Film unser kind wer ist franz

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Ein Melodram vom unstillbaren Wunsch, ein Kind zu haben. Hier ist es ein lesbisches Paar, das heiratet und gern ein Kind haben will. Nach einer künstlichen Befruchtung bringt Katharina ihr Baby Franz zur Welt und ist überglücklich. Sie versteht gar nicht, warum ihre Partnerin Ellen so darauf drängt, durch Adoption ihr Sorgerecht für das Kind ebenfalls zu sichern. Ob sie ihr nicht traue, fragt Katharina und damit ist das Thema vom Tisch. Zu Unrecht, wie sich zeigt, als die leibliche Mutter Katharina bei einem tragischen Autounfall stirbt. Nun wollen alle plötzlich Ellen das Kind wegnehmen. Der biologische Vater meldet sich und auch die Eltern von Katharina artikulieren ihre Ansprüche. Für Ellen scheint sich ihr schlimmster Albtraum zu erfüllen. Sie muss um Franz kämpfen, denn auch in den gesetzlichen Regeln der neuen "Ehe für alle" ist ein solcher Fall nicht vorgesehen. Wie soll Ellen beweisen, dass sie mit Recht die Mutter dieses Kindes ist, die andere Mutter, wenn sie es in biologischem Sinn nicht sein kann und in juristischem Sinne nicht wurde? Man kann ihr das Kind wegnehmen und sie ist vollkommen abhängig vom Mitgefühl der anderen. Ein Film wie ein Plädoyer für Gerechtigkeit.

Quelle: 14. Festival des deutschen Films Ludwigshafen am Rhein

Ohne Natalies (Lisa Wagner) Vorstellung einer bunten Gesellschaft hätte es Franz nicht gegeben. Von ihr stammt die Idee, ihr Mann Wolfgang (Andreas Döhler) könne als Samenspender dem Ehepaar mit Kinderwunsch zum Baby verhelfen. Seine Eignung habe er ja mit Charly bewiesen, dem fünfjährigen gemeinsamen Augenstern. Glückliches Scherzen beim Mittagessen mit dem anderen, dem gleichgeschlechtlichen Ehepaar.

Eine tolle Idee, finden alle. Warum Anonymität? Man ist befreundet, teilt die gleichen Werte. Zugewandte Toleranz ist allen wichtig. Leben genießen und leben lassen. Das funktioniert prächtig, einstweilen.

Und nun ein Kind mit Wolfgangs Sperma als Krönung der lesbischen Liebesbeziehung. Ellen (Susanne Wolff) oder Kiki (Britta Hammelstein) – wer soll die biologische Mutter werden? Und wer die andere? Wolfgang soll wählen. Er verspricht, sich nach der Spende aus allem weiteren rauszuhalten. Auch die Eltern Kikis, Evelyn (Victoria Trauttmansdorff) und Johannes (Ernst Stötzner), sind glücklich.

Als ihre Tochter bei einem Autounfall ums Leben kommt, stürzt jede und jeder auf eigene Weise erst in und dann über seine Trauer. Verabredungen und Loyalitäten werden bedeutungslos. Denn wem gehört nun das Kind? Wer verfügt über sein Wohl? Für Opa Johannes ist die Tote in Franz präsent. Oma Evelyn begegnet Ellen distanziert. Wolfgang, der schon lange ein zweites Kind wollte, ist ganz sturzverliebt in das Baby und will mit ihm leben. Natalie versteht die Welt nicht mehr.

Alle wollen das Beste für das mutterlose Kind, sind keine Egoisten oder nur am uneingestandenen Rand der Gefühle. Dabei hat es eine Mutter – Ellen. Die versucht, mit dem Verlust ihrer Frau umzugehen und irgendwie weiter zu arbeiten. Ein Spagat, so wie für viele. Das Familiengericht wird später „keine besondere Bindung“ von Franz zu ihr feststellen, da sie die Betreuung nicht überwiegend selbst durchgeführt habe. Ist das gerecht?

Unter welchen Umständen ist eine Mutter eine Mutter? Als der Bundestag im Sommer 2017 die „Ehe für alle“ beschloss, bedeutete das keine Veränderung im Abstammungsrecht. Schwule und Lesben können nun zwar heiraten, der nichtbiologische Elternteil aber muss nach wie vor die Stiefkindadoption beantragen, um sorgeberechtigt zu sein. Biologische geht vor sozialer Elternschaft, manche finden das richtig so, auch um jeden Preis. Der Film „Unser Kind“ behandelt einen solchen Fall als modernes, fast dokumentarisch gefilmtes Melodram (Kamera Bernhard Keller). Ihm gelingt eine seltene Balance von Themenkomplexität und Realitätsnähe. Seine Figuren sind keine Stellvertreter für gesellschaftliche Positionen, sondern wirken wie echte Menschen. Nur wenn Anwälte und das Gericht ins Spiel kommen, setzt das Differenzierungsvermögen aus.

Nicht zuletzt die dramaturgische Komposition – Rückblenden, Erinnerungen, die mit etlichen Zeitsprüngen aus verschiedenen Perspektiven die komplexe Gefühlslage realistisch werden lassen –, macht diesen Fernsehfilm zu einem besonderen. Kristl Philippi (Buch) und Nana Neul (Regie) machen es uns nicht leicht mit der Sympathieverteilung, aber noch weniger tun dies die glänzenden Darsteller, die nur an emotionaler Eindeutigkeit sparen.

Als Franz geboren ist, ahnt man, dass wirtschaftlicher Pragmatismus entscheidet. Kiki, freiberufliche Sängerin, kann sich Schwangerschaft und Kinderbetreuung besser einrichten. Ellen hat eine Behördenstelle. Es gibt Spannungen in der Ehe, wie bei vielen Paaren, aus denen das Leben mit Kind ungewollt Klischeefamilie macht. Kiki scheint glücklich und unzufrieden zugleich. Ellen ist angespannt, weil das Jugendamt ein Pflegeschaftsjahr zur Probe anordnet, bevor sie Franz adoptieren darf und Elternrechte hat, die über Vormundschaft hinausgehen. Auch das bleibt von „Unser Kind“, das kein Plädoyer ist, sondern die großartig gespielte Geschichte schrecklichen Liebesverlusts: Die Rahmenbedingungen des Abstammungsrechts bedürfen umgehender Überarbeitung.

Unser Kind läuft heute, Mittwoch 7. November, um 20.15 Uhr im Ersten.