. Erst in einem kleinen Granatloch, in das ich kopf�ber gest�rzt war, wurde mir der Vorgang klar. Nichts mehr h�ren und sehen! Fort, weit weg, verkriechen! Und doch meldete sich sofort die andere Stimme: „Mensch, du bist doch der Kompagnief�hrer!“ Genau so. Ich sage es nicht, um mich zu r�hmen; ich m�chte eher sagen: wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand dazu. Ich habe an mir und anderen oft erfahren, da� das Verantwortlichkeitsgef�hl des F�hrers die pers�nliche Angst �bert�ubte. Man hatte einen Halt, etwas, an das man denken mu�te. Ich zwang mich also an den schrecklichen Ort zur�ck; unterwegs stie� ich auf den F�silier Haller, der w�hrend meiner November-Patrouille das Maschinengewehr erbeutet hatte, und nahm ihn mit.

Die Verwundeten stie�en noch immer ihre furchtbaren Schreie aus. Einige kamen auf mich zugekrochen und winselten, meine Stimme erkennend: „Herr Leutnant! Herr Leutnant!“ Einer meiner liebsten Rekruten, dem ein Splitter den Schenkel zerknickt hatte, klammerte sich an meinen Beinen fest. Meinem Unverm�gen zu helfen, fluchend, klopfte ich ihm ratlos auf die Schulter. Solche Augenblicke vergi�t man nie.

Ich mu�te die Ungl�cklichen dem einzig �berlebenden Krankentr�ger �berlassen, um das H�uflein Getreuer, das sich um mich gesammelt hatte, aus dem gef�hrdeten Bereich zu f�hren. Vor einer halben Stunde noch an der Spitze einer kriegsstarken, ausgezeichneten Kompagnie, irrte ich nun mit wenigen, seelisch vollkommen deprimierten Leuten durch das Grabengewirre. Ein blutjunges Milchgesicht, das vor einigen Tagen noch, von seinen Kameraden verspottet, beim Exerzieren der schweren Munitionsk�sten wegen geweint hatte, schleppte nun diese Last, die es aus der furchtbaren Szene gerettet hatte, getreulich auf unserem m�hsamen Wege mit. Diese Beobachtung gab mir den Rest. Ich warf mich zu Boden und brach in ein krampfhaftes Schluchzen aus, w�hrend die Leute d�ster um mich herumstanden.

Nachdem wir einige Stunden lang erfolglos, oft von einschlagenden Granaten bedroht, durch Gr�ben gehastet waren, in denen Schlamm und Wasser fu�hoch standen, verkrochen wir uns, zu Tode ersch�pft, in einige in die W�nde eingebaute Munitionsnischen. Mein Bursche breitete seine Decke �ber mich; trotzdem konnte ich infolge der furchtbaren Nervenerregung kein Auge schlie�en und erwartete, Zigarren rauchend, die D�mmerung.

Das erste Tageslicht entschleierte ein ganz unglaubliches Leben im Trichterfelde. Zahllose Trupps Infanterie suchten noch ihre Deckungen zu erreichen. Artilleristen schleppten Munition, Minenwerfer zogen ihre Fahrzeuge; Fernsprecher und Lichtsignalisten bauten Leitungen. Es war der reinste Jahrmarktstrubel tausend Meter vorm Feinde, der unbegreiflicherweise nichts zu merken schien.

Zum Gl�ck stie� ich auf den F�hrer der zweiten Maschinengewehrkompagnie, Leutnant Fallenstein, einen alten Frontoffizier, der mir unsere Unterkunft zeigen konnte. Sein erstes Wort war: „Mensch, wie sehen Sie denn aus?“ Ich f�hrte meine Leute in einen gro�en Stollen, an dem wir in der Nacht wohl ein dutzendmal vorbeigelaufen waren, und in dem ich Schmidtchen vorfand, der von unserem Ungl�ck noch nichts wu�te. Auch die F�hrer fand ich hier wieder. Seit diesem Tage habe ich, wenn wir eine neue Stellung bezogen, die Auswahl der F�hrer stets selbst und mit der gr��ten Sorgfalt getroffen. Im Kriege lernt man gr�ndlich, aber das Lehrgeld ist teuer.

Nachdem ich meine Begleiter untergebracht hatte, machte ich mich auf den Weg nach der Schreckensstelle der vergangenen Nacht. Der Platz sah schaurig aus. Rings um die verbrannte Einschlagsstelle lagen �ber 20 geschw�rzte Leichen, fast alle bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt. Einige der Gefallenen mu�ten wir sp�ter als vermi�t f�hren, da nichts von ihnen vorzufinden war.

Einige Soldaten fremder Truppenteile fand ich besch�ftigt, aus dem gr��lichen Gewirr die blutbesudelten Sachen der Toten hervorzuziehen und nach Beute zu durchsuchen. Angeekelt jagte ich das Hy�nengelichter fort und gab meiner Ordonnanz den Auftrag, soweit m�glich, die Brieftaschen und Wertsachen an sich zu nehmen, um sie f�r die Hinterbliebenen zu retten. Wir mu�ten sie allerdings am folgenden Tage beim Sturm zur�cklassen.

Zu meiner Freude kann aus einem nahen Stollen der Leutnant Sprenger mit einer Schar von Leuten, die dort die Nacht verbracht hatten. Ich lie� die Gruppenf�hrer melden und stellte fest, da� mir noch 63 Mann zur Verf�gung standen. Mit �ber 150 war ich am Abend zuvor in bester Stimmung ausgezogen! Es gelang mir, �ber 20 Tote und �ber 60 Verwundete, von denen sp�ter noch viele ihren Verletzungen erlagen, zu ermitteln.

Der einzige schwache Trost war, da� es noch schlimmer h�tte kommen k�nnen. So stand z. B. der F�silier Rust so dicht neben dem Einschlag, da� die Tragegurte seiner Munitionsk�sten anfingen zu brennen. Der Unteroffizier Peggau, der allerdings am n�chsten Tage sein Leben lassen mu�te, stand zwischen zwei Leuten, die vollkommen zerrissen wurden, ohne auch nur geritzt zu werden.

Wir verbrachten den Tag in gedr�ckter Stimmung, meist schlafend. Ich mu�te h�ufig zum Bataillonskommandeur, da immer wieder etwas �ber den Angriff zu besprechen war. Sonst f�hrte ich mit meinen beiden Offizieren, auf einer Pritsche liegend, eine Unterhaltung �ber die nebens�chlichsten Dinge, um den marternden Gedanken zu entgehen. Der stete Refrain war: „Mehr als totgeschossen k�nnen wir Gott sei Dank nicht werden!“ Eine kleine Ansprache, mit der ich die Leute zu ermuntern suchte, die wortlos auf der Stollentreppe zusammenkauerten, schien wenig Wirkung zu haben. Ich war auch zum Ermutigen nicht disponiert.

Um 10 Uhr abends brachte eine Ordonnanz den Befehl zum Abmarsch in vordere Linie. Wenn ein Tier der Wildnis aus seiner H�hle hervorgezerrt wird, oder ein Seemann die rettende Planke unter seinen F��en sinken sieht, m�gen sie �hnliche Gef�hle haben wie wir, als wir uns von dem sicheren, warmen Stollen trennen mu�ten. Jedoch kam nicht einem meiner Leute der Gedanke, unbemerkt zur�ckzubleiben.

Wir eilten in scharfem Schrapnellfeuer durch den Felixgraben und kamen ohne Verluste vorn an. Dem Bataillon war ein ganz schmaler Abschnitt zugewiesen. S�mtliche Stollen waren im Nu gestopft voll Menschen. Die �brigen gruben sich L�cher in die Grabenw�nde, um w�hrend des dem Angriff vorausgehenden Artilleriefeuers wenigstens etwas Schutz zu haben. Nach vielem Hin und Her hatte jeder sein Pl�tzlein gefunden. Noch einmal versammelte der Hauptmann von Brixen die Kompagnief�hrer zur Besprechung. Nachdem zum letzten Mal die Uhren verglichen waren, trennten wir uns mit einem H�ndedruck.

Ich setzte mich neben meine beiden Offiziere auf eine Stollentreppe, um den Zeitpunkt 5.05 Uhr zu erwarten, mit dem die Feuervorbereitung beginnen sollte. Die Stimmung hatte sich etwas aufgeheitert, da der Regen aufgeh�rt hatte und die sternklare Nacht einen trockenen Morgen versprach. Wir verbrachten die Zeit mit Erz�hlen und Essen; es wurde stark geraucht, und die gef�llte Feldflasche machte stetig die Runde. In den ersten Morgenstunden war die feindliche Artillerie so lebhaft, da� wir f�rchteten, der Engl�nder h�tte Lunte gerochen.

Kurz vor Beginn wurde folgender Funkspruch bekanntgegeben: „S. M. der Kaiser und Hindenburg haben sich an den Schauplatz der Operationen begeben.“ Er wurde mit Beifall begr��t.

Immer weiter r�ckte der Zeiger; wir z�hlten die letzten Minuten mit. Endlich stand er auf 5.05 Uhr. Der Orkan brach los. Ein rasender Donner, der auch die schwersten Absch�sse in seinem gewaltigen Rollen verschlang, lie� die Erde erzittern. Das gigantische Vernichtungsgebr�ll der unz�hligen Gesch�tze hinter uns war so furchtbar, da� auch die gr��ten der �berstandenen Schlachten dagegen ein Kinderspiel schienen. Was wir nicht gewagt hatten zu hoffen, geschah: Die feindliche Artillerie blieb stumm; sie war mit einem einzigen Riesenschlage niedergeschmettert. Wir hielten es im Stollen nicht l�nger aus. Auf Deckung stehend, bewunderten wir die �ber den englischen Gr�ben flammende Feuerwand, die sich hinter wallenden, blutroten Wolken verschleierte.

Unsere Freude wurde durch Augentr�nen und Brennen der Schleimh�ute gest�rt, verursacht durch die vom Winde zur�ckgetriebenen D�nste unserer Gasgranaten. Die unangenehmen Wirkungen des Blaukreuzgases zwangen viele Leute durch W�rge- und Hustenreiz, die Masken abzurei�en. Ich war sehr besorgt; doch vertraute ich fest darauf, da� unsere F�hrung unm�glich eine Berechnung gemacht haben k�nnte, die unser Verderben werden mu�te. Trotzdem zwang ich mit Aufbietung aller Energie den ersten Husten zur�ck, um den Reiz nicht zu f�rdern. Nach einer Stunde konnten wir die Masken absetzen. Es war Tag geworden. Hinter uns wuchs das ungeheure Get�se fortw�hrend. Vor uns war eine dem Blick undurchdringliche Wand von Rauch, Staub und Gas entstanden. Leute liefen durch den Graben und br�llten sich freudige Zurufe ins Ohr. Infanteristen und Artilleristen, Pioniere und Fernsprecher, Preu�en und Bayern, Offiziere und Mannschaften, alle waren �berw�ltigt, begeistert durch diese elementare �u�erung deutscher Kraft und brannten darauf, um 9.40 Uhr zum Sturm anzutreten. Um 8.25 griffen unsere schweren Minenwerfer ein, die in engen Zwischenr�umen hinter dem vorderen Graben standen. Wir sahen die gewaltigen Zweizentner-Minen im hohen Bogen durch die Luft fliegen und dr�ben mit vulkanartigen Explosionen zu Boden fallen.

Selbst die Naturgesetze schienen ihre G�ltigkeit verloren zu haben; die Luft flimmerte wie an hei�en Sommertagen. Der wechselnde Brechungsexponent lie� feste Gegenst�nde hin und her tanzen. Schwarze Schattenstriche huschten durch das Gew�lk.

Die letzte Stunde der Vorbereitung wurde gef�hrlicher als die vier anderen, w�hrend deren wir uns ruhig auf Deckung bewegt hatten. Der Feind brachte eine schwere Batterie ins Feuer, die Schu� um Schu� in unseren gedr�ngt vollen Graben warf. Um auszuweichen, begab ich mich nach links und stie� auf den Adjutanten, Leutnant Heins, der mich nach dem Leutnant Freiherrn v. Solemacher fragte: „Der mu� sofort das Bataillon �bernehmen, Hauptmann v. Brixen ist eben gefallen.“ Ersch�ttert von dieser Schreckensnachricht ging ich zur�ck und setzte mich in ein tiefes Erdloch. Auf dem kurzen Wege hatte ich die Tatsache schon wieder vergessen. Mein Gehirn klammerte sich nur noch durch die Zahl 9.40 Uhr an die Wirklichkeit. Ich schien mich indes sehr kouragiert zu benehmen, denn alle Leute l�chelten mir beif�llig zu.

Vor meinem Erdloch stand der Unteroffizier Dujesiefken, mein Begleiter bei Regni�ville, und bat mich, in den Graben zu kommen, da beim kleinsten Einschlage die Erdmassen �ber mir zusammenst�rzen k�nnten. Eine Explosion ri� ihm das Wort vom Munde: mit einem abgerissenen Bein st�rzte er zu Boden. Ich sprang �ber ihn hinweg und hastete nach rechts, wo ich in ein Fuchsloch kroch, das bereits von zwei Pionieren besetzt war. Im engen Kreise um uns setzten die schweren Geschosse ihr W�ten fort. Man sah pl�tzlich schwarze Erdklumpen aus einer wei�en Wolke wirbeln; die Detonation ging im allgemeinen Tosen unter. Man h�rte eigentlich �berhaupt nichts mehr. Im Grabenst�ckchen links neben uns wurden drei Leute meiner Kompagnie zerrissen. Einer der letzten Treffer, ein Blindg�nger, t�tete das arme Schmidtchen, das noch auf der Stollentreppe sa�.

Ich stand zusammen mit Sprenger, die Uhr in der Hand, vor meinem Fuchsloch und erwartete den gro�en Augenblick. Um uns hatten sich die Reste der Kompagnie geschart. Es gelang uns, sie durch Scherzworte von einer Derbheit, die sich hier leider nicht wiedergeben l��t, aufzuheitern und abzulenken. Der Leutnant Meyer, der einen Augenblick um die Schulterwehr lugte, erz�hlte mir sp�ter, da� er uns f�r wahnsinnig gehalten h�tte.

Um 9.10 Uhr verlie�en die Offizier-Patrouillen, die unsere Aufstellung sichern sollten, den Graben. Da die vorderen Linien �ber 800 Meter auseinanderlagen, mu�ten wir noch w�hrend der Vorbereitung antreten und uns im Niemandslande derart bereitlegen, da� wir um 9.40 in die erste feindliche Linie springen konnten. Auch Sprenger und ich kletterten nach einigen Minuten, gefolgt von unseren Leuten, auf Deckung.

„Nun wollen wir mal zeigen, was die siebte Kompagnie kann!“ „Jetzt ist mir alles ejal!“ „Rache f�r die siebte Kompagnie!“ „Rache f�r Hauptmann von Brixen!“ Wir zogen die Pistolen und �berschritten unseren Draht, durch den sich schon die ersten Verwundeten zur�ckschleppten.

Ich blickte nach rechts und links. Die V�lkerscheide bot ein seltsames Bild. In den Trichtern vor dem feindlichen Graben, der in h�chster Feuersteigerung wieder und wieder umgew�hlt wurde, harrten in un�bersehbar breiter Front, kompagnieweise zusammengeklumpt, die Angriffsbataillone. Beim Anblick dieser aufgestauten gewaltigen Massen schien mir der Durchbruch gewi�. Ob aber auch die Kraft in uns steckte, die feindlichen Reserven zu zersplittern und vernichtend auseinanderzurei�en? Ich erwartete es mit Bestimmtheit. Der Endkampf, der letzte Anlauf schien gekommen. Die Stimmung war sonderbar, geladen von h�chster Spannung. Offiziere standen aufrecht und riefen sich nerv�se Scherzworte zu. Oft ging eine schwere Mine zu kurz, warf eine kirchturmhohe Font�ne hoch und �bersch�ttete uns mit Erde, ohne da� einer auch nur den Kopf beugte. Der Schlachtendonner war so f�rchterlich geworden, da� keiner mehr bei klarem Verstande war. Die Nerven konnten keine Angst mehr empfinden.

Drei Minuten vor dem Angriff winkte mir mein Bursche, der treue Vinke, mit einer gef�llten Feldflasche. Sein einfacher Horizont erkannte das Gebot der Stunde. Ich tat einen tiefen Zug. Es war, als ob ich Wasser tr�nke. Nun fehlte noch die Offensiv-Zigarre. Dreimal l�schte der Luftdruck mein Streichholz aus.

Der gro�e Augenblick war gekommen. Die Feuerwalze rollte �ber die ersten Gr�ben hinweg. Wir traten an.

In einer Mischung von Gef�hlen, hervorgerufen durch Blutdurst, Wut und Alkoholgenu� gingen wir im Schritt auf die feindlichen Linien los. Ich war weit vor der Kompagnie, gefolgt von meinem Burschen und einem Einj�hrigen. Die rechte Hand umklammerte den Pistolenschaft, die linke einen Reitstock aus Bambusrohr. Ich kochte vor einem mir jetzt unbegreiflichen Grimm. Der �berm�chtige Wunsch zu t�ten, befl�gelte meine Schritte. Die Wut entpre�te mir bittere Tr�nen.

Der ungeheure Vernichtungswille, der �ber der Walstatt lastete, konzentrierte sich in den Gehirnen. So m�gen die M�nner der Renaissance von ihren Leidenschaften gepackt sein, so mag ein Cellini gerast haben, Werw�lfe, die heulend durch die Nacht hetzen, um Blut zu trinken.

Ohne Schwierigkeiten durchschritten wir ein zerfetztes Drahtgewirre und setzten in einem Sprunge �ber den ersten Graben. Die Sturmwelle tanzte wie eine Reihe von Gespenstern durch wei�e, wallende D�mpfe.

Wider Erwarten knatterte uns aus der zweiten Linie Maschinengewehrfeuer entgegen. Ich sprang mit meinen Begleitern in einen Trichter. Eine Sekunde sp�ter gab es einen furchtbaren Krach und ich sackte vorn �ber. Vinke packte mich am Kragen und drehte mich auf den R�cken: „Sind Herr Leutnant verwundet?“ Es war nichts zu finden. Der Einj�hrige hatte ein Loch im Oberarme und versicherte st�hnend, da� ihm eine Kugel in den R�cken geschlagen w�re. Wir rissen ihm die Uniform vom Leibe und verbanden ihn. Die aufgew�hlte Erde zeigte, da� ein Schrapnell in H�he unserer Gesichter auf den Trichterrand geschlagen war. Ein Wunder, da� wir noch lebten.

W�hrenddessen waren die anderen an uns vorbeigeschritten. Wir st�rzten ihnen nach, den Verwundeten seinem Schicksal �berlassend. Halb links vor uns tauchte der m�chtige Eisenbahndamm Ecoust-Croisilles, den wir �berschreiten mu�ten, aus dem Dunst. Aus eingebauten Schie�scharten und Stollenfenstern prasselte Gewehr- und Maschinengewehrfeuer.

Auch Vinke war abhanden gekommen. Ich folgte einem Hohlweg, aus dessen B�schung eingedr�ckte Unterst�nde g�hnten. W�tend schritt ich voran, �ber den schwarzen, aufgerissenen Boden, dem noch die stickigen Gase unserer Granaten entschwelten.

Da erblickte ich den ersten Feind. Eine Gestalt kauerte etwa drei Meter vor mir, anscheinend verwundet, in der Mitte der zertrommelten Mulde. Ich sah sie bei meinem Erscheinen zusammenfahren und mich mit weit ge�ffneten Augen anstarren, als ich ganz langsam, die Pistole vorstreckend, auf sie zuschritt. Z�hneknirschend setzte ich die M�ndung an die Schl�fe des vor Angst Gel�hmten; mit einem Klagelaut griff er in seine Tasche und hielt mir eine Karte vor Augen. Es war das Bild von ihm, umgeben von einer zahlreichen Familie . . .

Nach sekundenlangem inneren Kampfe hatte ich mich in der Hand. Ich schritt vor�ber.

Von oben sprangen Leute meiner Kompagnie in den Hohlweg. Mir war gl�hend hei�. Ich ri� den Mantel herunter und schleuderte ihn fort. Ich wei� noch, da� ich einigemale sehr energisch rief: „Jetzt zieht Leutnant J�nger seinen Mantel aus“, und die F�siliere dazu lachten, als ob ich den k�stlichsten Witz gemacht h�tte. Oben lief alles �ber Deckung, ohne der h�chstens 400 Meter entfernten Maschinengewehre zu achten. Auch mich zwang der Vernichtungstrieb in die Feuergarben. Ich rannte den feuerspeienden Bahndamm frontal an. In irgend einem Trichter sprang ich auf eine pistolenschie�ende Gestalt in braunem Manchester. Es war Kius, der sich in �hnlicher Stimmung befand und mir zur Begr��ung eine Hand voll Munition zusteckte.

Wir m�ssen nun eine ganze Zeit lang kreuz und quer durch die Trichter gerannt sein und auf verschiedene Ziele geschossen haben. Jedenfalls befand ich mich auf einmal am Fu�e des Bahndammes und merkte, da� aus einem mit Sackleinewand verh�llten Stollenfenster dicht neben mir gefeuert wurde. Ich scho� durch das Tuch; ein Mann neben mir ri� es fort und warf eine Handgranate in die �ffnung. Ein Sto� und eine entquellende wei�liche Wolke verrieten die Wirkung. Das Mittel war rauh, doch probat. Wir beiden rannten an der B�schung entlang und bearbeiteten die n�chsten Luken in �hnlicher Weise. Ich hob die Hand, um unsere Leute, deren Geschosse uns aus n�chster Entfernung um die Ohren schellten, zu verst�ndigen. Sie winkten freudig zur�ck. Danach erklommen wir mit hundert anderen zugleich den Damm. Zum ersten Male im Kriege sah ich Massen aufeinanderprallen. Die Engl�nder hielten auf der hinteren B�schung zwei terrassenartig eingehauene Gr�ben besetzt. Geschosse wurden auf wenige Meter gewechselt, Handgranaten flogen im Bogen hinunter.

Ich sprang in den ersten Graben; um die n�chste Schulterwehr st�rzend, stie� ich mit einem englischen Offizier in offener Jacke und herabh�ngender Halsbinde zusammen. Auf den Gebrauch der Pistole verzichtend, packte ich ihn an der Gurgel und schleuderte ihn gegen eine Sandsackpackung, vor der er zusammenbrach. Hinter mir tauchte der Kopf eines alten Majors auf, der mir zuschrie: „Schlagen Sie den Hund tot!“

Ich �berlie� diese Arbeit den Folgenden, wandte mich dem unteren Graben zu, der von Engl�ndern wimmelte und scho� meine Pistolenkugeln mit solchem Eifer darauf ab, da� ich nach dem letzten Schu� wohl noch zehnmal abdr�ckte. Ein Mann neben mir warf Handgranaten unter die Davonhastenden. Ein tellerf�rmiger Stahlhelm stieg kreiselnd hoch in die Luft.

In einer Minute war der Kampf entschieden. Die Engl�nder sprangen aus ihren Gr�ben und flohen zu Bataillonen �ber das freie Feld. Von der Dammkrone raste tolles Verfolgungsfeuer los. Die Fliehenden �berschlugen sich im Laufen, und in einigen Sekunden war der Boden mit Leichen bedeckt. Nur wenige entkamen.

Ich ri� einem Unteroffizier, der dieses Schauspiel mit offenem Munde beglotzte, das Gewehr aus der Hand. Mein erstes Opfer war ein Engl�nder, den ich auf 150 Meter zwischen zwei Deutschen herausscho�. Er klappte wie ein Messer zusammen und blieb liegen.

Nachdem so ganze Arbeit geschafft war, ging es weiter. Der Erfolg hatte Angriffsgeist und Draufg�ngertum jedes Einzelnen zur Wei�glut entfacht. Von der F�hrung einheitlicher Verb�nde war keine Rede mehr. Trotzdem kannte jeder Mann nur noch eine Parole: „Vor!“ Jeder rannte geradeaus los.

Als Ziel w�hlte ich mir eine kleine Anh�he, auf der die Tr�mmer eines H�uschens, ein Grabkreuz und ein zerst�rtes Flugzeug zu sehen waren. Mein stures Vorst�rmen f�hrte mich mitten in die Flammenwand der eigenen Feuerwalze. Ich mu�te mich in einen Trichter werfen, um Deckung zu nehmen und das weitere Vorschreiten des Feuers abzuwarten. Neben mir entdeckte ich einen jungen Offizier eines anderen Regiments, der sich gleich mir ganz allein �ber das gute Gelingen des ersten Ansturmes freute. Die gemeinsame Begeisterung brachte uns in den wenigen Augenblicken so nahe, als ob wir uns schon jahrelang gekannt h�tten. Der n�chste Sprung trennte uns auf Nimmerwiedersehen.

Neben der Hausruine lag ein kleines Grabenst�ck, das vom jenseitigen Grunde mit Maschinengewehren abgek�mmt wurde. Ich sprang in einem Anlauf hinein und fand es unbesetzt. Gleich darauf erschienen die Leutnants Kius und von Wedelst�dt. Eine Ordonnanz Wedelst�dts, die als letzter kam, brach mitten im Sprunge zusammen und blieb, durchs Auge getroffen, tot liegen. Als Wedelst�dt diesen Letzten seiner Kompagnie st�rzen sah, st�tzte er seinen Kopf auf die Grabenwand und weinte. Auch er sollte den Tag nicht �berleben.

Im Grunde lag eine stark befestigte Hohlwegstellung, davor an den beiden R�ndern einer Mulde zwei Maschinengewehrnester. Die Feuerwalze war schon �ber diese Stellung hinweggerollt, der Gegner schien sich erholt zu haben und scho�, was aus den L�ufen wollte. Wir waren von ihm durch einen 500 Meter breiten Gel�ndestreifen getrennt, �ber den die Gescho�garben wie Bienenschw�rme surrten.

Nach kurzer Atempause sprangen wir mit wenigen Leuten aus unserem Grabenst�ck auf den Feind zu. Es ging um Leben und Tod. Nach ein paar Spr�ngen lag ich mit einem Begleitmann allein dem linken Maschinengewehrnest gegen�ber. Deutlich sah ich hinter einem kleinen Erdaufwurf einen flach behelmten Kopf neben einer emporsteigenden feinen Wasserdampfs�ule. Ich n�herte mich durch ganz kurze Spr�nge, um keine Zeit zum Zielen zu geben. Jedesmal, wenn ich lag, schleuderte mir der Mann einen Rahmen Patronen zu, mit denen ich eine Reihe wohlgezielter Sch�sse abgab. „Patronen, Patronen!“ Ich wandte mich um und sah ihn zuckend auf der Seite liegen. — —

Wenn ich heute an diesen blinden Anlauf �ber freies Feld gegen eine gespickte Stellung zur�ckdenke, mu� ich gestehen, da� wir von einer ganz unwahrscheinlichen Verwegenheit besessen waren. Und doch, wo w�re der Erfolg im Kriege, wenn nicht der Rausch zur Tat einzelne packte und vorw�rtsw�rfe in unwiderstehlichem Schwung? Manchmal schien es mir, als ob selbst der Tod sich scheute, ihnen in den Weg zu treten. — — —

Von links, wo der Widerstand nicht so stark war, erschienen einige Leute, welche die Verteidiger fast mit Handgranaten erreichen konnten. Ich setzte zum letzten Sprunge an und stolperte �ber ein Drahtverhau in das Grabenst�ck. Die Engl�nder rannten, von allen Seiten beschossen, zum rechten Maschinengewehrnest hin�ber, ihre Waffe zur�cklassend. Das Maschinengewehr war halb unter einem riesigen Haufen abgeschossener H�lsen verborgen. Es war noch gl�hendhei� und dampfte. Davor lag ein athletischer Leichnam, dem ein Kopfschu�, der auf meine Rechnung kam, ein Auge herausgetrieben hatte. Der Riesenkerl mit dem gro�en wei�en Augapfel vorm Sch�del sah schaurig aus. Da ich vor Durst fast verschmachtete, hielt ich mich nicht weiter auf, sondern suchte nach Wasser. Ein Stolleneingang zog mich an. Ich blickte hinein und sah unten einen Mann sitzen, der Munitionsgurte �ber seine Knie zog und ordnete. Anstatt ihn sofort zu erledigen, wie es die Vorsicht gebot, rief ich ihm zuvor zu: „Come here, hands up!“ Er sprang hoch, starrte mich entgeistert an und verschwand im Dunkel des Stollens. Wahrscheinlich ist er der Handgranate zum Opfer gefallen, die ich ihm nachschleuderte.

Endlich entdeckte ich einen Blechkasten voll K�hlwasser. Ich st�rzte die �lige Fl�ssigkeit in langen Z�gen hinunter, f�llte mir eine englische Feldflasche und gab auch den anderen Leuten zu trinken, die pl�tzlich das Grabenst�ck f�llten.

W�hrenddessen leistete das rechte Maschinengewehrnest und der 60 Meter vor uns liegende Hohlweg noch immer erbitterten Widerstand. Wir versuchten, das englische Maschinenegewehr darauf einzurichten, hatten aber keinen Erfolg damit, vielmehr sauste mir bei diesem Bem�hen ein Gescho� am Kopfe vorbei, streifte einen hinter mir stehenden J�gerleutnant und verwundete einen Mann sehr bedenklich am Oberschenkel. Mit mehr Gl�ck brachte die Bedienung eines leichten Maschinengewehrs ihre Waffe am Rande unseres kleinen Grabenhalbmondes in Stellung und jagte den Engl�ndern eine Reihe von Geschossen in die Flanke.

Diesen Moment der �berraschung benutzten die St�rmer rechts und liefen frontal auf den Hohlweg los, voran unsere noch ganz intakte neunte Kompagnie unter F�hrung den Leutnants Gipkens. Aus allen Trichtern erhoben sich nun gewehrschwingende Gestalten und rannten mit rollenden Augen und sch�umendem Munde unter furchtbarem Hurragebr�ll gegen die feindliche Stellung an, aus der die Verteidiger zu Hunderten mit hochgehobenen H�nden hervorkamen.

Pardon wurde nicht gegeben. Die Engl�nder eilten mit hochgereckten Armen durch die erste Sturmwelle nach hinten, wo die Kampfeswut noch nicht zu solcher Siedehitze gestiegen war. Eine Ordonnanz von Gipkens legte mit seiner 32sch�ssigen Repetierpistole wohl ein Dutzend von ihnen um.

Ich kann unseren Leuten dies blutd�rstige Gebaren nicht ver�beln. Einen Wehrlosen umzubringen, ist eine Gemeinheit. Mir war im Kriege niemand widerlicher, als die Stammtischhelden, die mit fettigem Lachen die bekannte Geschichte von den Bayern und dem Gefangenentransport erz�hlten: „Haben Sie schon geh�rt, die Sache von dem Schlaganfall? K�stlich!“

Andererseits mu� ein Verteidiger, der dem Angreifer bis auf f�nf Schritt seine Geschosse durch den Leib jagt, die Konsequenzen tragen. Der K�mpfer, dem w�hrend des Anlaufs ein blutiger Schleier vor den Augen wallte, kann seine Gef�hle nicht mehr umstellen. Er will nicht gefangennehmen; er will t�ten. Er hat jedes Ziel aus den Augen verloren und steht im Banne gewaltiger Urtriebe. Erst, wenn Blut geflossen ist, weichen die Nebel aus seinem Hirn; er sieht sich um wie aus schwerem Traum erwachend. Erst dann ist er wieder moderner Soldat, imstande, eine neue taktische Aufgabe zu l�sen.

In diesem Zustande befanden wir uns nach der Eroberung der Hohlweges. Eine Menge Leute waren zusammengekommen und standen, durcheinanderschreiend, auf einem Klumpen. Offiziere zeigten ihnen die Verl�ngerung der Mulde, und der gewaltige Kampfhaufen setzte sich mit erstaunlicher Gleichg�ltigkeit, schwerf�llig in Bewegung.

Die Mulde lief in eine H�he aus, auf der feindliche Kolonnen auftauchten. Wir gingen, ab und zu stehenbleibend und schie�end, vor, bis wir durch heftiges Feuer aufgehalten wurden. Es war ein �u�erst peinliches Gef�hl, die Kugeln neben dem Kopf in den Boden knallen zu h�ren. Kius, der wieder herangekommen war, hob ein abgeplattetes Gescho� auf, das einen halben Meter vor seiner Nase liegen geblieben war. Wir benutzten eine kleine Pause, um einen der hier bereits selten gewordenen Trichter zu erreichen. Dort fanden sich eine Menge von Offizieren unseres Bataillons zusammen, das jetzt von dem Leutnant Lindenberg gef�hrt wurde, da leider auch der Freiherr von Solemacher eine t�dliche Verwundung erhalten hatte. Am rechten Hange der Schlucht spazierte zur allgemeinen Heiterkeit der von den 10. J�gern zu uns kommandierte Leutnant Breyer, den Spazierstock in der Hand und eine lange gr�ne J�gerpfeife im Munde, mit umgeh�ngter Flinte durch das Maschinengewehrfeuer, als ob es zur Hasenjagd ginge.

Wir erz�hlten uns in kurzen Worten unsere bisherigen Abenteuer und boten uns Feldflasche und Schokolade an, dann ging es „auf allgemeinen Wunsch“ wieder vor. Die Maschinengewehre, anscheinend in der Flanke bedroht, waren verschwunden. Wir mochten bislang drei bis vier Kilometer gewonnen haben. Die Mulde wimmelte von Angriffstruppen. Soweit das Auge nach hinten blicken konnte, r�ckten Truppen in Sch�tzenlinie, Reihe und Gruppenkolonne heran. Wir waren leider viel zu dicht, wieviele wir liegen lie�en, wurde uns zum Gl�ck im Sturm nicht klar.

Ohne Widerstand zu finden, erreichten wir die H�he. Rechts von uns sprangen einige khakifarbige Gestalten aus einem Grabenst�ck, hinter denen wir stehend freih�ndig herknallten. Die meisten wurden umgelegt. Die H�he war durch eine Reihe von Unterst�nden befestigt. Teils zeigten aufquellende Dampfwolken, da� mit Handgranaten kurzer Proze� gemacht wurde, teils kamen die Insassen mit hochgehobenen Armen und schlotternden Knien heraus. Es wurden ihnen Feldflasche und Zigaretten abgenommen und die Richtung nach hinten gezeigt, in der sie mit gro�er Geschwindigkeit enteilten. Ein junger Engl�nder hatte sich mir bereits ergeben, als er sich pl�tzlich umdrehte und wieder in seinem Unterstand verschwand. Da er trotz meiner Aufforderung, herauszukommen, sich unten versteckt hielt, machten wir seinem Z�gern mit einigen Handgranaten ein Ende und gingen weiter. Ein schmaler Fu�pfad verschwand jenseits der H�he. Ein Wegweiser besagte, da� er nach Vraucourt f�hrte. W�hrend sich die anderen noch bei den Unterst�nden aufhielten, �berschritt ich mit dem Leutnant Heins die H�he.

Jenseits dem Grunde lagen die Ruinen des Dorfes Vraucourt. Davor blitzten die Absch�sse einer feuernden Batterie auf, deren Bedienung bei dem Erscheinen der ersten Sturmwelle ins Dorf fl�chtete. Auch die Besatzung einer Reihe in einen Hohlweg eingebauter Unterst�nde st�rzte heraus und entfloh. Ich scho� einen davon in dem Augenblick, als er aus dem Eingange des ersten sprang, nieder.

Mit zwei Leuten meiner Kompagnie, die sich inzwischen bei mir gemeldet hatten, ging ich in dem Hohlweg vor. Rechts davon lag eine besetzte Stellung, aus der wir starkes Feuer erhielten. Wir zogen uns in den ersten Unterstand zur�ck, �ber dem sich bald die Geschosse beider Parteien kreuzten. Davor lag mein Engl�nder, ein blutjunges Kerlchen, den mein Schu� quer durch den Sch�del getroffen hatte. Ein merkw�rdiges Gef�hl, einem Menschen ins Auge zu sehen, den man selbst get�tet.

Wir lie�en uns durch das zunehmende Feuer nicht st�ren, sondern richteten uns in dem Unterstande ein und r�umten unter den zur�ckgelassenen Lebensmitteln auf, da unser Magen uns daran erinnerte, da� wir w�hrend des ganzen Angriffs noch nichts genossen hatten. Wir fanden Schinken, Wei�brot, Marmelade und einen Steinkrug voll Ingwer-Lik�r. Nachdem ich mich gest�rkt hatte, setzte ich mich auf eine leere Biskuitdose und las einige englische Zeitschriften, die von recht geschmacklosen Ausf�llen gegen „the Huns“ wimmelten. Allm�hlich wurde uns die Lage doch zu langweilig, und wir kehrten in Spr�ngen zum Anfange des Hohlweges zur�ck, wo sich eine Menge von Leuten angesammelt hatte. . . Von dort sahen wir schon ein Bataillon 164er links neben Vraucourt. Wir beschlossen, das Dorf zu st�rmen, und eilten wieder durch den Hohlweg vor. Kurz vor dem Dorfrande setzte uns die eigene Artillerie, die stumpfsinnig bis zum Morgen auf denselben Fleck weiterscho�, ein Ziel. Eine schwere Granate schlug mitten auf dem Wege ein und zerri� vier Leute. Die anderen liefen zur�ck.

Wie ich sp�ter erfuhr, hatte die Artillerie Befehl, mit h�chster Entfernung weiterzuschie�en. Diese unverst�ndliche Anordnung ri� uns die sch�nsten Fr�chte des Sieges aus der Hand. Z�hneknirschend mu�ten wir vor der Feuerwand Halt machen.

Um eine L�cke des Feuers zu suchen, wandten wir uns weiter nach rechts, wo gerade ein Kompagnief�hrer des Infanterie-Rgts. 76 zum Sturm auf die Vraucourt-Stellung ansetzte. Wir beteiligten uns mit Hurra, aber kaum waren wir eingedrungen, als uns die eigene Artillerie wieder herausscho�. Dreimal st�rmten wir und dreimal mu�ten wir wieder zur�ck. Fluchend besetzten wir einige Trichter, in denen uns ein durch die Granaten verursachter Wiesenbrand, bei dem viele Verwundete umkamen, au�erordentlich l�stig wurde. Auch t�teten englische Gewehrgeschosse einige Leute.

Langsam brach die D�mmerung herein. Stellenweise lohte das Gewehrfeuer noch einmal gewaltig auf, um allm�hlich zu erl�schen. Die ersch�pften K�mpfer suchten sich einen Ort, wo sie die Nacht verbringen konnten. Offiziere schrieen ununterbrochen ihren Namen, um die zersplitterten Kompagnien zu sammeln.

Zw�lf Mann der siebenten Kompagnie hatten sich w�hrend der letzten Stunde um mich geschart; da es kalt zu werden begann, f�hrte ich sie zu dem kleinen Unterstande, vor dem mein Engl�nder lag und schickte sie aus, um Decken und M�ntel von Gefallenen zu suchen. Als ich alle untergebracht hatte, gab ich meiner Neugier nach, die mich in die vor uns liegende Artilleriemulde trieb. Ich nahm den F�silier Haller mit, dem ich den gr��ten Sportsgeist zutraute. Wir schritten mit schu�bereitem Gewehr gegen die Mulde vor, auf der noch immer unser Artilleriefeuer wuchtete und untersuchten zun�chst einen Unterstand, der anscheinend vor kurzem von englischen Artillerieoffizieren verlassen war. Auf einem Tische stand ein riesiges Grammophon, das Haller sofort in Bewegung setzte. Das lustige Couplet, das von der Walze schnurrte, machte einen geisterhaften Eindruck. Ich warf den Kasten auf den Boden, wo er wie ein Erschlagener noch ein paar schnarrende T�ne von sich gab und verstummte. Der Unterstand war �u�erst behaglich eingerichtet; sogar ein kleiner Kamin, auf dessen Sims Pfeifen und Tabak lagen, mit im Kreise herumgestellten Sesseln fehlte nicht. Merry old England! Wir legten uns nat�rlich keinen Zwang auf, sondern nahmen, was uns gefiel. Ich suchte mir einen Brotbeutel, W�sche, eine kleine Metallflasche voll Whisky, eine Kartentasche und einige wundernette Toiletteartikel von Roger und Gallet aus, vermutlich z�rtliche Erinnerungen an einen Pariser Fronturlaub.

Ein nebenan liegender Raum enthielt eine K�che, deren Vorr�te wir ehrfurchtsvoll bestaunten. Da war eine ganze Kiste voll roher Eier, von denen wir uns gleich eine erhebliche Zahl einverleibten, da wir sie kaum noch dem Namen nach kannten. Auf den Wandborden stapelten B�chsen voll Fleisch, Dosen k�stlicher eingedickter Marmelade, ferner Flaschen voll Kaffee-Essenz, Tomaten und Zwiebeln; kurz alles, was der Gourmet sich w�nschen konnte.

Dieser Anblick trat mir sp�ter noch oft vors Ged�chtnis, wenn wir wochenlang bei schmaler Brotportion, w�ssrigen Suppen und d�nner Marmelade im Sch�tzengraben lagen. Der deutsche Feldsoldat eilte in verschlissenem Rock, schlechter verpflegt als ein chinesischer Kuli, vier Jahre lang von Schlachtfeld zu Schlachtfeld, um die an Zahl vielfach �berlegenen, wohlausger�steten und -gen�hrten Gegner immer wieder seine Eisenfaust sp�ren zu lassen. Es gibt kein gr��eres Zeichen f�r die Macht der Idee, die uns trieb. Dem Tode entgegenschreiten, sterben in Augenblicken der Begeisterung, ist viel; f�r seine Sache hungern und darben, ist mehr. — — —

Nach diesem kleinen Einblick in die wirtschaftlichen Verh�ltnisse des Gegners verlie�en wir den Unterstand und schritten in die Mulde, in der wir zwei funkelneue verlassene Gesch�tze vorfanden. Ich nahm einen Kreidestein und zeichnete sie mit der Nummer meiner Kompagnie. Dann kehrten wir, da die eigene Artillerie uns noch fortw�hrend Eisen um die Ohren schmi�, zu den anderen zur�ck.

Unsere vordere Linie, inzwischen von nachr�ckenden Truppen gebildet, war 200 Meter hinter uns. Ich stellte einen Doppelposten vor den Unterstand und befahl den anderen, das Gewehr im Arm zu behalten. Nachdem ich die Abl�sung geregelt, noch etwas gegessen und die Tageserlebnisse in kurzen Stichworten notiert hatte, schlief ich ein.

Um 1 Uhr wurden wir durch Hurrageschrei und lebhaftes Feuer rechts von uns geweckt. Wir packten die Gewehre, st�rzten aus dem Raum und postierten uns in einem gro�en Granattrichter. Von vorn kamen einige versprengte Deutsche zur�ck, auf die von unserer Linie geschossen wurde. Zwei von ihnen blieben auf dem Wege liegen. Durch diesen Zwischenfall gewitzigt, warteten wir, bis sich hinter uns die erste Aufregung gelegt hatte, machten uns durch Zurufe verst�ndlich und gingen in die eigene Linie zur�ck. Dort sa� der F�hrer der zweiten Kompagnie, Leutnant Kosik, der vor Erk�ltung kein Wort sprechen konnte und am Arm verwundet war, mit ungef�hr sechzig 73ern. Da er sich zum Sanit�tsplatze zur�ckbegeben mu�te, �bernahm ich das Kommando �ber seine Schar, bei der sich drei Offiziere befanden. Au�erdem bestanden vom Regiment noch die beiden ebenso zusammengew�rfelten Kompagnien Gipkens und Vorbeck.

Bataillonsf�hrer war Hauptmann Freiherr von Ledebour, Regimentskommandeur Major Dietlein, da Major v. Bardeleben bereits am Morgen durch Verwundung ausgeschieden war.

Den Rest der Nacht verbrachte ich mit einigen Unteroffizieren der zweiten Kompagnie zusammen in einem kleinen Erdloch, in dem wir vor K�lte erstarrten. Am Morgen fr�hst�ckte ich von den erbeuteten Best�nden und schickte Leute nach Qu�ant, um von der K�che Kaffee und Essen zu holen. Die eigene Artillerie begann wieder mit ihrer verfluchten Schie�erei und setzte uns als ersten Morgengru� einen Volltreffer in einen Trichter, der vier Leute der MG.-Kompagnie beherbergte. In der ersten D�mmerung stie� noch ein Zugf�hrer meiner Kompagnie, der Vizefeldwebel Kumpart, mit einigen Leuten zu mir.

Kaum hatte ich mir die Nachtk�lte etwas aus den Gliedern gestampft, als ich Befehl bekam, weiter rechts mit den Resten des Regiments 76 zusammen die Vraucourt-Stellung zu st�rmen, die bei uns schon teilweise genommen war. Wir zogen im dichten Morgennebel zum Bereitstellungsraum, einer H�he s�dlich von Ecoust, auf der viele Tote des vorigen Tages lagen. Es gab wie meist vor unklar gefa�ten Angriffsbefehlen ein gewaltiges Palaver der Sturmf�hrer, das erst durch die Garbe eines feindlichen Maschinengewehres beendet wurde. Alles sprang in die n�chsten Trichter bis auf den Feldwebel Kumpart, der jammernd liegen blieb. Ich eilte mit einem Sanit�ter zu ihm und verband ihn. Er hatte einen schweren Knieschu� erhalten. Wir entfernten mit einer Zange mehrere Knochenbrocken aus der Wunde. Er ist einige Tage sp�ter gestorben. Mir ging der Fall besonders nahe, weil Kumpart vor drei Jahren in Recouvrence mein Exerziermeister gewesen war.

In einer Besprechung mit dem Hauptmann von Ledebour legte ich das Sinnlose eines Frontalsturmes dar, da die zum Teil schon in unserem Besitz befindliche Vraucourt-Stellung mit viel geringeren Verlusten von links her aufgerollt werden konnte. Wir beschlossen, den Angriff nicht auszuf�hren, und die Folge zeigte, da� wir recht gehandelt hatten.

Bei solchen Gelegenheiten r�chte sich die Einrichtung der weit zur�ckliegenden Befehlsstellen der h�heren F�hrung, deren Notwendigkeit mir nat�rlich klar ist. Jedoch verrieten derartige Befehle deutlich einen Mangel an Fronterfahrung. Die Zeiten des unvorbereiteten Frontalangriffes sind f�r immer vor�ber. Der einfache Mann, dem die feindlichen Gewehre das Gesetz des Handelns vorschrieben, konnte auf solche Irrt�mer nicht verfallen. Er kam nur da vor, wo der Gegner schwach war. Die starken Stellungsteile fielen dann von selbst . . . . . .

Vorl�ufig richteten wir uns in den Trichtern auf der H�he ein. Allm�hlich brach die Sonne durch, und es erschienen englische Flugzeuge, die mit Maschinengewehren unsere L�cher abstreuten, indes bald von den unsrigen vertrieben wurden. Im Grunde von Ecoust fuhr eine Batterie auf, ein ungew�hnliches Bild f�r alte Grabenkrieger; sie wurde auch bald zusammengeschossen. Ein einzelnes Pferd ri� sich los und galoppierte durch das Gel�nde; ein gespenstischer Anblick, dieses rasend gewordene Tier auf weiter, einsamer Fl�che, vom wechselnden Gew�lk der Geschosse behangen. Die feindlichen Flieger waren noch nicht lange verschwunden, als wir das erste Feuer bekamen. Zuerst platzten einige Schrapnells, dann zahlreiche leichte und schwere Granaten. Wir lagen wie auf dem Pr�sentierteller. Mehrere �ngstliche Gem�ter vermehrten das Feuer noch, indem sie kopflos hin und her liefen, anstatt in ihre Trichter geduckt, den Segen �ber sich ergehen zu lassen. In solchen Lagen mu� man Fatalist sein. Diesen Grundsatz beherzigte ich, indem ich den geradezu gro�artigen Inhalt einer erbeuteten B�chse voll Stachelbeer-Marmelade verspeiste. So wurde es langsam Mittag.

Schon seit l�ngerer Zeit war links in der Vraucourtstellung Bewegung zu beobachten. Jetzt sahen wir gerade vor uns die bogenf�rmige Flugbahn und den wei�en Einschlag deutscher Stielhandgranaten. Das war der gegebene Augenblick.

Ich lie� antreten. Ohne st�rkeres Feuer zu bekommen, gelangten wir an den feindlichen Graben und sprangen hinein, freudig begr��t von einem Sturmtrupp des Regiments 76. Im aufrollenden Handgranatenangriff ging es, �hnlich wie bei Cambrai, langsam vor. Der feindlichen Artillerie blieb es leider nicht verborgen, da� wir uns langsam in ihren Linien vorfra�en. Ein scharfer Feuer�berfall von Schrapnells und leichten Granaten fa�te uns vorne noch gerade, in der Hauptsache jedoch die Reserven, die hinter uns �ber freies Feld dem Graben zustr�mten. Wir bem�hten uns, m�glichst schnell mit dem Gegner fertig zu werden, um das Feuer zu unterlaufen.

Die Vraucourt-Stellung schien noch im Bau gewesen zu sein, denn manche Grabenst�cke waren nur durch Abheben der Rasenschicht angedeutet. Wenn wir ein solches St�ck �bersprangen, konzentrierte sich das ganze Feuer des Umkreises auf uns. Ebenso nahmen wir den �ber diese Stellen vor uns her hastenden Gegner unter Feuer, so da� die kurzen tracierten St�cke bald mit Leichen beh�uft waren. Es war eine nervenpeitschende Hetzjagd. Wir eilten an noch warmen, st�mmigen Gestalten vor�ber, unter deren kurzen R�ckchen kr�ftige Knie gl�nzten, oder krochen �ber sie hinweg. Es waren Hochl�nder, und die Art des Widerstandes zeigte, da� wir keine Feiglinge vor uns hatten.

Nachdem wir so einige hundert Meter gewonnen hatten, geboten uns immer dichter fallende Hand- und Gewehrgranaten Halt. Die Leute begannen zu weichen.

„Der Tommy macht einen Gegensto�!“

„Bliew stahn!“ „Ich will blo� Verbindung aufnehmen!“

„Handgranaten nach vorn; Handgranaten, Handgranaten!“

„Achtung, Herr Leutnant!“

Gerade im Grabenkampf, wo am brutalsten gefochten wird, sind solche R�ckschl�ge am h�ufigsten. Die Mutigsten st�rzen, schie�end und werfend, an der Spitze vor. Die Masse folgt als willenlose Herde auf den Fersen. Beim Aufeinanderprall springen die K�mpfer hin und her, um den vernichtenden W�rfen auszuweichen und sto�en dabei auf die Nachdr�ngenden. Nur die vordersten �bersehen die Lage; weiter hinten bricht unter der im engen Graben zusammengekeilten Menge wilde Panik aus. Erkennt der Gegner den Augenblick, ist alles verloren; jetzt mu� der F�hrer zeigen, ob er die Achselst�cke zu Recht tr�gt, obgleich ihn selbst das bekannte „mulmige“ Gef�hl beschleicht.

Es gelang mir, eine Handvoll Leute zusammenzuraffen, mit denen ich hinter einer breiten Schulterwehr ein Widerstandsnest bildete. Auf wenige Meter tauschten wir mit einem unsichtbaren Gegner Geschosse. Es geh�rte Mut dazu, bei den knallenden Aufschl�gen den Kopf hochzuhalten, w�hrend der Sand der Schulterwehr aufgepeitscht wurde. Ein 76er neben mir scho� mit wildem Gesichtsausdruck, ohne an Deckung zu denken, eine Patrone nach der anderen ab, bis er blut�berstr�mt zusammenbrach. Ein Gescho� hatte ihm mit dem Knall eines aufschlagenden Brettes die Stirn durchbohrt. Er knickte in seiner Grabenecke zusammen und blieb, den Kopf gegen die Wand gelehnt, in kauernder Stellung stehen. Sein Blut flo�, wie aus einem Eimer gegossen, auf die Grabensohle. Sein schnarchendes R�cheln ert�nte in immer l�ngeren Abst�nden und h�rte endlich ganz auf. Ich ergriff sein Gewehr und feuerte weiter. Endlich trat eine kleine Pause ein. Zwei Mann, die noch vor uns gelegen hatten, machten den Versuch, �ber Deckung zur�ckzuspringen. Einer fiel mit einem Kopfschu� in den Graben, der andere konnte ihn eines Bauchschusses wegen nur mehr kriechend erreichen.

Wir setzten uns abwartend auf die Grabensohle und rauchten englische Zigaretten. Ab und zu pfeilten sich gut gezielte Gewehrgranaten her�ber. Der Verwundete mit dem Bauchschu�, ein blutjunger Mensch, lag zwischen uns und dehnte sich fast wohlig wie eine Katze in den warmen Strahlen der untergehenden Sonne. Er schlief mit einem kindlichen L�cheln in den Tod hin�ber. Es war ein Anblick, bei dem nichts Tr�bes und Unangenehmes, sondern nur ein klares Gef�hl der Zuneigung zu dem Sterbenden mich ber�hrte. Auch das St�hnen seines Kameraden verstummte allm�hlich.

Mehrere Male versuchten wir, tief geduckt an den tracierten Stellen �ber die Leichen der Hochl�nder vorkriechend, uns weiter vorzuarbeiten, wurden aber immer wieder durch Maschinengewehrfeuer und Gewehrgranaten zur�ckgetrieben. Jeder Treffer, den ich sah, war t�dlich. So f�llte sich der vordere Teil des Grabens allm�hlich mit Leichen; daf�r bekamen wir von hinten dauernd Verst�rkung. Bald stand hinter jeder Schulterwehr ein leichtes oder schweres Maschinengewehr. Ich stellte mich hinter eine dieser Kugelspritzen und scho�, bis der Zeigefinger von Rauch geschw�rzt war. Wenn das K�hlwasser verdunstet war, wurden die K�sten herumgereicht und unter wenig feinen Scherzen durch ein sehr einfaches Verfahren wieder gef�llt.

Die Sonne stand tief am Horizonte. Der zweite Kampftag schien vor�ber. Ich sah mir zum erstenmale genau die Umgebung an und schickte Meldung und Skizze nach hinten. Unser Graben schnitt in 500 Meter Entfernung die Stra�e Vraucourt—Mory, die durch an den B�umen befestigte Stoffblenden verschleiert war. Auf einem Hange dahinter eilten feindliche Trupps �ber das gescho�bestreute Gel�nde. Den blauen, unbew�lkten Abendhimmel durchschnitt ein schwarz-wei�-rot bewimpeltes Geschwader. Die scheidenden Strahlen der Sonne tauchten es gleich einer Kette von Flamingos in zartes Rosenrot. Wir entfalteten unsere Stellungskarten und legten die wei�e R�ckseite aus, um zu zeigen, wie weit wir uns in den Feind hineingebohrt hatten.

Ein k�hler Abendwind k�ndete eine scharfe Nacht an. Ich lehnte, in einen englischen Mantel geh�llt, an der Grabenwand und unterhielt mich mit dem kleinen Schultz, dem Gef�hrten meiner Inderpatrouille, der mit vier schweren MG. nach altem kameradschaftlichen Brauche dort erschienen war, wo die Sache am brenzlichsten stand. Auf den Postenst�nden sa�en Leute aller Kompagnien mit jungen, scharfgeschnittenen Gesichtern unterm Stahlhelm. Ihre F�hrer waren gefallen; sie standen aus eigenem Antrieb am rechten Orte.

Da ert�nte von rechts erneut Handgranatenkrachen und links stiegen deutsche Leuchtzeichen hoch. Von irgendwo flatterte mit dem Winde ein d�nnes, vielstimmiges Hurra her�ber. Das z�ndete. „Sie sind umgangen, sie sind umgangen!“ In einem jener Augenblicke der Begeisterung, die gro�en Taten vorangehen, griff alles zu den Gewehren und st�rmte in dem Graben vor. Nach kurzem Handgranatengefecht eilte ein Trupp Hochl�nder der Stra�e zu. Nun gab es kein Halten mehr. Trotz warnender Zurufe: „Vorsicht, das Maschinengewehr links schie�t noch!“ sprangen wir aus dem Graben und hatten im Nu die Stra�e erreicht, die von verst�rten Hochl�ndern wimmelte. Ein langes dichtes Drahtverhau verhinderte ihr Entweichen nach hinten, so da� sie unter tosendem Hurragebr�ll und rasendem Schnellfeuer in einer Entfernung von 50 Metern wie eingelapptes Hochwild an uns vor�berlaufen mu�ten. Rasch aufgebaute Maschinengewehre machten das Gemetzel vernichtend.

Fluchend mit einer Ladehemmung besch�ftigt, die mich am Schie�en hinderte, wandte ich mich infolge eines Schlages auf die Schulter um, und blickte in das wutverzerrte Gesicht des kleinen Schultz: „Da schie�en sie noch, die verfluchten Schweine!“ Ich folgte seiner Handbewegung und sah in einem kleinen Grabengewirre, von uns durch die Stra�e getrennt, eine Reihe von Gestalten, teils ladend, teils das Gewehr an der Backe. Schon flogen von rechts die ersten Handgranaten, den Oberk�rper eines von ihnen hoch in die Luft schleudernd.

Die Vernunft gebot, an meinem Platze zu bleiben und die Gegner in aller Ruhe mit einigen Sch�ssen zu erledigen. Statt dessen warf ich mein Gewehr fort und st�rzte mit geballten F�usten zwischen beide Parteien auf die Stra�e. Zum Ungl�ck trug ich noch immer den englischen Mantel und meine rot berandete Feldm�tze. Mitten im Hochgef�hl des Sieges versp�rte ich einen scharfen Schlag an der linken Brustseite; es wurde Nacht um mich. Vorbei! Ich glaubte bestimmt, ins Herz getroffen zu sein, doch empfand ich bei der Erwartung meines sofortigen Todes weder Schmerz noch Angst. Da ich indes zu meinem Erstaunen nicht zusammenbrach und auch kein Loch in der Bluse entdeckte, wandte ich mich wieder dem Feinde zu. Ein Mann meiner Kompagnie st�rzte heran: „Herr Leutnant, den Mantel ’runter!“ und ri� mir das gef�hrliche Kleidungsst�ck von der Schulter.

Ein neues Hurra zerri� die Luft. Von rechts, wo auch schon den ganzen Nachmittag mit Handgranaten gearbeitet worden war, sprang eine Anzahl Deutscher �ber die Chaussee zur Hilfe herbei, voran ein junger Offizier in braunem Manchester. Es war Kius. Die Schotten wurden in wenigen Augenblicken der Wut durch Gewehr und Handgranaten vernichtet. Die Stra�e war mit Leichen bedeckt, w�hrend die wenigen �berlebenden mit Feuer verfolgt wurden.

Als ich, mich mit Kius unterhaltend, in dem eroberten Grabenst�ck stand, versp�rte ich ein feuchtes Gef�hl auf der Brust. Die Bluse herunterrei�end, sah ich, da� ich einen Schu� quer �ber dem Herzen bekommen hatte. Das Gescho� war gerade unter dem E. K. I durchgeflogen, zwei L�cher in der Bluse und zwei im K�rper hinterlassend. Ohne Zweifel hatte mich einer der Unseren (ich hatte den, der mir den Mantel abri�, in starkem Verdacht) f�r einen Engl�nder gehalten und auf eine Entfernung von wenigen Schritten angeschossen.

Kius legte mir einen Verband um und konnte mich nur mit M�he bewegen, in diesem interessanten Augenblick das Schlachtfeld zu verlassen. Wir trennten uns mit einem: „Auf Wiedersehen in Hannover!“

Ich w�hlte mir einen Begleiter, suchte auf der scharf beschossenen Chaussee meine Kartentasche, in der mein Tagebuch steckte und ging durch den Graben, in dem wir uns vorgek�mpft hatten, zur�ck.

Unser Angriffsgeschrei war so gewaltig gewesen, da� die feindliche Artillerie schlagartig eingesetzt hatte. Auf dem Gel�nde hinter der Stra�e und vor allem auf dem Graben selbst lag ein Sperrfeuer von seltener Dichte. Ein heiles Durchkommen war wenig wahrscheinlich. Wir bewegten uns sprungweise von Schulterwehr zu Schultermehr zur�ck.

Pl�tzlich gab es neben mir am Grabenrande einen schmettern den Krach. Ich bekam einen Schlag auf den Hintersch�del und fiel bet�ubt vorn�ber. Als ich erwachte, hing ich mit dem Kopfe nach unten �ber dem Schlitten eines schweren Maschinengewehrs und starrte auf die Grabensohle in eine sich be�ngstigend schnell vergr��ernde rote Lache. Das Blut sprudelte so unaufhaltsam hervor, da� ich ein Davonkommen f�r ausgeschlossen hielt. Da mein Begleiter indes behauptete, noch kein Hirn zu sehen, raffte ich mich hoch und lief weiter. Hier hatte ich die Quittung f�r meinen Leichtsinn, ohne Stahlhelm ins Gefecht zu gehen.

Trotz des doppelten Blutverlustes war ich gewaltig aufgeregt und beschwor jeden, der mir im Graben begegnete, wie von einer fixen Idee besessen, nach vorne zu eilen und sich am Kampfe zu beteiligen. Bald waren wir der Zone der leichten Feldgesch�tze entronnen und verlangsamten unser Tempo.

Im Hohlwege von Noreuil kam ich am Brigade-Gefechtsstand vorbei, lie� mich beim Generalmajor H�bel melden, dem ich �ber unseren Erfolg Bericht erstattete, und bat, den St�rmern mit Reserven zu Hilfe zu kommen. Der General erz�hlte mir, da� ich bei den Gefechtsst�nden schon seit gestern tot gesagt w�re. Es war nicht das erste Mal im Kriege.

In Noreuil stand dicht am Wege ein hoher Stapel von Handgranatenkisten in hellen Flammen. Wir eilten mit sehr gemischten Gef�hlen daran vor�ber. Hinter dem Dorfe nahm mich ein Fahrer mit auf seinen leeren Munitionswagen. Ich geriet scharf mit dem f�hrenden Trainoffizier zusammen, der zwei verwundete Engl�nder, die mich w�hrend des letzten Teiles meines Weges gest�tzt hatten, vom Wagen werfen lassen wollte.

Auf der Stra�e Noreuil—Qu�ant herrschte ein unglaublicher Verkehr. Wer es nicht gesehen hat, kann sich kein Bild von den endlosen Kolonnen machen, die zu einer gro�en Offensive geh�ren. Hinter Qu�ant steigerte sich das Gew�hl ins Fabelhafte. Ich wandte mich an einen der durch wei�e Binden kenntlichen Verkehrsoffiziere, der mir einen Platz in einem Personenauto zum Feldlazarett Sauchy-Cauchy anwies. Wir mu�ten oft halbe Stunden warten, wenn ineinandergeschachtelte Wagen und Automobile den Weg sperrten. Die �rzte im Operationsraum des Feldlazaretts waren fieberhaft besch�ftigt; trotzdem wunderte sich der Chirurg �ber die gl�ckliche Art meiner Verletzungen. Auch die Kopfwunde hatte Ein- und Ausschu�, ohne da� die Sch�deldecke besch�digt war.

Nachdem ich w�hrend der Nacht vorz�glich geschlafen hatte, wurde ich am n�chsten Morgen zur Kranken-Sammelstelle Cantin transportiert, wo ich zu meiner Freude den Leutnant Sprenger antraf, den ich seit Beginn des Sturmes nicht mehr gesehen hatte. Er war durch Infanteriegescho� am Oberschenkel verwundet.

Nach einem kurzen Aufenthalt im bayrischen Feldlazarett 14 (Montigny) wurden wir in Douai in einen Lazarettzug geladen und fuhren bis Berlin. Dort heilte diese sechste Doppelverwundung bei vierzehnt�giger Pflege ebenso gut wie alle vorhergehenden.

Leider erfuhr ich in Hannover, da� unter vielen anderen Bekannten w�hrend des Handgemenges auch der kleine Schultz gefallen war. Kius war mit einer harmlosen Bauchwunde abgekommen. Wer unsere Wiedersehensfeier in einer kleinen hannoverschen Bar beobachtete, kam wohl schwerlich auf den Gedanken, da� wir uns erst vor vierzehn Tagen bei einer anderen Musik als dem friedlichen Knalle von Pfropfen getrennt hatten.

Englische Vorst��e.

Am 4. Juni 1918 kam ich wieder beim Regiment an, das ganz in der N�he des jetzt weit hinter der Front befindlichen Dorfes Vraucourt in Ruhe lag. Der neue Kommandeur, Major von L�ttichau, �bergab mir die F�hrung meiner alten siebenten Kompagnie.

Als ich mich den Quartieren n�herte, liefen mir die Leute entgegen, nahmen mir meine Sachen ab und empfingen mich im Triumph. Es war, als ob ich in den Kreis einer Familie zur�ckkehrte.

Wir bewohnten ein H�uflein von Wellblechbaracken inmitten einer verwilderten Wiesenlandschaft, aus deren Gr�n unz�hlige gelbe Bl�mchen schimmerten. Das w�ste Gel�nde, das wir „Die Wallachei“ getauft hatten, war durch Herden weidender Pferde bev�lkert. Trat man vor die T�r der H�tten, so empfand man jenes be�ngstigende Gef�hl der Leere, von dem der Cowboy, der Beduine und jeder andere Ein�dbewohner zuweilen gepackt wird. Des Abends machten wir lange Spazierg�nge im Umkreise der Baracken und suchten Rebhuhngelege oder im Rasen verborgenes Kriegsmaterial. Eines Nachmittags ritt ich nach dem vor zwei Monaten so hart umk�mpften Hohlweg bei Vraucourt, dessen R�nder mit Grabkreuzen bes�t waren. Ich fand manchen bekannten Namen.

Bald bekam das Regiment Befehl, die vordere Linie der vorm Dorfe Puisieux-au-Mont liegenden Stellung zu besetzen. Wir machten auf Lastautomobilen eine Nachtfahrt bis Achiet-le-Grand. Oft mu�ten wir halten, wenn die Strahlenkegel der Fallschirm-Leuchtkugeln n�chtlicher Bombenflieger das wei�e Band der Stra�e aus dem Dunkel hoben. Nah oder fern wurde das vielfache Pfeifen der schweren Sprengpfeile von den rollenden St��en der Einschl�ge verschlungen. Dann tasteten die unsicheren Arme der Scheinwerfer den dunklen Himmel nach den t�ckischen Nachtv�geln ab, Schrapnells zerspr�hten wie zierliches Spielzeug, und Leuchtgeschosse jagten in langer Kette gleich feurigen W�lfen hintereinander her.

Ein widriger Geruch nach Leichen lagerte �ber der eroberten Gegend, bald mehr, bald weniger intensiv, immer aber die Nerven erregend und in eine Stimmung phantastischer und ahnungsvoller Unheimlichkeit h�llend.

„Offensiv-Parf�m“ erscholl neben mir die Stimme eines cynischen alten Kriegers, als wir einige Minuten lang eine Allee von Massengr�bern zu passieren schienen.

Von Achiet-le-Grand schritten wir an dem nach Bapaume f�hrenden Bahndamm entlang und dann querbeet auf die Stellung zu. Der Feuerbetrieb war lebhaft. Als wir einen Augenblick rasteten, schlugen zwei mittlere Granaten neben uns ein. Die Erinnerung an die unverge�liche Schreckensnacht des 19. M�rz trieb uns vorw�rts. Dicht hinter der vorderen Linie stand eine abgel�ste, l�rmende Kompagnie, an der uns das Fatum gerade vor�berf�hrte, als ihr der Mund durch einige Dutzend Schrapnells gestopft wurde. Mit einem Hagel von Schimpfworten st�rzten sich meine Leute kopf�ber in den n�chsten Laufgraben. Drei mu�ten blutend zum Sanit�tsunterstand zur�ckkehren.

Um 3 Uhr kam ich v�llig ersch�pft in meinem Unterstande an, dessen drangsalsvolle Enge mir eine Reihe wenig genu�reicher Tage in Aussicht stellte.

Das r�tliche Licht einer Kerze gl�hte inmitten einer unbeschreiblichen Dunstwolke. Ich stolperte �ber ein Gewirr von Beinen und brachte durch die Zauberformel „Abl�sung!“ Leben in die Bude. Einem backofenf�rmigen Loch entstieg eine Kette von Fl�chen, dann erschienen nach und nach ein unrasiertes Gesicht, ein Paar ramponierte Achselst�cke, eine verwitterte Uniform und zwei Lehmkl�tze, in denen wahrscheinlich die Stiefel steckten. Wir setzten uns zusammen an den sogenannten Tisch und erledigten das Gesch�ft der �bergabe, bei dem jeder versuchte, den anderen um ein Dutzend eiserne Portionen und einige Leuchtpistolen zu prellen. Dann w�rgte sich mein Vorg�nger durch den engen Stollenhals ins Freie mit der Prophezeiung, da� das Dreckloch keine drei Tage mehr stehen w�rde. Ich blieb zur�ck als neuer Kapit�n des Abschnitts A.

Die Stellung, die ich am n�chsten Morgen besichtigte, bot wenig Erfreuliches. Gleich vorm Unterstande kamen mir zwei blutende Kaffeeholer entgegen, die im Ann�herungswege durch eine Schrapnellladung getroffen waren. Einige Schritte weiter meldete sich der F�silier A. mit einem Prellschu� ab.

Wir hatten das Dorf Bucquoy vor uns und Puisieux-au-Mont im R�cken. Die Kompagnie lag ungestaffelt in der flachen, schmalen, vorderen Linie und war rechts vom Infanterie-Regiment 76 durch eine gro�e, unbesetzte L�cke getrennt. Der linke Fl�gel des Regiments-Abschnitts schlo� ein zerhacktes Geh�lz, das W�ldchen 125, ein. Befehlsgem�� waren keine Stollen ausgeschachtet. Je zwei Mann hausten in kleinen Erdl�chern, die durch sogenannte Siegfriedbleche gest�tzt waren.

Da mein Unterstand hinter einem ganz anderen Abschnitt lag, suchte ich mir zun�chst eine neue Behausung. Ein h�ttenartiges Gebilde in einem verfallenen Grabenst�ck schien mir ganz geeignet, nachdem ich es durch zusammengeschleppte Mordinstrumente in einen verteidigungsf�higen Zustand versetzt hatte. Ich f�hrte dort mit meinem Burschen zusammen ein Leben wie ein Einsiedler im Gr�nen, das nur zuweilen durch Meldeg�nger und Ordonnanzen gest�rt wurde, die den umst�ndlichen Papierkrieg selbst in diese entlegene H�hle trugen. Kopfsch�ttelnd konnte man dann zwischen den Einschl�gen zweier Granaten neben anderen wichtigen Sachen die Neuigkeit lesen, da� dem Ortskommandanten von X. ein schwarzgefleckter Terrier, auf den Namen Zippi h�rend, entlaufen w�re; wenn man sich nicht gerade mit grimmigem Humor in die Alimentationsklage der Dienstmagd Makeben gegen den Gefreiten Meyer vertieft hatte. Auch sorgten Zeichnungen und h�ufige Terminmeldungen f�r die n�tige Abwechslung. Stets hatte man soviel mit der inneren Organisation zu tun, da� man sich um die taktischen Kleinigkeiten kaum noch k�mmern konnte. Man wurde auch wenig danach gefragt. Oft schien die fortgeworfene Patronenh�lse weit wichtiger. Ich lief jedesmal, wenn mir ein revidierender Vorgesetzter angemeldet wurde, durch den Graben, las Papier und H�lsen auf und instruierte die Posten, wie sie zu melden und die Hacken zusammenzuklappen h�tten. Auch da� sie nicht etwa das Verbrechen begingen, dabei das Gesicht vom feindlichen Graben abzuwenden, aus dem sich schon seit drei Monaten kein Nasenzipfel mehr gezeigt hatte, oder gar das Gewehr aus der Hand zu stellen. Daf�r waren drei Tage Mittelarrest unbedingte Taxe.

Diese f�r uns typischen Dinge haben sehr geschadet. Die Form erstickte den Geist. Der Krieg wurde b�rokratisiert. Indes hatte der Frontleutnant viel zu viel Disziplin in den Knochen, um das, wor�ber in jedem Zugf�hrerunterstande vor und nach dem Besuchsschnaps in allen Tonarten geflucht wurde, zur Sprache zu bringen. Trotzdem war er der Berufene, den altpreu�ischen Geist mit den Formen des neuen Krieges zu verschmelzen.

Doch zur�ck zu meinem Unterstand, dem ich den sch�nen Namen „Haus Wahnfried“ verliehen hatte. Den einzigen Kummer machte mir die Deckung, die nur als relativ bombensicher anzusprechen war, das hei�t nur solange, wie kein Schu� daraufging. Jedoch tr�stete ich mich mit dem Gedanken, in keiner besseren Lage als meine Leute zu sein. Jeden Mittag legte mein Bursche mir eine Decke in einen Riesentrichter, zu dem wir einen Gang gew�hlt hatten, um ihn als Sonnenbad einzurichten. �fters wurde meine Siesta allerdings durch in der N�he einschlagende Granaten oder die herabsurrenden Sprengst�cke von Fliegerbeschie�ungen gest�rt.

Die vordere Linie hatte unter feindlichem Feuer verh�ltnism��ig wenig zu leiden, sie w�re sonst auch bald unhaltbar geworden. Haupts�chlich lagen Puisieux und die benachbarten Mulden unter dauernder Beschie�ung, die sich in den Abendstunden zu �berf�llen von au�erordentlicher Dichte steigerte. Essenholen und Abl�sung wurden dadurch sehr gef�hrdet.

Am 14. Juni wurde ich um 2 Uhr morgens von Kius, der auch zur�ckgekehrt war und die zweite Kompagnie f�hrte, abgel�st. Wir verbrachten unsere Ruhezeit am Bahndamm bei Achiet-le-Grand, unter dessen Schutze unsere Baracken und Unterst�nde lagen. Der Engl�nder belegte uns h�ufig mit schwerem Flachbahnfeuer, dem unter anderen der etatsm��ige Feldwebel der dritten Kompagnie, Rackebrand, zum Opfer fiel. Einige Tage zuvor hatte sich bereits ein furchtbares Ungl�ck ereignet. Ein Flieger hatte seine Bombe mitten in die von einem Zuh�rerkranze umringte Kapelle des Infanterie-Regiments 76 geworfen. Unter den Getroffenen befanden sich auch viele 73er.

In der n�heren Umgebung des Bahndammes lag eine Reihe zerschossener Tanks, die ich auf meinen Spazierg�ngen mit Interesse besichtigte. Sie trugen zum Teil sp�ttische, drohende oder gl�ckbringende Namen und Kriegsbemalungen, waren aber alle �bel zugerichtet. Der enge, von Geschossen zerschmetterte Panzerraum mit seinem Gewirr von Rohren, Stangen und Dr�hten mu�te beim Sturm ein �u�erst ungem�tlicher Aufenthaltsort sein, wenn die Kolosse, um den Flammenschl�gen der Artillerie zu entgehen, gleich unbeholfenen Riesenk�fern sich in Bogenlinien �ber die Walstatt w�lzten. Ich dachte lebhaft an die M�nner im feurigen Ofen.

Am Morgen des 18. Juni mu�te die siebente Kompagnie der unsicheren Lage wegen schon wieder nach Puisieux, um dort dem K. T. K. zum Materialtragen und taktischer Verwendung zur Verf�gung zu stehen. Wir bezogen am Ausgang nach Bucquoy liegende Keller und Stollen. Gerade als wir ankamen, hieb eine Gruppe schwerer Granaten in die umliegenden G�rten. Trotzdem lie� ich mich nicht abhalten, in einer kleinen Laube vorm Eingang meines Stollens zu fr�hst�cken. Nach einer Weile brauste es wieder heran. Ich warf mich hin. Neben mir flammte es auf. Ein in der N�he stehender Sanit�ter meiner Kompagnie, der mit einigen Kochgeschirren voll Wasser vorbeikam, brach durch den Unterleib getroffen, zusammen. Wir verbanden ihn, w�hrend gro�e Schwei�tropfen auf seine Stirne traten. Als ich versuchte, ihn zu tr�sten, st�hnte er hervor: „Der Schu� ist t�dlich, ich f�hle es ganz genau.“ Trotz dieser Prophezeiung konnte ich ihm nach einem halben Jahre beim Einzuge in Hannover die Hand sch�tteln.

Am Nachmittage machte ich einen einsamen Spaziergang durch das v�llig zerst�rte Puisieux. Das Dorf war schon w�hrend der Sommeschlachten zu einem Tr�mmerhaufen zusammengeh�mmert. Trichter und Mauerreste waren mit dichtem Gr�n �berzogen, aus dem �berall die wei�en Scheiben des ruinenfreundlichen Hollunders leuchteten. Zahlreiche frische Gescho�einschl�ge hatten das h�llende Gewebe zerrissen und die schon so oft umgew�hlte Erde der G�rten von neuem blo�gelegt.

Die Dorfstra�e war mit dem Kriegsschutt des zum Stillstand gekommenen Vormarsches bes�umt. Zerschossene Wagen, weggeworfene Munition, Nahkampfmittel und die Umrisse halbverwester Pferde, von blitzenden Fliegenwolken umbraust, verk�ndeten die Nichtigkeit aller Dinge im Kampfe ums Leben. Die auf dem h�chsten Punkt ragende Kirche bestand nur noch aus einem w�sten Steinhaufen. W�hrend ich einen Strau� wundervoller verwilderter Rosen pfl�ckte, mahnten mich einschlagende Granaten zur Vorsicht auf diesem Tanzplatz des Todes.

Nach einigen Tagen l�sten wir die neunte Kompagnie in der Hauptwiderstandslinie, die ungef�hr 500 Meter hinter der vorderen lag, ab. Dabei wurden drei Leute meiner Kompagnie verwundet. Am folgenden Morgen wurde in der N�he meines Unterstandes der Hauptmann von Ledebour durch eine Schrapnellkugel am Fu� verletzt. Obwohl schwer lungenkrank, f�hlte er doch im Kampfe seine Bestimmung. So mu�te er der geringen Wunde erliegen. Er starb kurze Zeit darauf im Lazarett. Am 28. wurde der F�hrer meiner Essenholer durch einen Granatsplitter getroffen. Dies war der neunte Verlust in der Kompagnie binnen kurzer Zeit.

Nachdem wir eine Woche in vorderer Linie gelegen hatten, mu�ten wir nochmals die Hauptwiderstandslinie besetzen, da unser Abl�sungsbataillon durch die spanische Krankheit fast aufgel�st war. Auch von unseren Leuten meldeten sich t�glich mehrere krank. Bei der Nachbardivision w�tete die Grippe so stark, da� ein feindlicher Flieger Zettel abwarf, auf denen stand, da� der Engl�nder die Abl�sung �bernehmen w�rde, wenn die Truppe nicht bald zur�ckgezogen w�rde. Doch erfuhren wir, da� sich die Seuche auch auf der Gegenseite mehr und mehr ausbreitete. Bei uns traten noch versch�rfend die schlechten Verpflegungsverh�ltnisse hinzu. Dabei standen wir dauernd in h�chster Gefechtsbereitschaft, da das W�ldchen 125 durch fortw�hrende H�chstbeschie�ung dauernd bedroht war. Infolge der Explosionsgase war dort ein Teil der sechsten Kompagnie an Kohlenoxydvergiftung erkrankt. Wir mu�ten viele Leute mit Sauerstoffapparaten herausholen.

Eines Nachmittags fand ich beim Durchschreiten meines Abschnittes mehrere vergrabene K�sten voll englischer Munition und sprengte mir in meinem Leichtsinn beim Auseinandernehmen einer Gewehrgranate die Kuppe des rechten Zeigefingers ab. Am selben Abend platzte, als ich mit dem Leutnant Sprenger auf der Deckung meines Unterstandes stand, eine schwere Granate in der N�he. Wir stritten uns �ber die Entfernung, die Sprenger auf 10, ich auf 30 Meter sch�tzte. Um zu sehen, wie weit ich meinen Angaben in dieser Beziehung trauen k�nnte, ma� ich nach und fand den Trichter 22 Meter von unserem Standorte entfernt. Man ist leicht geneigt, die Entfernung zu untersch�tzen.

Am 20. Juli lag ich mit meiner Kompagnie wieder in Puisieux. Den ganzen Nachmittag stand ich auf einem Mauerrest und beobachtete das Gefechtsbild, das einen sehr verd�chtigen Eindruck machte.

Das W�ldchen 125 wurde oft durch m�chtige Feuerst��e in dichten Qualm geh�llt, w�hrend gr�ne und rote Leuchtkugeln auf- und niederstiegen. Manchmal schwieg das Artilleriefeuer, dann h�rte man das Tacken einiger Maschinengewehre und den matten Knall entfernter Handgranaten. Das Ganze sah sich von meinem Standorte fast wie ein zierliches Spiel an. Es fehlte das Gewaltige des Gro�kampfes, und doch sp�rte man das erbitterte Ringen zwischen zwei ehernen Kr�ften. . . . . .

Aus dem leeren, weiten Gel�nde starren die Augen tausend Verborgener nach dem kleinen Waldst�ck, aus dem in wechselndem Reigen braune Erdbrunnen die Gipfel der st�rzenden Eichb�ume umtanzen. In der Tiefe des Umkreises staffeln in Gr�ben, Trichtern, H�hlen und Ruinen Menschen und Material, des Einsatzes gegen das von zerhackten Str�nken bedeckte St�ck Erde harrend.

Weit hinten an zwei Gegenpolen sitzen zwei Generale an kartenverdeckten Tischen. Eine Meldung, ein kurzer Vortrag, einige S�tze an einen Ordonnanzoffizier, ein Telephongespr�ch. Eine Stunde sp�ter umflammen die Blitze eines neuen Feuersto�es die alten Trichter, eine frische Menschenhekatombe verblutet in stickigem Qualm. . . . . .

Gegen Abend wurde ich zum Bereitschaftskommandeur berufen, wo ich erfuhr, da� der Gegner am linken Fl�gel in unser Grabensystem eingedrungen w�re. Um uns wieder etwas Vorfeld zu schaffen, war befohlen, da� der Leutnant Petersen mit der Sturmkompagnie den Heckengraben, ich mit meinen Leuten einen ihm in einer Mulde parallel laufenden Ann�herungsweg aufr�umen sollte. Wir zogen im Morgengrauen los, bekamen aber schon in unserer Sturmausgangsstellung so starkes Infanteriefeuer, da� wir vorl�ufig auf die Ausf�hrung verzichteten. Ich lie� den Elbinger Weg besetzen und holte in einem riesigen H�hlenstollen den vers�umten Nachtschlaf nach. Um 11 Uhr vormittags weckte mich Handgranatenkrachen vom linken Fl�gel, wo wir eine Barrikade besetzt hielten. Ich eilte hin und fand das �bliche Bild des Barrikadenkampfes. Bei der Verschanzung wirbelten wei�e Handgranatenwolken, einige Schulterwehren zur�ck rasselte auf jeder Seite ein Maschinengewehr. Dazwischen Leute geduckt vor und zur�ckspringend. Der kleine Handstreich der Engl�nder war bereits abgeschlagen, hatte uns jedoch einen Mann gekostet, der, von Handgranatensplittern zerrissen, hinter der Barrikade lag.

Gegen Abend bekam ich Befehl, die Kompagnie nach Puisieux zur�ckzuf�hren, wo ich bei der Ankunft die Order vorfand, mich am n�chsten Morgen mit zwei Gruppen an dem Aufrollen des Grabens in der Mulde zu beteiligen. Um 3.40 Uhr brachen wir, das hei�t der Leutnant Voigt von der Sturmkompagnie mit einem Sto�trupp und ich mit meinen beiden Gruppen zur Ausgangsstellung auf. Wir hatten Befehl, den Graben nach einer f�nfminutigen Artillerie- und Minenvorbereitung vom Rotpunkt K bis zum Rotpunkt Z1 aufzuteilen.

Ich darf nicht verschweigen, da� wir beide die Feuervorbereitung und �berhaupt das Nehmen und Besetzen des tief in der Mulde liegenden, von allen Seiten eingesehenen Grabens f�r unn�tig und verkehrt hielten. Der entscheidende Punkt war der Heckengraben; wollte man angreifen, so mu�te man ihn nehmen und war dann auch im Besitze der Mulde. Ich hegte den bestimmten Verdacht, da� der Angriff von hinten nach der Karte befohlen war, denn wer das Gel�nde vor Augen hatte, konnte keine derartigen Anordnungen treffen.

Nach der Vorbereitung, bei der einer unserer Leute verwundet wurde, traten wir an und rollten den Graben auf. Kurz vor Z1 stie�en wir auf Widerstand, der durch Handgranaten gebrochen wurde. Da wir unser Ziel erreicht hatten und auf weiteren Kampf nicht erpicht waren, bauten wir eine Barrikade und lie�en eine Gruppe mit einem Maschinengewehr dahinter zur�ck.

Das einzige Vergn�gen an der Sache bereitete mir das Benehmen der Leute vom Sturmtrupp, die mich lebhaft an Grimmelshausens Simplizissimus erinnerten. Diese jungen Krieger mit gewaltigen Haarsch�pfen und Wickelgamaschen gerieten 20 Meter vorm Feinde in einen heftigen Streit, weil einer den anderen Schlappsack geschimpft hatte und fluchten dabei wie die Landsknechte. „Mensch, alle haben doch nicht so’n Schi� wie du!“, schrie zuletzt einer und rollte allein noch 50 Meter Graben auf.

Schon am Nachmittag kam die Barrikadengruppe zur�ck. Sie hatte Verluste gehabt und sich nicht l�nger halten k�nnen. Ich hatte die Leute bereits aufgegeben und wunderte mich, da� �berhaupt jemand lebend bei Licht den langen Schlauch des Muldengrabens hatte passieren k�nnen. Das sind die Folgen des Papierkrieges.

Trotz unserer Gegenst��e sa� der Feind fest im linken Fl�gel unserer vorderen Linie und in den verbarrikadierten Verbindungswegen, die Hauptwiderstandslinie bedrohend.

Am 24. Juli begab ich mich zur Orientierung in den neuen Abschnitt C der Hauptwiderstandslinie, den ich am n�chsten Tage �bernehmen sollte. Ich lie� mir von dem Kompagnief�hrer, Leutnant Gipkens, die Barrikade am Heckengraben zeigen und setzte mich neben ihn auf einen Postenstand. Pl�tzlich packte mich Gipkens und ri� mich zur Seite. Im n�chsten Augenblick spritzte ein Gescho� auf dem Sand meines Sitzplatzes auseinander. Durch einen gl�cklichen Zufall hatte er beobachtet, wie ein Gewehr langsam aus einer Schie�scharte der 40 Meter entfernten feindlichen Barrikade geschoben wurde und mir so durch seine scharfen K�nstleraugen das Leben gerettet. Wie mir nachher erz�hlt wurde, waren an dieser so harmlos aussehenden Stelle schon drei Mann der neunten Kompagnie durch Kopfschu� gefallen. Am Nachmittag wurde ich durch eine nicht sonderlich starke Schie�erei aus meinem Bunker gelockt, in dem ich gerade gem�tlich lesend am Kaffeetische sa�. Vorn stiegen best�ndig Sperrfeuerzeichen hoch. Zur�ckhumpelnde Verwundete erz�hlten, da� die Engl�nder in den Abschnitten B und C in die Hauptwiderstandslinie, in A ins Vorfeld eingedrungen w�ren. Gleich darauf kam die Ungl�cksbotschaft, da� die Leutnants Vorbeck und Grieshaber bei der Verteidigung ihrer Abschnitte gefallen, Leutnant Kastner schwer verwundet w�re. Um 8 Uhr kam auch der Leutnant Sprenger, der stellvertretend die f�nfte Kompagnie gef�hrt hatte, mit einem Splitter im R�cken in meinen Unterstand, kr�ftigte sich durch einen „Blick in die R�hre“ und begab sich mit dem Zitat: „R�ckw�rts, r�ckw�rts, Don Rodrigo“ zum Verbandplatze. Ihm folgte sein Freund, Leutnant Domeyer, mit blutender Hand.

Am n�chsten Morgen l�sten wir die Besatzung des Abschnittes C ab, der inzwischen wieder vom Feinde ger�umt war. Ich fand dort Pioniere Boje und Kius mit einem Teile der zweiten, Gipkens mit den Resten der neunten Kompagnie vor. Im Graben lagen acht tote Deutsche und zwei Engl�nder (M�tzenschild: South-Africa, Otago-Rifles). Alle waren durch Handgranatentreffer �bel zugerichtet. Ihre angstverzerrten Gesichter wiesen furchtbare Verletzungen auf. Zweien waren beide Augen ausgeschossen.

Als ich mich mit Boje und Kius in unserem gew�hnlichen pessimistisch-ironischen Ton begr��te, f�hlte ich die entsetzten Augen eines meiner Rekruten, eines Seminaristen, auf mir ruhen. Ich durchschaute seinen Gedankengang und erschrak zum erstenmale �ber die abstumpfende Wirkung des Krieges. Man kam dazu, den Menschen nur noch als Sache zu betrachten.

Ich lie� die Barrikade besetzen und den Graben aufr�umen. Um 11.45 Uhr er�ffnete, ohne da� wir zuvor benachrichtigt wurden, die eigene Artillerie ein wildes Feuer auf die vor uns liegende Stellung, bei dem wir jedoch mehr Treffer bekamen als die Engl�nder. Das Ungl�ck lie� nicht lange auf sich warten. Der Ruf „Sanit�ter!“ flog von links durch den Graben. Hineilend, fand ich vor der Barrikade im Heckengraben eine unf�rmliche Leichenmasse, die �berreste meines besten Zugf�hrers. Er hatte den Volltreffer einer eignen Granate mitten ins Kreuz bekommen. Uniform- und W�schefetzen, die ihm der Druck der Explosion vom Leibe gerissen hatte, hingen �ber ihm im zerhackten Gezweig einer Wei�dornhecke. Ich lie� eine Zeltbahn �ber ihn werfen, um den Leuten den Anblick zu ersparen. Gleich darauf wurden an derselben Stelle noch drei Mann verwundet, einem von ihnen beide H�nde am Gelenk durchschlagen. Er taumelte mit totbleichem Gesicht, die Arme auf die Schultern einen Krankentr�gers gelegt, blut�berspritzt zur�ck. Der Gefreite Ehlers wand sich, vom Luftdruck bet�ubt, auf der Erde.

Ich sandte einen Protest nach dem andern an die Befehlsstellen und forderte dringend Einstellung des Feuers oder die Anwesenheit von Artillerieoffizieren im Graben. Statt aller Antwort setzte noch ein schwerer Minenwerfer ein und machte mir den Graben vollends zur Fleischbank. �berall lagen Blut, Hirn und Fleischfetzen, auf denen sich Schw�rme von Fliegen sammelten.

Um 7.15 Uhr (!) bekam ich einen Befehl, demzufolge 7.30 Uhr starkes Artilleriefeuer einsetzen und um 8 Uhr zwei Gruppen der Sturmkompagnie unter Leutnant Voigt �ber die Barrikade des Heckengrabens vorbrechen sollten, um bis zum Rotpunkt A aufzurollen und nach rechts Verbindung mit einer parallel vorgehenden Sto�truppe herzustellen. Zwei Gruppen meiner Kompagnie sollten zur Besetzung des eroberten Grabenst�ckes folgen.

Ich traf in aller Eile, w�hrend schon das Artilleriefeuer einsetzte, die n�tigen Anordnungen, bestimmte zwei Gruppen und sprach kurz mit dem Leutnant Voigt, der einige Minuten sp�ter befehlsgem�� vorging. Ich hielt die Sache mehr f�r einen Abendspaziergang und schlenderte in M�tze, eine Stielhandgranate unterm Arm, hinter meinen beiden Gruppen her. Im Augenblick des Angriffs richteten sich die Gewehre der ganzen Gegend auf den Heckengraben. Wir sprangen geb�ckt von Schulterwehr zu Schulterwehr. Es ging sehr sch�n vorw�rts, die Engl�nder fl�chteten unter Zur�cklassung eines Toten in eine r�ckw�rtige Linie.

Ich hatte als Letzter gerade die Einm�ndung eines links abzweigenden Grabens passiert, als mein Vordermann, ein Unteroffizier, einen Schrei h�chster Erregung ausstie� und mir am Kopf vorbei nach links scho�. Da ich mir sein Benehmen nicht erkl�ren konnte, ging ich einige Schritt zur�ck und stand pl�tzlich einem athletisch gebauten Engl�nder in dem Augenblick, als er dem fliehenden Unteroffizier eine Handgranate nachschleuderte, gegen�ber. Gleichzeitig ert�nte von allen Seiten das Angriffsgeschrei anderer, die �ber Deckung heranst�rmten, um uns abzuschneiden. Ich zog die Handgranate, meine einzige Waffe, ab und schleuderte sie in kurzem Zirkel dem Tommy vor die F��e. Dann gab ich, von Handgranaten umkracht, Fersengeld in der Richtung auf unseren Graben. Ein einziger, der kleine Wilzek von meiner Kompagnie, hatte die Besonnenheit, hinter mir herzulaufen. Ein uns nachgeworfenes Eisenei zerri� ihm Koppel und Hosenboden, ohne ihn weiter zu verletzen.

Voigt und die anderen Leute, die nach vorn ausgewichen waren, schienen umringt und verloren. Kampfgeschrei und zahlreiche Explosionen k�ndeten, da� sie ihr Leben teuer verkauften.

Um ihnen zu Hilfe zu kommen, f�hrte ich die Gruppe des Fahnenjunker-Unteroffiziers Mohrmann durch den Heckengraben vor. Wir mu�ten indes vor einer Sperre hageldicht einschlagender Flaschenminen Halt machen. Ein Splitter flog mir gegen die Brust und wurde von der Hosentr�gerschnalle abgefangen. Au�erdem brach schlagartig ein Artilleriefeuer von gewaltiger St�rke los.

Rings spritzten Erdstrahlen aus farbigen D�mpfen, metallisches Geschmetter durchschrie das dumpfe Dr�hnen schwerer Schl�ge, Eisenbl�cke brausten in unheimlicher K�rze heran, dazwischen sangen und schwirrten Wolken von Splittern. Da ein Angriff zu bef�rchten stand, setzte ich mir einen herumliegenden Stahlhelm auf und eilte mit einigen Begleitern in den Kampfgraben zur�ck.

Dr�ben tauchten Gestalten auf. Wir legten uns auf die zerwalzte Grabenwand und schossen. Neben mir fingerte ein ganz junger Krieger mit fiebernden H�nden am Ladehebel seines Maschinengewehres, ohne einen Schu� aus dem Lauf zu bekommen. Einige Engl�nder klappten um, die andern verschwanden im Graben, w�hrend das Feuer immer toller wurde. Die eigene Artillerie schien keine Parteien mehr zu kennen.

Als ich, von einer Gefechtsordonnanz gefolgt, zu meinem Bunker schritt, schlug irgend etwas zwischen uns in die Wand, ri� mir mit enormer Wucht den Stahlhelm vom Kopf und schleuderte ihn weit weg. Ich glaubte, eine ganze Schrapnell-Ladung erhalten zu haben, und legte mich halb bet�ubt in mein Fuchsloch, auf dessen Rand einige Sekunden sp�ter eine Granate schlug, den kleinen Raum mit dichtem Qualen f�llend. Ein langer Splitter zerschmetterte eine B�chse voll Gurken, die neben meinen F��en lag. Um nicht versch�ttet zu werden, kroch ich wieder in den Graben und spornte die beiden Gefechtsordonnanzen und meinen Burschen zur Wachsamkeit an.

Es war eine wirklich unangenehme halbe Stunde, w�hrend deren die Kompagnie viele Verluste hatte. Nachdem die Feuerwelle verebbt war, ging ich durch den Graben, besah den Schaden und stellte fest, wieviel Leute mir noch zur Verf�gung standen. Da die Kopfzahl von 15 Mann zur Linearverteidigung zu gering war, �bertrug ich dem Fahnenjunker Mohrmann und drei Leuten die Verteidigung der Barrikade, zog die Tr�mmer zu einem Sch�tzenigel in einem Riesentrichter hinter der eigenen Linie zusammen und lie� alle Handgranaten dort anh�ufen. Mein Plan war, den angreifenden Gegner ruhig in den Graben kommen zu lassen, um ihn dann auf einen Pfiff von oben her zusammenzuknallen. Jedoch beschr�nkte sich die Kampft�tigkeit auf ein fortw�hrendes Gepl�nkel mit leichten Minen, Gewehr- und Handgranaten.

Am 27. Juli wurden wir durch eine Kompagnie des Infanterie-Regiments 164 abgel�st. Wir waren auch restlos ausgepumpt. Der F�hrer dieser Kompagnie wurde schon beim Anmarsch schwer verwundet; einige Tage sp�ter wurde mein Bunker eingeschossen und begrub seinen Nachfolger. Wir atmeten alle erleichtert auf, als wir das vom heraufziehenden Gewitter der gro�en Endoffensive umgrollte Puisieux im R�cken hatten.

*                    *
*

111. Inf. Division.

Div. Gef. Stand, 12. 8. 18.

Divisionstagesbefehl.

Das F�silier-Regt. 73 hat seinen hohen Ruf als tapfere, kampferprobte Truppe in den harten K�mpfen am 25. 7. gegen einen an Zahl weit �berlegenen Gegner erneut aufs gl�nzendste in Verteidigung und Gegenst��en bewiesen. Ich erkenne das um so lieber an, als ich wohl wei�, welch hohe Anforderungen an die Truppen der Division bei dem langen Einsatz an schwieriger Front an Ausdauer und Pflichttreue gestellt werden m�ssen f�r unser geliebtes Vaterland.

Insbesondere verdient Leutnant J�nger, schon sechsmal verwundet und diesmal wie immer ein leuchtendes Vorbild f�r Offiziere und Mannschaften, erneute Anerkennung.

v. Busse,
Generalmajor und Divisions-Kommandeur.

Mein letzter Sturm.

Am 30. Juli 1918 bezogen wir Ruhequartiere in Sauchy-L�str�e, einer wasserumgl�nzten Perle des Artois. Nach einigen Tagen marschierten wir noch weiter zur�ck nach Escaudoeuvres, einem kleinen, n�chternen Arbeitervorst�dtchen von Cambrai.

Ich bewohnte in der Rue-des-Bouchers das typische Staatszimmer eines nordfranz�sischen Arbeiterh�uschens. Das �bliche Riesenbett als omin�ses Hauptm�bel, ein Kamin mit scheu�lichen roten und blauen Glasvasen auf dem Sims, ein runder Tisch, St�hle; an den W�nden einige der furchtbaren Farbendrucke des Familist�re, Vive la classe, souvenir de premi�re communion, Postkarten und anderer Plunder. Alles zusammen der Gipfel von Talmi, verlogener Sentimentalit�t und Ungem�tlichkeit. Ich f�hlte mich inmitten dieser selbstgef�lligen Geschmacklosigkeit unbehaglicher als im n�ssesten Stollen und versuchte, wenigstens durch einen auf dem Tisch gestapelten Kartensto� und die auf das Familienbett geschleuderten Reitstiefel meine Anwesenheit etwas zu motivieren.

Die hellen Vollmondn�chte beg�nstigten den h�ufigen Besuch feindlicher Flieger, der uns einen Begriff von der erdr�ckenden Material�berlegenheit auf der Gegenseite gab. Nacht f�r Nacht schwebten mehrere Geschwader heran und lie�en Bomben von unheimlicher Brisanz auf Cambrai und die Vorst�dte fallen. Ich wurde weniger durch das feine, moskitoartige Summen der Motore und die Gruppen lang widerhallender Detonationen als durch das �ngstliche In-den-Keller-St�rzen meiner Wirtsleute gest�rt. Einen Tag vor meiner Ankunft war allerdings eine Bombe vor dem Fenster aufgeschlagen, hatte den in meinem Bette schlafenden Hausherrn bet�ubt ins Zimmer geschleudert und die Mauern von Splittern durchl�chert. Gerade dieser Zufall gab mir indes die Beruhigung, da� eine Wiederholung ziemlich unwahrscheinlich sein w�rde.

Nach einem Ruhetage setzte die verha�te, aber unentbehrliche Ausbildungsleier wieder ein. Exerzieren, Unterricht, Appells, Besprechungen und Besichtigungen f�llten einen gro�en Teil des Tages. Einen ganzen Vormittag verbrachten wir sogar damit, einen ehrengerichtlichen Spruch zu f�llen. Die Verpflegung war wieder einmal miserabel. Eine Zeitlang gab es als Abendportion nur Gurken, denen der trockene Humor der Leute den trefflichen Namen „G�rtnerwurst“ beilegte.

Es war nicht leicht, meine dezimierte Kompagnie wieder zu einer Einheit zusammenzuschmelzen. Trotzdem mir die Notwendigkeit klar war, empfand ich es oft peinlich, immer wieder mit den Kleinigkeiten des Exerzierens an die Leute herantreten zu m�ssen. Der Drill wird als Mittel zum Zweck bei keinem Heere zu entbehren sein, er l��t sich weder durch individuelle noch durch sportliche Erziehung ganz ersetzen. Ein Mann, dessen innerer Wert nicht �ber jeden Zweifel erhaben ist, mu� bis zum Stumpfsinn gehorchen lernen, damit seine Triebe auch in den schrecklichsten Momenten durch den geistigen Zwang des F�hrers gez�gelt werden k�nnen.

Vor allem widmete ich mich der Ausbildung einer Sto�truppe, da mir im Verlaufe des Krieges immer klarer geworden war, da� aller Erfolg der Tat des einzelnen entspringt, w�hrend die Masse der Mitl�ufer nur Sto�- und Feuerkraft darstellt. Lieber F�hrer einer entschlossenen Gruppe als einer zaghaften Kompagnie.

Meine Freizeit verbrachte ich mit Lesen, Baden, Schie�en und Reiten. Auf den Spazierritten fand ich massenhaft herabgeworfene Flugbl�tter, die den Proze� der moralischen Zersetzung unserer Armee beschleunigen sollten. Es war sogar ein Gedicht Schillers vom freien Britannien dabei. Ich fand es recht klug vom Engl�nder, das deutsche Gem�t mit Gedichten zu bombardieren, und auch recht schmeichelhaft f�r uns. Ein Krieg, in dem man sich durch Verse bek�mpft, w�re eine recht segensreiche Erfindung. Die Fundpr�mie von 30 Pf. pro Exemplar verriet, da� die Heeresleitung die Gef�hrlichkeit dieser vergifteten Waffen nicht gering sch�tzte. Die Unkosten wurden allerdings der Bev�lkerung des besetzten Gebietes zur Last gelegt. Wir schienen also doch nicht mehr das ganz reine Verst�ndnis f�r Poesie zu besitzen.

Eines Nachmittags setzte ich mich aufs Rad und fuhr nach Cambrai. Das liebe, alte St�dtchen war w�st und �de geworden. L�den und Kaffees waren geschlossen; die Stra�en schienen tot trotz der feldgrauen Woge, die sie durchflutete. Ich fand Herrn und Frau Plancot, die mir das Jahr zuvor ein so sch�nes Quartier geboten hatten, herzlich erfreut �ber meinen Besuch. Sie erz�hlten mir, da� sich die Verh�ltnisse in Cambrai in jeder Beziehung verschlechtert h�tten. Besondere beklagten sie sich �ber die h�ufigen Fliegerbesuche, die sie zw�ngen, des Nachts oft mehrere Male die Treppen auf und nieder zu rennen, �ber das Problem streitend, ob es ratsamer sei, im ersten Keller durch die Bombe selbst oder im zweiten durch Versch�ttung umzukommen. Die alten Herrschaften mit den sorgenvollen Mienen taten mir herzlich leid. Einige Wochen sp�ter mu�ten sie Hals �ber Kopf infolge der Beschie�ung das Haus verlassen, in dem sie ihr Leben verbracht hatten.

Am 23. August gegen 11 Uhr wurde ich durch heftiges Pochen gegen meine T�r hochgeschreckt, als ich gerade sanft eingeschlafen war. Eine Ordonnanz brachte Marschbefehl. Schon tags vorher war von der Front das eint�nige Rollen und Stampfen eines ungew�hnlich heftigen Artilleriefeuers her�bergebrandet und hatte uns beim Dienst, beim Essen und beim Kartenspiel gemahnt, uns keinen Illusionen in bezug auf eine l�ngere Dauer unserer Ruhezeit hinzugeben. F�r dieses Brodeln entfernten Kanonendonners hatten wir den klangvollen Frontausdruck „es wummert“ gepr�gt.

Rasch packten wir und traten w�hrend eines wolkenbruchartigen Gewitters auf der Stra�e nach Cambrai an. Unser Marschziel war Marquion, wo wir gegen 5 Uhr morgens eintrafen. Der Kompagnie wurde ein gro�er, von einer Reihe demolierter Stallgeb�ude eingeschlossener Hof zugewiesen, indem sich jeder so gut wie m�glich unterbrachte. Ich kroch mit meinem einzigen Kompagnieoffizier, dem Leutnant Schrader, in ein kleines Backsteinverlie�, das zu friedlicheren Zeiten anscheinend als Ziegenstall fungiert hatte, jetzt allerdings nur noch von einigen gro�en Ratten bewohnt war.

Am Nachmittag war eine Offiziersbesprechung, bei der wir erfuhren, da� wir in der Nacht rechts der gro�en Stra�e Cambrai—Bapaume unweit Beugny bereitgestellt werden sollten. Wir wurden vor einem wahrscheinlichen Angriff der neuen, schnellen und wendigen Tanks gewarnt.

Ich teilte meine Kompagnie in einem kleinen Obstgarten zum Gefecht ein. Unter einem Apfelbaume stehend, sprach ich ein paar Worte zu den Leuten, die mich im Hufeisen umschlossen. Ihre Gesichter sahen ernst und m�nnlich aus. Es war wenig zu sagen. Jeder wu�te, da� wir nicht mehr siegen konnten. Aber der Gegner sollte sehen, da� er gegen M�nner von Ehre k�mpfte.

Bei solchen Gelegenheiten vermied ich, mich vom Draufg�ngertum fortrei�en zu lassen. Es w�re wenig taktvoll gewesen, den Leuten, die zum Teil mit der Angst um Frau und Kind zur Vernichtung zogen, zu zeigen, da� man der Schlacht mit einer gewissen Lust entgegensah. Auch war es mein Grundsatz, nicht durch gro�e Worte zum Mute anzuspornen oder den Feigling zu bedrohen. Ich suggerierte: Ich wei� genau, da� mich niemand im Stiche l��t. Wir haben alle Angst, aber wir m�ssen dagegen k�mpfen. Es ist menschlich, wenn jemand von seiner Schw�che �bermannt wird. Er mu� dann auf seinen F�hrer und die Kameraden sehen. Schon beim Sprechen f�hlte ich, da� solche Worte den Leuten verst�ndlich waren. Die Erfolge rechtfertigten diese psychologische Vorbereitung in gl�nzender Weise.

An unserem aus einer Karre und einer Haust�r improvisierten Tisch a� ich im Hof mit Schrader zu Abend und trank eine Flasche Wein dazu. Dann rollten wir uns in unseren Ziegenstall, bis uns um 2 Uhr morgens der Posten meldete, da� die Lastautos auf dem Marktplatz verladebereit st�nden.

In geisterhafter Beleuchtung rasselten wir durch das kampfzerw�hlte Gel�nde der vorj�hrigen Cambraischlacht und wanden uns durch die von Tr�mmerw�llen eingefa�ten Dorfstra�en abenteuerlich zerschossener Nester. Dicht vor Beugny wurden wir ausgeladen und in unsere Aufstellungsr�ume gef�hrt. Das Bataillon besetzte einen Hohlweg an der Stra�e Beugny—Vaux. In den Vormittagsstunden brachte eine Ordonnanz den Befehl, da� sich die Kompagnie bis an die Stra�e Fr�micourt—Vaux vorzuschieben h�tte. Dies typische Vorr�cken gab mir die Gewi�heit, da� uns bis zum Abend noch Blutiges bevorstand.

Ich schl�ngelte meine drei Z�ge in Reihen durch das Gel�nde, das kreisende Flieger mit Bomben und Geschossen bestreuten. Am Ziele verteilten wir uns in Trichter und Erdl�cher, da vereinzelte Granaten bis �ber die Stra�e hinausgriffen.

Ich befand mich an diesem Tage so schlecht, da� ich mich sofort in ein kleines Grabenst�ck legte und einschlief. Nach dem Erwachen las ich in Laurence Sterne’s „Tristram Shandy“ und verbrachte so, mit der Gleichg�ltigkeit eines Kranken, in der warmen Sonne liegend, den Nachmittag. Ab und zu trank ich einen Schluck Wermut.

Um 6.15 Uhr nachmittags rief ein Gefechtsl�ufer die Kompagnief�hrer zum Hauptmann von Weyhe.

„Ich habe Ihnen die ernste Mitteilung zu machen, da� wir angreifen. Das Bataillon tritt nach halbst�ndiger Feuervorbereitung um 7 Uhr (!) vom Westrande Favreuil zum Sturm an. Marschrichtungspunkt der Kirchturm von Sapignies.“

Nach kurzem hin und her und einem kr�ftigen H�ndedruck st�rzten wir zu den Kompagnien, da das Feuer in zehn Minuten beginnen sollte und wir noch eine gro�e Strecke zu marschieren hatten. Ich verst�ndigte meine Zugf�hrer und lie� antreten.

„Die Gruppen in Reihe zu einem mit 20 Meter Zwischenraum. Marschrichtung halblinks die Baumkronen von Favreuil!“

Ein gutes Zeichen f�r den Geist, der in den Leuten steckte, war, da� ich einen Mann bestimmen mu�te, zur�ckzubleiben, um die Feldk�che zu benachrichtigen. Freiwillig hatte sich keiner melden m�gen.

Ich schritt mit meinem Kompagniestabe und dem Feldwebel Reinecke, der die Gegend genau kannte, weit vor der Kompagnie. Hinter Hecken und Ruinen sprangen die Absch�sse unserer Gesch�tze auf. Das Feuer glich mehr einem w�tenden Gebell als einer vernichtenden Sturmwelle. Hinter mir sah ich meine Gruppen in bewunderungsw�rdiger Ordnung vorgehen. Neben ihnen staubten die W�lkchen der Fliegergeschosse auf, Kugelladungen, Hohlbl�ser und Treibplatten von Schrapnells fuhren mit h�llischem Fauchen durch die Zwischenr�ume der schmalen Menschenstreifen. Rechts lag das schwer beschossene Beugn�tre, aus dem gezackte Eisenst�cke schwerf�llig her�berbrummten und sich mit kurzem Schlag in den lehmigen Boden stanzten.

Noch ungem�tlicher wurde der Anmarsch hinter der Stra�e Beugn�tre—Bapaume. Pl�tzlich platzte eine Reihe von Brisanzgranaten vor, hinter und zwischen uns. Wir spritzten auseinander und warfen uns in die Trichter. Ich st�rzte mit dem Knie in das Angstprodukt eines Vorg�ngers und lie� in der Eile von meinem Burschen mit dem Messer eine grobe S�uberung vornehmen.

Um den Dorfrand Favreuil ballten sich die Wolken zahlreicher Einschl�ge, dazwischen stiegen und fielen braune Erds�ulen in hastigem Wechsel. Um mich zu orientieren, ging ich allein bis zu den ersten Ruinen vor und gab dann mit dem Spazierstock das Zeichen zum Folgen.

Das Dorf war von zerschossenen Baracken ums�umt, bei denen sich allm�hlich Teile des ersten und zweiten Bataillons sammelten. W�hrend des letzten Wegabschnittes forderte ein Maschinengewehr verschiedene Opfer. Unter anderen erhielt der Vizefeldwebel Balg von meiner Kompagnie einen Schu� durchs Bein. Eine Gestalt in braunem Manchester schritt gleichg�ltig �ber das beschossene St�ck und sch�ttelte mir die Hand. Kius und Boje, Hauptmann Junker und Schaper, Schrader, Schl�ger, Heins, Findeisen, H�hlemann und Hoppenrath standen hinter einer von Blei und Eisen durchfegten Hecke und hielten ein gro�es Angriffspalaver. Wir hatten an manchem Tage des Zorns auf einem Felde gefochten, und auch diesmal sollte die schon tief im Westen stehende Sonne noch das Blut fast aller bestrahlen.

Teile des I. Bataillons r�ckten in den Schlo�park. Vom II. Bataillon hatten nur meine und die f�nfte Kompagnie ungef�hr vollz�hlig den flammenden Vorhang durchschritten. Wir arbeiteten uns durch Trichter und H�usertr�mmer zu einem Hohlweg am Westrande des Dorfes vor. Unterwegs st�lpte ich mir einen gefundenen Stahlhelm aufs Haupt, eine Handlung, die ich nur in kritischen Momenten vorzunehmen pflegte. Zu meinem Erstaunen lag Favreuil vollkommen tot da, die Besatzung hatte anscheinend ihren Verteidigungsabschnitt verlassen.

Hauptmann von Weyhe, der bereits einsam und schwerverwundet in einem Trichter des Dorfes lag, hatte angeordnet, da� f�nfte und achte Kompagnie in vorderer, sechste in zweiter und siebente in dritter Linie st�rmen sollten. Da von der sechsten und achten Kompagnie noch nichts zu sehen war, beschlo� ich draufzugehen, ohne mich lange um Staffelungen zu k�mmern.

Es war 7 Uhr geworden. Durch die Kulisse von H�userresten und Baumst�mpfen sah ich bei schwachem Gewehrfeuer eine Sch�tzenlinie auf das freie Feld heraustreten. Es mu�te die f�nfte Kompagnie sein.

Ich stellte meine Leute im Hohlweg auf und gab Befehl, in zwei Wellen anzutreten. „Abstand 100 Meter. Ich selbst befinde mich zwischen erster und zweiter Welle!“

Es ging zum letzten Sturm. Wie oft waren wir in den verflossenen Jahren in �hnlicher Stimmung in die westliche Sonne geschritten! Les Eparges, Guillemont, St. Pierre-Vaast, Langemarck, Paschendale, Moeuvres, Braucourt, Mory! Wieder winkte ein blutiges Fest.

Wir verlie�en den Hohlweg ganz programm��ig, nur befand „ich selbst“, wie die sch�ne Befehlsformel lautet, mich pl�tzlich neben dem Leutnant Schrader weit vor der ersten Welle.

Vereinzelte Gewehrsch�sse knallten uns entgegen. Den Spazierstock in der rechten, Pistole in der linken Hand stapfte ich vor und lie�, ohne es recht zu merken, die Sch�tzenlinie der f�nften Kompagnie zum Teil hinter, zum Teil rechts neben mir. W�hrend des Vorgehens merkte ich, da� mein Eisernes Kreuz sich von der Brust gel�st hatte und zu Boden gefallen war. Schrader, mein Bursche und ich begannen eifrig zu suchen, trotzdem verborgene Sch�tzen uns aufs Korn zu nehmen schienen. Endlich zog Schrader es aus einem Grasplacken hervor, und ich steckte es wieder fest.

Das Gel�nde senkte sich. Verschwommene Gestalten bewegten sich vor einem Hintergrund aus braunem Lehm. Ein Maschinengewehr hackte uns seine Gescho�garben entgegen. Mich packte ein fatales Gef�hl der Aussichtslosigkeit. Trotzdem begannen wir zu laufen. Mitten im Sprunge �ber ein Grabenst�ck ri� mich ein durchdringender Sto� vor die Brust aus der Luft. Mit lautem Schrei wirbelte ich um die L�ngsachse und klirrte bet�ubt zu Boden.

Ich erwachte im Gef�hl eines gro�en Ungl�cks, eingeklemmt zwischen enge Lehmw�nde, w�hrend durch eine geduckte Menschenreihe der Ruf glitt: „Sanit�ter! Der Kompagnief�hrer ist verwundet!“

Ein �lterer Mann einer anderen Kompagnie beugte sich mit gutm�tigem Gesicht �ber mich, l�ste das Koppel und �ffnete meinen Rock. Zwei blutige Kreisflecke leuchteten von der Mitte der rechten Brust und vom R�cken. Ein Gef�hl der L�hmung fesselte mich an die Erde, und die gl�hende Luft des engen Grabens badete mich in qualvollem Schwei�. Der mitleidige Helfer erquickte mich durch f�chelndes Schwingen meiner Kartentasche. Ich hoffte, nach Luft ringend, auf baldiges Dunkelwerden, um mich zur�ckschleppen zu lassen.

Pl�tzlich brauste von Sapignies her ein Feuerorkan los. Es war klar, da� dieses l�ckenlose Rollen, dieses gleichm��ige Br�llen und Stampfen mehr drohte als Abwehr unseres so schlecht angesetzten Angriffes. �ber mir blickte ich in das unterm Stahlhelm versteinerte Gesicht des Leutnants Schrader, der wie eine Maschine scho� und lud, scho� und lud. Es entspann sich zwischen uns ein Gespr�ch, das an die Turmszene der Jungfrau von Orleans erinnerte. Sehr humoristisch war mir indes nicht zumute, denn ich hatte die klare Erkenntnis, verloren zu sein.

Oben sprang der Schreckensschrei: „Links sind sie durch! Wir sind umgangen!“ von Mund zu Mund. Er gab mir die alte Kraft zur�ck. Ich fa�te in ein Loch, das ein Maulwurf in die Grabenwand gebohrt hatte, und zog mich hoch, w�hrend das Blut aus den Wunden rieselte. Mit blo�em Kopf und offenem Rock, die Pistole in der Faust, starrte ich ins Gefecht.

Durch wei�liche Rauchschwaden st�rzte eine Kette bepackter Menschen schnurgeradeaus. Einige fielen und blieben liegen, andere schlugen Rad wie getroffene Hasen. 100 Meter vor uns wurden die letzten vom Trichtergel�nde eingesogen.

Wie an einer Schnur gezogen krochen vier Tanks �ber den Kamm einer Bodenwelle. In wenigen Minuten waren sie von der Artillerie in die Erde gestampft. Der eine klappte wie ein Spielzeug aus Blech in zwei H�lften auseinander. Rechts brach der wackere Fahnenjunker Mohrmann mit einem Todesschrei zusammen.

Die Sache schien noch nicht verloren. Ich fl�sterte dem F�hnrich Wilsky zu, nach links zu kriechen und mit seinem Maschinengewehr die L�cke abzufegen. Er kam gleich darauf zur�ck und meldete, da� sich 20 Meter weiter schon alles ergeben h�tte. Es lagen dort Teile des Regiments 99 (Zabern). Mich umwendend, hatte ich ein seltsames Bild. Von hinten kamen Leute mit erhobenen H�nden nach vorne! Der Feind mu�te bereits das Dorf, aus dem wir gest�rmt hatten, genommen haben.

Die Szene belebte sich immer mehr. Ein Kreis von Engl�ndern und Deutschen umringte uns und forderte uns auf, die Waffen fortzuwerfen. Ich ermunterte mit schwacher Stimme die N�chststehenden zum Kampf aufs Messer. Sie schossen auf Freund und Feind. Ein Kranz von Stummen und Schreienden umschlo� unser H�uflein. Links tauchten zwei h�nenhafte Engl�nder ihre Bajonette in ein Grabenst�ck, aus dem sich flehende H�nde reckten.

Auch unter uns wurden gellende Stimmen laut: „Es hat keinen Zweck mehr! Gewehre weg! Nicht schie�en, Kameraden!“

Ich blickte nach den beiden Offizieren, die mit mir im Graben standen. Sie l�chelten fatalistisch zur�ck und lie�en ihre Koppel zu Boden fallen.

Es blieb die Wahl zwischen Gefangenschaft und einer Kugel. Nun war ja der Augenblick gekommen, wo es galt, zu zeigen, ob das, was ich meinen Leuten in manchem Ruhetage �ber den Kampf gesagt hatte, mehr war als leere Phrase. Ich kroch aus dem Graben und taumelte auf Favreuil zu. Zwei Engl�nder, die einen Trupp gefangener 99er auf ihre Linien zuf�hrten, stellten sich mir entgegen. Ich hielt dem n�chsten die Pistole vor den Leib und dr�ckte ab. Er klappte wie eine Schie�budenfigur zusammen. Der andere brannte sein Gewehr auf mich ab, ohne zu treffen. Die hastigen Bewegungen trieben das Blut in hellen Schl�gen aus der Lunge. Ich konnte freier atmen und begann, an dem Grabenst�ck entlang zu laufen. Hinter einer Schulterwehr kauerte der Leutnant Schl�ger inmitten einer feuernden Gruppe. Sie schlossen sich an. Einige Engl�nder, die �ber das Gel�nde schritten, blieben stehen, setzten ein Lewisgewehr auf den Boden und beschossen uns. Bis auf mich, Schl�ger und zwei Begleiter wurden alle getroffen. Schl�ger, der seinen Kneifer verloren hatte, erz�hlte mir sp�ter, da� er nichts gesehen h�tte als meine auf- und niederfliegende Kartentasche. Der dauernde Blutverlust gab mir die Freiheit und Leichtigkeit eines Rausches, mich beunruhigte nur der Gedanke, zu fr�h zusammenzubrechen.

Endlich gelangten wir an einen halbmondf�rmigen Erdaufwurf rechts von Favreuil, aus dem ein halbes Dutzend schwerer Maschinengewehre auf Freund und Feind Feuer spieen. Feindliche Geschosse zerspritzten im Sande der Schanze, Offiziere schrien, aufgeregte Leute tanzten hin und her. Ein Sanit�tsunteroffizier der sechsten Kompagnie ri� meine Jacke herunter und riet mir, mich sofort hinzulegen, da ich sonst in wenigen Minuten verblutet sein k�nnte.

Ich wurde in eine Zeltbahn gerollt und am Ortsrand von Favreuil entlang geschleppt. Einige Leute meiner und der sechsten Kompagnie begleiteten mich. Nach einigen hundert Schritten bekamen wir auf n�chste Entfernung aus dem Dorfe Gewehrfeuer. Knallend schlugen Geschosse in menschliche K�rper. Den Sanit�ter der sechsten Kompagnie, der das Hinterende meiner Zeltbahn trug, ri� ein Kopfschu� zu Boden; ich st�rzte mit ihm.

Die kleine Schar hatte sich glatt auf die Erde geworfen und kroch, von Aufschl�gen umpeitscht, der n�chsten Senkung zu.

Ich blieb einsam, in meine Zeltbahn eingekn�pft auf dem Felde, den Endtreffer erwartend.

Doch solange noch ein Mann meiner Kompagnie lebte, war ich nicht ganz verlassen. Neben mir ert�nte die Stimme des Gefreiten Hengstmann: „Ich nehme Herrn Leutnant auf den R�cken, entweder kommen wir durch, oder wir bleiben liegen.“

Leider kamen wir nicht durch; zu viele Gewehre waren auf k�rzeste Entfernung auf uns gerichtet. Als ich, die Arme um den Hals des Getreuen geschlungen, auf seinem R�cken sa�, erklang mitten im Lauf ein feines metallisches Sirren. Hengstmann sank ganz sanft unter mir zusammen. Ich l�ste mich aus seinen Armen, die meine Schenkel noch fest umklammert hielten. Ein Gescho� hatte ihm Stahlhelm und Schl�fen durchschlagen. Der Tapfere, der die Treue zu seinem F�hrer mit dem Tode besiegelte, war ein Lehrerssohn aus Letter bei Hannover. Ich habe sp�ter seine Familie aufgesucht und halte sein Andenken heilig.

Das schlimme Beispiel schreckte einen anderen Helfer nicht ab, einen neuen Versuch zu meiner Rettung zu wagen. Es war der Sanit�ts-Sergeant Strichalsky. Er nahm mich auf seine Schultern und brachte mich gl�cklich in den toten Winkel der n�chsten Gel�ndewelle.

Es dunkelte. Die Leute suchten die Zeltbahn eines Toten und trugen mich �ber ein einsames Gel�nde, auf dem nah und fern zackige Strahlensterne hochflammten. Ich mu�te nach Luft ringen, eins der qualvollsten Gef�hle, die der Mensch haben kann. Der Duft einer Zigarette, die ein Mann zehn Schritt vor mir rauchte, drohte mich zu ersticken.

Endlich gelangten wir an einen Verbandsunterstand, in dem der mir befreundete Doktor Key seines Amtes waltete. Er mischte mir eine k�stliche Zitronenlimonade und versenkte mich mittels einer Morphiumspritze in erquickenden Schlummer.

Am n�chsten Tage setzte die �bliche, etappenweise R�ckbef�rderung ein. Die w�ste Autofahrt zum Kriegslazarett brachte mich an den Rand des Grabes. Dann kam ich in die H�nde der Schwestern. Trotzdem ich kein Weiberfeind bin, irritierte mich jedesmal das weibliche Wesen, wenn mich das Schicksal der Schlacht in das Bett eines Krankensaales geworfen hatte. Aus dem m�nnlichen, zielbewu�ten und zweckm��igen Handeln des Krieges tauchte man in eine Atmosph�re undefinierbarer Ausstrahlungen. Eine wohltuende Ausnahme bildete die abgekl�rte Sachlichkeit der katholischen Ordensschwestern.

Nach 14 Tagen lag ich in dem federnden Bett eines Lazarettzuges und hatte das Gl�ck, in Hannover ausgeladen zu werden. Dort lag ich im Clementinenstift mit einem jungen Kampfflieger der Staffel Richthofen zusammen, der bereits zw�lf Gegner im Luftkampf gestreckt hatte. Der letzte hatte ihm zuvor durch ein Gescho� den Oberarmknochen zersplittert. Auf unserem ersten Genesungsgange trafen wir meinen Bruder und einige Kameraden, mit denen wir zu Abend a�en. Da unsere baldige Kriegst�chtigkeit angezweifelt wurde, f�hlten wir beide das unbedingte Bed�rfnis, verschiedentlich �ber einen gewaltigen Sessel zu eskaladieren. Es bekam uns sehr schlecht. Trotzdem f�hlten wir uns recht bald wieder in Form f�r eine neue Winterkampagne. Diese wurde vorl�ufig vertagt. Wir sollten uns bald an anderen K�mpfen beteiligen, als uns getr�umt. — — —

Am 22. September 1918 erhielt ich folgendes Telegramm:

„Seine Majest�t der Kaiser hat Ihnen den Orden Pour le M�rite verliehen. Ich begl�ckw�nsche Sie im Namen der ganzen Division.

General von Busse.“

Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Buchdruckerei G. m. b. H., Berlin SW 68, Kochstr. 68-71.

End of the Project Gutenberg EBook of In Stahlgewittern, by Ernst J�nger

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK IN STAHLGEWITTERN ***

***** This file should be named 34099-h.htm or 34099-h.zip *****
This and all associated files of various formats will be found in:
        http://www.gutenberg.org/3/4/0/9/34099/

Produced by Jens Sadowski

Updated editions will replace the previous one--the old editions
will be renamed.

Creating the works from public domain print editions means that no
one owns a United States copyright in these works, so the Foundation
(and you!) can copy and distribute it in the United States without
permission and without paying copyright royalties.  Special rules,
set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to
copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to
protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark.  Project
Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you
charge for the eBooks, unless you receive specific permission.  If you
do not charge anything for copies of this eBook, complying with the
rules is very easy.  You may use this eBook for nearly any purpose
such as creation of derivative works, reports, performances and
research.  They may be modified and printed and given away--you may do
practically ANYTHING with public domain eBooks.  Redistribution is
subject to the trademark license, especially commercial
redistribution.



*** START: FULL LICENSE ***

THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE
PLEASE READ THIS BEFORE YOU DISTRIBUTE OR USE THIS WORK

To protect the Project Gutenberg-tm mission of promoting the free
distribution of electronic works, by using or distributing this work
(or any other work associated in any way with the phrase "Project
Gutenberg"), you agree to comply with all the terms of the Full Project
Gutenberg-tm License (available with this file or online at
http://gutenberg.org/license).


Section 1.  General Terms of Use and Redistributing Project Gutenberg-tm
electronic works

1.A.  By reading or using any part of this Project Gutenberg-tm
electronic work, you indicate that you have read, understand, agree to
and accept all the terms of this license and intellectual property
(trademark/copyright) agreement.  If you do not agree to abide by all
the terms of this agreement, you must cease using and return or destroy
all copies of Project Gutenberg-tm electronic works in your possession.
If you paid a fee for obtaining a copy of or access to a Project
Gutenberg-tm electronic work and you do not agree to be bound by the
terms of this agreement, you may obtain a refund from the person or
entity to whom you paid the fee as set forth in paragraph 1.E.8.

1.B.  "Project Gutenberg" is a registered trademark.  It may only be
used on or associated in any way with an electronic work by people who
agree to be bound by the terms of this agreement.  There are a few
things that you can do with most Project Gutenberg-tm electronic works
even without complying with the full terms of this agreement.  See
paragraph 1.C below.  There are a lot of things you can do with Project
Gutenberg-tm electronic works if you follow the terms of this agreement
and help preserve free future access to Project Gutenberg-tm electronic
works.  See paragraph 1.E below.

1.C.  The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation"
or PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
Gutenberg-tm electronic works.  Nearly all the individual works in the
collection are in the public domain in the United States.  If an
individual work is in the public domain in the United States and you are
located in the United States, we do not claim a right to prevent you from
copying, distributing, performing, displaying or creating derivative
works based on the work as long as all references to Project Gutenberg
are removed.  Of course, we hope that you will support the Project
Gutenberg-tm mission of promoting free access to electronic works by
freely sharing Project Gutenberg-tm works in compliance with the terms of
this agreement for keeping the Project Gutenberg-tm name associated with
the work.  You can easily comply with the terms of this agreement by
keeping this work in the same format with its attached full Project
Gutenberg-tm License when you share it without charge with others.

1.D.  The copyright laws of the place where you are located also govern
what you can do with this work.  Copyright laws in most countries are in
a constant state of change.  If you are outside the United States, check
the laws of your country in addition to the terms of this agreement
before downloading, copying, displaying, performing, distributing or
creating derivative works based on this work or any other Project
Gutenberg-tm work.  The Foundation makes no representations concerning
the copyright status of any work in any country outside the United
States.

1.E.  Unless you have removed all references to Project Gutenberg:

1.E.1.  The following sentence, with active links to, or other immediate
access to, the full Project Gutenberg-tm License must appear prominently
whenever any copy of a Project Gutenberg-tm work (any work on which the
phrase "Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project
Gutenberg" is associated) is accessed, displayed, performed, viewed,
copied or distributed:

This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
almost no restrictions whatsoever.  You may copy it, give it away or
re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included
with this eBook or online at www.gutenberg.org/license

1.E.2.  If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is derived
from the public domain (does not contain a notice indicating that it is
posted with permission of the copyright holder), the work can be copied
and distributed to anyone in the United States without paying any fees
or charges.  If you are redistributing or providing access to a work
with the phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the
work, you must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1
through 1.E.7 or obtain permission for the use of the work and the
Project Gutenberg-tm trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or
1.E.9.

1.E.3.  If an individual Project Gutenberg-tm electronic work is posted
with the permission of the copyright holder, your use and distribution
must comply with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional
terms imposed by the copyright holder.  Additional terms will be linked
to the Project Gutenberg-tm License for all works posted with the
permission of the copyright holder found at the beginning of this work.

1.E.4.  Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg-tm
License terms from this work, or any files containing a part of this
work or any other work associated with Project Gutenberg-tm.

1.E.5.  Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this
electronic work, or any part of this electronic work, without
prominently displaying the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with
active links or immediate access to the full terms of the Project
Gutenberg-tm License.

1.E.6.  You may convert to and distribute this work in any binary,
compressed, marked up, nonproprietary or proprietary form, including any
word processing or hypertext form.  However, if you provide access to or
distribute copies of a Project Gutenberg-tm work in a format other than
"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version
posted on the official Project Gutenberg-tm web site (www.gutenberg.org),
you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a
copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon
request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other
form.  Any alternate format must include the full Project Gutenberg-tm
License as specified in paragraph 1.E.1.

1.E.7.  Do not charge a fee for access to, viewing, displaying,
performing, copying or distributing any Project Gutenberg-tm works
unless you comply with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.

1.E.8.  You may charge a reasonable fee for copies of or providing
access to or distributing Project Gutenberg-tm electronic works provided
that

- You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
     the use of Project Gutenberg-tm works calculated using the method
     you already use to calculate your applicable taxes.  The fee is
     owed to the owner of the Project Gutenberg-tm trademark, but he
     has agreed to donate royalties under this paragraph to the
     Project Gutenberg Literary Archive Foundation.  Royalty payments
     must be paid within 60 days following each date on which you
     prepare (or are legally required to prepare) your periodic tax
     returns.  Royalty payments should be clearly marked as such and
     sent to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation at the
     address specified in Section 4, "Information about donations to
     the Project Gutenberg Literary Archive Foundation."

- You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
     you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
     does not agree to the terms of the full Project Gutenberg-tm
     License.  You must require such a user to return or
     destroy all copies of the works possessed in a physical medium
     and discontinue all use of and all access to other copies of
     Project Gutenberg-tm works.

- You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of any
     money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
     electronic work is discovered and reported to you within 90 days
     of receipt of the work.

- You comply with all other terms of this agreement for free
     distribution of Project Gutenberg-tm works.

1.E.9.  If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg-tm
electronic work or group of works on different terms than are set
forth in this agreement, you must obtain permission in writing from
both the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael
Hart, the owner of the Project Gutenberg-tm trademark.  Contact the
Foundation as set forth in Section 3 below.

1.F.

1.F.1.  Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable
effort to identify, do copyright research on, transcribe and proofread
public domain works in creating the Project Gutenberg-tm
collection.  Despite these efforts, Project Gutenberg-tm electronic
works, and the medium on which they may be stored, may contain
"Defects," such as, but not limited to, incomplete, inaccurate or
corrupt data, transcription errors, a copyright or other intellectual
property infringement, a defective or damaged disk or other medium, a
computer virus, or computer codes that damage or cannot be read by
your equipment.

1.F.2.  LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES - Except for the "Right
of Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation, the owner of the Project
Gutenberg-tm trademark, and any other party distributing a Project
Gutenberg-tm electronic work under this agreement, disclaim all
liability to you for damages, costs and expenses, including legal
fees.  YOU AGREE THAT YOU HAVE NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT
LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH OF CONTRACT EXCEPT THOSE
PROVIDED IN PARAGRAPH 1.F.3.  YOU AGREE THAT THE FOUNDATION, THE
TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT WILL NOT BE
LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL, PUNITIVE OR
INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY OF SUCH
DAMAGE.

1.F.3.  LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND - If you discover a
defect in this electronic work within 90 days of receiving it, you can
receive a refund of the money (if any) you paid for it by sending a
written explanation to the person you received the work from.  If you
received the work on a physical medium, you must return the medium with
your written explanation.  The person or entity that provided you with
the defective work may elect to provide a replacement copy in lieu of a
refund.  If you received the work electronically, the person or entity
providing it to you may choose to give you a second opportunity to
receive the work electronically in lieu of a refund.  If the second copy
is also defective, you may demand a refund in writing without further
opportunities to fix the problem.

1.F.4.  Except for the limited right of replacement or refund set forth
in paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS' WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTABILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.

1.F.5.  Some states do not allow disclaimers of certain implied
warranties or the exclusion or limitation of certain types of damages.
If any disclaimer or limitation set forth in this agreement violates the
law of the state applicable to this agreement, the agreement shall be
interpreted to make the maximum disclaimer or limitation permitted by
the applicable state law.  The invalidity or unenforceability of any
provision of this agreement shall not void the remaining provisions.

1.F.6.  INDEMNITY - You agree to indemnify and hold the Foundation, the
trademark owner, any agent or employee of the Foundation, anyone
providing copies of Project Gutenberg-tm electronic works in accordance
with this agreement, and any volunteers associated with the production,
promotion and distribution of Project Gutenberg-tm electronic works,
harmless from all liability, costs and expenses, including legal fees,
that arise directly or indirectly from any of the following which you do
or cause to occur: (a) distribution of this or any Project Gutenberg-tm
work, (b) alteration, modification, or additions or deletions to any
Project Gutenberg-tm work, and (c) any Defect you cause.


Section  2.  Information about the Mission of Project Gutenberg-tm

Project Gutenberg-tm is synonymous with the free distribution of
electronic works in formats readable by the widest variety of computers
including obsolete, old, middle-aged and new computers.  It exists
because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from
people in all walks of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the
assistance they need, are critical to reaching Project Gutenberg-tm's
goals and ensuring that the Project Gutenberg-tm collection will
remain freely available for generations to come.  In 2001, the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure
and permanent future for Project Gutenberg-tm and future generations.
To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation
and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4
and the Foundation web page at http://www.pglaf.org.


Section 3.  Information about the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation

The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the
state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal
Revenue Service.  The Foundation's EIN or federal tax identification
number is 64-6221541.  Its 501(c)(3) letter is posted at
http://pglaf.org/fundraising.  Contributions to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent
permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr. S.
Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations.  Its business office is located at
809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
.  Email contact links and up to date contact
information can be found at the Foundation's web site and official
page at http://pglaf.org

For additional contact information:
     Dr. Gregory B. Newby
     Chief Executive and Director
     


Section 4.  Information about Donations to the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation

Project Gutenberg-tm depends upon and cannot survive without wide
spread public support and donations to carry out its mission of
increasing the number of public domain and licensed works that can be
freely distributed in machine readable form accessible by the widest
array of equipment including outdated equipment.  Many small donations
($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt
status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United
States.  Compliance requirements are not uniform and it takes a
considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up
with these requirements.  We do not solicit donations in locations
where we have not received written confirmation of compliance.  To
SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any
particular state visit http://pglaf.org

While we cannot and do not solicit contributions from states where we
have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition
against accepting unsolicited donations from donors in such states who
approach us with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make
any statements concerning tax treatment of donations received from
outside the United States.  U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation
methods and addresses.  Donations are accepted in a number of other
ways including checks, online payments and credit card donations.
To donate, please visit: http://pglaf.org/donate


Section 5.  General Information About Project Gutenberg-tm electronic
works.

Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg-tm
concept of a library of electronic works that could be freely shared
with anyone.  For thirty years, he produced and distributed Project
Gutenberg-tm eBooks with only a loose network of volunteer support.


Project Gutenberg-tm eBooks are often created from several printed
editions, all of which are confirmed as Public Domain in the U.S.
unless a copyright notice is included.  Thus, we do not necessarily
keep eBooks in compliance with any particular paper edition.


Most people start at our Web site which has the main PG search facility:

     http://www.gutenberg.org

This Web site includes information about Project Gutenberg-tm,
including how to make donations to the Project Gutenberg Literary
Archive Foundation, how to help produce our new eBooks, and how to
subscribe to our email newsletter to hear about new eBooks.