▪ Gesamttext (Recherche-/Leseversion
DRITTER AUFZUG
SECHSTER AUFTRITT
Nathan allein.
Hm! hm! - wunderlich! - Wie ist
Mir denn? - Was will der Sultan? was? - Ich bin
Auf Geld gefasst1; und er will - Wahrheit. Wahrheit!2
Und will sie so, - so bar, so blank, - als ob
Die Wahrheit Münze wäre! - Ja, wenn noch
Uralte Münze, die gewogen ward! - 1870
Das ginge noch! Allein so neue Münze,
Die nur der Stempel macht3, die man aufs Brett4
Nur zählen darf, das ist sie doch nun nicht!
Wie Geld in Sack5, so striche man in Kopf
Auch Wahrheit ein? Wer ist denn hier der Jude?
Ich oder er? - Doch wie? Sollt' er auch wohl
Die Wahrheit nicht in Wahrheit fodern6? - Zwar,
Zwar der Verdacht, dass er die Wahrheit nur
Als Falle brauche7, wär' auch gar zu klein! -
Zu klein? - Was ist für einen Großen denn 1880
Zu klein? - Gewiss, gewiss: er stürzte mit
Der Türe so ins Haus!8 Man pocht doch, hört
Doch erst, wenn man als Freund sich naht. - Ich muss
Behutsam gehn! - Und wie? wie das? - So ganz
Stockjude9 sein zu wollen, geht schon nicht. -
Und ganz und gar nicht Jude, geht noch minder.
Denn, wenn kein Jude, dürft' er mich nur fragen,
Warum kein Muselmann10? - Das war's! Das kann
Mich retten! - Nicht die Kinder bloß, speist man
Mit Märchen ab. - Er kömmt.11 Er komme nur! 1890
Dieses Werk (Nathan der Weise, von Gotthold Ephraim Lessing), das durch Gert Egle gekennzeichnet wurde, unterliegt keinen bekannten urheberrechtlichen Beschr�nkungen.
Worterl�uterungen/Hinweise/Kommentar
1 Nathan erwartet, dass er vom Sultan wegen eines Kredits einbestellt worden ist - vgl. II,6 V 1330, vgl. dazu auch die Ablehnung Nathans im Dialog mit Al-Hafi (I,3 V 424 ff. ) dem Sultan Kredit zu gew�hren und seine Bereitschaft, dem Sultan entgegenzukommen (II,7 V1353 ff.; dennoch spricht er selbst das Thema Kredit im Gespr�ch mit Saladin nicht an, sondern bietet ihm zun�chst nur seine Waren zu einem besonders g�nstigen Preis an (III,5 V 1824)
2 vgl. Saladins Aufforderung gegen�ber Nathan in III,5 V 1845
3 erst der M�nzaufdruck, der bei der �M�nzpr�gung mit einem �Pr�gestempel auf die M�nze gebracht wird, gibt der M�nze einen bestimmten Wert
4 Zahlbrett; zum Geldz�hlen kamen fr�her Bretter mit einer Einfassung au�en herum zum Einsatz; redensartlich "auf dem Brett bezahlen" = bar bezahlen
5 h: Geldbeutel
6 fordern
7 vgl. Saladins �u�erung gegen�ber Sittah in III,4 V 1739, mit der er seinen Unwillen dar�ber ausdr�ckt, Fallen legen zu m�ssen, um an Geld zu kommen;
8 Redensart: h: hatte es besonders eilig
9 "Stock" wird oft in Verbindung mit V�lkernamen zur Bezeichnung eines Menschen gebraucht, der sich mit den Sitten, Denkweisen und Einstellungen eines bestimmten Volkes oder einer bestimmten Volksgruppe vollst�ndig identifiziert; vgl. auch Verwendung des Morphems in Adjektiven wie stockblind, stockdumm oder stockfinster; man spricht auch davon, dass ein Mensch "verstockt" ist und meint dann, dass er starrsinnig, in einem hohen Grade uneinsichtig ist
10 veraltete, ins Deutsche �bernommene Bezeichnung f�r Moslem
11 Implizite B�hnenanweisung (→ Haupt- und Nebentext)
Textauswahl
Gesamttext (Recherche-/Leseversion)
III,1 - Recha und Daja warten auf den Tempelherrn
III,2 - Recha begegnet dem Tempelherrn
III,3 - Recha verarbeitet ihre Gefühle nach dem Treffen mit dem Tempelherrn
III,4 - Saladin und Sittah sprechen über die bevorstehende Zusammenkunft mit Nathan
III,5 - Erste Begegnung von Saladin und Nathan: Die Frage nach der Wahrheit
III,7 - Nathan bei Saladin: Die Ringparabel
III,8 - Der Tempelherr entscheidet sich im Selbstgespr�ch f�r seine Liebe zu Recha
III,9 - Nathan blockt den Heiratsantrag des Tempelherrn zun�chst einmal ab
III,10 - Daja enthüllt dem Tempelherrn die wahre Herkunft Rechas
IV,1 - Die zweite Begegnung von Tempelherr und Klosterbruder
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 05.05.2021