Liebe ist wenn treue

Grundlage ist das tiefe gegenseitige Vertrauen in der Partnerschaft. Das setzt man aufs Spiel, wen man den externen "Kick" sucht. Schwierigkeiten lassen sich auch anders lösen.

Liebe ist wenn treue
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Fast alle Paare wünschen sich einen treuen Partner!

Fast alle Paare wünschen sich einen treuen Partner, doch jeder Zweite geht fremd. Treue ist in den vergangenen Jahrzehnten in Verruf geraten: Treue sei, wenn man sich nicht traue. Treue sei die Weltanschauung der Gehemmten, Untreue liege in der Biologie des Menschen - so lauten die gängigsten Botschaften. Man kann es auch andersherum lesen: 50 Prozent aller Menschen sind in ihrer Partnerschaft ein Leben lang treu, jagen keineswegs einer zeitgeistigen Erlebnisrallye hinterher und fühlen sich damit gut. Was ist das Geheimnis solcher Paare, dass sie das Versprechen einlösen können, füreinander in guten und schlechten Zeiten da zu sein? Wolfgang Krüger ist Tiefenpsychologe und Paartherapeut. In seiner Partnerschaft ist er aus Überzeugung treu - und aus Liebe zu seiner Frau.

Was sind die Gründe für Untreue? Wolfgang Krüger: 60 Prozent aller Seitensprünge passieren, weil die Ehe unglücklich ist. Man hat sich auseinandergelebt. Dann begegnet man jemandem, der einen plötzlich wieder als Persönlichkeit sieht, der interessiert ist und Fragen stellt. Das ist eine große Versuchung, vor allem für Frauen. Die Untreue beginnt hier mit Gesprächen, die Erotik kommt dann dazu. Die zweite Gruppe der Untreuen sind - meist - Männer, die mit einem Seitensprung kurzfristig ihr Ego aufpolieren wollen. Die dritte Gruppe sind Menschen, die Angst vor Nähe haben. Immer dann, wenn es in der Partnerschaft besonders schön und innig ist, kommen sie in innere Bedrängnis und machen sich eine Tür auf. Das kann ein Seitensprung sein.

Was ist der Schutz gegen Untreue? Man sollte rechtzeitig merken, dass es in der Partnerschaft eine Entfremdung gibt. Das Vertrauen in der Partnerschaft wird durch einen Seitensprung so nachhaltig beschädigt, dass dann zwei Drittel aller Beziehungen scheitern. Insofern wäre es sinnvoll, rechtzeitig die Konflikte in der Ehe zu besprechen und die Lebendigkeit der Beziehung zu erhalten, denn dies ist der beste Schutz vor einem Seitensprung. Dem anderen Anerkennung zu schenken ist übrigens der zentrale Punkt für eine gelingende Partnerschaft oder Ehe. Das bindet fest aneinander.

Wenn der Mann sein Ego mit einem Seitensprung aufbauen muss, steckt dahinter meist eine tiefe Unzufriedenheit mit sich selbst. Er sollte lernen, sich anderweitig zu stärken, wenn er eine Partnerschaft haben möchte. Denn man kann es drehen, wie man es will: Ein Seitensprung ist immer eine sehr tiefe Verletzung der Partnerin oder des Partners. Wenn man Angst vor Nähe hat, muss man darüber nachdenken, woher das kommt. Man kann ein Ventil auch darin finden, dass man Freundschaften und Hobbys pflegt und sich so einen Freiraum schafft. Hobbys und Freundschaften stärken das Selbstwertgefühl und beleben wiederum die Ehe.

Biologische Gründe für Untreue gibt es übrigens nicht. Das ist eine Ausrede. Wir sind als erwachsene Menschen keine triebgesteuerten Hirnlosen. Wir können uns selbst rechtzeitig stoppen und wissen, dass jedes Verhalten Konsequenzen hat und dass Untreue Betrug ist.

Was macht man, wenn es trotzdem passiert ist? Die erste Maßnahme ist, dass der Seitensprung aufhören muss. Dann lautet die zentrale Frage: Warum ist es passiert? Im Falle von Egosteigerung und Näheangst kann man nur hoffen, dass derjenige eine Therapie macht. Wenn die Ehe nicht mehr glücklich ist, hat man selbst Einfluss, denn jeder hat zur Entfremdung beigetragen. Wenn Schock, Kränkung und Wut etwas abgeflaut sind, sollte man fragen: Was können wir beide machen? Den Seitensprung detailliert zu besprechen bringt nichts. Das ist furchtbar für den "Betrogenen", denn die Bilder bekommt er nicht mehr aus dem Kopf. Die gute Nachricht ist: 90 Prozent des Vertrauensverlustes kann man kitten. Der Fremdgeher hat jetzt die Aufgabe, mit Anerkennung, Gesprächen und Geschenken zu zeigen, dass der Partner für ihn nicht austauschbar ist und dass er sich anstrengt, weil der andere immer noch das Zentrum seines Lebens ist. Und der andere muss den Vorfall vom Partnerschaftskonto streichen und darf ihn nicht bei jedem Streit hervorholen, auch wenn das Misstrauen oft jahrelang bleibt. Denn wichtig ist: Will man die Partnerschaft weiterführen, so ist ratsam, mit jedem Gespräch und jedem Kuss die Liebesbeziehung neu zu erfinden.

Eine Anmerkung noch zu den Kindern: Kinder sind so sensibel, sie merken, wenn etwas nicht stimmt und sie wollen, dass die Eltern zusammenbleiben. Es geht also nicht, etwas vor ihnen zu verheimlichen. Wichtig ist, dass kein Elternteil die Kinder für sich instrumentalisiert und in der Auseinandersetzung gegen Mama oder Papa positioniert. Das wäre seelischer Missbrauch, der später Auswirkungen auf die Partnerschaften der Kinder haben kann.

Warum ist Treue so wichtig? Treue bedeutet, dass ich meinen Partner als einzigartig betrachte, als nicht austauschbar. Es ist ja der eigentliche Sinn einer Liebesbeziehung, dass wir einen Menschen treffen, der für uns ganz besonders ist.

Treue ist wichtig, denn was wir in einer Partnerschaft suchen, ist nicht vorwiegend Lust oder Sexualität, sondern vor allem das Erlebnis, dass zwei Menschen zusammenhalten. Das gibt uns das Gefühl, dass wir unverwechselbar sind und nicht nur beliebige Zahnräder im Getriebe des Lebens.

Die Grundlage dieser Treue besteht in dem Vertrauen zu einem anderen Menschen. Nur dann sind wir überzeugt, dass wir uns dem anderen auch mit unseren Schwächen, unseren Fehlern zumuten können, dass wir uns aufeinander verlassen können. Dann fühlen wir uns sicher und geborgen. Es ist, als würden uns mit dem anderen tausend kleine Seile verbinden.

Vertrauensvolle Liebe ist einer der wichtigsten Glücksfaktoren. Doppelleben macht auf Dauer seelisch krank. Deshalb habe ich nie einen untreuen Menschen erlebt, der auf mich wirklich glücklich wirkte. Aber ich habe oft treue Menschen getroffen, die seelisch verwurzelt waren und zufrieden mit ihrem Schicksal.

Treue ist eine Stärke, eine Kraft und sie zeigt mir und anderen, dass ich im Leben Beständigkeit habe.

Wolfgang Krüger: "Treue. Der Konflikt zwischen Vertrauen und Begehren" sowie "So gelingt die Liebe - auch wenn der Partner nicht perfekt ist", BOD 2019 und BOD 2017.

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  • von

    Ursula Kastler

  • Samstag 24. August 2019 00:02 Uhr
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