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Erstellt: 07.12.2021, 09:28 Uhr
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Wie oft noch impfen, wie oft noch Lockdown bis die Pandemie vorbei ist? Die Wissenschaft ist sich darüber nicht ganz einig. Ein britisches Team nannte dennoch eine konkrete Zeitangabe.
London/Berlin - Virologinnen und Epidemiologen sprechen immer wieder davon, dass das Coronavirus endemisch wird. Anders als in der Pandemie tritt eine Krankheit in einer Endemie nur lokal und nicht auf der ganzen Welt auf. Alltägliche Infektionskrankheiten, die uns meist im Winter treffen, sind endemisch.
Noch fünf Jahre Pandemie? Britische Forschungsgruppe hat düstere Prognose
Aber wie lange dauert es, bis die Corona-Pandemie keine globale Krise mehr ist? Eine Expertengruppe aus Großbritannien vermutet, dass SARS-CoV-2 noch mindestens fünf Jahre lang das Gesundheitssystem bedrohen werde. Das Team, das die britische Regierung berät, ist als SPI-M-O bekannt. Die fünf Buchstaben stehen für „Scientific Pandemic Influenza Group on Modelling, Operational sub-group“. In einem Statement vom 24. November 2021 hält die Gruppe 33 Punkte zu COVID-19 fest. Einer davon lautet: „SARS-CoV-2 wird weiterhin eine Bedrohung für das Gesundheitssystem darstellen und für noch mindestens fünf Jahre ein aktives Management erfordern, bei dem Impfung und Überwachung eine zentrale Rolle spielen.“ Das Statement wurde auf der Regierungswebsite gov.uk veröffentlicht.
Lothar Wieler, Präsident des deutschen Robert Koch-Instituts (RKI), legt sich nicht so konkret auf einen Zeitpunkt fest. „Wie lange die Anpassung bei Sars-CoV-2 dauern wird, lässt sich schwer voraussagen“, sagte Wieler der Deutschen Presse-Agentur. Vier verschiedene Corona-Erkältungsviren gebe es schon. „Auch die sind irgendwann einmal vom Tier auf den Menschen übergegangen.“ Anzunehmen sei, dass der Übergang in den endemischen Zustand bei ihnen schon sehr lange zurückliegt, „Jahrzehnte oder Jahrhunderte“.
Coronavirus: Weltweite Impfung kann Pandemie schneller endemisch werden lassen
Bei Sars-CoV-2 sei die Lage wegen der Impfstoffe eine besondere: „Wenn sich ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger impfen lässt, haben wir den endemischen Status mit weniger schweren Krankheitsverläufen schneller“, sagt Wieler. Eine neu auftretende Virusvariante oder Veränderungen bei bereits bekannten Varianten könnten den weiteren Verlauf jedoch stark beeinflussen. Es sei entscheidend, schnell und effektiv zu handeln, um die Verbreitung des Virus und neuer Varianten zu verlangsamen: mit Maßnahmen und hoher Impfquote. Die Ausbreitung neuer Varianten zu verhindern, sei „extrem schwer“.
Solche Varianten könnten Epidemiologen zufolge grundsätzlich sowohl das Erreichen der Endemie hinauszögern als auch beschleunigen. Im Einzelnen hängt das etwa davon ab, wie gut der Impfschutz erhalten bleibt, wie sich die Verbreitungsgeschwindigkeit und die Krankheitsschwere verändern - und welche Maßnahmen in Kraft sind.
Der Übergang von einer Pandemie in einen endemischen Zustand hänge nicht nur von der Virus-Entwicklung ab, sondern auch vom globalen Erfolg der Maßnahmen, sagt Wieler: „Beides bedingt sich gegenseitig.“
Wie wird Corona endemisch? WHO dringt auf faire Impfstoffverteilung
Was die schleppende Impfung in ärmeren Ländern angeht: Da wirft der Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, den reichen Ländern moralisches Versagen vor. „Niemand ist sicher, bis alle sicher sind“, wiederholt er gebetsmühlenartig und kanzelt die reichen Länder ab, weil sie Impfstoffe horteten, während in Dutzenden Ländern händeringend auf die Impfdosen gewartet werde.
Video: „Pandemie noch lange nicht vorbei“: WHO warnt vor steigenden Infektionen
Wenn das Virus in fernen Ländern ungehindert zirkuliere, könnten gefährliche Varianten entstehen, die sich über den Globus verbreiten und gegen die heutige Impfstoffe wirkungslos sein könnten. „Für Gleichheit bei der Impfstoffverteilung zu sorgen ist kein Akt der Wohltätigkeit, es ist im besten Interesse jedes Landes“, sagte er - schon bevor die Omikron-Variante Ende November als besorgniserregend eingestuft wurde.
Wann das Coronavirus tatsächlich endemisch wird, hängt somit von vielen Faktoren ab. Die Einschätzung der SPI-M-O ist faktisch schon heute wieder infrage zu stellen. Denn: Die Verfasser halten selbst fest, dass das Statement noch vor dem Auftauchen der Omikron-Varianten und seiner anschließenden Einstufung als bedenkliche Variante formuliert wurde. (dpa/lb) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.