Das Umsatzsteuergesetz enthält eine Sonderregelung für die Besteuerung von Unternehmern mit geringem Gesamtumsatz. Nach § 19 Abs. 1 UStG wird die Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn die vereinnahmten Bruttoumsätze im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 22.000 € betrugen und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 € betragen werden. Nachfolgend werden die Rechtsgrundsätze dargestellt sowie Hinweise zur Verbuchung von Umsätzen gegeben. Show
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie hier. I. Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung1. UmsatzgrenzeUnternehmer, die eine bestimmte Umsatzgröße nicht überschreiten, nennt man umsatzsteuerrechtlich Kleinunternehmer. Das UStG regelt in § 19 UStG die entsprechenden Voraussetzungen. Nach § 19 Abs. 1 UStG wird die Umsatzsteuer dann nicht erhoben, wenn der Unternehmer im vergangenen Jahr nicht mehr als 22.000 € Umsatz erzielt hat und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 € Umsatz erzielen wird. Die bisherige Umsatzgrenze von 17.500 € wurde durch das Dritte Bürokratieentlastungsgesetz vom 22.11.20191 zum 1.1.2020 auf 22.000 € erhöht. Da sich die Umsatzgrenze auf den Vorjahresumsatz bezieht, ist er auch für den Besteuerungszeitraum 2019 zu beachten. Beispiel Unternehmer U erzielte 2019 einen Gesamtumsatz von 20.000 €. Für 2020 schätzt der Unternehmer seinen voraussichtlichen Umsatz ebenfalls mit 20.000 €. U kann für 2020 die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen. Die Umsatzgrenze von 22.000 € bestimmt sich nach dem tatsächlichen Vorjahresumsatz 2019 und der Umsatzgrenze des laufenden Jahres von 50.000 €.
2. Berechnung des GesamtumsatzesUmsatz im Sinne dieser Regelung ist der vereinnahmte Gesamtumsatz (Bruttowert einschließlich Umsatzsteuer), gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Anlagenverkäufen. Darüber hinaus gehören nicht zum Gesamtumsatz:
Hinweis: Voraus- oder Anzahlungen sowie die Veräußerung von Umlaufvermögen gehören stets zum Gesamtumsatz.
Beispiel Unternehmer U gründet am 1.7.2020 ein Nagelstudio. Nach überschlägiger Kalkulation rechnet U mit einem voraussichtlichen Bruttoumsatz von a) 10.000 € und b) 15.000 €.
Hinweis: Da die Unternehmereigenschaft nicht im gesamten Kalenderjahr ausgeübt wurde, ist in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung die Dauer der Unternehmereigenschaft gesondert zu erklären. Abb. 1: Erfassung der Dauer der Unternehmereigenschaft
Hinweis: Angefangene Kalendermonate sind nach § 19 Abs. 3 Satz 4 UStG als volle Kalendermonate zu behandeln. Ausnahme: Die Umrechnung nach Tagen ist für den Unternehmer günstiger.
II. RechtsfolgenLiegen die Voraussetzungen für die Kleinunternehmereigenschaft vor, treten folgende Rechtsfolgen ein:
Unabhängig von der Nichterhebung der Umsatzsteuer muss ein Kleinunternehmer gleichwohl folgende Steuerbeträge abführen:
Die folgenden Vorschriften muss der Kleinunternehmer nicht anwenden:
III. Option zur RegelbesteuerungDie Kleinunternehmerregelung ist nicht verpflichtend: Jeder Unternehmer kann zur Regelbesteuerung nach § 19 Abs. 2 UStG optieren. Dies ist vor allem dann sinnvoll, wenn der Kleinunternehmer die Absicht hat, den Vorsteuerabzug geltend zu machen, z. B. bei größeren Investitionen, oder wenn der Kleinunternehmer die Umsatzsteuer zusätzlich auf seine Kunden abwälzen kann. Hinweis: Nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 UStG muss der Unternehmer gegenüber dem Finanzamt eine „Erklärung“ abgeben. Entsprechendes gilt für den Widerruf einer Optionserklärung. Die Erklärung ist an keine besondere Form gebunden und kann bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung abgegeben werden.
Dabei ist unter Unanfechtbarkeit die formelle Bestandskraft der erstmaligen Steuerfestsetzung zu verstehen, die auch in einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung oder in einer Steueranmeldung bestehen kann.8 Hinweis: Eine Optionserklärung i. S. des § 19 Abs. 2 UStG kann auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden, z. B. dadurch, dass ein Kleinunternehmer dem Finanzamt auf einem für die Regelbesteuerung vorgesehenen Vordruck eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung einreicht, in der er unter Mitwirkung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes errechnet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.
Nach Ablauf der fünf Jahre gilt die Regelbesteuerung so lange fort, bis der Unternehmer sie mit Wirkung vom Beginn des Kalenderjahres widerruft (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG). Eine Rücknahme der Verzichtserklärung ist nur möglich bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Jahres, für das sie gelten soll (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 4 UStG). Wechselt der Unternehmer von der Besteuerung nach § 19 UStG zur Regelbesteuerung, sind die Hinweise in Abschnitt 19.5 UStAE zu beachten. Hier werden die Besonderheiten im Zusammenhang mit der Zuordnung von Umsätzen, Vorsteuern und Vorsteuerberichtigung dargestellt. Für Umsätze gilt:
IV. Aufzeichnungs- und AufbewahrungspflichtenFür Kleinunternehmer findet die Sonderregelung des § 65 UStDV Anwendung: Sie haben einschränkend nur die Summe der erhaltenen Gegenleistungen für ausgeführte Leistungen (vereinnahmter Bruttopreis) aufzuzeichnen sowie das Bruttoentgelt für sonstige Leistungen i. S. des § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 2 UStG. Hierunter fallen solche sonstigen Leistungen, die trotz fehlender Vorsteuerabzugsmöglichkeit der Besteuerung unterliegen. Daneben sind nach § 65 Satz 2 UStDV auch die Steuerbeträge gesondert aufzeichnungspflichtig, die trotz der Kleinunternehmerregelung geschuldet werden (vgl. Abschnitt II). Kleinunternehmer haben ausgestellte Rechnungen nach § 14b UStG aufzubewahren. Dies gilt dann, wenn der Kleinunternehmer Pflichten zur Rechnungsausstellung nach § 14 UStG hat. Beispiel Ausführung einer steuerpflichtigen Werklieferung im Zusammenhang mit einem Grundstück nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG (vgl. Abschnitt 14.1 Abs. 3 Satz 4 UStAE). V. Abgabe der SteuererklärungDer Kleinunternehmer hat die Verpflichtung, eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung nach § 18 Abs. 3 UStG abzugeben. Die entsprechenden Umsatzangaben sind in der Zeile 33 (Kennziffer 238) und in der Zeile 34 (Kennziffer 239) zu machen. Abb. 2: Angabe der Umsätze Hinweis: Für Ertragsteuerzwecke hat der Unternehmer auch bei Bruttoumsätzen von weniger als 22.000 € eine Anlage EÜR abzugeben.9
VI. Sonstige Hinweise1. OnlinehändlerSofern ein Kleinunternehmer über eine fremde Online-Plattform Waren veräußert, sollte er sich bei dem für ihn zuständigen Finanzamt eine Bescheinigung über seine umsatzsteuerliche Registrierung ausstellen lassen, um mögliche nachteilige Folgen im Zusammenhang mit Haftungsansprüchen des Fiskus gegenüber dem Plattformbetreiber zu vermeiden.10 2. Missbräuchliche Inanspruchnahme des § 19 UStGIm Zusammenhang mit der möglichen Aufspaltung eines Unternehmens in mehrere selbständige Gesellschaften für Zwecke der Besteuerung als Kleinunternehmer hat der BFH entschieden, dass diese Inanspruchnahme als zweckwidrig anzusehen ist.11 Zweck des § 19 UStG ist, kleine Unternehmer und die Steuerverwaltung zu entlasten. Eine Aufteilung auf kleine Unternehmer für Zwecke der Steuerersparnis ist eine missbräuchliche Anwendung des § 19 UStG. Entsprechendes gilt, wenn Umsätze planmäßig aufgespalten und künstlich zwischen Unternehmen verlagert werden.12 3. Neugründung eines UnternehmensUnternehmensgründer haben mit der Neugründung bei der Finanzbehörde einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung abzugeben bzw. elektronisch zu übermitteln. Hierin hat der Unternehmer zu dokumentieren, ob er die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen will. Abb. 3: Auszug aus dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung eines Einzelunternehmers VII. AusgangssachverhaltUnternehmer U ist seit dem 1.11.2019 als Markthändler tätig. U verkauft auf dem Weihnachtsmarkt Waren im Wert von 1.000 €.S. 178 VIII. Erfassung der UmsätzeDer Gesamtumsatz beträgt umgerechnet auf das Kalenderjahr 2019 = 6.000 €. U ist Kleinunternehmer nach § 19 Abs. 1 UStG. Buchung nach SKR 03 (SKR 04):
Zu beachten ist, dass in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung der auf das Kalenderjahr hochgerechnete Gesamtumsatz zu erklären ist, während in der Anlage EÜR der tatsächliche Umsatz zu erfassen ist. Darüber hinaus ist die Dauer der Unternehmereigenschaft gesondert zu erklären. Abbildung in der Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2019: Abb. 4: Dauer der Unternehmereigenschaft Abb. 5: Angabe des auf das Kalenderjahr hochgerechneten Gesamtumsatzes (hier: 6.000 €) Abbildung in der Anlage EÜR 2019: Abb. 6: Angabe der tatsächlichen Umsätze (hier: 1.000 €) Karl-Hermann Eckert,Potsdam, Dipl.-Finanzwirt und Steuerberater, war von 1973 bis 2020 in der Finanzverwaltung tätig und arbeitete zuletzt im Umsatzsteuerreferat des Ministeriums der Finanzen in Brandenburg. Er hat umfangreiche Erfahrungen in der steuerlichen Außenprüfung gesammelt und beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit allen Fragen rund um die Automatisierung und das Kontrollverfahren bei der Umsatzsteuer. Wer fällt unter die Kleinunternehmerregelung?Kleinunternehmer sind Sie, wenn Ihre Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr nicht höher als 22.000 Euro waren und im aktuellen Kalenderjahr voraussichtlich nicht über 50.000 Euro liegen. Mit einem Rechnungsprogramm für Kleinunternehmer Debitoor kannst du deine Buchführung ganz bequem online erledigen.
Was ist bei der Kleinunternehmerregelung zu beachten?Für Kleinunternehmer bestehen folgende Umsatzgrenzen: Umsatzgrenze von 22.000: Ein Kleinunternehmer darf die Schwelle von 22.000 € pro Jahr bei umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen nicht überschreiten. Überschreitet der Vorjahresumsatz die Umsatzgrenze von 22.000 €, darf er im Folgejahr nicht mehr Kleinunternehmer sein.
Für wen lohnt sich die Kleinunternehmerregelung?Wenn deine Kunden Privatleute sind (also B2C), liegt der Vorteil der Kleinunternehmerregelung auf der Hand: Du hast einen Wettbewerbsvorteil am Markt, da du günstigere Preise anbieten kannst. Da du von der Umsatzsteuer befreit bist, kannst du Rechnungen stellen, auf denen keine Umsatzsteuer hinzugefügt wird.
Wie funktioniert die Kleinunternehmerregelung?Kleinunternehmerregelung zusammengefasst
Von der Kleinunternehmerregelung können alle Freiberufler, Unternehmer oder Selbstständige Gebrauch machen, die im vorigen Geschäftsjahr maximal 22.000 € Umsatz erwirtschaftet haben und deren Umsatz im laufenden Geschäftsjahr 50.000 € voraussichtlich nicht überschreiten wird.
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