Unterschied telemedizin von der medizin

Verfasser: Dr. Gottfried T.W. Dietzel, LL.M., Bundesministerium für Gesundheit, Leiter Arbeitsgruppe Telematik, Bonn (2.5.2000)

Der Weg in die Informationsgesellschaft ist auch für das deutsche Gesundheitswesen eingebettet in eine allgemeine, sich in allen Industrieländern vollziehende Öffnung zu neuen Kommunikations-Technologien. Deren Chancen werden in unterschiedlichen Ländern Europas und der Welt nicht im gleichen Umfang wahrgenommen. Spezielle Kommunikationsanforderungen in Flächenstaaten wie Kanada, Australien und Norwegen haben die Telemedizin-Entwicklung in diesen Ländern genau so beschleunigt, wie in den USA eine bereits breite Akzeptanz des Computer-Einsatzes zu einem frühen Aufgreifen der Möglichkeiten des Elektronischen Rezepts geführt hat. Um einen diesbezüglichen Erfahrungstransfer zu intensivieren, beschäftigt sich sowohl die Europäische Union mit Telematik-Anwendungen im Gesundheitswesen, als auch haben die G8-Staaten 1995 ein Pilotprojekt für Telematik-Anwendungen im Gesundheitswesen angestoßen.
In Deutschland hat sich als übergreifende Diskussionsplattform 1996 das FORUM: INFO 2000 gebildet, in dessen Arbeitsgruppen Wege in die Informationsgesellschaft für das deutsche Gesundheitswesen entwickelt und besprochen wurden. Hierauf aufbauend wurde jetzt eine breite Handlungsinitiative konstituiert: das Aktionsforum für Telematik im Gesundheitswesen.

1. Telematik-Anwendungen - Definitionen und Überblick

Gesundheitstelematik wie der aus Europa jetzt herüberschwappende Begriff eHealth bezeichnen die Anwendung moderner Telekommunikations- und Informationstechnologien auf das Gesundheitswesen, insbesondere auf administrative Prozesse, Wissensvermittlungs- und Behandlungsverfahren (TELEkommunikation + InforMATIK = TELEMATIK). Möglich werden nicht nur Kommunikationserleichterungen und Effizienzsteigerungen durch Rationalisierungsprozesse, sondern auch Qualitätsverbesserungen durch Schaffung integrierter Versorgungsketten und durch die forcierte Anwendung der Ergebnisse einer wissensbasierten Medizin.
Telemedizin ist der Einsatz von Gesundheitstelematik zur Überwindung einer räumlichen Trennung zwischen Patient und Arzt oder zwischen mehreren behandelnden Ärzten (Beispiele: Telediagnostik, Teleradiologie, Telekonsultationen). Entfernungen zwischen Datenquellen und Beurteilungskapazitäten werden durch Telekommunikationstechnik überbrückt. In der Regel werden die transferierten Daten (medizinisches Wissen oder Anamnesebefund) zu diesem Zweck digitalisiert, was weitere Telematik-Anwendungen und die Verknüpfung mit anderen Wissensquellen möglich macht.
Die Erwartungen an Gesundheitstelematik sind hoch. "Die Lösung wesentlicher Probleme des modernen Gesundheitswesens, u.a. expandierende Informationsmengen, Qualitätsverbesserung, Kostendämpfung, wird durch den Einsatz moderner Informationstechnik erheblich erleichtert. "Telemedizin" wird nicht nur zur Lösung von Transparenzproblemen einen Beitrag leisten, sie wird auch die bestehenden Koordinierungs-, Integrations- und Vernetzungsprobleme minimieren und die Entscheidungs- und Planungsgrundlagen auf allen Ebenen verbessern" (Bericht der Bundesregierung "Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" vom 07.03.1996, BT-Drs.13/4000, Seite 143). Diese Aussagen kondensieren die Erwartungen an die Möglichkeiten, die mit der Digitalisierung der Kommunikationsbeziehungen in der Medizin verbunden sind.
Tatsächlich legen Telekommunikation und Informatik in ihren heutigen kommunikationstechnologischen Möglichkeiten eine besondere Bedeutung für das Gesundheitswesen nahe, haben sie doch einen multimedialen Datentransfer zum Gegenstand, der sich mit dem deckt, was traditionell in der Medizin erfaßt, dokumentiert und mit Patienten und Fachkollegen ausgetauscht worden ist: Daten von Patienten, Abbildungen, zu Wissen verdichtete medizinische Erfahrung.
Diesem Potential zur Wissenerweiterung und zu einer die Gesamtheit der Patienten einbeziehenden Behandlung stehen aber erhebliche Einführungsprobleme gegenüber (fehlende Standards und sichere Netze, Finanzierungs- und Investitionsprobleme, mangelndes Bewußtsein und Trägheit der Entscheidungsträger, Haftungs- und Datenschutzfragen). Telemedizin und Gesundheitstelematik sind insofern keine Zauberformeln zur Heilung von Problemen im Gesundheitswesen. Nichtsdestotrotz handelt es sich um die Schlüsselbegriffe, die für das Gesundheitswesen den Paradigmenwechsel bei seinem Eintritt in die Informationsgesellschaft kennzeichnen und erhebliche Verbesserungen bei folgenden Kernproblemen der heutigen gesundheitlichen Versorgung versprechen:

1. Die medizinische Biographie eines Patienten ist heute nicht vollständig und für Kommunikationszwecke untauglich dokumentiert.
2. Behandlung ist im versäulten und diversifizierten deutschen Gesundheitssystem eine Addition von Diagnose - und Therapieepisoden. Es fehlen integrierte Behandlungsketten.
3. EDV- Verwaltungs- und Entscheidungssysteme sind isoliert, verfolgen punktuelle Ziele und haben Inselcharakter.
4. Es sind mehr patientenrelevante Informationen verfügbar, als tatsächlich abgegriffen werden können. Eine verbesserte Verfügbarkeit würde unnötig erfolgende Doppeluntersuchungen vermeiden.
5. Patienten sind überversorgt, ohne dass damit therapeutische Vorteile verbunden wären, denn traditionelle, kostenmäßig ungünstige Behandlungsschritte werden nicht im gebotenen Umfang durch Kommunikationsleistungen substituiert. Diese Überversorgung wird durch eine sich absichernde und einen Behandlungsaufwand scheinbar optimierende, in Wirklichkeit maximierende Medizin noch verschärft (Beispiele: Doppeluntersuchungen erfolgen statt Voruntersuchungsergebnisse sich überspielen zu lassen. Hubschrauberpatiententransporte an Universitätskliniken erfolgen, statt lokal unter telemedizinischer Konsultation externer Spezialisten zu behandeln. Die Qualitätsverbesserungs- und Rationalisierungseffekte leitlinienorientierter integrierter Diagnosestrategien sind noch nicht ausreichend nutzbar).
Besondere Impulse sind vom Einsatz der Telematik nach allen vorliegenden Erfahrungen, unabhängig von der generell sich abzeichnenden Kommunikationsverbesserung im Gesundheitswesen, in folgenden Bereichen zu erwarten:

  • Verwaltungs- und Abrechnungssysteme
  • Unterstützung der Forschung, Lehre und Fortbildung (Datengewinnung, Datenanalyse, Daten- und Wissenspräsentation und -interaktion)
  • Schnellere und vollständigere Bereitstellung qualitativ besserer Patientenakten (Integration versplittert vorliegender Patientenakten)
  • Wissensbasierte Entscheidungshilfen für Heilberufe (Zusammenfügen von Expertenwissen und Patientendaten in der Behandlungssituation).

In den genannten Bereichen kann der Einsatz sicherer und leistungsstarker Netze den Zugang zu Daten und Wissen und die individuelle Nutzung beschleunigen, verbessern und verbilligen. Hier steht insbesondere die Verzahnung des ambulanten und des stationären Bereichs und die Ermöglichung von integrierten Versorgungsketten im Vordergrund.

Die einzelnen Telematik-Anwendungen verdeutlichen noch stärker die zukünftige Durchdringung unseres Gesundheitssystems durch luK-Technologien; sie zeigen konkret, welche Bedeutung Gesundheitstelematik und Telemedizin für die Entwicklung unseres Gesundheitswesens haben:
l CD-ROM und Online-Patienten- und Gesundheitsinformationssysteme
l Expertenberatungssysteme (wissensbasierte Entscheidungsunterstützung)
l Multimediale Lehrprogramme in der Aus- und Weiterbildung (Computer Based Training - CBT)
l Bildverarbeitung und -übertragung
- Computertomographie (CT)
- Magnetresonanz- oder Kernspintomographie (MRT/MNR)
- Ultraschall
- Single Photon Emission Computed Tomography (SPECT)
- Positronen Emissions-Tomographie (PET)
- Thermographie
- Fluoroskopie
- Angiographie
l Telekonsultationen (unter Übertragung von multimedialen Behandlungsunterlagen)
- Tele-Radiologie
- Tele-Pathologie
- Tele-Dermatologie
l Tele-Operationen bzw. Computerhilfen bei Operationen
- Schnittsteuerung unter Computerassistenz
- bildmäßige Ergänzung der sichtbaren Teile des menschlichen Körpers, auch durch virtuelle Bilder
- Experten-Telekonsultationen während der Operation
- Erfassung und Übertragung von taktilen Reizen
l Karten im Gesundheitswesen
- Patienten-Chipkarten
- Elektronische Heilberufsausweise (Health Professional Cards) zur Authentifizierung von Informationen durch digitale Signatur
l Integrierte Elektronische Krankenakten
l Abrechnungsdatenaustausch
l Krankenhausinformations- und -kommunikationssysteme
l Nationale und (sektorale) globale Netze
l Regionale Netze, die Praxissysteme der niedergelassenen Ärzte mit Krankenhausinformations- und -kommunikationssystemen verbinden
l Schaffung von integrierten Versorgungsketten (Verzahnung von ambulanter/stationärer Versorgung, Ermöglichung von Home Care/Tele-Monitoring)
l Generierung von Daten für die Gesundheitsstatistik aus anonymisierten Behandlungsdaten
l Termin- und Belegungsplanung für Betten/Operationen/Großgeräteeinsatz
l Managed Care Systemsteuerungen
l Massendatenverarbeitung zum Zwecke der Qualitätssicherung (Benchmarking)
l Entwurf und Implementierung von Leitlinien für eine auf Wirksamkeit überprüfte (Evidenz-basierte) Medizin
l Elektronisches Rezept, verbunden mit Arzneimittelinformationssystemen.

Diese Telematik-Anwendungen lassen sich nach Anwendungsbereichen systematisieren, wie es das europäische Projekt HealthPlans gemacht hat:

1. Krankenhauskommunikations- und Abteilungssysteme (Beispiel: Termin-, Belegungs- und Personalplanung)

2. Elektronische multimediale Patientenakten (unter Einschluß von bildgebenden Verfahren, zum Beispiel: Computertomographie)

3. Verwaltungskommunikationssysteme (unter Einschluß von Abrechnungen)

4. Erarbeitung und Verbreitung von medizinischem Wissen (z.B. wissensbasierte Entscheidungshilfen)

5. Telemedizin-Anwendungen (Beispiel: diagnostische Telepathologie und Neurochirurgisches Konzil)

6. Bürgerbezogene Dienste (Gesundheitsstrukturdateninformationssysteme, Bestell- und Praxismanagementsysteme)

7. Aus-, Fort- und Weiterbildung (Beispiele: Operationssimulationen, Tele-Konferenzen).

Eine solche Zuordnung ist aber nur beschränkt sinnvoll, da viele Telematik-Anwendungen ihre Wirkungen in mehreren Aktivitätsfeldern zugleich entfalten. Beim Elektronischen Rezept verbinden sich z.B. Abrechnungserleichterungen mit der Elektronischen Patientenakte und dem Einsatz von wissensbasierten Entscheidungshilfen. Die Elektronische Patientenakte ist gleichermaßen für Krankenhausinformationssysteme als auch allgemein für die Kommunikation patientenbezogener Daten (z.B. in der Telemedizin) bedeutsam.
Bei allem Potential von Gesundheitstelematik darf nicht verkannt werden, daß ihm in der Wirklichkeit erhebliche Einführungsprobleme gegenüberstehen

  • fehlende Standards
  • Ängste kooperierender ärztlicher Standesorganisationen vor der "Verwerfung ihrer Berufsbilder"
  • unklare und inadäquate Vergütungsregelungen
  • unsichere Haftungs- und Datenschutzfragen
  • fehlende Kommunikationsbasis, auf der Insellösungen aufsetzen können (Telematik-Plattform)
  • fehlende Investitionsfähigkeit und -bereitschaft in ambulanten Praxen
  • Inkongruenz von volkswirtschaftlichem Gesamtnutzen und u.U. betriebswirtschaftlich negativer Kostenbilanz.

2. Die deutsche Ausgangslage
Telematik und Telemedizin sind in Deutschland - abgesehen von den Dominig-Projekten der frühen 70er Jahre - nie im großen Stil gefördert und begleitet worden. Dort, wo es angebracht erschien, hat man sich moderner Informationstechnologien bedient, etwa bei der Einführung der Krankenversicherungskarte (hier ist tatsächlich weltweit ein Zeichen gesetzt worden), in der Krankenhausverwaltung und beim Abrechnungsträgerdatenaustausch. Ansonsten blieb es dem einzelnen Arzt oder Krankenhaus überlassen, in welchem Umfang sie sich zur Informationssammlung, Verarbeitung, Übertragung und Speicherung von Daten telematischer Techniken bedienten. (Hingewiesen werden sollte aber auf die zahlreichen Pilotversuche der DeTeBerkom, die auch den Einsatz modernster ATM-Techniken im Gesundheitswesen erprobten, wegen ihres Aufwands oder ihrer Breitennutzungsferne aber vielfach zu früh kamen, um einen Durchbruch im Gesundheitswesen anzustoßen.)

3. Förderung und Entwicklung auf europäischer Ebene
Systematisch erfolgte in den letzten Jahren ein verstärkter Anstoß auf europäischer Ebene: Seit 1989 fördert die Europäische Kommission Telematik-Anwendungen im Gesundheitsbereich, beginnend mit dem Programm AIM (Advanced Informatics in Medicine), später integriert in das Telematik-Anwendungsprogramm (beides im Rahmen des 4. Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung). Gefördert wurden im Gesundheitsbereich mehr als 90 Projekte mit einem Gesamt-Fördervolumen von über 130 Mio. ECU (Projektvolumen ca. 800 Mio. DM), die die folgenden Bereiche abdecken:

  • Multimediale (elektronische) Krankenblätter
  • Verbesserte Arbeits- und Managementverfahren im professionellen Bereich (u.a. Krankenhausinformationssysteme, regionale und internationale Netze)
  • Bildgebende Verfahren (3-dimensionale Computertomografie, aufwandsparende Archivierungsverfahren etc.)
  • Verbindung von Behandlung und Nachsorge, Bildung und Verzahnung von (regionalen) Versorgungsnetzen
  • Telediagnostik, Telekonsultation und telemedizinische Notfalldienste
  • Informationsdienste für Bürger und Mitarbeiter des Gesundheitswesens
  • Querschnittsfragen: Verbreitung und Auswertung von Ergebnissen, Ausund Weiterbildung in Gesundheitstelematik, Sicherheit und Datenschutz

Während es in der Explorationsphase seit 1989 zunächst um die Erschließung von Anwendungsbereichen ging, wurden in der Hauptphase von AIM ab 1992 Entwicklungsprojekte gefördert. Die dritte Phase beinhaltete primär validierte Modellversuche. In der Folgephase, die im 5. Rahmenprogramm 1999 angelaufen ist, geht es um bürgerfreundlich zu lösende Implementierungsprobleme. Dabei ist "Gesundheit" der Schlüsselbereich innerhalb der ersten Leitaktion "Systeme und Dienste für den Bürger" beim neuen Spezifischen Programm "Benutzerfreundliche Informationsgesellschaft (Information Society Technologies - IST), 1998 - 2002". Er umfaßt folgende Aktivitätsbereiche:

  • Rechnergestützte Systeme für den Krankenhausbetrieb
  • Fortgeschrittene Telemedizin-Dienste und Netzanwendungen zur Unterstützung der im Gesundheitswesen Tätigen
  • Kontinuität der medizinischen Versorgung
  • Managementsysteme für das Gesundheitswesen, sowie
  • intelligente Systeme, mit deren Hilfe der Bürger mehr für seine Gesundheit tun und größere Eigenverantwortung übernehmen kann.

4. Das G8-Gesundheitsprojekt
1995 ist neben diese traditionelle europäische Forschungsförderung das G7-Gesundheitsprojekt hinzugetreten. Vor dem Hintergrund weitreichender Erfahrungen aus dem Telematik-Anwendungsprogramm wurde zunächst die Europäische Kommission beauftragt, das Gesundheitsprojekt der G7-Staaten zu koordinieren. Letzteres hat nach seiner Erweiterung jetzt als G8 Global Healthcare Applications Project (GHAP) 10 Unterprojekte zum Gegenstand:

1. Weltweite Vernetzung von PUBLIC HEALTH Datenbanken (GLOPHIN)

2. Onkologie-Netzwerk: Verbesserung von Diagnose und Behandlung bei Krebs

3. Herz/Kreislaufkrankheiten: Verbesserung von Prävention, Diagnostik und Behandlung

4. Internationale Konzertierte Aktion für Telemedizin

5. Querschnittsfragen weltweiter Gesundheitsdatennetze (Definition und Entwicklung technologischer, sozialer, organisatorischer und rechtlicher Anforderungen); Einsetzbarkeit des Internets

6. Internationale Harmonisierung beim Einsatz von Datenkarten im Gesundheitswesen.

7. Wirksamkeitsüberprüfte/gesicherte Medizin - Phase 1: Leitlinien zur Verbesserung der Schlaganfallbehandlung

8. Multilingualer Anatomie-Datenatlas

9. Referenz-Datenbank für medizinische Abbildungen

10. Interaktive Multimedia- und TV-Programme in der Zahnmedizin und internationale Online-Akademie (SIPP/IOA)

Im Gegensatz zur Forschungsförderung im Rahmen des Telematik-Programms, für das die Europäische Kommission die volle Durchführungsverantwortung trägt, handelte sie beim G8-Projekt lediglich als Koordinator, der eine Konzertierte Aktion der G8-Staaten als primus inter pares steuert. Jedes Land bringt eigene Finanzbeiträge ein und ist voll für seine Arbeits- und Programmbeiträge selbstverantwortlich. Eingebettet ist das G8-Gesundheitsprojekt in 11 weitere G8-Projekte, die z.B. der Bestandsaufnahme von Projekten zur Informationsgesellschaft, der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungen und der Erprobung fortgeschrittener Kommunikationstechniken gewidmet sind. Ziel ist der Aufbau der Informationsgesellschaft in den beteiligten Ländern, die Beschleunigung des Einsatzes schon entwickelter Technologien in wichtigen Anwendungsbereichen. Die Projekte zielen nicht nur auf eine verbesserte staatliche Infrastruktur, sondern auch auf wichtige Beiträge in traditionell privaten Aktivitätsfeldern. Die Regierungen unterstützen "durch eine helfende Hand" lediglich Kooperations- und Entwicklungsbemühungen.

Gemeinsam sind den meisten, 1999 im wesentlichen abgeschlossenen G8-Projekten die folgenden typischen Kommunikationsmittel

  • homepage
  • öffentliches Internet-basiertes Diskussionsforum
  • (Paßwort geschütztes) internes Managementforum
  • Datenbank- und Referenzlisten.

Wie zum Telematik-Programm der Europäischen Union gibt es zum G8-Gesundheitsprojekt eine Fülle von Informationen: Ausführliche Programm-Berichte werden mit einem aktualisierten Teilnehmerverzeichnis herausgegeben, die unter der folgenden HOMEPAGE zur Informationsgesellschaft abgerufen werden können: http://www.ispo.cec.be
Der Anschlußbericht ist im Mai 1999 den beteiligten Regierungen vorgelegt worden (http://www.bmwi.de/Aktuelle Publikationen)
Systematische Informationen zu den Projekten des Telematikprogramms und zu einzelnen G8-Projekten sind auch über den EHTO-Server im Internet erhältlich: http://www.ehto.com.

5. Mit dem IDA-Programm (Interchange of Data between Administrations) baut die Europäische Kommission (GD III zusammen mit GD V) seit 1995
transeuropäische Netze zum elektronischen Datenaustausch zwischen Verwaltungen auf. Der Programmentwurf für 1998 bis 2000 ist Anfang 1999 im Rat und Europäischen Parlament verabschiedet worden (IDA II). Im Gesundheitsbereich gibt es folgende Projekte:

1. EUPHIN II (European Public Health Information Network) mit den Unterprojekten

- HIEMS (Health Information Exchange and Monitoring System, das mit nationaler und europäischer Gesundheitsberichterstattung verzahnt ist und später in das von den EU-Gesundheitsministern beschlossenen European Health Monitoring Programm einmündet)

- HSSCD (Health Surveillance System for Communicable Diseases - HIV, Tuberkulose)

- IHONDIA (IDA Health-related Operational Network, Database, Intranet and Application services)

- EHLASS (European Home and Leasure Accidents Surveillance Systems)

- HAEMOVIGILANCE

2. TESS (Telematics for Social Security)

3. EUROPHYT (European Network of Plant Health Information Systems)

4. TERESA (Transparent Environmental data and information Reporting and Exchange System for Administrations, Teilprojekt von EIONET (European Environment Information and Oberservation Network der European Environment Agency - EEA)

5. EIONET-NRC (EIONET mit nationalen Datenquellen verbindend)

6. EMCDDA-REITOX 2 (European Information Network on Drugs and Drug Addiction)

7. EudraNet (Telematic Network in Pharmaceuticals)

8. EudraWatch (Pharmacovigilance system)

9. IMP (Information on Medicinal Products)

Teilweise werden die Projekte unter IDA II erweitert (in EUPHIN z.B. zusätzliche Informationen zu Bluttransfusionsketten, neuen Krankheiten, Unfällen in der Wohnung und während der Freizeit einbezogen; pharmazeutische Netze sollen auf andere wissenschaftliche und ordnungspolitische Gebiete und andere Anwender, z.B. Unternehmen und Bürger, ausgedehnt werden; REITOX soll auf Mittelmeerländer, Drittländer und internationale Organisationen ausgedehnt werden.) Telematikdienste für ein Frühwarnsystem über neue synthetische Drogen (EBDD) sollen zusätzlich geschaffen werden, wie auch ein Telematiknetz für den Austausch von Kosmetikinformation.

6. Entwicklungslinien für Deutschland
Ausgehen kann man heute von einer Wechselwirkung zwischen Technikangebot, Systemanforderungen und Nutzerwünschen. Telematiktechniken haben - wie die Beispiele zeigen - heute einen Reifegrad erreicht, der es zur Rationalisierung und zur Qualitätsverbesserung geboten erscheinen läßt, sie auch im Gesundheitswesen verstärkt anzuwenden. Dies ermöglicht wiederum dem Gesetzgeber, Informationssammlungen und Informationsweitergabepflichten aufzuerlegen, die ohne EDV-mäßige Verarbeitung nicht denkbar wären.
Hier sind die Einführung von ICD 9 und ICD 10 zu nennen. Neben der Versicherungskarte (§ 291 SGB V) müssen als Datenverarbeitungsauflagen aus dem SGB V beachtet werden:

  • die administrative Erfassung von Versicherungs- und Leistungsdaten in den §§ 284 ff. (hier steht im Rahmen der Strukturreform eine Erweiterung an)
  • die forschungsmäßige Nutzung zur Gewinnung epidemiologischer Erkenntnisse in § 287 (ohne EDV-mäßige Verarbeitung wäre hier ein erstrebter wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn überhaupt nicht denkbar);
  • der Behandlungsträgerdatenaustausch (§ 295 SGB V);
  • Transparenzpflichten bei der Erfassung ärztlicher Verordnungen (maschinenlesbare Informationen der Apotheker (§ 300 SGB V));
  • Krankenhausbehandlungsdaten (§ 301 SGB V).

Indirekt werden damit EDV-Konzepte vom Gesetzgeber veranlaßt, der Einsatz von Techniken gefördert und so eine iterative Entwicklungsspirale in Gang gesetzt. Krankenhausinformationssysteme (KIS), die administrative Daten mit abteilungsbezogenen medizinischen Informationssystemen verbinden, werden zunehmend eingeführt. Ein Nachholbedarf gegenüber den USA wird aufgearbeitet, ohne dass angesichts der immer noch größeren Investitionen (ca 4 - 5 % gegenüber 3 % der Ausgaben für IT innerhalb der Gesundheitsbudgets) ein Einholen absehbar wäre.
Im Vordergrund stehen in den nächsten Jahren in Deutschland folgende Telematik-Anwendungen:

  • Elektronisches Rezept (das durch Einbeziehung von patientenbezogener Arzneimitteldokumentation und Arzneimittelinformationssystemen neben verwaltungsmäßigen Rationalisierungen Interaktionskontrollen ermöglicht)
  • Karten im Gesundheitswesen (Patientenkarten und Heilberufsausweise als Bestandteile einer verbesserten Sicherheitsinfrastruktur)
  • Sektorale und regionale Netze
  • Patienten- und Gesundheitsinformationssysteme.
  • Einführung elektronischer Patientenakten.

7. Die Vorschläge der Roland-Berger-Studie und des FORUMS INFO 2000
Derzeit wird der Einstieg der Informationsgesellschaft ins Gesundheitswesen lebhafter. Die zweite industrielle Revolution, einhergehend und bedingt durch eine qualitative Veränderung unserer Kulturtechniken, greift ins Gesundheitswesen ein. Zur Vorbereitung von Entscheidungen hat die Bundesregierung bei Roland Berger eine Bestandsaufnahme zur Gesundheits-Telematik in Deutschland in Auftrag gegeben. Sie ist unter dem Titel "Telematik im Gesundheitswesen - Perspektiven der Telemedizin in Deutschland" Anfang 1998 erschienen. Die Studie stellt Erfahrungen in den verschiedenen Anwendungsfeldern zusammen (von Patienteninformationssystemen bis zu medizinischen Netzen), beschreibt in ihrem Anhang konkrete Modellvorhaben und vermittelt Vorschläge für Einsatzmöglichkeiten für alle Träger im Gesundheitswesen.
Kritisch gesichtet wurden diese Vorschläge auch mit Hilfe der Arbeitsgruppe Gesundheit des FORUMS INFO 2000. Am 24.10.1996 hatte sich im Rahmen des Aktionsplans der Bundesregierung zur Informationsgesellschaft 2000 das Forum: Info 2000 in Bonn konstituiert. Dieses Forum vereinte die Spitzen der deutschen Industrie und Gesellschaft, um Einsatzmöglichkeiten von Telematik-Techniken und Beschleunigungsmöglichkeiten auf dem Wege zur Informationsgesellschaft zu untersuchen, einem Konsens zuzuführen und darauf aufbauend neue Konzepte und Verfahren für die jeweiligen Bereiche vorzuschlagen. Die Arbeitsgruppe Gesundheit verband Vertreter der verschiedenen Sektoren des Gesundheitswesens, Ärzte, Zahnärzte, Krankenversicherungen, interessierte Wissenschaftler und Patientenvertreter.
Das Arbeitsprogramm dokumentierte sich in drei Unterarbeitsgruppen

- Informationen für Bürger und Patienten (7.1),

- Fachinformationen und Entscheidungsunterstützung (7.2),

- patientenorientierte Versorgungsabläufe und ihre Vernetzung (7.3).

Dabei behandelte z.B. die letztgenannte Gruppe folgende Anwendungsbereiche:

a) Verzahnung des stationären/ambulanten Bereichs am Beispiel der onkologischen Versorgung,

b) medizinische Netze (unter Einschluß von Multimedia-gestützten Telekonsultationen),

c) Karten im Gesundheitswesen,

d) Home Monitoring / Telecare,

e) Informationstechnologie-Einsatz beim Qualitätsmanagement

f) Krankenhauskommunikationssysteme.

Analysen und Empfehlungen des FORUMS INFO 2000 sind im Juni 1998 als Band 105 in der Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit erschienen, begleitet von einer einführenden Broschüre.
Den Chancen modernen Technikeinsatzes stehen oftmals organisatorische Integrationsprobleme und inkonsistente finanzielle Anreizsysteme entgegen. Die Roland-Berger-Studie hat diese Zusammenhänge aufgedeckt und damit auch einen wichtigen Anstoß zum Überwinden dieser Blockadesituation gegeben.
Wenn die Studie als ein Kernanliegen die Schaffung einer Telematikplattform für das Gesundheitswesen fordert (in der Studie mit Gesundheitsplattform bezeichnet), so steht sie mit dieser Forderung nicht allein: Viele Fachleute halten die Möglichkeit heute für gegeben, bisherige Insellösungen zu vernetzen, einen Mehrwert durch Kommunikation zu erzielen, Daten und Wissen besser zugreifbar zu machen, indem Sprachfähigkeit und Kommunikationsnotwendigkeit innerhalb des Gesundheitswesens auf eine neue modernisierte Grundlage gestellt werden. Dies muß durch Schaffung und Ausbau einer jetzt schon rudimentär, aber noch nicht allgemein zugänglichen und auch noch nicht als gemeinsame Routine eingeübten Infrastruktur für elektronische Kommunikation erfolgen.

8. Telematikplattform, Aktionsforum für Telematik im Gesundheitswesen und Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Informationsgesellschaft
In Absprache zwischen den Beteiligten müssen die rechtlichen, organisatorischen und technologischen Komponenten und Dienste, die eine offene und - wo notwendig - geschützte und sichere Kommunikation und Kooperation zwischen Nutzern und Anwendungssystemen im Gesundheitswesen ermöglichen, neu geordnet werden. Auch das FORUM INFO 2000 mit seiner Arbeitsgruppe "Telematik im Gesundheitswesen", das die Optionen von Telemedizin und Telematik für das Gesundheitswesen noch näher und intensiver als die Roland-Berger-Studie exploriert hat, kommt zu diesbezüglichen Forderungen:

  • Herstellung der Interoperabilität zwischen medizinischen Informations- und Kommunikationssystemen
  • Entwicklung einer verläßlichen und gemeinsamen Sicherheitsinfrastruktur
  • Weiterentwicklung von kompatiblen Standards und Schnittstellen
  • Schaffung von materiellen Anreizen für die effektive und effiziente Nutzung der eröffneten technischen Möglichkeiten
  • Unterstützung internationaler Kommunikation und Kooperation.

Die beabsichtigte Telematikplattform, zu deren Schaffung Ende 1998 die das deutsche Gesundheitswesen tragenden Spitzenverbände auf Anregung der Bundesminister für Gesundheit und Forschung im Anschluß an die Empfehlungen des FORUMS INFO 2000 unter dem Dach der GVG ein "Aktionsforum für Telematik im Gesundheitswesen" gebildet haben, stellt in diesem Sinne kein Übersystem dar, das bisherige Einzelanwendungen integriert oder überflüssig macht. Das Aktionsforum soll dieses Engagement und die konkreten Initiativen einzelner innovativer Gruppen begleiten und vor allem durch den Anstoß von Konsensprozessen auf eine kommunizierbare Grundlage stellen. Initiativen wie regionale Netze, der Aufbau wissensbasierter Entscheidungshilfen, die Weiterentwicklung von Konzepten zum Elektronischen Rezept und zur Elektronischen Patientenakte müssen von den bisher schon engagierten einzelnen Gruppen weiterbetrieben werden, aber in Kenntnisnahme und integriert in eine harmonisierte und modernisierte Kommunikationsinfrastruktur, die den Möglichkeiten und den Forderungen des Informationszeitalters gerecht wird.
Dabei darf die Technik-Anwendung an sich nicht dominieren, sondern der erzielbare wirtschaftliche oder qualitative Behandlungsnutzen. Diesen auszuloten und Strategien zur breiteren Einführung von Telematik-Anwendungen zu diskutieren, das wird auch Aufgabe des erwähnten Aktionsforums zu Telematik im Gesundheitswesen sein. Notwendig ist, im Konsens der Beteiligten des Gesundheitswesens die notwendigen Selektionsprozesse zu diskutieren und Entscheidungen für alle Beteiligten im Gesundheitswesen vorzubereiten. Die Roland-Berger-Studie, das Sondergutachten des Sachverständigenrats 1997 und die Empfehlungen des FORUMS INFO 2000 haben hierfür eine Orientierung vermittelt, auf der sowohl gemeinsame Arbeiten als auch die Einzelaktivitäten in der Verantwortung Betroffener aufbauen können.
Ihre Verdichtung und politische Umsetzung haben diese Arbeiten auch im Aktionsprogramm der Bundesregierung "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" gefunden, das im September 1999 vom Bundeskabinett verabschiedet worden ist, (http://www.iid.de/aktionen/aktionsprogramm/index.html).

Das Kapitel zum Gesundheitswesen sieht dabei unter der Überschrift "Mehr Service für Bürger und Patienten" folgende Schwerpunkte vor:

Was gehört alles zur Telemedizin?

Telemedizin: Die Telemedizin umfasst die Anwendungen der Gesundheitstelematik, die rein medizinischer Natur sind und die die medizinische und behandlungsbezogene Zusammenarbeit von Angehörigen der Heilberufe untereinander und mit Patienten im Rahmen von Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation unterstützen.

Was heißt Telemedizin?

Definition Telemedizin – Was der Begriff bedeutet Die dafür notwendigen medizinischen Maßnahmen wie Diagnostik, Therapie oder rehabilitative Behandlungen können dabei über weite Entfernungen – und damit räumlich und zeitlich unabhängig – stattfinden oder eingeleitet werden.

Ist Telemedizin in Deutschland erlaubt?

Fernbehandlungen waren deutschen Ärzten bis vor wenigen Jahren nicht erlaubt, sind aber durch eine Änderung der Berufsordnung der Ärzte im Juni 2018 möglich geworden.