Verfasser: Dr. Gottfried T.W. Dietzel, LL.M., Bundesministerium für Gesundheit, Leiter Arbeitsgruppe Telematik, Bonn (2.5.2000) Der Weg in die Informationsgesellschaft ist auch für das deutsche Gesundheitswesen eingebettet in eine allgemeine, sich in allen Industrieländern vollziehende Öffnung zu neuen Kommunikations-Technologien. Deren Chancen werden in unterschiedlichen Ländern Europas und der Welt nicht im gleichen Umfang wahrgenommen. Spezielle Kommunikationsanforderungen in Flächenstaaten wie Kanada, Australien und Norwegen haben die Telemedizin-Entwicklung in diesen Ländern genau so beschleunigt, wie in den USA eine bereits breite Akzeptanz des Computer-Einsatzes zu einem frühen Aufgreifen der Möglichkeiten des Elektronischen Rezepts geführt hat. Um einen diesbezüglichen Erfahrungstransfer zu intensivieren, beschäftigt sich sowohl die Europäische Union mit Telematik-Anwendungen im Gesundheitswesen, als auch haben die G8-Staaten 1995 ein Pilotprojekt für Telematik-Anwendungen im Gesundheitswesen angestoßen. 1. Telematik-Anwendungen - Definitionen und Überblick Gesundheitstelematik wie der aus Europa jetzt herüberschwappende Begriff eHealth bezeichnen die Anwendung moderner Telekommunikations- und Informationstechnologien auf das Gesundheitswesen, insbesondere auf administrative Prozesse, Wissensvermittlungs- und Behandlungsverfahren (TELEkommunikation + InforMATIK = TELEMATIK). Möglich werden nicht nur Kommunikationserleichterungen und Effizienzsteigerungen durch Rationalisierungsprozesse, sondern auch Qualitätsverbesserungen durch Schaffung integrierter Versorgungsketten und durch die forcierte Anwendung der Ergebnisse einer wissensbasierten Medizin. 1. Die medizinische Biographie eines Patienten ist heute nicht vollständig und für Kommunikationszwecke untauglich dokumentiert.
In den genannten Bereichen kann der Einsatz sicherer und leistungsstarker Netze den Zugang zu Daten und Wissen und die individuelle Nutzung beschleunigen, verbessern und verbilligen. Hier steht insbesondere die Verzahnung des ambulanten und des stationären Bereichs und die Ermöglichung von integrierten Versorgungsketten im Vordergrund. Die einzelnen Telematik-Anwendungen verdeutlichen noch stärker die zukünftige Durchdringung unseres Gesundheitssystems durch luK-Technologien; sie zeigen konkret, welche Bedeutung Gesundheitstelematik und Telemedizin für die Entwicklung unseres Gesundheitswesens haben: Diese Telematik-Anwendungen lassen sich nach Anwendungsbereichen systematisieren, wie es das europäische Projekt HealthPlans gemacht hat:
Eine solche Zuordnung ist aber nur beschränkt sinnvoll, da viele Telematik-Anwendungen ihre Wirkungen in mehreren Aktivitätsfeldern zugleich entfalten. Beim Elektronischen Rezept verbinden sich z.B. Abrechnungserleichterungen mit der Elektronischen Patientenakte und dem Einsatz von wissensbasierten Entscheidungshilfen. Die Elektronische Patientenakte ist gleichermaßen für Krankenhausinformationssysteme als auch allgemein für die Kommunikation patientenbezogener Daten (z.B. in der Telemedizin) bedeutsam.
2. Die deutsche Ausgangslage 3. Förderung und Entwicklung auf europäischer Ebene
Während es in der Explorationsphase seit 1989 zunächst um die Erschließung von Anwendungsbereichen ging, wurden in der Hauptphase von AIM ab 1992 Entwicklungsprojekte gefördert. Die dritte Phase beinhaltete primär validierte Modellversuche. In der Folgephase, die im 5. Rahmenprogramm 1999 angelaufen ist, geht es um bürgerfreundlich zu lösende Implementierungsprobleme. Dabei ist "Gesundheit" der Schlüsselbereich innerhalb der ersten Leitaktion "Systeme und Dienste für den Bürger" beim neuen Spezifischen Programm "Benutzerfreundliche Informationsgesellschaft (Information Society Technologies - IST), 1998 - 2002". Er umfaßt folgende Aktivitätsbereiche:
4. Das G8-Gesundheitsprojekt
Im Gegensatz zur Forschungsförderung im Rahmen des Telematik-Programms, für das die Europäische Kommission die volle Durchführungsverantwortung trägt, handelte sie beim G8-Projekt lediglich als Koordinator, der eine Konzertierte Aktion der G8-Staaten als primus inter pares steuert. Jedes Land bringt eigene Finanzbeiträge ein und ist voll für seine Arbeits- und Programmbeiträge selbstverantwortlich. Eingebettet ist das G8-Gesundheitsprojekt in 11 weitere G8-Projekte, die z.B. der Bestandsaufnahme von Projekten zur Informationsgesellschaft, der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen und der Erprobung fortgeschrittener Kommunikationstechniken gewidmet sind. Ziel ist der Aufbau der Informationsgesellschaft in den beteiligten Ländern, die Beschleunigung des Einsatzes schon entwickelter Technologien in wichtigen Anwendungsbereichen. Die Projekte zielen nicht nur auf eine verbesserte staatliche Infrastruktur, sondern auch auf wichtige Beiträge in traditionell privaten Aktivitätsfeldern. Die Regierungen unterstützen "durch eine helfende Hand" lediglich Kooperations- und Entwicklungsbemühungen. Gemeinsam sind den meisten, 1999 im wesentlichen abgeschlossenen G8-Projekten die folgenden typischen Kommunikationsmittel
Wie zum Telematik-Programm der Europäischen Union gibt es zum G8-Gesundheitsprojekt eine Fülle von Informationen: Ausführliche Programm-Berichte werden mit einem aktualisierten Teilnehmerverzeichnis herausgegeben, die unter der folgenden HOMEPAGE zur Informationsgesellschaft abgerufen werden können: http://www.ispo.cec.be 5. Mit dem IDA-Programm (Interchange of Data between Administrations) baut die Europäische Kommission (GD III zusammen mit GD V) seit 1995
Teilweise werden die Projekte unter IDA II erweitert (in EUPHIN z.B. zusätzliche Informationen zu Bluttransfusionsketten, neuen Krankheiten, Unfällen in der Wohnung und während der Freizeit einbezogen; pharmazeutische Netze sollen auf andere wissenschaftliche und ordnungspolitische Gebiete und andere Anwender, z.B. Unternehmen und Bürger, ausgedehnt werden; REITOX soll auf Mittelmeerländer, Drittländer und internationale Organisationen ausgedehnt werden.) Telematikdienste für ein Frühwarnsystem über neue synthetische Drogen (EBDD) sollen zusätzlich geschaffen werden, wie auch ein Telematiknetz für den Austausch von Kosmetikinformation. 6. Entwicklungslinien für Deutschland
Indirekt werden damit EDV-Konzepte vom Gesetzgeber veranlaßt, der Einsatz von Techniken gefördert und so eine iterative Entwicklungsspirale in Gang gesetzt. Krankenhausinformationssysteme (KIS), die administrative Daten mit abteilungsbezogenen medizinischen Informationssystemen verbinden, werden zunehmend eingeführt. Ein Nachholbedarf gegenüber den USA wird aufgearbeitet, ohne dass angesichts der immer noch größeren Investitionen (ca 4 - 5 % gegenüber 3 % der Ausgaben für IT innerhalb der Gesundheitsbudgets) ein Einholen absehbar wäre.
7. Die Vorschläge der Roland-Berger-Studie und des FORUMS INFO 2000 - Informationen für Bürger und Patienten (7.1), - Fachinformationen und Entscheidungsunterstützung (7.2), - patientenorientierte Versorgungsabläufe und ihre Vernetzung (7.3). Dabei behandelte z.B. die letztgenannte Gruppe folgende Anwendungsbereiche:
Analysen und Empfehlungen des FORUMS INFO 2000 sind im Juni 1998 als Band 105 in der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit erschienen, begleitet von einer einführenden Broschüre. 8. Telematikplattform, Aktionsforum für Telematik im Gesundheitswesen und Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Informationsgesellschaft
Die beabsichtigte Telematikplattform, zu deren Schaffung Ende 1998 die das deutsche Gesundheitswesen tragenden Spitzenverbände auf Anregung der Bundesminister für Gesundheit und Forschung im Anschluß an die Empfehlungen des FORUMS INFO 2000 unter dem Dach der GVG ein "Aktionsforum für Telematik im Gesundheitswesen" gebildet haben, stellt in diesem Sinne kein Übersystem dar, das bisherige Einzelanwendungen integriert oder überflüssig macht. Das Aktionsforum soll dieses Engagement und die konkreten Initiativen einzelner innovativer Gruppen begleiten und vor allem durch den Anstoß von Konsensprozessen auf eine kommunizierbare Grundlage stellen. Initiativen wie regionale Netze, der Aufbau wissensbasierter Entscheidungshilfen, die Weiterentwicklung von Konzepten zum Elektronischen Rezept und zur Elektronischen Patientenakte müssen von den bisher schon engagierten einzelnen Gruppen weiterbetrieben werden, aber in Kenntnisnahme und integriert in eine harmonisierte und modernisierte Kommunikationsinfrastruktur, die den Möglichkeiten und den Forderungen des Informationszeitalters gerecht wird. Das Kapitel zum Gesundheitswesen sieht dabei unter der Überschrift "Mehr Service für Bürger und Patienten" folgende Schwerpunkte vor: Was gehört alles zur Telemedizin?Telemedizin: Die Telemedizin umfasst die Anwendungen der Gesundheitstelematik, die rein medizinischer Natur sind und die die medizinische und behandlungsbezogene Zusammenarbeit von Angehörigen der Heilberufe untereinander und mit Patienten im Rahmen von Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation unterstützen.
Was heißt Telemedizin?Definition Telemedizin – Was der Begriff bedeutet
Die dafür notwendigen medizinischen Maßnahmen wie Diagnostik, Therapie oder rehabilitative Behandlungen können dabei über weite Entfernungen – und damit räumlich und zeitlich unabhängig – stattfinden oder eingeleitet werden.
Ist Telemedizin in Deutschland erlaubt?Fernbehandlungen waren deutschen Ärzten bis vor wenigen Jahren nicht erlaubt, sind aber durch eine Änderung der Berufsordnung der Ärzte im Juni 2018 möglich geworden.
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