Wenn man die trennung nicht akzeptieren kann

Einer beendet die Beziehung, aber der andere kann die Trennung einfach nicht akzeptieren. Warum können wir keine klaren Grenzen mehr ziehen?

Am Tag nach der Trennung von Lars landete eine E-Mail in Mias Postfach. Von ihm, ein Link zu einer Vernissage: "Lust?" Als sie ihn bat, endlich seine Kisten aus ihrem Keller zu holen, stand er am selben Abend in der Tür: mit arabischen Vorspeisen. Und als Mia, 39, am Tag drauf nach Hause kam, war plötzlich der Lampenschirm - der, der die letzten zwei Jahre bei keinem Streit gefehlt hatte: "Du kriegst nichts gebacken, Job, Freunde, und der Lampenschirm liegt immer noch auf dem Schrank!" -, dieser Lampenschirm war plötzlich montiert. Und Mia stand da: platt, ratlos, ohnmächtig.

Was passiert, wenn der eine sich trennt und der andere einfach nicht mitmacht? Die Trennung ignoriert. So tut, als ob nichts gewesen wäre. Beziehung gescheitert? - Ach Quatsch, momentan läuft's halt nicht so glatt.

"Leugnung gehört zur Grundausstattung des psychischen Apparats", erklärt der Berliner Psychoanalytiker Dietmar Stiemerling ("Wenn Paare sich nicht trennen können", 19,95 Euro, Klett-Cotta). "Es ist ein elementarer Abwehrmechanismus gegen Schmerz und Entwertung." Und verlassen zu werden ist ein Frontalangriff auf den Selbstwert. Wer mag schon scheitern? Besonders Männer haben enorme Schwierigkeiten damit, sich eine Niederlage einzugestehen, damit gelassen umzugehen.

"Wer eine Trennung erlebt, muss mit enormen Verlusten kämpfen", sagt der Hamburger Paartherapeut Oskar Holzberg. Vom gebuchten Urlaub bis zu den geplanten Kindern - alles weg. "Es ist das Gefühl, etwas ganz Wesentliches im Leben nicht richtig hingekriegt zu haben. Jeder verliert da ganz viel psychische Investition." Eine schlichte Parade heißt da: "Das stimmt alles nicht. Das Schreckliche existiert nicht. Ich muss es nicht ernst nehmen." Das ist kein bewusstes Ignorieren wie etwa, wenn jemand trotz roter Ampel die Straße überquert; vielmehr lässt der, der leugnet, die Botschaft einfach nicht an sich heran: Sie hat ja schon öfter damit gedroht. Es lief doch schon mal schlechter. Wir haben immer wieder zusammengefunden.

Bindungen werden heute schneller geschlossen und schneller getrennt. Mehr Trennungen bedeuten aber auch: mehr schwierige Trennungen. Und die Sache mit dem Trennen ist auch an sich komplizierter geworden. Ein klarer Schnitt? Nahezu unmöglich. Das liegt an großen Veränderungen wie dem neuen Rollenverständnis: Viele Väter etwa verschwinden heute auch nach einer Trennung nicht einfach aus dem Leben des gemeinsamen Kindes. Das ist toll. Aber eine klare Trennung der Eltern macht das schwierig.

Und das liegt auch an kleinen, alltäglichen Veränderungen, die begünstigen, dass Paare Grenzen nicht einhalten: Die SMS für Silke etwa geht an Simon, den Ex ("Ups, falsch gedrückt - aber hey: Wie geht's Dir eigentlich?"), er bleibt auf dem E-Mail-Verteiler fürs Sommerfest ("Oh, so sorry, ist mir durchgerutscht. Das war der Verteiler vom letzten Jahr: Aber vielleicht hast Du ja Lust zu kommen?"), er postet auf Facebook "Gelandet in München", und sie fragt sich den ganzen Nachmittag, ob das an sie adressiert war (sie hat doch extra den Job in München angenommen, erst mal Abstand, meinte sie).

Kann man Freunde bleiben?

Und dann gibt es den Kult darum, nichts und niemanden mehr wirklich aufgeben zu müssen, auch nicht den Ex: "Aber gute Freunde bleiben wir doch schon, oder?" - "Klaro."

"Blödsinn", sagt Paartherapeut Holzberg. Gute Freunde bleiben - das geht gar nicht, stellt er klar: Denn schließlich war man ein Liebespaar und nicht gute Kumpel. "Was vielleicht funktioniert, ist, gute Freunde zu werden."

Auch Oskar Holzberg erlebt immer öfter Menschen, die eine Trennung einfach nicht wahrhaben wollen. Er führt das auch auf zwei neue Tendenzen in der Gesellschaft zurück: "Noch nie haben wir Gefühlen so viel Wert eingeräumt wie heute." Bauch statt Kopf. Emotionale Intelligenz hat sich als Schlüsselqualifikation bis ins Personalgespräch hochgearbeitet. Bei einer Trennung könne, so Holzberg, aus der Konjunktur der Gefühle schnell eine Alleinherrschaft des eigenen Gefühls werden. (Du sagst: Ich will nicht mehr. Aber mein Gefühl sagt, es ist noch nicht aus zwischen uns.)

Zweitens sieht Holzberg das Leben vieler eingespannt in einer großen Ambivalenz: im Zwiespalt zwischen Bindung und Party. "Wir empfinden Familie und Beziehung als wirklich wichtig, wollen aber gleichzeitig beim hedonistischen Erfülltsein mitmischen." Die Folge: Trennen wird immer schwieriger. Denn es ist immer unklarer, was als eindeutiger Trennungsgrund noch gültig ist. Und zwar für beide Seiten. "Eine Frau schmeißt einen Mann, der fremdgeht, heute nicht mehr automatisch raus", sagt Holzberg. "Genauso wenig wie der, der fremdgeht, automatisch seine Beziehung für den neuen Partner aufgibt." Es kann also auch eine große Chance sein, eine Trennung schlicht zu ignorieren. Je höher der Wert von fester, langjähriger Bindung, desto schwammiger die Kriterien, sie aufzulösen.

Es gehören immer zwei zu einer Trennung

Sabine, 47, Pilates-Trainerin, ist vor drei Jahren gegangen, nach 15 Jahren Ehe. Sie hatte Kais ewige Wechselbäder zwischen Idealisierung und Entwertung satt. Das hat sie kaputt gemacht. Sie wollte die Trennung. Aber frei fühlt sie sich auch heute nicht. Weil er nicht loslässt: Mal benutzt er sie ganz selbstverständlich als Vertraute, mal bittet er sie um einen Gefallen. Ob sie den gemeinsamen Sohn bitte an den See, zum Tischtennisturnier, mit in den Biergarten bringen könne: "Bist du so lieb?" Und dann kommt Sabine, ist so lieb, kutschiert den Sohn - und wird bombardiert mit Vorwürfen: "Du hast alles kaputt gemacht. Mir geht es so schlecht. Du nimmst dem Kind den Vater." Kai weigert sich, die Trennung anzunehmen und zu einem distanzierten Umgang überzugehen, den eine Trennung eigentlich mit sich bringt. Auch das kann eine ignorierte Trennung sein: Bevor ich gar nichts mehr von ihr habe, habe ich zumindest noch Krieg mit ihr. Wenn ich schon keine gute Beziehung haben kann, dann eben eine schlechte. Immerhin. Auch Negativität kann verbinden.

"Schau dir deinen Partner an, und du weißt, wie er sich von dir trennen wird", sagt Paartherapeut Holzberg. Wer in der Beziehung Probleme hat, Grenzen zu setzen, wird häufig auch in der Trennung den Kürzeren ziehen. Derjenige, dessen Trennungswunsch ignoriert wird, hat oft schon früher Probleme gehabt, respektiert zu werden. Das Muster bleibt das gleiche.

Für die Trennung gilt dasselbe wie für die Liebe: Es gehören immer zwei dazu. Es braucht nicht nur den, der geht, sondern auch den, der gehen lässt. Macht einer nicht mit, muss der andere die doppelte Arbeit schultern.

"Oft ist es eine Frage der Macht. Der, der die Trennung ignoriert, lässt den anderen nicht zur Person werden, akzeptiert nicht, dass er eigene und andere Interessen hat", sagt Dietmar Stiemerling. Er nennt das die "Ungläubigkeit des Narzissten": Ich bin der großartigste Mensch, den es gibt. Der Partner nur ein Anhängsel, ohne eigenständiges Willenszentrum. Unmöglich kann der so ein Schmuckstück wie mich einfach verlassen.

Ein besonderer Fall sind langjährige Affären. Dass beide oft sehr unterschiedlich über Status und Intensität der Beziehung denken und fühlen, kommt nämlich oft erst bei der Trennung raus. Etwas, was es unter Umständen noch schwerer macht, sie zu akzeptieren.

Neulich hat Ute, 41, Innenarchitektin, es wieder getan. Eine SMS an Martin: "Ich liebe dich so stark, wie die Sonne auf der Elbe glitzert nachmittags um fünf." Das hatte er ihr so oft gesagt, früher, jahrelang, als alles noch gut war. Bis zu diesem Nachmittag vor sieben Monaten, als ihr Telefon klingelte. Ein eiskaltes Gespräch, in dem Martin, 39, ihr mitteilte, dass seine Ehefrau nun alles wisse, dass ihm klargeworden sei, dass er seine Frau noch liebe und sie, Ute, ab jetzt nichts mehr in seinem Leben verloren habe. Fremd erschien er ihr. Ute erkannte nicht mal seine Stimme. Später fragte sie sich oft, ob während des Gesprächs nicht sogar die Ehefrau neben ihm saß. Ute stellte keine Frage, antwortete nichts, legte auf und übergab sich.

Seitdem hat sie ihm hunderte Mails, Briefe, SMS geschickt: Texte voller Liebe und Wut und Trauer und Sehnsucht. Sie hat ihm sogar geschrieben, dass sie ihn verstehe. Die Tochter, Familie, klar: Aber deswegen mit dieser Frau zusammenleben, die ihn langweilt? "Deswegen uns aufgeben?" Zur Not würde sie ihn auch mit Familie zurücknehmen, hat sie ihm geschrieben.

Wenn es Ute gutgeht, ist sie sich ganz sicher: Martin leidet auch. Und es wird nicht mehr lange dauern, bis er zurückkommt. Vielleicht heute? Und dann gibt es die anderen Tage. Da schämt sie sich, wenn sie es wieder getan hat, wenn sie ihm wieder was geschrieben hat.

Oft schon hat sie sich in Mails von ihm verabschiedet, er werde nichts mehr von ihr hören. Schluss, aus, sie sei drüber hinweg. Und klammheimlich hatte sie gehofft, dass er sich wenigstens daraufhin melden würde. Daran gehalten hat sie sich ohnehin nie. Wenn Ute einen Auftrag beendet hat, möchte sie ihm das Ergebnis zeigen, seine Meinung hören. Wenn sie Werbung sieht, in der Kinder vorkommen, heult sie. "Vielleicht geht er noch mal mit mir aus, ins Restaurant?", fragt sie sich dann. "Ich bin mir sicher, er könnte mir nicht widerstehen. Ich weiß doch, dass er mich liebt."

"Selbst wenn sie recht hätte", sagt Oskar Holzberg, der Paartherapeut, "er hat sich zur Trennung entschieden. Und diese Entscheidung ignoriert sie."

Es hält den Teil in uns aufrecht, der noch nicht abgelöst ist

Eine Entscheidung zur Trennung ist doch nie hundertprozentig, mag man einwerfen. Es geht doch um Gefühle. "Gerade deswegen hält jede Nicht-Anerkennung dieser Entscheidung den Teil in uns aufrecht, der vielleicht doch noch für ein Leben mit dem Ex-Partner einsteht", sagt Holzberg. Derjenige, der sich getrennt hat, wird dadurch verunsichert oder in die Radikalisierung genötigt.

Mia etwa, die Frau mit dem überraschend montierten Lampenschirm, hat in ihrer Ohnmacht viel probiert. Sie hat sich wochenlang nicht bei ihm gemeldet. Sie hat Klartext geredet. Sie hat sich eine Affäre besorgt. Sie hat ihm davon erzählt.

Und er? Neulich hat er eine Wohnungs-Annonce weitergeleitet: Ob man sich die nicht gemeinsam ansehen wolle? Mia will seine Mail-Adresse schweren Herzens auf den Spamfilter setzen.

Text: Georg Cadeggianini

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Wie schaffe ich es Trennung zu akzeptieren?

Schritt 1: Trennung eingestehen und Entscheidung respektieren..
Schritt 2: Investiere in dein Umfeld und Freundschaften..
Schritt 3: Verliebe dich in dich selbst (kümmere dich um dich).
Schritt 4: Loslassen lernen..
Schritt 5: Richte den Blick in die Zukunft..

Wie lange leidet man unter einer Trennung?

Liebeskummer dauert im Schnitt 12,4 Monate - wer verlassen wird, leidet länger. Eine Trennung zu überwinden, braucht seine Zeit. Im Schnitt dauert es gut ein Jahr, bis Singles über das Liebes-Aus hinweg sind - das zeigt die bevölkerungsrepräsentative ElitePartner-Studie 2021.

Was sollte man nach einer Trennung nicht tun?

Bloß nicht!.
· Den Schmerz mit der gesamten Online-Welt teilen..
· Den Ex stalken..
· In Erinnerungen schwelgen..
· Den Schmerz in sich reinfressen..
· Sich von der Welt abschotten..
· Unüberlegte Entscheidungen treffen..
· Kontakt zum Ex halten wollen..

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