Nach dem Absetzen von Antidepressiva treten häufig unangenehme Begleiterscheinungen auf. Darf man das Entzugssymptome nennen? Die Studienlage spricht dafür. Show
29. Dezember 2016 AutorIn: Iris Hinneburg Review: Teilen Können nach dem Absetzen von Antidepressiva schwerwiegende Probleme auftreten?jaEs ist inzwischen gut dokumentiert, dass das Absetzen bestimmter Antidepressiva zu gesundheitlichen Problemen führen kann. Die Symptome ähneln denen, die beim Entzug von starken Beruhigungsmitteln auftreten. so arbeiten wir Antidepressiva lindern nicht nur Beschwerden, beim Absetzen verursachen sie auch welcheEine Depression verläuft häufig in Episoden: Nach einer Zeit mit Beschwerden folgt in der Regel eine Phase, in der die Erkrankung keine Probleme macht. Wenn Patienten dann auf ihre Antidepressiva verzichten wollen, können sehr unangenehme Begleiterscheinungen auftreten. Dazu gehören etwa Gleichgewichtsstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Herzklopfen oder Muskelzuckungen. Die Beschwerden können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Auch die Dauer schwankt von Person zu Person und reicht von einigen Stunden oder Tagen bis hin zu mehreren Monaten. Bekannt sind solche Probleme besonders bei neueren Antidepressiva. Dazu gehören die so genannten „selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer“ (SSRI, Beispiele: Paroxetin, Fluoxetin, Citalopram beziehungsweise Escitalopram) und die „selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer“ (SNRI, Beispiele: Duloxetin, Venlafaxin). Beide Substanzgruppen greifen in den Stoffwechsel von Nervenbotenstoffen im Gehirn ein. Vergleichbare Symptome sind auch für andere Arzneistoffe mit Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem bekannt, etwa starke Beruhigungsmittel (Benzodiazepine) oder Medikamente zur Behandlung einer Schizophrenie. Die Wirkung von Antidepressiva ist sehr unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen: Wer die Medikamente gegen Depression abrupt absetzt, muss mit Problemen rechnen. Wann ist ihr Einsatz wirklich sinnvoll? Jährlich erkranken rund fünf Millionen Menschen in Deutschland an einer Depression. Je früher die Krankheit erkannt wird, umso besser sind nach aktuellem Wissensstand die Heilungschancen. Medikamente (Antidepressiva) gelten neben Psychotherapie als wichtiger Baustein der Behandlung, vor allem bei mittelschweren bis schweren Depressionen. Sie werden millionenfach verschrieben - und die Verordnungszahlen steigen. Wirkung von AntidepressivaAntidepressiva sollen die Stimmung aufhellen und können antriebssteigernd oder dämpfend wirken. Sie kommen teils auch bei Angst-, Ess- oder Zwangsstörungen zum Einsatz. Die Medikamente gehören zu den sogenannten Psychopharmaka: Das sind Substanzen, die die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen im Gehirn beeinflussen. Es gibt verschiedene Arten mit unterschiedlichen Wirkungen. Am häufigsten eingesetzt werden hierzulande:
Klassische Antidepressiva und rezeptfreie pflanzliche AntidepressivaNeben den genannten Arzneien gibt es sogenannte pflanzliche Stimmungsaufheller: Das sind rezeptfreie, niedrig dosierte Präparate mit Johanniskraut, Melisse oder Lavendel, die antidepressive Wirkungen entfalten sollen, was wissenschaftlich jedoch nicht belegt ist. Johanniskraut in höherer Dosierung und synthetische Antidepressiva sind nur auf Rezept erhältlich. Sie sind verschreibungspflichtig, denn sie können erhebliche unerwünschte Wirkungen mit sich bringen. Auch bei verschreibungspflichtigen Antidepressiva ist nicht immer sicher, dass sie die eigentlich gewünschte Wirkung erzielen. Neuere Studien zeigen: Bei leichter bis mittelschwerer Depression bringen die Tabletten selten mehr als ein Placebo. Auch tauchte der Verdacht auf, dass SSRI möglicherweise Suizidgedanken hervorrufen können - dies ist nicht abschließend erforscht. Tipps zu Anwendung, Einnahme, Kombinationen und Wechselwirkungen
Absetzen von Antidepressiva: nach Absprache ausschleichenEs lohnt sich, den Einsatz von Antidepressiva von Anfang an wohl abzuwägen, denn nach längerer Einnahme können beim Absetzen der Medikamente Probleme auftreten. Der Körper kann auf den Wegfall eines Antidepressivums mit einer Gegenregulation reagieren, die Betroffene noch anfälliger für die Entwicklung einer Depression macht. Deshalb ist es wichtig, das Medikament nicht abrupt wegzulassen, sondern es ganz langsam "auszuschleichen". Als sinnvoll gilt die schrittweise Reduzierung - insbesondere im niedrigen und sehr niedrigen Dosierungsbereich. VIDEO: Antidepressiva: Was gilt es zu beachten? (6 Min)Betreuung beim Absetzen von AntidepressivaMit begleitender psychotherapeutischer Unterstützung lassen sich schwere Krisen durch das Absetzen der Medikamente vermeiden. Eine solche systematische Betreuung wird derzeit im Rahmen einer Studie am Universitätsklinikum Hamburg angeboten. Insgesamt gibt es aber erst wenige spezielle Angebote für eine fachkundige Begleitung beim Absetzen von Antidepressiva. Möglich wären beispielsweise angeleitete Gruppenangebote, auch im Rahmen der Selbsthilfe. Ansprechpartner für eine individuelle Begleitung können die behandelnden Psychiater und Psychiaterinnen, Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen sein. Symptome beim Absetzen von AntidepressivaDas Absetzen von Antidepressiva soll frühestens vier Monate nach Stabilisierung der psychischen Situation versucht werden - und niemals auf eigene Faust, ohne Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt. Wer Antidepressiva dann nach einer mindestens halbjährigen, manchmal mehrjährigen Einnahmedauer absetzt, muss je nach Präparat und individueller Situation mit diesen Symptomen rechnen:
Was genau sich im Gehirn unter dem Einfluss der Antidepressiva abspielt, ist bislang ungeklärt - doch dass sich der Körper an die Substanzen gewöhnt, ist sicher. Antidepressiva-Liste: Namen, Wirkungen und NebenwirkungenSelektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI)Wirkstoffe (Beispiele): Citalopram, Fluvoxamin, Fluoxetin, Paroxetin, Sertralin Selektive Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI oder SSNRI)Wirkstoffe (Beispiele): Duloxetin, Milnacipran, Venlafaxin Trizyklische Antidepressiva (TZA)(auch nichtselektive Monoamin-Rückaufnahme-Inhibitoren genannt - NSMRI) Noradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NaSSA)Wirkstoffe (Beispiele): Mirtazapin, Mianserin Monoaminooxidase-Hemmer (MAO)Wirkstoffe (Beispiele): Moclobemid, Tranylcypromin Expertinnen und Experten zum ThemaProf. Dr. Dipl.-Psych. Yvonne Nestoriuc, Universität Hamburg / UKEKlinische Psychologie Prof. Tom Bschor, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Berlinc/o Bundesministerium für Gesundheit Katrin Rautenberg, Fachärztin für PsychiatrieLeitung Absetzgruppe Hilfe für Betroffene: Telefonnummern und KontaktadressenSollten Sie sich aktuell in einer psychischen Krise befinden, können Sie:
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Weitere Informationen Depressionen erkennen und rechtzeitig behandelnDepressionen sind weit verbreitet, die Symptome nicht immer eindeutig. Doch die Behandlung sollte möglichst früh beginnen. mehr Raus aus der DepressionÜber Depressionen reden hilft, die Krankheit besser zu verstehen – mit Betroffenen, Angehörigen und Experten, wie in diesem Podcast. mehr Gute Ernährung kann helfen, Depression zu lindernMenschen mit Depression beobachten oft Gewichtsveränderungen. Sie können von einer antientzündlichen Ernährungsweise profitieren. mehr Schwere Depression: Tiefe Hirnstimulation kann helfenBei der tiefen Hirnstimulation senden Elektroden im Hirn kleine Stromstöße und beeinflussen dadurch Stimmung und Psyche. mehr Antidepressiva können Suizidgedanken hervorrufenAntidepressiva werden verschrieben, um schwer depressive Menschen von negativen Gedanken abzukoppeln. In Ausnahmefällen rufen die Medikamente aber Suizidgedanken hervor. mehr Wie lange dauert ein Entzug von Psychopharmaka?Üblicherweise dauert es ein paar Tage, bis Entzugssymptome einsetzen und sie werden dann stärker. Die Rückkehr einer Depression oder Angst dauert in der Regel länger – üblicherweise Wochen oder Monate.
Was hilft bei Entzug von Antidepressiva?Häufig empfehlen Ärzt*innen die Wiederaufnahme der Therapie mit Antidepressiva und anschließend die langsame Herabsetzung der Dosis. Treten die Beschwerden bei der Dosisreduktion des Antidepressivums auf, sollte in Erwägung gezogen werden, zur ursprünglichen Dosis zurückzukehren und das Medikament langsamer abzusetzen.
Was passiert wenn man Psychopharmaka absetzt?Wenn Patienten dann auf ihre Antidepressiva verzichten wollen, können sehr unangenehme Begleiterscheinungen auftreten. Dazu gehören etwa Gleichgewichtsstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Reizbarkeit, Schlafstörungen, Herzklopfen oder Muskelzuckungen. Die Beschwerden können unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Kann man mit Psychopharmaka wieder ein normales Leben führen?Die Einnahme sollte auf jeden Fall weiter von einem Arzt oder Psychotherapeuten begleitet werden, damit der Patient mit dem Medikament nicht allein gelassen ist. Wenn Antidepressiva richtig angewendet werden, können sie sehr wirksam sein und dem Betroffenen helfen, wieder ein normales Leben zu führen.
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